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Veröffentlicht am 29.02.2020

Einblicke in die Spionage der Deutschen in den USA im Zweiten Weltkrieg

Der Empfänger
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In den 1920er Jahren ist Josef Klein von Neuss nach New York ausgewandert. Dort schlägt er sich mit einem Job in einer Druckerei durch, bei dem sein Chef nicht sonderlich wählerisch ist, was das Klientel ...

In den 1920er Jahren ist Josef Klein von Neuss nach New York ausgewandert. Dort schlägt er sich mit einem Job in einer Druckerei durch, bei dem sein Chef nicht sonderlich wählerisch ist, was das Klientel betrifft. So kommt Josef alias Joe mit Nationalsozialisten in Kontakt, die Hitler aus der Ferne unterstützen wollen. Als er ihnen erzählt, dass er Amateurfunker ist, bieten sie ihm einen Job an, bei dem er sich zunächst nicht viel denkt. Bis ihm wirklich bewusst wird, was da passiert, scheint es schon zu spät, um aus der Sache wieder herauszukommen.

Im Jahr 1949 kehrt Josef schließlich nach Neuss zurück, um vorübergehend bei seinem Bruder Carl zu wohnen. Dieser wollte damals gemeinsam mit ihm auswandern, doch nach einem Arbeitsunfall wurde daraus nichts. Josef versucht herauszufinden, ob es hier oder anderswo einen Platz für ihn gibt.

Die erste Begegnung mit dem Protagonisten Josef Klein hat der Leser im Jahr 1953 in Costa Rica. Dort erreicht ihn ein Brief seines Bruders Carl, der ihm die Zeitschrift STERN mitschickt, in der ein Artikel über die Aktivitäten des deutschen Geheimdienstes in Amerika erschienen ist. Carl bezeichnet den Artikel als „Reportage über deinen Fall“, sodass ich mich fragte, was genau Josef wohl getan hat.

Die größten Teile des Romans spielen abwechseln im New York des Jahres 1939/40 und im Neuss des Jahres 1949. In New York begleitet man Carl bei seinem Druckerei-Job, der ihn immer wieder in Kontakt zu Nationalsozialisten in den USA bringt. Die Begegnungen mit ihnen behagen ihm nicht so recht, trotzdem geht er zu ihren Veranstaltungen, um die Geschäftsbeziehungen zu pflegen. Er erhebt nicht das Wort gegen sie und schaut zu, als sie Andersdenkende verprügeln. Gegenüber sich selbst findet er immer neue Rechtfertigungen, warum er bei all dem mitmacht. Für mich war es ein interessanter Einblick, was damals wohl in Personen vorging, die dabei waren und zuschauten.

In dem Moment jedoch, in dem er aktiv einen Job annimmt, den ihm die Nationalsozialisten anbieten, wird Josef in meinen Augen zu mehr als einem Mitläufer. Wusste er wirklich nicht, wozu sie einen Funker brauchen, oder ist dies eher eine Form des Selbstbetrugs? Er verdient damit gut und seine Versuche, zu kündigen, sind eher halbherzig. Die Autorin hat sich in diesem Roman an der Lebensgeschichte ihres Großonkels orientiert und stellt die Situation dar, ohne ein Urteil zu fällen. Sie gibt dem Leser die Möglichkeit, sich eine eigene Meinung zu bilden, wie groß die Schuld ist, die der Protagonist auf sich geladen hat.

Interessant fand ich die Einblicke in das Agieren des FBI. Dieses verfolgt seine eigene Strategie, um Informationen zu sammeln und Spione im Auge zu halten. Im Nachkriegsdeutschland des Jahres 1949 erlebt man Josef in der Interaktion mit seinem Bruder und dessen Familie. Hier eckt er mit seinem Verhalten an und kann sich kein dauerhaftes Leben in der alten Heimat vorstellen. Am liebsten würde er zurück nach Amerika. Indem er dazu alte Nazi-Kontakte aufleben lässt zeigt er erneut, dass er sich dreht wie ein Fähnchen im Winde.

Da der Roman auf mehreren Zeitebenen gleichzeitig spielt, weiß man schnell, was im Groben passiert ist. Der Fokus der Erzählung liegt darauf, den Charakter des Josef Klein herauszuarbeiten. Die Sprache ist nüchtern und distanziert und ich hätte mir entweder noch mehr Spannung oder mehr Hintergrundinformationen gewünscht.

