Profilbild von MissGoldblatt

MissGoldblatt

Lesejury Profi
offline

MissGoldblatt ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit MissGoldblatt über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.04.2017

So märchenhaft schön!

Das Reich der sieben Höfe – Dornen und Rosen
0

Sarah J. Maas ist hierzulande kein unbekannter Name mehr. Jeder der auch nur ein wenig mit Büchern zu tun hat, bringt diesen Namen mit außergewöhnlicher junger Fantasy in Verbindung. Und nachdem ich die ...

Sarah J. Maas ist hierzulande kein unbekannter Name mehr. Jeder der auch nur ein wenig mit Büchern zu tun hat, bringt diesen Namen mit außergewöhnlicher junger Fantasy in Verbindung. Und nachdem ich die ersten beiden Bände von der Throne of Glass-Reihe gelesen habe, war ich schon ein wenig vom Maas-Virus infiziert. Und ich habe auch bald vor in der Reihe weiterzulesen.

Doch zwischenzeitlich hat es sich ergeben, dass ich Das Reich der sieben Höfe – Rosen und Dornen (OT: A court of thorns and roses) lesen durfte. Und ich hatte keine großen Erwartungen. Warum? Weil ich durch die Sarah J. Maas-Spezialisten Zeit zu lesen oder Stehlblüten schon ahnte, dass der erste Band gut, aber auch etwas zäh sein kann. Dass der zweite Band, der ebenfalls im dtv (Das Reich der sieben Höfe – Flammen und Finsternis, voraussichtl. ET: 4. August 2017) um so vieles besser wird. Und das hat den Druck schon ungemein genommen. Denn die Erfahrung hatte ich auch mit der Throne of Glass-Reihe. Den ersten Band fand ich gut, aber den zweiten um ein vielfaches besser.

Das Reich der sieben Höfe – Rosen und Dornen hat mir gefallen. Sogar sehr. Deswegen freue ich mich umso mehr auf den zweiten Band. Nachdem die letzten Seiten aus dem Buch nämlich gelesen waren, konnte ich es schon kaum aushalten, dass nun knapp fünf Monate vergehen sollten, bis ich zurück zum Frühlingshof, Feyre und den Fae dürfte. Ich mag gar nicht dran denken.

Diese Geschichte hat es schon in sich. Ich würde nicht behaupten, dass sie perfekt ist. Und ich brauchte so meine Zeit, mich etwas einzugrooven. Der Anfang verlief nämlich sehr lange, sehr unspektakulär. Die ganze Geschichte schien mehr oder weniger vor sich hinzuplätschern, nachdem Feyre von Tamlin zu sich in den Frühlingshof geholt wird, weil sie einen Fae bei der Jagd getötet hat. Man weiß ja zu Beginn, dass zwischen Feyre und Tamlin eine große Liebe entfacht wird, aber bis die auf den Spielplan tritt, vergeht Zeit. Für den Leser, aber auch im Buch. Das wiederum fand ich gut. Auch wenn es gleichbedeutend ist mit einigen Längen im Buch, die man hier und da sicher kürzer und knapper hätte halten können.

Aber im Nachhinein würde ich es anders gar nicht wollen. Denn durch diese kleinen Passagen, in denen eher wenig bis gar nichts passiert und Feyre am Hof einfach nur vor sich hinlebt, entsteht eine Ruhe, die das Reich, in dem sich Feyre befindet, unfassbar gut einfängt und an den Leser transportiert.

Denn was ich besonders ausschlaggebend für meine Begeisterung empfinde, ist, dass dieses Buch im Gesamteindruck etwas unglaublich leichtes, beschwingtes, was ganz zartes und romantisches hat. Und ich meine nicht auf kitschiges Art und Weise. Ich meine die Art Leichtigkeit, die sich wirklich anfühlt wie ein lauer Sommerabend, in denen man mit sich und der Welt einfach im Reinen ist. Eine besondere Magie eines Augenblicks, die in diesem Buch in gewissen Szenen festgehalten und wiedergegeben wurde. Das Märchenhafte in dieser Geschichte ist kaum zu übersehen und ich verstehe nun tatsächlich die Anlehnung an „Die Schöne und das Biest“.

