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Veröffentlicht am 18.04.2022

Layout yeah, Handlung meh

Monster auf der Couch
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Was haben Dr. Jekyll, Carmilla, Viktor Frankenstein und Dorian Gray gemeinsam? Sie alle sind literarische Figuren und sitzen auf der Couch der Psychologin J. Die ist nun spurlos verschwunden und in ihrer ...

Was haben Dr. Jekyll, Carmilla, Viktor Frankenstein und Dorian Gray gemeinsam? Sie alle sind literarische Figuren und sitzen auf der Couch der Psychologin J. Die ist nun spurlos verschwunden und in ihrer Praxis bleiben Akten über ihre vier berühmten Patienten zurück: Gesprächsprotokolle, Analysen, Zeichnungen, Briefe – und Spuren von Blut. Was ist geschehen?

In „Monster auf der Couch“ gehen Jenny Jägerfeld und Mats Strandberg der Frage nach, was berühmte Charaktere der Literatur erzählen würden, befänden sie sich in Therapie. Diese grundsätzlich spannende Idee wird nicht in klassischer Romanform präsentiert, sondern setzt sich aus den Akten der Psychologin zusammen. So entsteht ein Buch mit interessantem Layout, handschriftlichen Anmerkungen und schönen Zeichnungen.

Leider kann jedoch der Inhalt nicht einhalten, was das Äußere verspricht. Die psychologischen Analysen wirken amateurhaft (und das bei einer Autorin vom Fach) und plump, alles wird entweder auf verdrängte Emotionen oder ein Trauma in der Kindheit bezogen. Während Dr. Jekyll zu einem verklemmten Jammerlappen mit Identitätsstörung verkommt, wird Dorian Gray als völliger Psychopath dargestellt. Und natürlich fühlen sich beinahe alle Patient/-innen zu unserer Psychologin hingezogen. (Und dann zieht unsere Protagonistin noch über die Psychologin Jenny Jägerfeld vom Leder – albern!)

Große Schwierigkeiten hatte ich auch mit der Logik der Handlung: J. behandelt große Figuren der Literaturgeschichte, scheint sie und ihren Hintergrund aber nicht zu kennen; gleiches gilt jedoch nicht für ihre Mentorin P., welche sie regelmäßig um Rat bittet. Hier wird, meines Erachtens, eine große Chance verschenkt, die Romanfiguren in Bezug zu ihrer Zeit, ihrer Darstellung und ihren Schöpfer/-innen zu setzen und zudem ist es mehr als unrealistisch, dass eine Psychologin in der heutigen Zeit wirklich keine von ihnen kennen soll.

Das Ende liefert, auch wenn man eigene Schlüsse ziehen kann, leider nicht die gewünschten Antworten auf offene Fragen. Was „Monster auf der Couch“ jedoch gelingt: Ich möchte alle Vorlagenwerke unbedingt (noch einmal) lesen!

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Veröffentlicht am 20.07.2021

Enttäuschend

Revolution morgen 12 Uhr
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Sean ist Anfang 20 und hat mit Depressionen und Panikattacken zu kämpfen, weshalb er sich seit einiger Zeit in der Psychiatrie befindet. Während sich „draußen“ ein Sommer mit Rekordhitze und Fußball-Weltmeisterschaft ...

Sean ist Anfang 20 und hat mit Depressionen und Panikattacken zu kämpfen, weshalb er sich seit einiger Zeit in der Psychiatrie befindet. Während sich „draußen“ ein Sommer mit Rekordhitze und Fußball-Weltmeisterschaft ankündigt, hält er sich drinnen an allabendlichen, mysteriösen Anrufen fest. Jemand spricht am anderen Ende rasend schnell Französisch und scheint ihm dabei versteckte Hinweise zu geben. Gemeinsam mit seinen neuen Freunden aus der Klinik macht Sean sich schließlich auf einen Roadtrip nach Berlin und Paris, um das Geheimnis der Anrufe zu lüften und vielleicht auch seinen Halbbruder wiederzufinden.

Auf „Revolution morgen 12 Uhr“ war ich wirklich sehr gespannt, denn erstens ist blumenbar eigentlich immer ein Garant für gute Bücher und zweitens fand ich den Lebenslauf der Autorin sehr interessant. Sie ist sicherlich in vielen Bereichen ein Genie – ihr Roman hat mir dennoch leider nicht gefallen. Das liegt zunächst in den Klischees begründet, mit denen Minu Tizabi ihren Protagonisten zeichnet. Natürlich ist er dicklich, dafür aber mit einer Leidenschaft für Zahlen ausgestattet. Und natürlich ist er derjenige, der als erster und einziger eine Romanze auf dem Roadtrip beginnt. Denn was zählen schon psychische Probleme, wenn es die Liebe gibt, nicht wahr? Zumindest scheint die Autorin das so zu sehen.

