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Veröffentlicht am 27.06.2018

Auf zu neuen Ufern?

Hier ist es schön
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Irma und Sam nehmen an einem besonderen Wettbewerb teil: Sie wollen dazu auserwählt werden, die Fähre zu besteigen, die sie in eine neue Welt bringen soll. Die Erde ist nicht mehr das, was sie einmal war. ...

Irma und Sam nehmen an einem besonderen Wettbewerb teil: Sie wollen dazu auserwählt werden, die Fähre zu besteigen, die sie in eine neue Welt bringen soll. Die Erde ist nicht mehr das, was sie einmal war. Dennoch ist für Irmas Eltern ist unverständlich, warum ihr Tochter alles endgültig hinter sich lassen will und sich dazu in der Arena in große Gefahr begibt. Über Sam hingegen ist so gut wie nichts bekannt. Man erzählt sich, dass er an einem der letzten Sommertage angespült wurde. Außerhalb der Arena ist ihm nichts vertraut. Bis er eines Tages seinem Impuls folgt und beschließt, die Welt zu erkunden, mit Irma an seiner Seite.

Als ich vor einigen Monaten im Radio einen Bericht über das „Mars One“ Projekt und dessen Rekrutierung von Kolonisten hörte, fragte ich mich vor allem, was so viele Menschen dazu bewegt hat, sich für diese Mission ohne Rückfahrtschein zu bewerben. Eine ähnliche Frage hat sich auch die Autorin gestellt. In ihrem Roman will die Organisation „Carpe Diem“ einen Mann und eine Frau auswählen, die sie als Hoffnungsträger in eine weit entfernte Welt schickt.

Die Protagonistin Irma lernt man zu Beginn durch Briefe kennen, die an sie geschickt werden. Aus diesen erfährt man, dass sie sich in einer Arena befindet, in welcher der Auswahlprozess für die Mission stattfindet. Das Ganze wird im Fernsehen ausgestrahlt und fesselt die ganze Nation – nur ihre Familie kann kaum zuschauen, als klar wird, dass tödliche Unfälle mit zum Programm gehören. Die Briefe ihrer Eltern und Freunde klingen verzweifelt und zunehmend resigniert, während die Fanpost immer euphorischer wird. Als ich Irma und Sam schließlich begegnete, hatte ich das Gefühl, sie schon lange zu kennen – so wie der Freund eines Freundes, von dem man schon lange gehört hat. Es sind zehn Jahre vergangen, seit Irma ihre Familie verlassen hat. Der Abflug der Fähre steht kurz bevor, da will Sam plötzlich die Welt sehen. Er öffnet die Tür zur Welt und spaziert einfach hinaus, und Irma folgt ihm.

Die Erde ist in einem schlechten Zustand, das ist nach wenigen Schritten klar, die Sam und Irma in der „echten“ Welt tun. Warum, erfährt man nicht, wie so vieles in diesem Roman. Doch es fahren kaum Autos mehr, die Lebensmittel sind knapp, der Himmel fast durchgängig grau. Trotzdem hatte Irma Eltern, sie sie lieben, tolle Freunde und Tom, der offensichtlich für sie schwärmt. Was reicht ihr daran nicht? Diese Frage stellt sich ihr Umfeld und auch der Leser, der in den eingestreuten Rückblicken erfährt, wie Irma erstmals von Carpe Diem gehört und sich schließlich beworben hat.

Sam hingegen ist ein Rätsel. Er will unbedingt zur letzten Insel, die Irma nur für einen Mythos hält. Unbeholfen ist er unterwegs, weiß über die Welt fast nichts. Trotzdem zieht dieses ungleiche Duo weiter. Die Geschichte hat einen bruchstückhaften Charakter, setzt einzelne Szenen aneinander mit rauen Übergängen. Es kommt zu Begegnungen mit Menschen, die Irma einst Briefe schrieben. Während Irma in einer Blase gelebt hat, hat das Leben bei ihnen Spuren hinterlassen. Sie haben Wege gefunden, um mit ihrem Verlust klarzukommen, denn Irma lebt schon seit ihrer Abreise in die Arena gefühlt in einer anderen Welt. Auch über Sams Vergangenheit erfährt man schließlich ein wenig mehr und erfährt Dinge, die das Geschehen in neuem Licht erscheinen lassen.