Es gab ein paar Stellen im Buch, die mich unglaublich fasziniert haben. Sarah J. Maas hat mich mit Das Reich der sieben Höfe – Rosen und Dornen aus dem Alltag, aus meiner Menschenwelt, herausgeholt und nach Prythian, der Fae-Welt, entführt. Und es hat sich gut angefühlt. Das lag aber auch an der Fähigkeit der Autorin die Worte klar platziert an den richtigen Stellen zu setzen, um eine ganz eigene und doch wundervolle Atmosphäre zu schaffen. Ich bin davon immer noch geplättet und begeistert. Und auch die Charaktere von Feyre, Tamlin, Lucien oder mitunter einer der bekanntesten ever – Rhysand – sind ganz eigen, aber auch in sich wieder komplett passend für jeden Part in der Geschichte. Jeder dieser Figuren hat ihre ganz eigene Stimme, ihre ganz eigene Aura, die sich instant bildet, sobald sie im Buch auftauchen.

Aber jede Medaille hat seine zwei Seiten. Und so schön und zauberhaft die Welt der Fae unter anderem auch sein mag, es gibt auch die gefährliche Welt, die düstere und brutale Seite der Fae. Und das rundet die Geschichte, die ganze Welt, ab. Macht sie für mich zu etwas Besonderem. Denn wenn es nur eitel Sonnenschein in diesem Buch gäbe, wäre es wohl kaum bei den Lesern so beliebt.

So schön und leicht ich die ersten zwei Drittel des Buches auch fand, das letzte Drittel konnte eine ordentliche Steigerung in fast allen Bereichen verzeichnen. Charakterentwicklung, Emotion, Plotentwicklung etc. Wer bis dahin Spannung und Action vermisst hat, der findet nun Befriedigung. Ich habe mit Feyre gelitten. Und gekämpft. Es war echt haaresträubend und meinen Respekt an die Autorin. Diese Intelligenz und die Entwicklung der Charaktere – einfach nur wow! Wow!

Ein bisschen Kritik muss ich dann aber doch noch loswerden. So gern ich Feyre auch mag, ich hab das Mädel echt ins Herz geschlossen, denn sie ist eine Kämpferin. Die schluckt Scheiße und Morast und geht über Grenzen und darüber weit hinaus, um für ihre Familie oder später auch für Tamlin zu kämpfen. Ich liebe sie. ABER: Sie hatte auch zu Beginn einen Hang dazu sich ein bisschen im Kreis zu bewegen, was ihre Gedanken anging. Und auch ihre Unbelehrbarkeit (ich sage nur Frühlingszeremonie) in x-facher Ausführung, hat mich manchmal kurz an ihrem gesunden Menschenverstand zweifeln lassen. Aber Feyre trägt ihr Herz auf der Zunge und das zielt nach vorne. Immer.

Und mag ich dieses angedeutete Love-Triangle gegen Ende hin? Ich weiß es nicht. Ich wäre ja mal dafür, dass das nicht immer wieder auftaucht in letzter Zeit bei fast jedem Buch, aber in der Hinsicht könnte es mir echt Spaß machen. Denn die Autorin hat ein Händchen für einschlägige Szenen. Und die beiden Herren in dem Triangle sind charakterlich gut auseinanderzuhalten. Ja, das könnte spaßig werden. Und anstrengend. Wie immer.


FAZIT

Das Reich der sieben Höfe – Rosen und Dornen von Sarah J. Maas hat mich überzeugt. Es bietet einen sehr guten Auftakt, der definitiv Lust auf mehr und vor allem Band 2 macht. Das Buch bietet einen großartigen Erzählstil, eine permanent stimmige Atmosphäre, fantastische Bilder und eine Sogwirkung, die nicht loslässt. Auf gewisse Längen hätte ich verzichten können, aber insgesamt ist es einfach top!

Veröffentlicht am 15.04.2017

Ein kreatives Potpourri

Barney Kettles bewegte Bilder
0

Barney Kettles bewegte Bilder hat mich schon in der Vorschau wie ein spieltoller Labrador angesprungen. Ich bin verliebt in das Cover und auch unten drunter (huch!) sieht es molto bene aus! Ich muss an ...

Barney Kettles bewegte Bilder hat mich schon in der Vorschau wie ein spieltoller Labrador angesprungen. Ich bin verliebt in das Cover und auch unten drunter (huch!) sieht es molto bene aus! Ich muss an der Stelle einfach mal wieder ein dickes Lob an den Verlag und an die Designerin Suse Kopp aussprechen. Das gesamte Zweisamkeit-Programm sieht großartig aus und ich bin noch immer in jedes einzelne Buch schockverliebt.

