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Veröffentlicht am 21.08.2018

Eine Gesellschaft, die Frauen zurück an den Herd drängt – mit nur 100 Wörtern pro Tag

Vox
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In Amerika ist die „Bewegung der Reinen“ an die Macht gekommen. In kurzer Zeit hat die erzkonservative Bewegung die Frauen aus sämtlichen Machtpositionen gedrängt und sie schließlich vollständig unterdrückt: ...

In Amerika ist die „Bewegung der Reinen“ an die Macht gekommen. In kurzer Zeit hat die erzkonservative Bewegung die Frauen aus sämtlichen Machtpositionen gedrängt und sie schließlich vollständig unterdrückt: Die Pässe wurden ihnen weggenommen und sie werden gezwungen, Wortzähler zu tragen, mit denen sie nur 100 Wörter pro Tag sprechen können. Jean war früher kognitive Linguistin. Sie stand kurz vor einem Durchbruch in ihrer Forschung rund um die Heilung der Wernicke-Aphasie, einer Sprachstörung. Jetzt bleibt ihr nur noch die Versorgung ihres Manns und ihrer vier Kinder und jede Menge Wut, für die sie kein Ventil hat. Doch dann verunglückt der Bruder des Präsidenten - und ausgerechnet Jean soll helfen…

Die Ausgangslage dieser dystopischen Geschichte ist erschreckend: Eine erzkonservative Bewegung hat das Land fest im Griff und Frauen nicht nur aus der Öffentlichkeit zurückgedrängt, sondern sie nahezu mundtot gemacht. Wie konnte das passieren, und wie reagieren die Betroffenen und Nicht-Betroffenen darauf? Erzählt wird die Geschichte von Jean, die wie alle Frauen zum Opfer geworden ist und weiß, dass sie zu wenig getan hat, um all das aufzuhalten. Während ihre frühere Mitbewohnerin Jackie jahrelang Proteste organisierte, hielt sie sich zurück, ging nicht einmal wählen. Nun ist es zu spät, um etwas zu sagen, denn die hundert Worte am Tag müssen sorgfältig ausgewählt werden. Besonders schmerzt es sie zu sehen, wie Sonia, ihr jüngstes Kind und einziges Mädchen, aufwächst. Mit ihren Kenntnissen hat Jean sie gezielt konditioniert, sodass Sonia weit weniger als hundert Wörter täglich sagt, um möglichst weit weg zu bleiben von dieser gefährlichen Grenze, dessen Überschreiten starke Stromstöße zur Folge hat.

Immer wieder werden kurze Rückblicke eingeschoben, die dem Leser verständlich machen, wie es so schnell dazu kam, dass die „Bewegung der Reinen“ die Macht übernommen hat. Das Gedankengut der Bewegung weist Ähnlichkeiten zu dem realer erzkonservativer Bewegungen auf, die eingesetzten Methoden erinnern an den Nationalsozialismus. Frauen gehören an den Herd und jeder soll möglichst schnell eine Familie gründen. Wer nicht spurt, der wird mit einem Wortkontingent von Null ins Lager gesteckt. Mit Entsetzten liest man sich durch die Seiten. Dabei wird stark auf die emotionale Tube gedrückt, während die Handlung kaum voranschreitet.