In der Geschichte schwingt viel Gesellschaftskritik mit – an Reality-Shows und deren überspitzter Inszenierung, der Sensationslust der gaffenden Menge und dem Streben nach mehr, egal, was es kostet. Gleichzeitig wirft das Geschehen immer wieder neue Fragen auf und überlässt vieles der eigenen Interpretation, explizite Botschaften sucht man vergeblich. Ein Buch zwischen Verzweiflung und Hoffnung, Pioniergeist und Größenwahn, Loslassen und Festhalten.

Veröffentlicht am 10.06.2018

In dieser Novelle spukt es - unabhängig von der Peter Grant Hauptstory!

Geister auf der Metropolitan Line
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Spukt es in der U-Bahn? Peter Grant, Polizist und Zauberlehrling, soll mehr über die merkwürdigen Vorfälle in der Metropolitan Line herausfinden. Mehrere Fahrgäste haben gemeldet, betatscht oder beschimpft ...

Spukt es in der U-Bahn? Peter Grant, Polizist und Zauberlehrling, soll mehr über die merkwürdigen Vorfälle in der Metropolitan Line herausfinden. Mehrere Fahrgäste haben gemeldet, betatscht oder beschimpft worden zu sein und konnten sich schon kurz darauf überhaupt nicht mehr daran erinnern. Mit Unterstützung von Sergeant Jaget Kumar, seiner Cousine Abigail und Nightingale überlegt sich Peter eine Strategie, um den Störenfried zu finden. Dabei trifft er schon bald eine ganze Menge Geister, und diese geben ihm ein Rätsel auf. Hat er es vielleicht mit einem handfesten Verbrechen zu tun?

Eins vorweg: Es handelt sich bei diesem Buch nicht um den nächsten Teil der Reihe rund um Peter Grant. „Geister auf der Metropolitan Line“ ist eine Novelle, die zeitlich zwischen dem fünften und sechsten Teil angesiedelt ist. Dementsprechend sollte man als Leser kein Voranschreiten der Hauptstory erwarten. Das Buch ist so geschrieben, dass man es nicht gelesen haben muss, um die Reihe weiter verfolgen zu können. Für mich war es trotzdem ein Must Read, um die Wartezeit auf Band 7 zu überbrücken.

Das Spukproblem, mit dem sich Peter in dieser Geschichte konfrontiert sieht, ist schnell erklärt. Komische Begegnungen, bei dem sich das Opfer kurz darauf an nichts mehr erinnern kann? Das klingt nach einem Fall für das Folly. Dementsprechend sitzt er im Handumdrehen gemeinsam mit Jaget Kumar von der British Transport Police in der Metropolitan Line und wartet darauf, dass etwas vor seinen Augen geschieht.

Mit seiner Unterstützung durchsucht Peter die Züge und tut allerhand, um Geister aufzutreiben und sie zu befragen. Gespräche mit ihnen zu führen gestaltet sich aber als durchaus schwierig. Schließlich gibt es Hinweise für ein wirkliches Verbrechen, denen Peter nachgeht. Parallel dazu gibt es zwei kleine Nebenstorys in Form eines Flussgotts und der Frage, ob Abigail Zaubern lernen sollte. Die Aufklärung des Falls fand ich ein wenig enttäuschend – zu viele Fragen blieben für mich ungeklärt.

„Die Geister auf der Metropolitan Line“ ist eine kurzweilige und unterhaltsame Novelle, die ein Wiedersehen mit den bekannten Charakteren bietet und die Wartezeit auf den nächsten Band vertreibt. Ein Fall erwartet Peter, von dessen Auflösung ich mehr erwartet hätte. Geht mit den richtigen Erwartungen an die Geschichte heran und seid euch bewusst, dass sie komplett unabhängig von der Hauptstory ist. Dann findet ihr als Fans der Reihe mit diesem Buch eine schöne Ergänzung für die Welt von Peter Grant.

Veröffentlicht am 10.06.2018

Kann Steffi ihre Träume verwirklichen?

Vielleicht passiert ein Wunder
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Es ist Steffis erster Schultag in der Oberstufe und gleichzeitig ihr erster Schultag ohne Tem, die ans College gewechselt ist. Ihre beste Freundin hat bislang immer für sie gesprochen, wenn sie es nicht ...