Und man mag es erstmal nicht so sehen, aber die Aufmachung zu Barney Kettles bewegte Bilder passt wie die Faust aufs Auge. Warum? Die Geschichte ist minimum genauso kreativ, bunt und anders. Und wenn ich eine Sache über alles liebe, dann das, wenn man dieses besondere Gefühl der Kreativität, diesen Moment, wenn einen die Muse küsst, wenn sich alles in deinem Blickwinkel auf diese eine Idee einschießt, einfängt und zu Papier bringt. Kate de Goldi hat hier ein kleines Wunder geschaffen. Denn schon sehr früh in dem Buch, wenn alles noch neu und frisch ist und noch nicht wirklich alles Sinn ergibt, spürt man dieses Feuer. Diese Leidenschaft. In der oft sehr besonderen Wortwahl, im Schreibstil, einzelnen Stilelementen (z. B. das Hervorheben der Orte, das Aneinanderreihen von Begriffen) und in der Geschichte selbst. In den Dialogen, in den Charakteren. In dem ganzen Setting.

Wenn ich mir vor Augen halte wie bunt und lebensfroh dieses Buch ist, muss ich lächeln. Dieses Lächeln hat sich auf den ersten Seiten von Barney Kettles bewegte Bilder eingeschlichen und geht seitdem nicht mehr weg.
Die Charaktere

Da ist Barney, der junge, zwölfjährige, etwas größenwahnsinnige große Bruder, der vom Filmemachen besessen ist. Er stürzt sich von einer Kurzfilmproduktion in die nächste und er verkörpert, für mich, die meiste kreative Energie. Er ist unglaublich zielstrebig, weiß, dass er später mit Spielberg, Allen und Co. mithalten wird können. Er sieht das. Er sieht seine Zukunft auf einem goldenen Weg gepflastert. Und du nimmst dem Kerl das ab. Du spürst als Leser die Leidenschaft, die AufregendeAlchemie, die da in Barney brennt.

Doch hinter jedem erfolgreichen Mann steht bekanntlich ja eine Frau. In diesem Fall ist das zwar Barneys kleine Schwester Ren, die nur ein Jahr jünger ist als er, aber das tut nichts zur Sache. Denn sie ist Schwester/Assistentin/Organisatorin/Kopfmensch/Schrägstrichkönigin. Zwar kann man hier und da denken, dass Barney mal einen Gang rückwärts einlegen dürfte, gerade wenn es um Ren geht, dennoch habe ich schon bald Gefallen an Barneys diktatorischen Zügen gefunden. Denn im Verlauf des Buchs erkennt man, dass Barney in Wirklichkeit ein sehr aufmerksamer, offener und einfach lustiger Typ ist. Er und Ren ergänzen sich im Buch so gut, wie es für ein Geschwisterpaar und Geschäftspartner der Kettle Productions eben nur geht. Und insgeheim ist Ren die gute Seele des Buches, was ein Gleichgewicht schafft.

Doch mal Butter bei die Fische. Worum geht es denn genau in Barney Kettles bewegte Bilder? War’s das schon mit dem Kreativitäts-Filmgedöhns rund um Barney und Ren?

Nope.


Die Geschichte

In dem Buch geht es im Barney und Ren, die in ihrer Straße, der High Street, einen Dokumentarfilm drehen möchten. Nachdem die letzten Kurzfilme eher auf fiktive Geschichten basiert hatten, fällt es den beiden bei einem ihrer Produktionsmeetings wie Schuppen vor die Augen. Jeder Mensch bietet eine eigene Geschichte. Eine ganze Straße bietet Unmengen an Geschichten, die erzählt werden wollen. Kettle Productions macht sich an die Arbeit. Und was anfangs eher gemächlich anfängt und auf den Leser sehr ruhig, ja, vielleicht langweilig wirken kann, kommt die erste Wendung im Buch.

Als Ren und Barney an einem ihrer Drehtage auf einen Umschlag stoßen, mit der Aufschrift „DU“ und einem darin enthaltenden Zine (gesprochen „Zeen“; wie Teen) beginnt eine ganz eigene und wunderbare Schnitzeljagd, die Charme, Witz und Esprit aufweist. Denn hinter diesen Umschlägen mit dem immer enthaltenden Zine steckt ein Abenteuer mit dem Titel „Orange Boy lebt“. Was es genau damit auf sich hat, das sollte jeder Leser selbst herausfinden. Doch eins sei noch gesagt, die heile und sichere Welt von Ren und Barney bekommt einen Knacks. In ihren jungen Jahren werden die beiden mit einer Thematik konfrontiert, die sehr besonders ist und die Autorin auf leichte, aber doch eindringliche Art übermittelt. Das ist übrigens auch der Grund, weswegen es nicht ein einfaches Kinderbuch ist, sondern ein Buch, was zu Recht den Titel eines Königskindes trägt.