„Der Empfänger“ erzählt die Geschichte von Josef Klein, der als Auswanderer in den USA während des Zweiten Weltkriegs mit seiner unbedarften Art in die Aktivitäten deutscher Spione verwickelt wird. Ich kann den Roman an historisch interessierte Leser weiterempfehlen, die Einblicke in einen eher unbekannten Aspekt der Kriegsgeschichte erhalten wollen!

Veröffentlicht am 28.02.2020

Wie das Leben nach Mattias weitergeht

Nach Mattias
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Alexander ist gerade mit seiner drei Monate alten Tochter in seine neue Wohnung in Minsk gezogen, als er ein rotes Kreuz auf seiner Wohnungstür findet. Als er es entfernen will, wird er von seiner Nachbarin ...

Alexander ist gerade mit seiner drei Monate alten Tochter in seine neue Wohnung in Minsk gezogen, als er ein rotes Kreuz auf seiner Wohnungstür findet. Als er es entfernen will, wird er von seiner Nachbarin angesprochen, die es dort angebracht hat. Bei Tatjana ist Alzheimer diagnostiziert worden, und sie nutzt die Kreuze, um nach Hause zu finden. Bislang ist vor allem ihr Kurzzeitgedächtnis betroffen, während sie sich noch gut an ihre Vergangenheit erinnert, von der sie Alexander berichtet.

Tatjana wurde 1910 in London geboren, zog 1919 aber mit ihrem Vater in dessen Heimat Russland zurück. Dort studierte sie und erhielt schließlich eine Arbeitsstelle im Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten, wo sie für die Dokumente zuständig war. Mit dem Zweiten Weltkrieg brachen für sie düstere Zeiten an. Ihr Mann zog in den Krieg, und schon kurz darauf hörte sie nichts mehr von ihm. Doch das war erst der Beginn von Tatjanas persönlichem Leidensweg, auf dem sie die Willkür unter Stalins Herrschaft deutlich zu spüren bekam.

Der Einzug von Alexander in seine neue Wohnung in Minsk und das Entdecken des roten Kreuzes auf seiner Tür gibt der Geschichte einen Rahmen. Schon nach wenigen Seiten beginnt Tatjana mit ihrer Erzählung, welche den Großteil des Romans ausmacht. Das Erzähltempo ist zügig und stringent, sodass ich ihr mühelos in die Vergangenheit folgen konnte. Ihr fiktives Schickal steht exemplarisch für das vieler russischer Frauen zu jener Zeit.

Indem der Autor Tatjana im Volkskommissariat für Auswärtige Angelegenheiten arbeiten lässt, kann er einige Originaldokumente aus jener Zeit in die Handlung einfügen, die im Roman durch ihre Hände gehen. Dass viele Menschen zur Zeit Stalins in Russland mehr oder weniger willkürlich verhaftet wurden war mir nicht neu, die Haltung Russlands zu Kriegsgefangenen im Zweiten Weltkrieg jedoch schon. Die entsprechende Korrespondenz zum Thema fand ich interessant und beklemmend. Hier sind auch Briefe des Internationales Komittees vom Roten Kreuz abgedruckt, was der zweite von drei Gründen für die Titelwahl ist.

Rund um diesen wahren Kern entrollt sich Tatjanas emotionale und berührende Geschichte, die kein gutes Ende hat und bei der ich genauso gebannt zuhören musste wie Alexander. Auch dieser befindet sich in einer schwierigen Situation, über die man in Tatjanas Erzählpausen mehr erfährt. Zum Ende hin gibt es noch einige überraschende Erkenntnisse, welche die Geschichte gelungen abrunden.

„Rote Kreuze“ ist ein Roman, der von der ersten Seite an mein Interesse geweckt hat und der noch eine Weile in mir nachhallen wird. Hier treffen zwei Menschen mit ungewöhnlichen Lebensgeschichten aufeinander, deren Schicksal mich berührt hat und die trotz allem, was sie erlebt haben, die Kraft zum Weitermachen gefunden haben. Durch den wahren Kern der Geschichte schafft Sasha Filipenko einen wichtigen Beitrag gegen das Vergessen. Ich gebe eine klare Leseemfpehlung!