Es ist Steffis erster Schultag in der Oberstufe und gleichzeitig ihr erster Schultag ohne Tem, die ans College gewechselt ist. Ihre beste Freundin hat bislang immer für sie gesprochen, wenn sie es nicht konnte. Denn Steffi hat eine Krankheit, die schwierig zu erklären ist und vor allem darin resultiert, dass sie in der Öffentlichkeit fast kein Wort herausbringt. Doch dann stellt ihr Lehrer ihr den neuen Schüler Rhys vor. Er ist taub, und Steffi hat vor einigen Jahren ein bisschen Gebärdensprache gelernt. Gebärden zu nutzen ist für Steffi nicht so ein Problem wie sprechen, und so lernen sich die beiden schnell besser kennen. Ob Rhys Steffi genauso mag wie sie ihn? Und wird Steffi endlich beweisen können, dass sie auch an der Uni zurechtkommen wird?

Die Geschichte beginnt mit Steffis erstem Schultag an der Oberstufe. Sie wird dort von fast allen Schülern wie Luft behandelt. Diese kennen sie seit Jahren und wissen, dass sie in der Schule fast gar nicht spricht. Seit sie fünf Jahre alt ist leidet sie an selektivem Mutismus und einer Angststörung. Zu Hause spricht sie mit ihren Eltern und ihrer besten Freundin, doch in der Öffentlichkeit kann sie kaum ein Wort herausbringen, egal wie dringlich es ist. Über die Jahre ist es nur wenig besser geworden. Steffi hat sich mit der Situation arrangiert, auch wenn sie sich selbst wünscht, dass es anders wäre. Deshalb ist sie auch fest entschlossen, nach ihrem Abschluss trotzdem an der Uni zu studieren.

Ihr erster Schultag ohne Tem ist eine echte Herausforderung für sie. Die beiden kennen sich von klein auf und Tem hat es bislang übernommen, für sie zu sprechen. Doch gleich an diesem ersten Tag lernt sie Rhys kennen, der für sie ein Lichtblick ist. Er ist neugierig und verstrickt Steffi mühelos in Unterhaltungen mittels Gebärdensprache und Zettelchen. Da sonst kaum jemand an der Schule Gebärden kann und Steffi diese Kommunikationsform viel leichter fällt als Sprechen verbringen die beiden ihre Pausen zusammen und beginnen, außerhalb der Schule miteinander zu chatten. Als Leserin freute ich mich richtig, dass die beiden so schnell jemanden gefunden haben, mit dem sie sich austauschen können.

Nach der Schule trifft sich Steffi nach wie vor mit Tem, die natürlich alles über Rhys wissen will und sofort eine Lovestory wittert. Doch ist Steffi wirklich mutig genug, um ihre Gefühle mitzuteilen? Und ist Rhys überhaupt Single? Tem ist mit ihrer lebensfrohen Art für Steffi nach wie vor eine wichtige emotionale Stütze. Doch auch bei ihr läuft nicht alles nach Plan. Steffis Freundschaft zu Rhys bringt immer wieder ungeahnte Herausforderungen mit sich, zum Beispiel besucht sie ihn zu Hause, wo sie von seiner Familie zum Abendessen eingeladen wird, und trifft seine Freunde von seiner alten Schule.

Steffis und Rhys Freundschaft vertieft sich langsam. Das ruhige Tempo passt gut zu der vorsichtigen Steffi, die nichts überstürzen würde. Die beiden haben mir zusammen wirklich gut gefallen. Es gibt viele richtig schöne Szenen und mache, die ins Nachdenken bringen. Zwischendurch plätscherte mir die Handlung dann aber zu sehr vor sich hin, ohne wirklich voranzukommen. Wer aufgrund des Titels und Klappentextes ein spektakuläres Wunder erwartet wird enttäuscht, denn auch dieses kommt leise daher. Zum Ende hin kommt schließlich ein wenig Spannung auf und für mich passt der Abschluss sehr gut zur Geschichte.