Schlussendlich könnte man meinen, das wäre es dann gewesen und es würde sich nur noch um Barney, Ren, Orange Boy und den Dokufilm drehen. Was es nicht tun wird. Es wird noch eine Wendung im Buch geben, die ich selbst beim Lesen nicht vorhergesehen habe. Und die hat mir tatsächlich den Rest gegeben, die hat das Buch auf einen ganz neues Level gehoben. Zwar war das Buch insgesamt eher ein ruhiges, welches unaufgeregt die verschiedensten Charaktere und Lebensstile und den Dorfcharakter einer ganzen Straße einfängt, und somit könnte man auf den einen dicken Knall warten, aber das tut man nicht.

Ich bin gerne in die High Street eingetaucht, bin den unterschiedlichsten Figuren wie z. B. Brown Betty, Suit oder der Unveröffentlichte Dichter begegnet und habe mich einfach wohl gefühlt.

Barney Kettles bewegte Bilder ist ein buntes Potpourri. Eine junge und wunderschöne Geschichte, die Spaß macht und den Leser zum Schmunzeln bringt, aber dabei nicht den Ernst des Lebens vergisst und dazu einige Überraschungen und großartige Szenen bietet. Außerdem ist dieses Buch ein großartiger Beweis dafür, dass junge Bücher definitiv ohne Lovestory auskommen. Das es nicht immer irgendwelche Love Interests geben muss.


FAZIT

„Molto großartig“! Barney Kettles bewegte Bilder ist ein zartes, unglaublich kreatives Wohlfühl-Buch mit ganz viel Subtext und einer unerwarteten, aber heftigen Wendung. Barney Kettles Geschichte mag unscheinbar wirken, entpuppt sich aber als kleiner Wolf im Schafspelz. Wer auf bunte Charaktere und Dialoge steht, wird hier 1 A bedient.

Veröffentlicht am 15.04.2017

Unglaublich berührend und unvergesslich

Der Koffer
0

Vorneweg muss gesagt werden, dass die Themen in Der Koffer für den einen oder anderen Leser auch Trigger darstellen könnten, da manche Szenen gewisse Emotionen sehr bildlich und intensiv an den Leser herantragen. ...

Vorneweg muss gesagt werden, dass die Themen in Der Koffer für den einen oder anderen Leser auch Trigger darstellen könnten, da manche Szenen gewisse Emotionen sehr bildlich und intensiv an den Leser herantragen. Das Buch ist nicht ohne. Es behandelt so einige Themen, die nicht unproblematisch und nicht weniger traumatisch sein könnten. Nicht umsonst ist es erst ab 16 Jahren empfohlen. Bei jemand jüngeren würde ich auch nicht wollen, dass man es „einfach so“ liest.

Und verdammt ja, das macht das Buch zu dem, was es ist. Nämlich eines der besten und bewegendsten Bücher, die ich seit langem gelesen habe. Allein wenn ich an das Buch und einzelne Szenen denke, kommen mir die Tränen oder ich bekomme einen dicken Kloß im Hals. Der Koffer ist ein Buch, was dich als Leser nicht loslässt. Das fängt mit dem Lesen an. Selten lese ich ein Buch mit etwas mehr als 400 Seiten an einem Wochenende durch. Aber hier fiel es mir so leicht. Weil es wirklich gut war. Und ich permanent meine Finger nach dem Buch ausgestreckt habe und es kaum erwarten konnte endlich weiterzulesen.

Klar, das kann man ganz nüchtern und objektiv betrachtet dem sehr flüssigen, wortgewandten und doch klaren Schreibstil der Autorin verdanken. Dass sie es schafft, Worte zu Bildern umzuwandeln, jedem Charakter eine eigene Stimme, eine unverwechselbare Aura zu geben. Dass durch die Perspektivwechsel zwischen Julian und Adam eine dynamische Tiefe in der Geschichte erzielt wird. Man kann auch den Lektoren und den Übersetzern ein Dankeschön zukommen lassen, die diese Geschichte im Feintuning abgerundet haben.

Aber dann ist da noch der nackte Plot. Und der ist jetzt nicht auf Nervenkitzel gepolt oder überraschend. Denn nach den ersten Seiten, nach dem ersten Auftauchen aller Figuren im Buch, weiß man, wo das wohl alles endet. Dass da ein dicker Knall kommt. Und der kommt. Und der pustet deine Emotionen ordentlich durch. Es geht vielmehr darum, dass dieser Plot, diese Geschichte eine bedeutende Geschichte erzählt. Eine Geschichte, die tiefschürfend ist, die grausam ist, die aber auch Hoffnung in den hintersten Winkel deiner Vorstellungskraft aufkeimen lässt.

