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Veröffentlicht am 08.05.2020

Ein Wimpernschlag vor dem Beginn des 2. Weltkrieges

Vor dem großen Sterben
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Mit der Tänzerin Marion Bendt, Protagonistin des Spionageromans "Vor dem großen Sterben" von Bernward Schneider taucht der Leser ins Berlin von 1939 ein. Die letzten Augusttage sind angebrochen. Das Wetter ...

Mit der Tänzerin Marion Bendt, Protagonistin des Spionageromans "Vor dem großen Sterben" von Bernward Schneider taucht der Leser ins Berlin von 1939 ein. Die letzten Augusttage sind angebrochen. Das Wetter ist wunderschön, und dennoch liegt das Unheil des nahenden Krieges schon in der Luft. Marion ist eine lebenslustige, junge Frau ohne Tabus und immer bereit zu sexuellen Abenteuern. Sie lebt ein gefährliches Doppelleben. Im Tanzlokal Coco ist sie als aufreizende Tänzerin bekannt, die mit dem Halbjuden Felix regelmäßig einen sehr freizügigen Tango auf Parkett legt und die männliche Zuschauerschaft regelrecht in Extase versetzt. Da sie mit ihrem gutausehenden Partner auch eine intime Beziehung hat, ist die Gefahr groß, dass man sie im Nazideutschland der Rassenschande bezichtigt. Desweiteren arbeitet sie für die Abwehr als Agentin und nutzt ihre Attraktivität,um ihrem Führungsoffizier Rolf Michalik Informationen zuzuspielen. So gelangt sie auch während eines Techtelmechtels mit Major Böhme an ein wichtiges Geheimdokument, dass Hitler's wahre Pläne bezüglich des Einmarsches in Polen offenbart. Als ihr Führungsoffzier kurz darauf stirbt, wird es eng für Marion und sie begreift allmählich den Ernst ihrer Lage. Man tritt an sie heran, droht ihr und erpresst sie zur Zusammenarbeit und nicht nur die Protagonistin weiß nicht mehr, wem sie noch trauen kann, auch der Leser ist verwirrt über das Auftauchen von SS, Gestapo und von geheimen Herrenclubs. Dieses "Im Dunkeln tappen", nicht wissen, wer Freund und wer Feind ist, habe ich als sehr authentisch empfunden, ein guter Schachzug von Bernward Schneider, die Spannung aufrechtzuerhalten.

Die Tänzerin Marion war mir nicht sonderlich sympatisch. So wie Schneider sie beschreibt, kommt man aber nicht umhin ihre Bauernschläue und ihre frechen Bemerkungen in brenzligen Situationen zu bewundern. Sie traut sich etwas und duckt sich nicht weg wie Andere.

Leider hat der Roman ein offenen Ende. Hier hätte ich mir einen eindeutigeren Abschluß gewünscht. Das Buch hat jetzt nicht 100%tig meinen Geschmack getroffen, war aber trotzdem eine spannende und solide historische Kriminalgeschichte, die mit Sicherheit viele Freunde finden wird.

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Veröffentlicht am 02.05.2020

Cybercalypse

Influence – Fehler im System
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Student Amir, Deutscher mit tunesischen Wurzeln ist ein typisches Kind dieser Zeit. Er ist mit dem Internet aufgewachsen und verfolgt regelmäßig den Blog des Netzaktivisten Habakuk, den er verehrt und ...

Student Amir, Deutscher mit tunesischen Wurzeln ist ein typisches Kind dieser Zeit. Er ist mit dem Internet aufgewachsen und verfolgt regelmäßig den Blog des Netzaktivisten Habakuk, den er verehrt und dessen Streitgespräche mit dem Instagramsternchen Kalliope er aufmerksam im Netz verfolgt. Er kann es kaum glauben, dass ihm die Ehre zuteil werden soll, diesen geheimnisvollen Blogger, zu dem eigentlich Keiner Kontakt bekommt, zu treffen, um ihm einen Speicherchip mit brisantem Material eines Whistleblowers zu übergeben, der einen internationalen Internet-Skandal auslösen wird. Er ist schon auf dem Weg zum Treffpunkt nach Köln, als das Internet weltweit zusammenbricht und ein Chaos ohnegleichen losbricht.

