Ein hanseatischer Krimi
Verirrt„Verirrt“ von Nika Michaelis ist der Krimiauftakt zu einer Reihe, in deren Mittelpunkt die Hamburger Kommissarin Carmen Kollinger steht. Das Setting und der Ermittlungsfall rund um eine Nervenheilanstalt ...
„Verirrt“ von Nika Michaelis ist der Krimiauftakt zu einer Reihe, in deren Mittelpunkt die Hamburger Kommissarin Carmen Kollinger steht. Das Setting und der Ermittlungsfall rund um eine Nervenheilanstalt ist interessant aufbereitet und bot mir einen breiten Nährboden für Spekulationen.
Der Einstieg in die Geschichte ist packend, denn er beginnt mit dem Fund einer Leiche und der Einführung des Ermittlerteams. Schon hier kristallisiert sich heraus, dass Nika Michaelis richtige Charaktertypen ausgearbeitet hat. Das Spektrum der Figuren ist breit gefächert und das macht es im Verlauf leicht, die Vielzahl an Personen überblicken zu können. Anfänglich hatte ich damit aber große Schwierigkeiten, da die Figuren recht rasch und in hoher Zahl eingeführt wurden. An dieser Stelle hätte ich mir zu Beginn ein Personenregister gewünscht.
Generell führt der auktoriale Erzähler bis auf wenige Kapitel konsequent durch die Handlung, gewährt mir dabei aber großzügige Perspektivwechsel. So gelingt es der Autorin mir einen intensiveren Blick auf die Ermittlungsarbeit, aber auch auf die Psychologie und Hintergründe einer Nervenheilanstalt inklusiver verschiedenster interner Abläufe zu ermöglichen. Der Schreibstil unterstützt dies, obwohl er meistens ziemlich salopp daherkommt und trotz Direktheit bisweilen distanziert wirkt. Aber die Schreibweise passt sich den unterschiedlichen Charakteren an, die ich während der verschiedensten Ereignisse begleiten darf. Übrigens dürfen auch zwei Figuren gelegentlich Plattdeutsch reden. Persönlich denke ich, das muss der Lesende mögen, aber es passte hervorragend zum hamburgischen Setting.
Generell wirkt die Atmosphäre von „Verirrt“ recht düster. Doch grausige Szenen fehlen, sie werden nur angedeutet und damit der Fantasie des Lesenden überlassen. Für einen Krimi finde ich das völlig in Ordnung.
Gut gefallen hat mir, dass die Ermittler auf Augenhöhe miteinander interagieren und durch die Einblicke in ihre Privatleben die Charaktere mehr Tiefgang erhalten. Das macht sie menschlich und authentisch.
Trotz der ganzen guten Punkte ist „Verirrt“ anders als erwartet für mich gewesen. Teilweise hatte ich das Gefühl, es sei zu zäh erzählt und auch die ständigen Sprünge in den Perspektiven raubten mir manchmal schlicht die Spannung. Dabei sind die Wendungen durchaus überraschend und geben der Story eine gut durchdachte Dynamik.
Aber es gelang mir dennoch nicht, einen Zugang zu den Figuren zu finden und hatte immer das Gefühl, eine Beobachterin zu sein. Mich berührten die Ereignisse nicht und besonders beim Finale hatte ich eher den Eindruck, durch ein Labyrinth zu wandeln. Vielleicht ist das beabsichtigt, ich jedoch hatte das Gefühl, abgehängt worden zu sein.
Die Auflösung des Falles ist schlüssig und hat mich überrascht. Dennoch bin ich mir unsicher, ob es für mich ein Wiedersehen mit Carmen Kollinger geben wird.
Fazit:
Ein hanseatischer Krimi mit starken Charaktertypen und einem interessanten Fall. Mich konnte das Buch nicht mitreißen, aber ich habe mich insgesamt gut unterhalten gefühlt. Ein solider Reihenauftakt.