Das allein wäre ja noch in Ordnung, wenn der Schreibstil nicht so gewollt philosophisch und prätentiös wäre. Es wird aus jeder Zeile deutlich, dass hier viele besondere Zitate und ein ganz bestimmter Ton erzeugt werden sollen – letztendlich bleiben die Worte aber nur Hülsen. Ein Beispiel? „Duftendes Gold tropft ins makellose Weiß, und wieder tropft es nicht für mich.“ Soll heißen: wegen seiner Panikattacken und inneren Unruhe soll unser Protagonist keinen Kaffee trinken. Wozu dieses Poetische? Eine Psychiatrie ist nicht poetisch und Depressionen sind es ebenso wenig, sie machen einen auch nicht zum Philosophen. Und auch der Rest der Geschichte ist so erzählt, als enthalte sie alle Weisheit der Welt; letztendlich passiert aber kaum etwas und viele Fäden lösen sich irgendwann im Nichts auf. Sehr schade...

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Veröffentlicht am 20.12.2020

Tolle Illustrationen, simple Handlung

Millenia Magika – Der Schleier von Arken
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Arken ist der langweiligste Ort überhaupt – das findet zumindest Adrian. Dennoch zieht es ihn, nachdem er von zuhause weggelaufen ist, zu seiner Tante Lia, die dort seit vielen Jahren lebt und das Dorf ...

Arken ist der langweiligste Ort überhaupt – das findet zumindest Adrian. Dennoch zieht es ihn, nachdem er von zuhause weggelaufen ist, zu seiner Tante Lia, die dort seit vielen Jahren lebt und das Dorf nie verlässt. Endlich angekommen überschlagen sich schnell die Ereignisse: Adrian lernt die junge Hexe Jazz und den überschwänglichen Troll Juri kennen, seine Tante wird plötzlich entführt und dann muss er auch noch feststellen, dass er noch lange nicht alles über seine Familie und seine eigenen Kräfte weiß.

Um eines vorwegzunehmen: Die Illustrationen des Autors, auch bekannt unter seinem Künstlernamen Zapf, sind wirklich gelungen und werten das Buch ungemein auf. Die Kombination aus eher düsteren Grautönen mit knalligen roten Akzenten wirkt edel und passt zum Inhalt der Geschichte. Das Rot wird übrigens auch im Text regelmäßig wieder aufgegriffen, wenn eine bestimmte Sache geschieht, die ich jetzt nicht spoilern möchte.

Kommen wir aber nun zu der großen Frage, die ich mir stelle. Wie bewertet man als erwachsene Leserin eine Handlung, die für ältere Kinder bzw. Jugendliche erdacht wurde? Denn die Qualität der Illustrationen kann das Geschriebene leider nicht erreichen. Es ist keine schlechte Grundidee, aber sie ist auch nicht neu. Ein Junge entdeckt seine magischen Kräfte, begleitet wird er dabei von einem weiblichen und einem männlichen Sidekick. Vieles erinnert also an klassische Geschichten des Genres, zahlreiche Anspielungen im Text deuten auch darauf hin, dass genau das möglicherweise gewollt ist.

Der eigentliche Handlungsstrang ist leider auch wenig stringent, springt von einem Schauplatz zum nächsten und hält sich dort kaum lange genug auf, um einen Bezug zu den Charakteren zu erhalten. Dass Adrian Magie hat, ist zwar eine Tatsache, eine große Rolle spielt es bisher aber leider nicht. Ebenso wird einiges, wie zum Beispiel das Verschwinden von Tante Lia, auf sehr simple Weise aufgelöst. Natürlich, es ist ein Roman für junge Leser, aber etwas mehr Komplexität hätte dem Ganzen manchmal nicht geschadet. Band zwei, der im kommenden Jahr erscheinen soll, reizt mich daher nicht mehr besonders – schade eigentlich.

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Veröffentlicht am 29.06.2020

Gute Idee, schlechte Umsetzung

Das Buch der gelöschten Wörter - Zwischen den Seiten
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Kaum hat Hope Turner sich ein wenig in ihrem neuen Leben eingewöhnt, überschlagen sich schon die Ereignisse. Der mysteriöse Anführer der Absorbierer, Quan Surt, bedroht nicht nur die Buchwelt, sondern ...