Der Koffer macht dich fertig. Die Emotionen wechseln zwischen Bedrückung, Trauer, Hoffnung, Witz und Glück und unzähmbare Wut. Oh, diese Wut.

Es ist ganz grausam diese Geschichte zu lesen und nichts tun zu können. Den Figuren dabei zuzusehen, wie sie kleine und große Entscheidungen treffen, die Konsequenzen haben, die ich gar nicht erwähnen mag. Und das absurde ist, dass dich diese Geschichte eben auch so glücklich macht. Mir kullerten nicht selten dicke Tränen das Gesicht runter, während ich stumm lächelte. Es ist eine Achterbahn der Gefühle. So fürchterlich klischeehaft das auch klingt. Das Buch ist es nicht.


Die Charaktere

Julian ist vierzehn und von Seite eins an merkt man ihm einfach an, dass er es nicht leicht hat. Es wäre gemein zu sagen, dass ich ihn bedauere, allerdings war es eben so. Ich konnte mich in ihn zu 100 % hineinversetzen. Julian ist in sich gekehrt, wird von seinen Mitschülern gemobbt und hat eigentlich keinen Platz an dem er sich wirklich zuhause fühlt. Er ist allein. Er ist einsam. Und als wäre das nicht schon genug, hat er eine richtig dicke Niete gezogen, was seinen Vormund angeht. Onkel Russell ist nämlich nach außen hin der erfolgreiche, sehr disziplinierte Kerl, der es ja nur gut mit Julian meint. Ehm. Nein. Dem ist nicht so.

Doch der Zufall, das Schicksal, was auch immer da mitgespielt hat, meint es nach langer Zeit auch endlich mal gut mit Julian. Er begegnet seinem ehemaligen Pflegebruder Adam. Adam ist ein mega Kerl. Und das meine ich zu 1000 %. Er ist all das was Julian braucht. Was jeder in so einer Situation, in der Julian ist, braucht. Adam ist der Balsam, die Seele dieses Buches, die Stimme des Lesers. Er ist für seine 17 Jahre unglaublich gelassen. Wenn ich in seinem Alter so in mir geruht hätte, hätte ich heute wohl die Gelassenheit einer 50-jährigen. Adam lockert die ganze Geschichte mit seinem Wesen auf.

Besonders die Begegnungen zwischen Adam und Julian sind kleine Sonnenscheininseln im Buch. In diesen Situationen erfährt Julian Akzeptanz und Respekt, die er nicht oft erfährt. Adam mag man einfach. Jeder tut das. Alle im Buch. Trotz seiner Hummeln im Popo (er leidet an ADHS). Und im späteren Verlauf spürt man als Leser wie gut Adam die Rolle des großen Bruders steht. Und obwohl die beiden nicht blutsverwandt sind, würde Adam wirklich alles für Julian tun, damit es ihm besser geht (ich bekomme gerade wieder Tränen – es ist irre).

Wie ich schon erwähnt habe, ist Der Koffer eher ruhig. Aber das ist absolut nicht negativ. Denn diese Ruhe ist wohl willkommen. Denn dazwischen liegen ganz viele düstere und bedrückende Szenen und gegen Ende zieht Robin Roe auch spannungstechnisch nochmal an. Was ich persönlich nicht gebraucht hätte. Denn die vielen sehr nahegehenden Szenen sind aufreibend genug für den Leser. Allein das Echo des Buches. Ich hab es jetzt vor fast zwei Wochen ausgelesen und es ist noch alles da. Jede Gefühlsregung.

Ohne groß künftigen Lesern alles vorweg zu nehmen, lässt sich die Geschichte insoweit zusammenfassen, dass es eben um Julian und Adam geht. Beide unterschiedlich in ihren Persönlichkeiten wie Tag und Nacht. Es geht um die unterschiedlichen Facetten ihres Lebens und eine sehr schöne und rührende Verbindung, dieser beiden Leben. Und eben sehr viel Dunkelheit. Entschuldigt, wenn dieser Abschnitt sehr kurz ist, aber jeder sollte seine eigene Erfahrung mit der Geschichte und der Autorin machen. Und ich hoffe, wir bekommen als Leser die Gelegenheit mehr Bücher von der Autorin zu lesen. Denn auch wenn das hier starker Tobak ist, ist das eben die Art von Buch, die mich bis ins Mark erschüttert und die eine unvergleichliche Leseerfahrung mit sich zieht.


