Ein beeindruckender Auftakt einer Familiensaga
Grandhotel Schwarzenberg – Der Weg des SchicksalsSchon zu Beginn fiel mir Sophie Oliver Schreibstil besonders auf. Er war sehr unaufgeregt und kam ohne Effekthascherei aus. Trotzdem schaffte sie es, die Situationen so einzufangen, dass diese mich auf ...
Schon zu Beginn fiel mir Sophie Oliver Schreibstil besonders auf. Er war sehr unaufgeregt und kam ohne Effekthascherei aus. Trotzdem schaffte sie es, die Situationen so einzufangen, dass diese mich auf unterschiedliche Weisen berührten. Dieser beinahe schon nüchterne Erzählstil sorgte dafür, dass die Seiten nur so dahinflogen und ich in diese Geschichte förmlich hineingezogen worden bin.
Dabei achtete Sophie Oliver darauf, dass die Szenen nie unter der Last von Emotionen zusammenbrachen, sondern nahm sogar Abstand von ausführlicheren Beschreibungen. Dadurch erzeugte sie so eine ergreifende Atmosphäre, derer ich mich nie entziehen konnte und die vorherrschenden Gefühle mich oft mit übermannten.
Mithilfe des personalen Erzählers durfte ich mehreren Figuren folgen. Hauptsächlich waren es jedoch Anna und Katharina. Beide in ihrem Charakter so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Aber auch von ihrem gesellschaftlichen Stand her. Während Anna eine arme Häuslerin war, war Katharina eine angesehene Bürgerin Bad Reichenhalls.
Anna schloss ich sofort ins Herz und ihre erlebten Tragödien trafen mich persönlich sehr. Sie tat mir unheimlich leid. Auf der anderen Seite zeigten diese Schicksalsschläge aber auch gnadenlos, wie hart die Zeit damals gewesen ist. Vor allem für die arme Bevölkerung.
Doch Anna gab nie auf, egal wie schlimm es gerade auch gewesen sein mag, dafür bewunderte ich sie sehr. Besonders mochte ich ihre Güte und vor allem ihre Charakterstärke. Nie wurde Anna ausfallend und ihre zugewandte, freundliche Art war mir sehr angenehm.
Katharina war mir am Anfang sehr unsympathisch. Sie hatte das Glück, in eine gut betuchte Familie hineingeboren zu werden, in der Wohlstand das Leben angenehm machte und ihr einen gewissen Standard sicherte. Dass Katharina keine Ahnung von der harten und brutalen Welt der niedrigeren Stände hatte, merkte ich besonders dann, wenn sie sich wieder einmal unmöglich gegenüber der Hausangestellten benahm.
Aber auch für sie hielt das Karma eine derbe Überraschung bereit. Auf der einen Seite empfand ich so etwas wie Mitleid mit ihr, auf der anderen Seite dachte ich mir, dass es ihr schon irgendwie recht geschah. Auch hier zeigte Sophie Oliver sehr eindrücklich, was damals so üblich war und welche Regeln es in der Gesellschaft gegeben hatte.
Sowohl Anna als auch Katharina entwickelten sich im Verlauf der Ereignisse weiter und wirkten zum Ende hin wesentlich reifer als zu Beginn. Katharina schaffte es sogar in meiner Achtung zu steigen. Auch wenn sie noch immer kein Lieblingscharakter von mir war, begann ich sie langsam zu mögen.
Prinzipiell wurden alle Figuren mit sehr viel Hingabe und Authentizität ausgearbeitet. Selbst Randfiguren strotzten nur so vor Leben. Damit machte es mir Sophie Oliver auch unglaublich leicht sie alle problemlos auseinanderzuhalten und ich hätte die Übersicht der Figuren der Handlung zu Beginn des Buches gar nicht benötigt.
Ein Antagonist aus dem Buch stach mir besonders sauer auf, der Sauhändler Veit Talhofer. Im wahrsten Sinne des Wortes ein widerliches Schwein und besonders an ihm trat die Niedertracht besonders stark hervor.
Generell herrschte in dieser Geschichte oft eine drückende Atmosphäre, durchzogen von Heimtücke, Missgunst und jeder Menge Intrigen. Und dennoch gelang es Sophie Oliver diesem Buch auch das Licht der Hoffnung zu schenken. Wie gebannt verfolgte ich die Entwicklungen und hoffte auf glückliche Fügungen.
Unterstrichen wurde das Ganze mit reichlich undurchschaubaren Wendungen, die nicht nur die Spannung kontinuierlich hochhielten, sondern auch dafür sorgten, dass ich süchtig nach den Figuren und ihrer Leben wurde.
Der Schauplatz der Handlungen, Bad Reichenhall, war unglaublich schön gewählt. Vor der Kulisse des exklusiven Kurortes, eingerahmt mit seinen malerischen Alpen, stachen die Tragödien in vollem Kontrast hervor.
Ganz am Ende des Buches findet sich noch ein ausführliches Glossar, welches den positiven Gesamteindruck dieses historischen Familiensagaromans abrundete. Beim gesamten Buch war spürbar gewesen, dass Sophie Oliver genauestens recherchiert hatte und damit die Zeit zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts gekonnt zum Leben erweckte.
Fazit:
Ein beeindruckender Auftakt einer Familiensaga, die alles für eine ausgezeichnete Unterhaltung mitbringt. Spannung, Drama, Tragödien, Hoffnung und Liebe. Ich bin jetzt angefixt und werde auch die anderen Teile lesen. Denn ich muss wissen, wie es mit Anna weitergeht.