Genüsslich lässt der Autor Christian Linker seine Leser mit seinem jugendgerechten, saloppen Schreibstil im plötzlichen Chaos versinken. Die Auswirkungen einer "Cybercalypse" sind durchaus realistisch dargestellt. Ich habe immer auch ein Stück Ironie empfunden, wenn der Autor zuweilen etwas über das Ziel hinausschiesst, um unsere Abhängigkeit heute vom Netz zu verdeutlichen. Neben jeder Menge Spannung und überraschenden Wendungen habe ich auch eine Menge gelernt über Influencer, Trollfabriken, Crowdworking und mehr. Plötzlich werden Bürgerwehren aktiv, errichten Straßensperren und nutzen aus, dass die Polizei hoffnungslos überlastet ist. Der Tauschhandel blüht auf, da sich Keiner mehr Geld am Automaten besorgen kann. An den Tankstellen gibt es keinen Treibstoff mehr. Den gibt es nur noch bei Menschen die frühzeitig gehamstert haben und jetzt Wucherpreise verlangen. Es ist ziemlich erschreckend, wie viele Menschen offensichtlich in ein Steinzeitverhalten zurückfallen, und man mag sich gar nicht ausdenken, was passieren würde, würde zusätzlich zu unserer augenblicklichen Coronakrise noch ein Internet - Blackout dazukommen würde.

Der Protagonist Amir erscheint zuweilen etwas verpeilt aber sehr sympathisch, und mit ihm bekommt der Leser Einblick in das große Ganze. Das Buch war jedenfalls keine Minute langweilig und nicht nur für die jugendliche Zielgruppe spannend zu lesen.

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Veröffentlicht am 24.04.2020

Pass auf, wen Du in Dein Haus lässt

VERGESSEN - Nur du kennst das Geheimnis
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Nach dem Zusammenbruch und Selbstmordversuch ihres Mannes Adrian, sollte mit einem Neuanfang in Wales Alles besser werden. Mit Hilfe ihrer Mutter hat die Familie ein altes Pfarrhaus erstanden und es mit ...

Nach dem Zusammenbruch und Selbstmordversuch ihres Mannes Adrian, sollte mit einem Neuanfang in Wales Alles besser werden. Mit Hilfe ihrer Mutter hat die Familie ein altes Pfarrhaus erstanden und es mit viel Arbeit und Herzblut in eine kleine Pension umgebaut. Die ersten Gäste haben gebucht aber auch Familienmitglieder kündigen ihren Besuch an. Mit Unbehagen empfängt die Icherzählerin Kirsty ihre Cousine Selena mit ihrer kleinen Tochter in ihrem neuen Zuhause und ahnt schon, dass diese Unruhe, wenn nicht sogar Unglück ins Haus bringen wird. Sie hatte sich in ihrer Jugend so mit ihr überworfen, dass sie sie nie wiedersehen wollte. Verwelkte Blumensträuße. die vor ihrer Haustür abgelegt werden, erzeugen schon erstes Unbehagen, und dann kurz nach der Eröffnung, wird tatsächlich einer der Gäste schwerverletzt ins Krankenhaus gebracht.

Claire Douglas schafft es, nicht nur eine düstere Atmosphäre zu schaffen, sie deckt Geheimnisse von Pensionsgästen und Familienmitgliedern auf, die letzendlich fast Jeden verdächtig machen. Dabei ist das Buch jetzt nicht übermäßig spannend aber durch die einfühlsame Ausarbeitung der Charaktere und die kleinen Hinweise, die die Handlung vorantreiben, möchte man das Buch kaum aus der Hand legen. Insbesondere die Beschreibungen der Kinder haben mir sehr gut gefallen.

Wer einen großen Showdown am Ende braucht, ist mit diesem Buch sicher nicht so gut beraten. Für die Leser, die eine leise psychologische Spannung mögen, ist dieser Roman genau richtig.


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Veröffentlicht am 02.04.2020

Ein Rückblick zu den Anfängen der Psychiatrie

Die Tanzenden
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In ihrem Debütroman " Die Tanzenden", der im Original "Le bal des folles" (Der Ball der Verrückten) heißt und mir ehrlich gesagt viel besser gefällt als der deutsche Titel, erzählt die Autorin Viktoria ...

In ihrem Debütroman " Die Tanzenden", der im Original "Le bal des folles" (Der Ball der Verrückten) heißt und mir ehrlich gesagt viel besser gefällt als der deutsche Titel, erzählt die Autorin Viktoria Mas vom Schicksal der Frauen, die in Paris 1885 in die Salpêtrière eingeliefert wurden , der im 19. Jahrhundert wohl bekanntesten Nervenheilanstalt Europas. Stellvertretend für die vielen Frauen, die aus heutiger Sicht aus den widersinnigsten Gründen zu Verrückten abgestempelt wurden, stehen die Protagonistinnen Eugénie, Louise und Therese Pate. Aber auch die Sicht einer Pflegerin wird durch Geneviève gespiegelt, die schon 20 Jahre in dieser Einrichtung arbeitet und den führenden Professor Charcot bewundert und keine seiner Methoden in Frage stellt.

Die Autorin beschreibt diesen Ort so: "Eine Mülldeponie für all jene, die die öffentliche Ordnung gefährden. Eine Anstalt für Frauen, deren Empfindungen nicht den Erwartungen entsprachen. Ein Gefängnis für diejenigen, die sich einer eigenen Meinung schuldig gemacht haben."