Durch den Unfall des Präsidentenbruders kommt schließlich mehr Schwung in die Geschichte, denn plötzlich braucht man Jeans Wissen. Endlich hat sie eine Chance, aus ihrem bisherigen Handlungsmuster auszubrechen. Man lernt einige neue Charaktere kennen und erfährt Geheimnisse, die Jean sorgfältig hütet. Ihr Auftrag bringt sie in ein Dilemma und ich war neugierig, wie sie sich entscheiden wird. Gleichzeitig kommt es in ihrem Umfeld zu erschütternden Zwischenfällen, die durch die Bewegung der Reinen verursacht werden. Bei all dem hat mich vor allem eine Sache wirklich gestört: Zwar wird immer gesagt, dass die Bewegung der Reinen das ganze Land kontrolliert, doch das Beziehungsgeflecht wirkt so krampfhaft konstruiert, dass Amerika ein Dorf zu sein scheint. Ihr Mann arbeitet für den Präsidenten, Jean forscht genau an der Krankheit, die den Präsidentenbruder ereilt, ihre ehemalige Mitbewohnerin war die Wortführerin der Rebellion, die Nachbarin landet nach einem Fehltritt sofort im Fernsehen und so weiter. Zum Ende hin wird schließlich auf sich überschlagende, actionreiche Ereignisse gesetzt, bei denen ich irgendwann den Überblick verloren habe, was nun zum Plan gehört und was nicht.

„Vox“ sendet mit der Geschichte von Jean die wichtige Botschaft, das man sich fortlaufend stark machen sollte gegen jede Art von Unterdrückung. Die Umsetzung war für mich jedoch nicht mehr als Mittelmaß. Zu sehr wird auf schockierende und emotionale Szenen gesetzt, zu wenig auf einen authentischen Handlungsverlauf, der das große Ganze im Blick hält.

Veröffentlicht am 11.08.2018

Was ist man bereit, für die Hoffnung auf Heilung zu tun?

Anna
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Vor vier Jahren sind alle Erwachsenen an einer unheilbaren Krankheit gestorben. Anna und ihr kleiner Bruder Astor leben in Sizilien und haben sich seither im Haus ihrer Mutter abgeschottet. Anna verlässt ...

Vor vier Jahren sind alle Erwachsenen an einer unheilbaren Krankheit gestorben. Anna und ihr kleiner Bruder Astor leben in Sizilien und haben sich seither im Haus ihrer Mutter abgeschottet. Anna verlässt das Haus nur, um Lebensmittel und Medikamente zu beschaffen; Astor aus Angst vor Monstern, die Anna heraufbeschworen hat, gar nicht. Doch die Nahrung wird zunehmend knapper, Anna kommt dem Erkrankungsalter immer näher und die Gerüchte über eine mögliche Heilung in der Ferne häufen sich. Als eine umherstreifende Bande Astor mitnimmt, verlässt Anna ihre Heimat, um ihren Bruder wiederzufinden.

Bücher über eine Welt, in der alle Erwachsenen gestorben sind, gibt es zuhauf. Ich war deshalb gespannt, wie Niccolò Ammaniti dieses Thema umsetzt und mit welchem Elementen er dem Thema seinen eigenen Stempel aufdrückt. Nach einem kurzen Prolog aus der Zeit kurz nach dem Ausbruch der Krankheit trifft der Leser erstmals auf Anna. Diese muss immer weitere Wege auf sich nehmen, um Lebensmittel zu beschaffen. Vor allem das Übernachten unterwegs ist gefährlich, und auch tagsüber wird sie immer wieder von wilden Hunden verfolgt. Diesmal kann sie einem besonders aggressiven Exemplar nur knapp entkommen.

Nach einem ersten Eindruck davon, was seit der tödlichen Pandemie aus der Welt geworden ist, lernt man Anna und ihren Bruder besser kennen und erfährt einiges über die Hintergründe ihrer aktuellen Situation. Ihr Vater gehörte zu den ersten Toten, doch ihre Mutter hielt lange genug durch, um ein Notizbuch mit vielen Anweisungen zu füllen, wie sich die Geschwister verhalten sollen. Das ist auch vier Jahre später noch die Grundlage für ihr Tun. Dabei hat Anna die Rolle der Beschützerin inne, die ihrem Bruder bewusst unheimliche Geschichten über Monster außerhalb ihres Grundstücks erzählt hat, damit er nicht wegläuft.