Kaum hat Hope Turner sich ein wenig in ihrem neuen Leben eingewöhnt, überschlagen sich schon die Ereignisse. Der mysteriöse Anführer der Absorbierer, Quan Surt, bedroht nicht nur die Buchwelt, sondern auch die reale Welt mit Terroranschlägen. Während Rufus sich auf die Suche nach dem Schurken macht, kümmert sich Hope um den Gesundheitszustand ihrer Mutter und stolpert unwillkürlich von einer Katastrophe in die nächste. Wer ist es, der die Buchwelt und damit auch Hope und ihre Freunde verraten hat? Und wird es unseren Helden gelingen, Quan Surts Identität zu lüften und ihn aufzuhalten?

Band zwei der Reihe setzt genau nach dem Ende des ersten an. Das Erzähltempo ist in diesem Band erfreulicherweise etwas höher, dennoch krankt die Handlung weiterhin an den verschiedensten Stellen. Die Basis des Romans, die unterschiedlichen Welten, die Möglichkeit, in Bücher zu reisen - das bleibt alles interessant. Leider kann nur die Umsetzung nicht halten, was Cover und blumige Werbetexte versprechen. Wo also beginnen? Vielleicht mit der 42-jährigen Protagonistin Hope? Die stolpert auf der einen Seite wie ein Kind durch ihr eigenes Leben und in die obligatorische Dreicksgeschichte, zeigt an anderer Stelle dann aber Genialität, wo niemand bisher eine Lösung finden konnte. Oder bei den ständigen retardierenden und verschleiernden Momenten in der Geschichte, die Spannung erzeugen sollen, aber irgendwann nur noch nerven? Einige Beispiele: Kryptische Aussagen werden von den Charakteren nie hinterfragt, Gespräche unterbrochen, sobald etwas Wichtiges verraten werden könnte und eine allwissende Glaskugel zeigt aufgrund absurder Regeln ausgerechnet das nicht, was die Hope unbedingt sehen müsste. Im Gegensatz dazu wird sie immer an der richtigen Stelle innerhalb von Minuten gerettet, wenn sie sich mal wieder selbst in Schwierigkeiten gebracht hat.

Wie schön könnten Ausflüge in die Buchwelt sein, wären sie nicht nur blasse Kulisse oder Vorwand für einen slapstickhaften Gag. Und so springt Hope von "Bambi" zu "Anne of Green Gables", von "Anna Karenina" zum "Zauberer von Oz" und nicht eine dieser Welten behält den Zauber des Originals. Es will der Autorin einfach nicht gelingen, Tiefe zu erzeugen und die Charaktere so zu gestalten, dass sie glaubhaft und liebenswürdig sind. Hope ist für ihr Alter viel zu kindisch, Rufus brummige Art war schon im ersten Band nicht mehr anziehend und die restlichen Figuren dürfen nacheinander in die Rolle des potenziellen Verräters schlüpfen. Leider weiß ich inzwischen nicht mehr, ob mich diese Auflösung überhaupt noch interessiert, vielleicht wäre die Geschichte besser auf einen etwas längeren Band zusammengekürzt worden. Schade, sehr schade....

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Veröffentlicht am 27.02.2020

Überschätzt

Miroloi
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Ihr Miroloi, also die persönliche Totenklage, wird die zunächst namenlose Heldin des Romans sich selbst singen müssen. Auf ihrer Heimatinsel ist sie eine Ausgestoßene. Von den Eltern ausgesetzt und vom ...

Ihr Miroloi, also die persönliche Totenklage, wird die zunächst namenlose Heldin des Romans sich selbst singen müssen. Auf ihrer Heimatinsel ist sie eine Ausgestoßene. Von den Eltern ausgesetzt und vom Bethaus-Vater, dem Priester des Dorfes aufgezogen, ist sie nicht Teil der Gemeinschaft, darf keinen Namen tragen, nicht heiraten, sich nicht fortpflanzen. Schon die Dorfkinder quälen sie zum Spaß, die Frauen des Dorfes verachten sie, während die Männer des Dorfes noch Schlimmeres tun. Wie der Dorflehrer, der junge Mädchen nach der Schule zu sich bestellt oder die Ältesten (natürlich auch alle Männer), die mit ihren Gesetzen die Frauen kleinhalten und unterjochen. Doch eines Tages lernt unsere junge Protagonistin den Betschüler Yael kennen und verliebt sich. Er wird ihr endlich einen eigenen Namen (Alina) und Mut für die Zukunft geben. Und auch innerhalb der Gemeinschaft beginnen die Dorffrauen, einige Dinge in Frage zu stellen.