Veröffentlicht am 21.02.2020

Wer war Hannahs Vater in der Zeit vor seinem Tod?

Der brennende See
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Nach dem Tod und der Beerdigung ihres Vaters, der Schriftsteller war, kehrt Hannah noch einmal in ihre Heimatstadt zurück. Sie stattet seiner Wohnung einen letzten Besuch ab und will sich mit seinem Anwalt ...

Nach dem Tod und der Beerdigung ihres Vaters, der Schriftsteller war, kehrt Hannah noch einmal in ihre Heimatstadt zurück. Sie stattet seiner Wohnung einen letzten Besuch ab und will sich mit seinem Anwalt bezüglich des Erbes treffen. Ihr Vater reiste stets mit leichtem Gepäck und ging nach der Ankunft immer zuerst schwimmen, was sie ihm nun gleichtun will. Doch als sie in den Lieblingssee ihres Vaters steigt, wird ihr von einer jungen Frau am Ufer das Fahrrad geklaut. Kurz darauf findet sie in seiner Wohnung in einem seiner eigenen Bücher ein Foto von ihr. Wer ist sie? Wusste sie etwas über ihren Vater, das ihr entgangen ist? Und welche Rolle spielt sie bei den überraschenden Neuigkeiten, die sie vom Anwalt ihres Vaters erhält?

Das Cover des Buches ist angelehnt an die Beschreibung des Covers des „Wolkenbuchs“, dem letzten Buch, das Hannahs Vater geschrieben hat und das er als sein Vermächtnis betrachtete. Mit diesem konnte Hannah wenig anfangen, für sie enthält es nur langweilige Wolkenbeschreibungen. Dem ersten Kapitel vorangestellt ist der Ausschnitt eines Spiegel-Artikels zum Bellandursee in Bangalore, der wegen der enthaltenen Chemikalien immer wieder in Flammen aufgeht.

Die Geschichte nimmt den Leser jedoch nicht mit nach Indien, sondern in eine Stadt in Deutschland, Hannahs Heimat, der sie noch mal einen Besuch abstattet. Wie alt sie genau ist oder was sie beruflich macht erfährt man nicht, denn ihre Gedanken kreisen hauptsächlich um ihren verstorbenen Vater. Einige seiner Verhaltensweisen kann sie bei sich wiederfinden und die beiden sind nicht im Bösen auseinandergegangen. Trotzdem hat sie nicht das Gefühl, zu wissen, was ihn in den letzten Jahren vor seinem Tod bewegt hat. In seiner Wohnung deutet alles auf die regelmäßige Anwesenheit einer zweiten Person hin, und sie möchte gern in Erfahrung bringen, um wen es sich dabei gehandelt hat.

Auf dem Weg zu ihrem Termin mit Dr. Lüders, zu dem sie ein kompliziertes Verhältnis hat, trifft sie ausgerechnet ihre ehemalige beste Freundin Vivien wieder. Diese lädt sie kurzentschlossen ein, die nächsten Tage auf ihrem Gestüt zu verbringen, das sich direkt neben dem See befindet. Sie und ihr Mann Matthias haben große Pläne, doch im Hinblick auf den See gibt es Rechtsstreitigkeiten. Während ihr Sohn Marvin auf seine eigene Weise versucht, seinen Vater zu schützen, hat ihre Tochter Julia sich in der letzten Zeit immer weiter von ihnen entfernt. Hannah wird in die Geschichte hineingezogen, und auch Lüders Hinweise, was im Testament steht, geben Hannah Stoff zum Nachdenken.

Die Geschichte wird in ruhiger Sprache und mit einem Blick fürs Detail und das Zwischenmenschliche erzählt. Sie ist stark im Hier und Jetzt verortet und hält sich nicht lang mit Rückblenden und Hintergrundgeschichten auf. Hannahs Versuch, zu verstehen, was ihren Vater in der Zeit vor seinem Tod bewegt hat sowie das Schicksal des Sees sind die zentralen Themen des Buches.

Über die Fridays for Future-Aktivistin Julia hätte ich gern noch mehr erfahren. Sie fungiert als topaktuelles Sprachrohr ihrer Generation, hält flammende Reden und offenbart eine Tendenz zur Radikalisierung, ist aber meistens nicht auffindbar. Die Handlungen von Hannah als Protagonistin sind vorwiegend reaktiv und fand es schade, am Ende nicht zu erfahren, welche Entschidung sie schlussendlich getroffen hat.