Bewegung kommt in die Geschichte, als in Annas Abwesenheit eine Bande ihr Haus plündert und Astor mitnimmt. Nun muss auch sie den sicheren Hafen in Richtung Berge verlassen. Dorthin gehen immer mehr Kinder, denn eine „Kleine Riesin“ soll die Krankheit heilen können, die in ihnen allen schlummert und im Teenageralter ausbricht. Anna begegnet anderen Kindern, die mit ihrem Schicksal auf ganz verschiedene Weise umgehen, erlebt abergläubische Rituale und muss sich entscheiden, wem sie ihr Vertrauen schenkt.

Die Geschichte kommt nur langsam in Schwung und ich vermisste eine länger andauernde Spannung. Anna gerät immer wieder in brenzlige Situationen, die sich schnell auflösen. Ich konnte mich gut in ihre Lage hineindenken und nachvollziehen, warum sie ihren kleinen Bruder übermäßig beschützt und den Gerüchten über mögliche Heilungen mit gemischten Gefühlen lauscht. Der Fokus der Geschichte liegt auf dem Überleben in einer dystopischen Welt und was Kinder in Hoffnung auf eine Heilung für die in ihnen allen schlummernde Krankheit tun. Für mich ist „Anna“ eine schnell gelesene, gute Dystopie, die jedoch nicht genügend überraschende und neuartige Elemente bietet, um aus der Masse von Geschichten mit der gleichen Thematik herauszustechen.

Veröffentlicht am 11.08.2018

Eine Begegnung, die jahrzehntealte Erinnerungen weckt

Beim Ruf der Eule
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Maeve Maloney ist fast 80 und betreibt nach wie vor mit unerschütterlicher Kraft die kleine Pension Sea View Lodge an der Morecambe Bay in England. Sie hat sich darauf spezialisiert, Menschen mit Entwicklungsstörungen ...

Maeve Maloney ist fast 80 und betreibt nach wie vor mit unerschütterlicher Kraft die kleine Pension Sea View Lodge an der Morecambe Bay in England. Sie hat sich darauf spezialisiert, Menschen mit Entwicklungsstörungen und geistigen Behinderungen eine Unterkunft zu bieten. Als sich ein alter Bekannter einmietet, wird Maeve von Erinnerungen eingeholt. Denn er ist einer der wenigen, die wissen, dass Maeve einst eine behinderte Schwester hatte und wegen ihres Schicksals bis heute von Schuldgefühlen geplagt wird. Gleichzeitig beschließen Steph und Len, die beide das Down-Syndrom haben und Maeve in der Pension helfen, dass sie eine Beziehung führen wollen. Doch das ist auch in der heutigen Zeit nicht ohne weiteres möglich.

Die Buchbeschreibung spricht von einer Begegnung zweier Menschen, die sich seit Jahrzehnten nicht gesehen haben. Ich war neugierig, was dahinter steckt, und musste nicht lang warten. Gleich auf den ersten Seiten steht Vincent vor der Pension von Maeve und will dort eine Woche bleiben, doch diese will am liebsten gar nicht mit ihm reden.

Die Idee hinter Maeves besonderer Pension ist wirklich schön. Hier sollen sich Menschen mit Behinderung wohl fühlen. Vor allem Steph und Len, die beiden Aushilfen mit Down-Syndrom, wuchsen mir mit ihrer offenherzigen Art schnell ans Herz. Steph wohnt als Maeves Patenkind schon länger in der Pension, denn ihr Vater ist viel unterwegs. Nun soll auch Len einziehen, denn seine Mutter Dot ist schwer krank. Eine Sozialarbeiterin muss dem Umzug zustimmen. Doch die Tatsache, dass die beiden ein Paar sein wollen, weckt Bedenken, ob sie dafür die nötige geistige Reife besitzen.