FAZIT

Der Koffer von Robin Roe hat mich tief berührt, auf eine ganz besondere Art mitgenommen und wird mir noch lange im Kopf bleiben. Definitiv ein Jahreshighlight. Und so grausam und wunderschön zugleich das Buch auch ist, ich kann es nur jedem empfehlen. Lest es, fühlt es, liebt es.

Veröffentlicht am 26.02.2017

Jetzt schon ein Jahreshighlight

Ich wollte nur, dass du noch weißt ...
0

So viele Briefe. Und jeder erzählt eine eigene Geschichte. Jeder erzählt ein eigenes Schicksal.

Emily Trunko hat es mit ihrem Tumblr-Blog geschafft, dass Menschen ihre Herzen öffnen, ihre geheimen Gedanken ...

So viele Briefe. Und jeder erzählt eine eigene Geschichte. Jeder erzählt ein eigenes Schicksal.

Emily Trunko hat es mit ihrem Tumblr-Blog geschafft, dass Menschen ihre Herzen öffnen, ihre geheimen Gedanken und Gefühle mit der Welt teilen. Ich wollte nur, dass du noch weißt… ist ein einzigartiges Buch, welches nicht so kurzweilig ist, wie es sein schmales Äußeres vermuten lässt.

Ich wollte nur, dass du noch weißt… von Emily Trunko ist so ein besonderes Buch. Ich musste das alles ein bisschen sacken lassen, weil mir auf Anhieb nicht die richtigen Worte dafür einfallen wollten. Und ich bezweifle, dass ich das jetzt schon kann. Aber es muss raus.

Ich folge dem Leitgedanken dieses Buches: Nämlich Inperfektion. Nur das Ich wollte nur, dass du noch weißt… das in Perfektion macht.

Wer hier auf eine junge fiktive Geschichte gehofft hat, der liegt falsch. Aber das ist hoffentlich schon allgemein bekannt. Stattdessen findet der Leser ein kleines Sammelsurium an Briefen wieder, die alle mal auf Emily Trunkos Tumblr-Blog erschienen sind. Einzigartig und bewegend.

Eigentlich könnte ich nach den letzten beiden Adjektiven die Rezension beenden, denn diese zwei Worte beschreiben jeden Brief, jede Seite dieses Buches.

Doch ein paar Dinge gibt es doch noch zu sagen.

Wie bereits erwähnt beinhaltet das Buch eine große Ansammlung von Briefen. Die sind mal nur wenige Sätze lang, mal gehen sie über zwei Seiten. Aber jeder Brief an sich ist sehr schnell gelesen, weswegen diese ca. 190 Seiten des Buches (das Buch hat übrigens keine Seitenanzahl, dafür aber ein Lesebändchen, was das Wiederfinden erleichtert) kaum ins Gewicht fallen und man schneller durch ist, als einem lieb ist.

Denn man mag in diesem Buch verweilen. Man verliert sich ein wenig darin. Jedenfalls hab ich es so empfunden. Ich hab schon von gewissen anderen Stimmen gehört, die dieses Buch an einem Tag durch hatten. Was absolut okay ist. Dagegen hab ich jeden Abend vor dem Schlafengehen ein paar Seiten oder einen ganzen Abschnitt, wie z. B. den zu dem Oberbegriff „Verlust“, „Liebe“ oder „Verrat“ gelesen. Und habe jede Seite genossen. Mich hier und da wiedergefunden; ich musste seufzen, mitleiden und mich freuen.

Die Aufmachung, die wir Lisa Condgon zu verdanken haben ist nämlich wunderschön. Irgendwie kindlich, sehr jung, aber auch sehr künstlerisch und wie ich finde, passend zu jedem einzelnen Brief. Jede einzelne Seite ist ein kleines Kunstwerk und macht das Buch und das Leseerlebnis zu etwas ganz besonderen. Und aus diesem Grund war für mich schon nach wenigen Seiten klar, dass dies das perfekte Buch zum Verschenken ist. Denn jeder Beschenkte wird sich irgendwo zwischen diesen Seiten wiederfinden. Jeder.

Doch warum ist man so begeistert, nachdem man das Buch gelesen hat? Wieso sollte man nicht einfach auf den Blog von Emily Trunko gehen und dort all diese Briefe lesen? Denn das kann man. Jeden Tag finden anonyme Briefeschreiber dort ihre Plattform, um ihre geheimen, unausgesprochenen Gefühle und Gedanken zu offenbaren. Gerade aber die Aufmachung und die Form des Buches, machen die Briefe und das Lesen dieser, zu einer ganz intimen und wohligen Sache. Und ehrlich? Ich wäre ohne das Buch niemals auf diesen Blog gestoßen. Oder nicht so schnell.