Wer sich für eine literarische Beschäftigung mit den Klimastreiks und den Auswirkungen des Klimawandels in Kombination mit einem trotz weniger Handelnden komplexen Beziehungsgeflecht interessiert, für den ist „Der brennende See“ die richtige Lektüre.

Veröffentlicht am 09.02.2020

Ein stimmungsvoller und berührender Einblick in die sardische Heimat der Autorin

Eine fast perfekte Welt
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Als Esters Verlobter Raffaele nach dem Zweiten Weltkrieg zurück in ihr Dorf auf Sardinien kommt, erkennt sie ihre einst große Liebe kaum wieder. Er bleibt nicht lange, sondern geht aufs Festland, um im ...

Als Esters Verlobter Raffaele nach dem Zweiten Weltkrieg zurück in ihr Dorf auf Sardinien kommt, erkennt sie ihre einst große Liebe kaum wieder. Er bleibt nicht lange, sondern geht aufs Festland, um im Hafen von Genua zu arbeiten. Ester kann nicht verstehen, wie man an solch einem Ort leben kann. Trotzdem heiratet sie ihn nach einigen Jahren und zieht zu ihm. Ihre Tochter Felicita ist ein Lichtblick in ihrem Leben, doch sie sehnt sich zurück nach Sardinien. Doch auch dort wird ihre Sehnsucht nicht gestillt. Felicita gehört weder zur einen noch zur anderen Welt: Das Leben auf Sardinien finder sie langweilig und anstrengend, auf dem Festland wird sie als Hinterwäldlerin behandelt. Trotzdem versucht sie, aus jeder Situation das Beste zu machen und ihr Leben nach ihren Vorstellungen zu gestalten.

Die Geschichte beginnt einige Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als Raffaele aus der Kriegsgefangenenschaft zurück nach Sardinien kommt. Er arbeitet hart und kann trotzdem kaum etwas ansparen, sodass die Hochzeit mit Ester noch warten muss. Ester kann mit ihm nicht mehr viel anfangen und hat an allem etwas auszusetzen, trotzdem heiraten die beiden. Das einfache Leben in der Stadt gefällt ihr wenig überraschend überhaupt nicht, nur ihre Tochter Felicita macht ihr Freude.

Ester und Felicita sind gänzlich unterschiedliche Charaktere mit einem völlig anderem Blick auf das Leben auf dem Festland und auf Sardinien. Ester sehnt sich nach einem Ort zum Ankommen, den sie jedoch nirgends findet. Die beengenden Verhältnisse in der Stadt findet sie besonders schlimm. Felicita hingegen geht es genau anders herum, auf Sardinien muss sie schuften und kann kaum glauben, dass ihre Großmutter noch nie das Meer gesehen hat, obwohl es nur eine Stunde entfernt ist. Ich fand es interessant, durch diese zwei verschiedenen Perspektiven aufs Geschehen zu blicken.

Der Fokus verlagert sich im Laufe der Geschichte immer mehr hin zu Felicita. Sie verliebt sich in einen Jungen, der zwar Intimitäten zulässt, ihre Gefühle aber nicht erwidert. Als Erwachsene muss sie wegweisende Entscheidungen treffen hinsichtlich der Frage, wo und wie sie leben will. Dabei macht sie einige neue Bekanntschaften, die für schöne und unterhaltsame Situationen sorgen. Sie bringen weitere Perspektiven ins Geschehen ein.

Die Autorin sagt selbst, dass sie mit diesem Buch ein Sardinien retten möchte, dass es eines Tages möglicherweise nur noch in Büchern gibt. Ihre Schilderungen sind dementsprechend sehr atmosphärisch und es werden Einblicke in das Leben auf der Insel gegeben. Ich hatte beim Lesen jedoch auch das Gefühl, dass die Geschichte sehr schnell vorüberzieht. Es gibt immer nur kurze Einblicke und häufige Zeitsprünge, sodass ich mir an vielen Stellen gewünscht habe, tiefer eintauchen zu dürfen.