"Miroloi" und sein Platz auf der Longlist des Deutschen Buchpreises wurde in den vergangenen Wochen kontrovers diskutiert und ich muss zugeben, dass auch ich mich den Lobeshymnen über dieses Buch nicht anschließen kann. Zu vieles im Roman passt nicht zueinander, wirkt versatzstückhaft zusammengesetzt. Das beginnt schon mit der Verortung der Geschichte. Von Olivenbäumen ist die Rede, von Granatäpfeln, von Eseln als Fortbewegungsmittel - Griechenland also, so schließt der Leser. Zunächst wird das auch durch die Namensgebung unterstützt: Yannis, Mariah, Panagiota - doch dann taucht er auf, Jakup Jakupsohn und man fragt sich: Wie passt der Skandinavier in diese Welt? Nun ja, irgendwann wird die Autorin es schon erklären, so denkt man, doch die bleibt diese Antwort schuldig - und dies ist nur eines von vielen losen Enden, die nicht mehr aufgegriffen werden.

Die Begrifflichkeiten sind ebenso verwirrend, es ist von Domates die Rede anstatt von Tomaten, von Patates und Melitzanes, aber dann wieder von Schafskäse und Honig. So als wollte die Autorin ein wenig Sprachkolorit ausstreuen, bis ihr die griechischen Vokabeln ausgingen. Ähnlich wird im Roman mit Religion verfahren: die Dörfler verehren eine göttliche Dreifaltigkeit, die Welt als Gesamtes ist ursprünglich aus dem Ei geschlüpft. Man feiert die keltische Sommersonnenwende, wendet mit der "satva" Rituale aus dem indischen Kulturraum an und die Toten werden von drei Fährfrauen(!) und mit Münzen auf den Augen in die Unterwelt geleitet. Ach ja, und am Ende müssen sich die Dorffrauen übrigens noch verschleiern. Man sieht also, sehr viele Anleihen an andere Religionen und Kulturen und sehr wenig eigenes von Frau Köhler. Schade, hier hätte ich mir ein eigenes erdachtes System oder den konsequenten Verbleib bei einer Religion/Kultur gewünscht.

Auch sprachlich ist der Roman eine Herausforderung. Der Protagonistin fehlt die elterliche Liebe und Prägung. Lange Zeit darf sie auch nicht lesen oder schreiben, bis der Bethaus-Vater doch den Mut findet, es ihr heimlich beizubringen. Dementsprechend begrenzt und kindlich-naiv ist ihre Sprache; eine Tatsache, die von einigen Kritikern frenetisch gefeiert wird. Jedoch ist diese Sprache nicht nur bisweilen sehr befremdlich, so zum Beispiel, wenn unsere Heldin vor Liebe zu ihrem Betschüler "stinken möchte wie ein Käse", sondern vor allem dann, wenn die gesamte Weltklugheit und Poesie aus ihr hervorzubrechen scheint. Da tauchen auf einmal Metaphern aus Fotografie und Film aus - beides ist übrigens von der Insel verbannt, denn die Ältesten lehnen jegliche Art von Fortschritt ab. Woher hat das Mädchen also seine Vokabeln? Sie entwickelt sich eben weiter, sagen die Fans. Unglaubwürdig und gewollt poetisch, sage ich.

Und noch eine Sache stört mich an dem Roman. Feministisch soll er sein, weil die Heldin sich gegen die patriarchalischen Strukturen auflehnt. Das mag ja im Grunde richtig sein, dennoch stellt sich für mich eine wichtige Frage: Der Wunsch nach einem Namen und damit der Möglichkeit, sich zu anderen in ein Verhältnis zu setzen, das ist der charakterliche Kern der Protagonistin. Und woher erhält sie diesen Namen? Natürlich von einem Mann, mit dem sie Sexualität teilt, denn Liebe kann man das beim besten Willen nicht nennen. Wie kann das also ein feministischer Akt sein, wenn ein Mann nötig ist, um einer Frau Identität zu geben? Natürlich ist es im Verlauf der Handlung schön zu erleben, wie die Frauen des Dorfes sich nach und nach auflehnen, wie sie sich nach Strom und Haushaltsgeräten sehnen, die ihre Zukunft verbessern sollen. Doch leider verläuft so vieles im Sand oder wird beim kleinsten Widerstand aufgegeben. Natürlich ist es schwer, eingefahrene Strukturen zu durchbrechen, aber anstatt der angeblich so feministischen Ausrichtung zeigt "Miroloi" eigentlich nur, dass es nahezu unmöglich ist, etwas zu verändern. Am Ende wird ausgerechnet ein Mann zum "Zünglein an der Waage", was die Handlung betrifft - schade, aus diesem Thema hätte man so viel mehr machen können.

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