„Vielleicht passiert ein Wunder“ erzählt von Steffi und Rhys, die sich mittels Gebärdensprache, Zettelchen und Chats schnell anfreunden. Die beiden erleben viele schöne Momente zusammen, müssen sich aber auch für sie neuen Herausforderungen stellen. Auch wenn die kleinen Entwicklungsschritte gut zu den Charakteren passen hätte ich mir noch mehr Schwung gewünscht. Eine herzerwärmende Feelgood-Geschichte, die gleichzeitig ins Nachdenken über den Umgang mit Handicaps und das Streben nach Selbstständigkeit bringt.

Veröffentlicht am 10.06.2018

Kampfaufruf gegen das Patriarchat

Feminist Fight Club
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In „Feminist Fight Club“ ruft Jessica Bennett zum Kampf gegen das Patriachat auf. Sie beschreibt Bürosituationen, in es zu meist subtilem Sexismus kommt und nennt Kampftaktiken, mit denen man darauf reagieren ...

In „Feminist Fight Club“ ruft Jessica Bennett zum Kampf gegen das Patriachat auf. Sie beschreibt Bürosituationen, in es zu meist subtilem Sexismus kommt und nennt Kampftaktiken, mit denen man darauf reagieren kann. Außerdem erzählt sie davon, wie sie vor einigen Jahren mit Freundinnen einen Feminist Fight Club gegründet hat, um sich gegenseitig zu beraten und unterstützen, und gibt Tipps, wie man seinen eigenen Club gründen kann.

Ich beschäftige mich beruflich unter anderem mit dem Thema Frauenförderung und in dem Rahmen wurde mir das Buch schon vor einiger Zeit auf Englisch empfohlen. Dass nun die Übersetzung vorliegt habe ich zum Anlass genommen, es nun endlich zu lesen. Zu Beginn erklärt die Autorin die Grundidee des „Feminist Fight Club“ und erzählt von ihrer eigenen Erfahrung in der Gründung eines solchen Clubs.

Den Großteil des Buches machen anschließend drei Teile aus, in denen verschiedene Situationen, Verhaltensweisen und Sprüche geschildert werden und Tipps gegeben werden, wie man darauf reagiert. Es geht um „Gegenspieler“, die „Saboteurin“, also wie man sich selbst im Weg steht und „Fallen“, meist klischeehafte Aussagen, die man schon mal gehört hat oder hören könnte. Außerdem gibt sie Rätschläge für die nächste Gehaltsverhandlung und beschreibt unter dem Schlagwort „WWJD = What would Josh do?“ typische Verhaltensweisen eines männlichen Kollegen und was man sich davon abschauen kann.

Die Autorin führt viele wichtige Punkte und Beobachtungen rund um Sexismus am Arbeitsplatz an und nennt meist auch Studien, die das belegen. Viele der geschilderten Situationen sind alltäglich und jede Leserin wird davon schon welche erlebt und beobachtet haben. Die Tipps sind nicht sehr überraschend, sondern eher ein Appell, so etwas nicht auf sich sitzen zu lassen, sondern eine bewusste Reaktion folgen zu lassen. Es bringt ins reflektieren, welche dieser Situationen man selbst kennt und wie man bislang reagiert hat.

Das Buch bleibt eher an der Oberfläche und legt den Fokus klar auf Situationen im Büro, wobei nicht alles davon unbedingt auf andere berufliche Situationen übertragbar ist. Man merkt dem Buch auch seinen amerikanischen Ursprung an, denn als Beispiele werden vor allem bekannte amerikanische Politiker und Firmen genannt. Die Übersetzerin Viola Krauß hat an einigen Stellen gute Ergänzungen vorgenommen zum Beispiel mit Hinweisen auf Merkel und den deutschen Regelungen zur Elternzeit.

Die Sprache der Autorin ist humorvoll und oft sarkastisch. Mein Humor wurde dabei nicht immer getroffen, für mich hätten die ständigen Verweise auf weibliche und männliche Genitalien zum Beispiel nicht sein müssen. Doch hinter allem steckt ein durchaus ernstes Thema, und der Autorin gelingt es, diesen Ernst trotz aller Witze aufzuzeigen und es nicht ins Lächerliche zu ziehen.