In dieser durch und durch patriarchischen Gesellschaft schließt Viktoria Mas daraus : " Dass die Männer ihnen solche Grenzen aufgezwungen hatten, legte den Gedanken nahe, dass sie die Frauen nicht verachteten, sondern vielmehr fürchteten."

Die meist einfachen Frauen sind überrascht, als eines Tages die junge Eugénie aus gutem Hause von ihrem Vater in Begleitung ihres Bruders eingewiesen wird, weil sie die Geister von Toten sieht und mit ihnen sprechen kann. Die junge Frau hat wenig Hoffnung die Anstalt jemals wieder verlassen zu können. Doch als es ihr gelingt zu der obrigkeitshörigen Oberaufseherin eine Verbindung aufzubauen, schöpft sie neue Hoffnung. Sie ist zu einem Zeitpunkt in die Salpêtrière gekommen, an dem der triste Alltag der "Verrückten" voller Vorfreude auf das Ereignis des Jahres, den Ball zu Mittsommer unterbrochen wird. Es ist ein Ball, der der Pariser Gesellschaft die Gelegenheit gibt, hinter die Kulissen der berümten Nervenheilanstalt zu schauen. Die Mädchen kostümieren sich und freuen sich auf einen außergewöhnlichen Abend, die feine Ballgesellschaft hofft, den einen oder anderen hysterischen Anfall schaulustig beiwohnen zu können. Der Professor des Hauses ist auch bekannt dafür, in Hypnosevorführungnen Anfälle seiner Patientinnen zu provozieren.

All das schreibt Viktoria Mas mit leichter Feder dahin, so dass man ihren Ausführungen gerne folgt, Sympathie und Mitleid für ihre Protagonistinnen empfindet und die jungen Frauen, die sich nicht unterkriegen lassen, natürlich auch für ihren Mut bewundert. Ich habe das Buch sehr gerne gelesen, die schöne Sprache genossen aber fand es schade, dass die Hauptfigur Eugénie ausgerechnet mit Geistern spricht. Mir hätte es besser gefallen, man hätte sie für ein vorgeschobenes Vergehen weggesperrt, um sie einfach mundtot zu machen.

Trotzdem ein tolles Debüt, dass ich gerne weiterempfehle.

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Veröffentlicht am 15.03.2020

Wie die Kindheit unser weiteres Leben prägt

Neujahr
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Einem spontanen Entschluss folgend, macht sich Henning am Neujahrsmorgen ,während des Familienurlaubs auf Lanzarote, mit dem Fahrrad auf, den Atalaya Vulkan zu erklimmen. Untrainiert mit schlechter Ausrüstung ...

Einem spontanen Entschluss folgend, macht sich Henning am Neujahrsmorgen ,während des Familienurlaubs auf Lanzarote, mit dem Fahrrad auf, den Atalaya Vulkan zu erklimmen. Untrainiert mit schlechter Ausrüstung und wie er unterwegs bemerkt sogar ohne Wasser, kraxelt er dennoch die Bergstraße immer weiter hoch und reflektiert dabei sein Leben, dass in einer Krise steckt. Er steht mit beiden Beinen im Leben, hat 2 gesunde Kinder und lebt ein modernes Familienmodell mit seiner Frau, bei dem sich beide Partner gleichermaßen auch um die Kinder und den Haushalt kümmern. Doch irgendwie überfordert ihn dieses Leben, und seit der Geburt der Tochter leidet er an Panikattacken und weiß nicht warum.

Im ersten Teil des Buches, der sich fast bis zur Mitte zieht, ist Henning mit seiner Radtour beschäftigt. Der Leser partizipiert an seinen Gedanken und Emotionen. Schließlich kommt er dehydriert und entkräftet an einem einsamen Hof aus, wo die Bewohnerin seinen desolaten Zustand erkennt und ihn erst einmal bewirtet, damit er wieder zu Kräften kommt. Henning hat in dem Haus sofort das Gefühl ein Dejà Vu zu erleben. Es stellt sich heraus, dass es ein traumatisches Erlebnis in seiner Kindheit gab, dass sein Unterbewusstsein komplett verdrängt hat und das jetzt wieder zum Vorschein kommt.

Das Buch wird spannender und entwickelt einen Sog, wie in einem Krimi. Ich fand das Buch ein bisschen vorhersehbar. Wenn man aufmerksam liest, ahnt man was kommen wird. Trotzdem ist es fesselnd geschrieben und birgt Stoff zu Nachdenken. Das Ende ist mir etwas zu schnell abgehandelt. Ich vergebe gute 4 Sterne, da ich den Schreibstil von Juli Zeh sehr gerne mag. "Leere Herzen" hat mir allerdings noch etwas besser gefallen.

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