Und die bereits erwähnte Intimität ist so schön. Da sind nur du und das Buch und jede einzelne Geschichte, jedes einzelne Schicksal, welches sich hinter jedem Brief verbirgt. Mit dem Bewusstsein, dass jeder Brief einen realen Hintergrund hat, dass dies keine Fiktion ist, sind Tränen, Gänsehaut und Begeisterung vorprogrammiert.

Fazit
Ich wollte nur, dass du noch weißt… von Emily Trunko ist auf besondere Weise eins meiner Highlights für 2017 geworden. Besonders im Abschnitt Verlust, brauchte ich mehr als einmal ein Taschentuch um die Tränen zu trocknen. Aber auch jeder andere Abschnitt ist einfach nur wunderschön und die viel zu wenigen Lesestunden wert.

Veröffentlicht am 22.12.2016

Großartiges, gefühlvolles Jugendbuch

Ich gebe dir die Sonne
0

Ich habe null Erwartungen an das Buch gehabt, als ich das erste Mal davon gehört habe. Ich habe null Erwartungen gehabt, als Anna von Ink of Books das Buch weg inhaliert hat und mit Begeisterungskonfetti ...

Ich habe null Erwartungen an das Buch gehabt, als ich das erste Mal davon gehört habe. Ich habe null Erwartungen gehabt, als Anna von Ink of Books das Buch weg inhaliert hat und mit Begeisterungskonfetti um sich geschmissen hat. Deswegen ist es umso schöner, wenn man dann von einem Buch trotz der gehypten Stimmung um einen herum mitgerissen, entführt und beseelt wird, wie es halt hier der Fall war. Wenn es dich auf eine ganz eigene Art mitnimmt und begeistert.

Ich gebe dir die Sonne von Jandy Nelson ist mir schon vor Monaten im Vorschauprogramm vom cbt Verlag aufgefallen. Später, als ich dann meine Wunschliste etwas sortiert habe, fiel das Buch tatsächlich raus. Ich weiß sogar nicht mehr wirklich warum. Es schien mir laut Klappentext etwas zu jung, etwas zu leicht. Tja. Und eben das ist es auch. Aber ohne das „zu“. Gleichzeitig ist es das aber nicht. Überraschenderweise ist es sehr tiefgründig, zwischenmenschlich, empathisch und vielfältig.

Die Geschichte fängt leicht, sehr interessant an. Da ist dieses Geschwisterpaar. Noah und Jude. Zwillinge obendrein. Aber zweieiig und unterschiedlich wie die Sonne und der Mond. Wie Tag und Nacht. Sie teilen die Welt untereinander auf, das ist ihr Ding, und dieses Ding ist auf eine Metaebene so grandios gewählt, um diese Beziehung zwischen Noah und Jude zu beschreiben, ja, vielleicht irgendwie zu fassen zu bekommen. Die beiden sind zu Beginn der Geschichte erst junge 13 Jahre alt. Also gerade in den ersten schlimmen Zügen der Pubertät und das schlägt sich auch in der Sprache nieder. Was definitiv nicht schlecht war. Denn so entstanden witzige Worte, urkomische Dialoge und Situationen, die einen selbst ein wenig in Verlegenheit bringen. Und dazwischen ist alles so unfassbar schön beschrieben. So eindringlich und voller Leben, auch wenn der Tod in diesem Buch eine nicht unwesentliche Rolle spielt.

Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll, wie ich anfangen soll, Jandy Nelsons Schreibstil in Worte zu fassen. Er ist für viele etwas speziell, aber ich liebe das. Er ist bunt, er ist metaphorisch as hell, kreativ, lebendig und so voller Esprit und Originialität. Und Witz! So viel Witz! In jedem Wort, in jedem inhaltlichen Fitzelchen an Kontext, sprüht die Künstlerader von Noah und Jude, den beiden Protagonisten, mit. Jeder der ein Mikrokubikzentimeter Kreativität in sich schlagen spürt, wird in diesem Buch in seiner Form, in dem wie die Kreativität dort beschrieben wird und ihren Stellenwert bezieht, ein großes Jaaaa! wiederfinden.

Unabhängig von dem Inhalt, den Charakteren oder dem Verlauf der Geschichte, spürt man, dass Kunst und Kreatives Schaffen das zentrale Thema ist. Die Leidenschaft die man dafür verspürt. Aber auch den Zweifel, manchmal den Hass. Manche Szenen, in denen Noah und Jude, jeder für sich, kreativ arbeiten, haben mich einfach nur aufgrund ihrer Intensität berührt. Durch das was Kreativität schaffen kann. Am Menschen selbst, der sie ausübt. Ich verheddere mich hier in Worte, aber ich krieg es kaum gekettet, meine unfassbare Bewunderung und Begeisterung dafür niederzuschreiben.