Vincents Besuch ruft in Maeve viele alte Erinnerungen an ihre Jugend wach. Zu jener Zeit kümmerte sie sich liebevoll um ihre geistig behinderte Zwillingsschwester Edith. Bei der Entwicklung dieses Charakters hat sich die Autorin von ihrer Schwester inspirieren lassen, bei der eine Zerebralparese und Autismus diagnostiziert wurde. Edith äußert sich hauptsächlich in feststehenden Phrasen, hat mit Verzögerung laufen gelernt und singt am liebsten im Kirchenchor, der von Vincents Vater geleitet wird. Maeves Eltern weigern sich, Edie einweisen in eine Anstalt einweisen und zwangssterilisieren zu lassen, was damals das übliche Vorgehen war.

Doch irgendetwas ist geschehen, das Maeve bis heute quält. Gegenwart und Vergangenheit fließen ineinander, die Geschichte macht viele Sprünge in der Zeit und im Erzählstil und mir fiel es vor allem zu Beginn schwer, das Gelesene zu sortieren. Lange spricht Edith nicht aus, was vorgefallen ist, zu schmerzhaft scheinen die Erinnerungen an ihre Schwester zu sein und auch an ihren Verlobten, den sie offenbar nie geheiratet hat. Auch wie Vincent ins Bild passt ist ein Puzzlestück, das an seinen Platz gebracht werden will. Die meisten Antworten werden jedoch erst zum Ende hin gegeben, davor tappt man als Leser lange im Dunkeln.

Das Buch spricht viele emotionale Themen rund um Liebe, Schuld und Verlust an. Ich bewunderte es, wie Maeve immer wieder die Kraft zum Weitermachen gefunden hat. Das Buch hat traurig-schöne Momente, aber auch solche, die einfach nur bedrückend sind und ins Nachdenken über Behinderung, Krankheit und Tod bringen. Den Abschluss fand ich versöhnlich. Doch insgesamt war „Beim Ruf der Eule“ für mich eine schwermütige Geschichte.

Veröffentlicht am 29.07.2018

Welche Geheimnisse haben die Unsterblichen auf ihrem Planeten zurückgelassen?

Undying – Das Vermächtnis
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Amelia und Jules könnten nicht unterschiedlicher sein: Sie ist eine Highschool-Abbrecherin, die als Plünderin im halb zerstörten Chicago nach Dingen sucht, die sie zu Geld machen kann. Er ist wohlbehütet ...

Amelia und Jules könnten nicht unterschiedlicher sein: Sie ist eine Highschool-Abbrecherin, die als Plünderin im halb zerstörten Chicago nach Dingen sucht, die sie zu Geld machen kann. Er ist wohlbehütet in Oxford aufgewachsen und ein wissenschaftliches Genie, das in die Fußstapfen seines Vaters treten will. Auf dem fremden Planeten Gaia treffen sie zufällig aufeinander und gehen eine Kooperation ein, um ihr Ziel zu erreichen. Amelia muss auch hier irgendetwas Wertvolles finden, während Jules ein uraltes Rätsel lösen will. Doch bald kommt alles anders als gedacht.

Die beiden Protagonisten trifft man zum ersten Mal kurze Zeit, nachdem diese auf dem fremden Planeten Gaia gelandet sind. Hier hat einmal eine Spezies gelebt, die sogenannten Unsterblichen, die mysteriöse Tempel und unglaubliche Technologie hinterlassen haben. Nach einem Zwischenfall ist das Geheimnis, wie man durch ein Portal im Nu zum Planeten gelangt, gelüftet. Deshalb rücken nun die ersten Plünderer an, während Wissenschaftler erst einmal mehr über die Hintergründe erfahren wollen und Bedenken haben, wie sicher der Planet ist.