Zu Beginn des Buches wird gesagt, dass man es entweder am Stück lesen oder hin und her blättern kann. Ich habe mich zu Erstem entschlossen und sah mich vielen Wiederholungen der gleichen Appelle in leichten Variationen gegenüber. Es scheint mir doch eher zum gezielten Blättern geeignet. Mich konnte das Buch unterhalten und zum Reflektieren bringen, auch wenn der Humor nicht immer meiner war und mir mehr Tiefe gewünscht hätte. Ihr arbeitet im Büro mit mehr als fünf Mitarbeitern, wollt euch mehr Gehör verschaffen und eins eurer großen Rollenvorbilder ist Beyoncé? Dann solltet ihr Euch dieses Buch näher anschauen!

Veröffentlicht am 10.06.2018

Zeit ist kostbar - doch was, wenn man viel mehr als alle anderen hat?

Wie man die Zeit anhält
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Tom hat ein Geheimnis: Er ist schon über vierhundert Jahre alt, sieht aber aus wie ein Mann in seinen Vierzigern. Als Mitglied der sogenannten Albatros-Gesellschaft kümmern er sich darum, andere aufzuspüren, ...

Tom hat ein Geheimnis: Er ist schon über vierhundert Jahre alt, sieht aber aus wie ein Mann in seinen Vierzigern. Als Mitglied der sogenannten Albatros-Gesellschaft kümmern er sich darum, andere aufzuspüren, die sind wie er. Im Gegenzug erhält er alle acht Jahre eine neue Identität. Diesmal bittet er darum als Geschichtslehrer nach London zurückkehren zu dürfen - die Stadt, in der er sich Jahrhunderte zuvor zum ersten und letzten Mal verliebte. Findet er dort vielleicht einen Hinweis auf seine Tochte, die ist wie er und von der seit damals trotzdem jede Spur fehlt?

Zeit scheint im Buch eine wichtige Rolle zu spielen, daran lassen Cover und Titel keinen Zweifel. Der Protagonist Tom hat mehr als genug davon. Seit er ein Teenager ist braucht es etwa fünfzehn Jahre, bis er ein Jahr älter aussieht. So viele Menschen, die ihm etwas bedeutet haben, hat er schon überlebt. Gleichzeitig muss er ständig die Identität wechseln, um nicht aufzufallen. Warum also überhaupt weitermachen? Das hat er sich schon oft gefragt und darauf nur eine Antwort: Er will unbedingt seine Tochter Marion finden.

Tom ist ein nachdenklicher Charakter, der die Erlebnisse von Jahrhunderten mit sich trägt. Immer wieder holen ihn alte Erinnerungen ein. Der Leser wird dadurch mitgenommen auf eine Reise durch ganz verschiedene Epochen. Man erfährt zum Beispiel, wie seiner Umgebung das erste Mal aufgefallen ist, das er nicht altert, liest von Fluchten und Hoffnung, Rückschlägen und einer großen Liebe. Der Autor hat das Buch dazu klar strukturiert, sodass ich gern an Toms Seite in die verschiedenen Zeiten eingetaucht bin, ohne dass mir durch die vielen Sprünge schwindelig wurde.

In der Gegenwart muss sich Tom an sein Leben als Lehrer gewöhnen und will Geschichte für seine Schüler lebendig machen. Die Französischlehrerin Camille geht ihm dabei bald nicht mehr aus dem Kopf. Doch er darf sich nicht verlieben – das ist die wichtigste Regel der Albatros-Gesellschaft, und auch seine eigene Geschichte hat ihn das gelehrt. Außerdem behauptet Camille, ihn schon mal gesehen zu haben – ist seine Tarnung in Gefahr? Die Geschichte in der Gegenwart entwickelt sich nur langsam, hier hätte ich mir mehr Nachforschungen und Wendungen gewünscht. Das fällt vor allem auf im Vergleich zu den vielen Ereignissen aus der Vergangenheit, die beschrieben werden. Der Showdown konnte mich schließlich in Sachen Tempo und Dramatik begeistern.

In „Wie man die Zeit anhält“ bezieht der über vierhundert Jahre alte Tom seine Energie zum Weitermachen vor allem aus dem Wunsch, seine Tochter zu finden. Toms Erlebnisse in den verschiedenen Epochen haben berührt und unterhalten, während ich mir in der Gegenwart mehr Entwicklungen gewünscht hätte. Das Buch regt zum Nachdenken über die Kostbarkeit von Zeit, Vergänglichkeit und das Festhalten schöner Momente an. Ich vergebe vier Sterne.