Doch kommen wir wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Ich bin von dem Buch begeistert. Ich habe es verschlungen, geliebt und bin instant Fan von der Autorin geworden. Die Geschichte ist fesselnd, nie langweilig, hat ihre Ups and Downs durch die Erlebnisse von Noah und Jude. Und dazu kommen noch Wendungen, die ich so nicht geahnt oder erwartet hätte. Das ist großartig. Man fängt dieses Buch an und weiß eigentlich nicht, wo das alles enden soll.

Als Leser finden wir uns abwechselnd in Noahs oder Judes Kopf wieder. Dazu begleiten wir sie aber nicht nur als 13-jährige Teens, wir bekommen in Rückblenden und auch in der Gegenwartserzählung reifere, ältere Zwillinge zu Gesicht. Und die Erlebnisse dorthin sind vielfältig. Ich mag natürlich nicht wieder zu viel vorweg nehmen, deswegen orientiere ich mich da ein wenig am Klappentext. Es ist bekannt, dass sich die beiden durch ein Ereignis entfremdet haben. Man mag erstmal nicht glauben, dass sowas überhaupt bei Zwillingen geht. Aber hier ging es. Und es war authentisch.

Daneben finden wir – ich will nicht sagen standard-pübertäre Themen – aber ähnliches. Da ist zum Beispiel die Homosexualität von Noah. Der natürlich noch ein bisschen damit hadert das öffentlich zu machen und so seine Unsicherheiten bei dieser Geschichte mit sich trägt. Vor allem als er Brian kennenlernt und alles einfach wunderbar, wie auch schrecklich für Noah wird. Und Jude, die mir anfangs so gar nicht wirklich gefallen wollte, weil sie zickig, ungestüm und irgendwie kalt wirkte. Ich wollte es kaum glauben, aber später war es für einen Moment anders herum. Ich fand Jude großartig und Noah schrecklich distanziert. Wenn man aber in der Geschichte drin ist und alles weiterverfolgt, erklärt sich alles. Es gibt für mich am Schluss nicht irgendwas, was ich noch beantwortet haben möchte.

Ich gebe dir die Sonne ist ein junger Roman voller Leben und Liebe. In jede mögliche Richtung. Sei es die Liebe zum Bruder oder zur Schwester. Zu einem Kerl, egal ob man selbst einer ist oder ein Mädchen. Es geht um die Liebe zu den Eltern, zwischen den Eltern und Liebe die über den Tod hinaus geht. Die uns begleitet. Die auch über gewohnte Strukturen hinaus geht.

Die Geschichte ist nicht perfekt. Aber welche ist das schon? Auch Jandy Nelson hat trotz ihres eindrucksvollen Schreibstils und dieser wunderbaren Vielfältigkeit und Tiefe ihrer Charaktere hier und da kleine Schwächen. Da ist zum Beispiel dieses unfassbare Klischee von den Haarsträhnen, die dem Love-Interest ins Gesicht fallen, oder dass ein Junge plötzlich alles wieder okay macht und ein Mädchen ihren Jungen-Boykott für diesen Einen eben wieder aufgibt. Oder dieses schrecklich verträumte Dahinstarren und Sabbern, wenn die Hormonschleusen geflutet werden. Ja. Okay. Das ist nicht Jedermanns Ding. Aber alles andere, der Inhalt, die Entwicklung der Geschichte und die der Charaktere haben mich vom Buch überzeugt. Da mag ich dann über solche kleinen Dinge hinwegsehen.

Und zum Schluss möchte ich den Punkt betonen, der mir wirklich Tränen in die Augen gejagt hat. Die letzten zwei Sätze. Die waren perfekt. Haben das Buch abgerundet und eine positive Botschaft hinterlassen. Hach.


Fazit

Ich gebe dir die Sonne von Jandy Nelson ist wieder so ein Programmbuch. Da passt der Titel wie die Faust aufs Auge. Dieses Buch gibt dir die Sonne. Es gibt dir wunderbare Lesestunden, die unabhängig von der Zielgruppe und dem Alter, die Kreativität, die Kunst in ihrer Art honoriert. Die Umsetzung ist nicht immer perfekt, wird aber durch Botschaft und Verlauf der Geschichte wieder wett gemacht. Ich kann es nur empfehlen und hoffe, dass der eine oder andere von euch da draußen, diesem Buch eine Chance gibt.