Amelia, genannt Mia, gehört zu der Fraktion der Plünderer. Sie wurde allein abgesetzt und hat nur ein Ziel: Sie muss etwas finden, mit dem sie sich nicht nur den Rückflug, sondern auch die Freiheit ihrer Schwester erkaufen kann. Jules hingegen ist Wissenschaftler durch und durch. Er wird von der Motivation angetrieben, mehr über die Geheimnisse der Unsterblichen zu erfahren, und das nicht nur um des Wissens willen. Die beiden treffen in einer brenzligen Situation gleich zu Beginn aufeinander, in der ihnen wenig anderes überbleibt, als einander zu vertrauen. Zu zweit machen sie sich auf den Weg in die Richtung, von der Jules felsenfest behauptet, sie sei die richtige. Doch wirklich offen sind sie zueinander vorerst nicht, insbesondere Jules verheimlicht etwas Entscheidendes.

Das Buch startet schwungvoll und schon bald haben die beiden ihr erstes Ziel erreicht. Um weiter voranzukommen gilt es dann, Rätsel zu lösen. Hier wird immer grob beschrieben, um welche Art von Rätseln es sich handelt. Schnell wird klar, dass diese Rätsel ziemlich kompliziert sind – Jules kann sie mit seiner Genialität lösen, während Mia sich um die praktischen Fragen des Überlebens kümmert. Doch ein Miträtseln ist nicht mal im Ansatz möglich, weshalb mich die Rätsel-Episoden trotz eines hohen Tempos nicht fesseln konnten.

Mia und Jules müssen viel Zeit miteinander verbringen, in denen sie dem jeweils anderen von ihrem bisherigen Leben erzählen und hier stückweise mehr von sich preisgeben. Erwartungsgemäß kommen sich die beiden dabei näher. Für Romantik ist bei diesem Wettlauf gegen die Zeit allerdings nicht viel Platz und für mich wurde nicht ganz klar, was die beiden aneinander finden abgesehen davon, dass sie ganz allein sind und bald sterben könnten. Der Funke wollte nicht so recht überspringen.

Für Spannung sorgt die Tatsache, dass den beiden gefährliche Menschen auf den Fersen sind. Werden sie schnell genug sein? Und was wollen diese überhaupt? Die Handlung bietet einige dramatische Szenen und sorgt immer wieder für überraschende Erkenntnisse. Es ist nie ganz klar, in welche Richtung sich die Geschichte überhaupt entwickeln wird. Die allergrößte Überraschung haben sich die Autorinnen bis zum Schluss aufbewahrt, der alles in neuem Licht erscheinen lässt und neugierig auf den zweiten Teil dieser Dilogie macht.

In „Undying. Das Vermächtnis“ macht sich das ungleiche Duo Amelia und Jules auf den Weg, die Geheimnisse eines fremden Planeten und der Spezies, die dort gelebt hat, zu ergründen. Zahlreiche Fallen und Rätsel erwarten sie, während das ganze bald zu einem Wettlauf gegen die Zeit wird. Doch mich konnte die Story trotz hohem Tempo nicht so recht packen und auch die Liebesgeschichte bleibt ausbaufähig. So bleibt dieses Abenteuer auf einem fremden Planeten für mich nur guter Durchschnitt.

Veröffentlicht am 29.07.2018

Zwei Welten treffen aufeinander und kommen nicht mehr voneinander los

Uns gehört die Nacht
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Elise Perez und Jamey Hyde sind Nachbarn in New Haven, stammen jedoch aus zwei ganz unterschiedlichen Welten. Elise hat keinen Highschool-Abschluss und ist mit zwanzig von zu Hause weggegangen, ohne sich ...

Elise Perez und Jamey Hyde sind Nachbarn in New Haven, stammen jedoch aus zwei ganz unterschiedlichen Welten. Elise hat keinen Highschool-Abschluss und ist mit zwanzig von zu Hause weggegangen, ohne sich zu verabschieden. Jetzt hält sie sich jetzt mit einem Job in einem Fischgeschäft über Wasser. Jamey studiert in Yale, er stammt aus einer wohlhabenden und einflussreichen Familie. An einem Tag im Januar 1986, Elise wohnt schon drei Monate neben der WG von Jamey und Matt, wird sie von den beiden hereingebeten. Von da an treffen sie und Jamey sich regelmäßig. Während Elise sich Hoffnungen auf mehr macht ist Jamey sich sicher, dass sie für ihn nur jemand ist, mit dem er eine Weile Sex haben kann. Doch die beiden kommen nicht mehr voneinander los. Das missfällt bald nicht nur Matt, sondern auch Jameys Familie.