„Eine fast perfekte Welt“ nimmt den Leser mit nach Italien, wo eine Mutter und ihre Tochter sowohl auf dem Festland als auch auf Sardinien leben und diese Lebensweisen völlig unterschiedlich wahrnehmen. Ich fand diese Einblicke interessant und habe vor allem mit Felicita gehofft, dass sie ihren Weg finden wird. Ein stimmungsvoller und berührender Einblick in die sardische Heimat der Autorin!

Veröffentlicht am 05.02.2020

Wenn Dein Zuhause kein sicherer Ort mehr ist

You are (not) safe here
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Das Cover des Buches sieht mit seinen schwarzen Federn bedrohlich aus. Doch von außen betrachtet ist das Leben in Auburn, einer kleinen Stadt in Pennsylvania, ganz normal. Nur wer hinter die Fassade blickt ...


Das Cover des Buches sieht mit seinen schwarzen Federn bedrohlich aus. Doch von außen betrachtet ist das Leben in Auburn, einer kleinen Stadt in Pennsylvania, ganz normal. Nur wer hinter die Fassade blickt erkennt, in welcher Gefahr sich die 17jährige Leighton und ihre Schwestern befinden. Ihr Zuhause, dass doch eigentlich ein sicherer Zufluchtsort sein sollte, müssen sie mit ihrem zu schlimmen Wutausbrüchen neigenden Vater teilen. Regelmäßig verbringen die Schwestern angstvolle Nächte im Schrank, während sich ihre Mutter das Verhalten des Vaters gefallen lässt. Leightons Schulabschluss rückt näher und sie gibt alles, um an ein gutes College gehen zu dürfen. Doch was wird dann aus ihren Schwestern? Und wieso interessiert sich der beliebte Liam plötzlich ausgerechnet für sie?

Die Protagonistin Leighton lernt man kennen, als sie in einer Nacht wieder einmal angstvolle Stunden gemeinsam mit ihren Schwestern durchleben muss. Ihr Vater brüllt herum, wirft Sachen durch den Raum, tut seiner Frau physische und seinen Kinder psychische Gewalt an. Sie können niemanden um Hilfe rufen, denn das Telefonkabel zieht er vor seinen Ausbrüchen aus der Wand und den Besitz von Handys erlaubt er nicht. Außerdem ist da noch die Pistole, die er immer in Griffweite liegen hat. Immer wieder wird man in diesem Buch als Leser Zeuge von häuslicher Gewalt, die dem Leser schmerzlich klar macht, was es heißt, sich in seinem Zuhause nicht sicher fühlen zu können.

Tagsüber versucht Leighton, ihr Abschlussjahr mit guten Noten zu meistern, um auf ein College ihrer Wahl gehen zu können. Sie bleibt lieber am Rand des Geschehens, arbeitet für die Schulzeitung und hat mit Sofia eine gute Freundin. Als der Liam, der Star der Footballmannschaft, beginnt, mit Leighton zu flirten, weist sie ihn zurück. Doch er bleibt auf angenehme Weise hartnäckig und bringt sie ins Grübeln, ob sie sich nicht doch ein bisschen Spaß gönnen darf. Die sich langsam entwickelnde Liebesgeschichte fand ich süß, und sie steht in starken Kontrast zu den Momenten der Angst, die sie immer wieder durchlebt. Schließlich muss sie sich entscheiden, ob sie sich Liam gegenüber öffnet. Es fällt ihr schwer, denn sie hat lernen müssen, dass die Bewohner von Auburn gut im Wegschauen sind.

Die Geschichte hat auch eine magische Komponente: Zum einen durch das Auftauchen der Krähen, deren Bestand kontinuierlich ansteigt. Zum anderen durch das Haus, in dem Leighton wohnt und das die Spuren der Gewalt Tag für Tag aufs Neue beseitigt. Die Autorin schreibt, dass die dadurch die Surrealität häuslicher Gewalt ausdrücken wollte. Aus der Story rund um die Krähen hätte man meiner Meinung aber noch mehr machen können.

„You are (not) safe here“ ist ein beklemmendes Jugendbuch rund um häusliche Gewalt. Die Highschool-Szenen bieten Gelegenheit zum Durchatmen, ich fand sie genauso wie die Charaktere dort jedoch zu klischeehaft. Ein Buch, das zum Nachdenken anregt und ein Plädoyer gegen das Wegschauen ist.