Das Buch beginnt mit einer Szene im Juni 1987. Elise und Jamey befinden sich in einem Motel in Wyoming und sie drückt seit über zwei Stunden ein Gewehr gegen seine Brust. Was sind die Hintergründe dieser Szene? Um diese Frage zu beantworten springt die Geschichte zurück in den Januar 1986 und nimmt den Leser ab dort mit von Monat zu Monat.

Elise lebt in der heruntergekommenen Wohnung des schwulen Robbie, seit der sie schlafend im Auto seines Lovers aufgelesen hat. Sie hat ohne Plan ihre Familie hinter sich gelassen, wollte nur weg. Das weiße Townhouse nebenan hat sie immer im Blick, bis sie beschließt, mit einem kleinen Trick von den beiden Yale-Studenten hineingebeten zu werden. Das erste Aufeinandertreffen ist kurz und hinterlässt trotzdem Eindruck. Elise nimmt kein Blatt vor dem Mund und beleidigt Matt, der ihr das übel nimmt. Robbie kann nicht verstehen, was sie bei den reichen Jungs will. Doch Jamey hat keine Lust mehr, mit dem Strom zu schwimmen und das zu tun, was von ihm verlangt wird. Er ist fasziniert von der unvornehmen Elise, der auch er nicht mehr aus dem Kopf geht.

Die Autorin zeichnet mit ihren Worten Bilder von den dreckigen Seiten der Stadt und des Lebens. In kurzen Szenen werden oft Dinge wie dampfende Taubenkacke beschrieben genauso wie Sex-Einladungen von Fremden im Waschsalon per Griff an den Schwanz. Vor dieser trostlosen Kulisse kommen sich Jamey und Elise näher. Jamey handelt aus einer Mischung von Perspektivlosigkeit und Rebellion heraus, während Elise weiß, dass er nicht in ihrer Liga spielt und sich trotzdem wünscht, dass da mehr ist. Deswegen und vielleicht auch, weil das ihre Vorstellung einer Liebschaft ist, erniedrigt sie sich beim Sex, den die beiden ständig haben und der vor allem zu Beginn auch immer wieder geschildert wird. Mir persönlich waren das zu viele zu vulgäre Szenen, ohne dass die Handlung vorankam.

Die beiden sind nicht gut füreinander, das merkt der Leser und das spiegelt das Umfeld den beiden auch wieder. Doch während vor allem Jamey noch glaubt, dass er das Ganze jederzeit beenden kann ist klar, dass das nicht so einfach funktionieren wird. Dafür ist die emotionale Abhängigkeit zu schnell zu groß geworden. Und warum sollten die beiden auch nicht zusammen sein, wenn das ist, was sie wollen? Sie sperren sich gegen gut gemeinte und zunehmend energische Ratschläge, getrennte Wege zu gehen. Das wiederholt sich in ähnlicher Art und Weise mit zunehmend scharfen Konsequenzen. Zum Schluss hin gibt es eine besonders dramatische Entwicklung, auf die schon die Anfangsszene hindeutete. Auf mich machte das den Eindruck, als hätte die Autorin irgendwie noch etwas Spannung in die sonst dahinplätschernde Handlung bringen wollen.

Unterschicht trifft Oberschicht: In „Uns gehört die Nacht“ finden Elise und Jamey trotz gänzlich verschiedener Hintergründe zueinander und kommen nicht mehr voneinander los trotz aller Konsequenzen, die das hat. Eine Beziehung gegen alle Widerstände wird geschildert, für mich jedoch mit zu viel Sex und zu wenig Tempo.