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Veröffentlicht am 23.06.2022

Zehn interessante Frauen

Frauen, an die ich nachts denke
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Bereits in ihrem ersten Buch begab sich Mia Kankimäki auf die Spur einer besonderen Frau, der Hofdame Sei Shōnagon, Verfasserin des „Kopfkissenbuchs“, eines japanischen Klassikers. In ihrem neuen Werk ...

Bereits in ihrem ersten Buch begab sich Mia Kankimäki auf die Spur einer besonderen Frau, der Hofdame Sei Shōnagon, Verfasserin des „Kopfkissenbuchs“, eines japanischen Klassikers. In ihrem neuen Werk knüpft sie an dieses Schema an und widmet sich zehn verschiedenen Frauen, die sie ihre „Nachfrauen“ nennt, also „Frauen, an die ich nachts denke“. Dabei handelt es sich um ganz unterschiedliche Persönlichkeiten: Schriftstellerinnen, Forscherinnen, Künstlerinnen.


Nach ihren Berufungen aufgeteilt beleuchtet die Autorin die zehn Frauen und liefert jeweils einen kurzen Lebenslauf, teilweise unterstrichen durch Zeitzeugnisse wie Briefe (im Text) oder Fotos (im Anhang). Verbunden werden diese Schilderungen immer mit Kankimäkis eigener Person, ihrer Faszination für jede der Nachtfrauen und mit den Reisen, die sie unternimmt, um für ihr Buch zu recherchieren. Auch teilt sie ihre eigenen Briefe, die sie an die zumeist schon verstorbenen Frauen verfasst hat.


Es gelingt der Autorin definitiv, ihre Begeisterung für diese zehn besonderen Frauen auf die Leser/-innen zu übertragen, vor allem die Berichte über die waghalsigen Expeditionen der insgesamt fünf forschenden Nachtfrauen und die damit verbundenen Episoden aus den unterschiedlichsten Ländern der Welt haben mir gut gefallen. Ebenso interessant waren ihre Ausführungen über die unterschätzten und übersehenen Malerinnen der Renaissance. Nicht ganz in ihre Auswahl passt jedoch, meiner Meinung nach, die Schriftstellerin Karen „Tania“ Blixen mit ihrem doch sehr weißen Blick auf Afrika – wobei auch Kankimäki hier eine durchaus kritische Haltung zu ihr einnimmt.


Weniger gelungen fand ich die Verbindung der Lebensgeschichten zu den eigenen Erfahrungen der Autorin und ihrer Reise. Sie verliert sich in Beschwerden über den Ranger, der ihr auf der Safari in Afrika ungewollte Avancen macht, schildert langwierig Tage in einem italienischen Dorf, in denen kaum etwas passiert und sieht sich Yayoi Kusamas psychiatrische Klinik bei Google Maps an. Somit bleibt der Rest des Buches leider hinter den großartigen Nachtfrauen stark zurück, schade!

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Veröffentlicht am 11.05.2022

Sehr skurril

Die dunklen Geheimnisse von Heap House
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Die Mitglieder der Iremonger-Familie haben alle eine skurrile Gemeinsamkeit: Bei der Geburt wird ihnen ein Objekt zugewiesen, das sie ihr Leben lang bei sich tragen sollen. Der 15-jährige Clod Iremonger ...

Die Mitglieder der Iremonger-Familie haben alle eine skurrile Gemeinsamkeit: Bei der Geburt wird ihnen ein Objekt zugewiesen, das sie ihr Leben lang bei sich tragen sollen. Der 15-jährige Clod Iremonger hat jedoch noch eine weitere Besonderheit an sich, denn er kann die Stimmen dieser Objekte hören. Als Clod auf das Waisenmädchen Lucy trifft, die für seine Familie als Dienstmädchen arbeitet, stellt er zum ersten Mal die Welt um sich herum in Frage.

„Die dunklen Geheimnisse von Heap House“ ist der erste Band der Iremonger-Trilogie des britischen Schriftstellers Edward Carey und erschien im Original bereits im Jahr 2013. Die Handlung wird abwechselnd aus der Sicht der beiden Hauptfiguren Clod und Lucy in der Ich-Perspektive erzählt, wobei auch kurze Zwischenkapitel anderer Charaktere eingeschoben werden. Entsprechend der Herkunft der beiden Protagonisten passt sich auch die Sprache an. Während Clod, der aus einer einflussreichen Familie stammt, etwas wortgewandter ist, macht Lucy dies mit einer entwaffnenden Ehrlichkeit und einem starken Gerechtigkeitssinn wieder wett.

Die Grundidee, auf der die Welt der Iremongers basiert, ist sehr interessant. Das Herrenhaus Heap House befindet sich zwischen riesigen Müllbergen und die einzige Verbindung hinein und hinaus ist eine Zugstrecke nach London, die jedoch weder die Familie, noch das Personal benutzen darf. Ich hätte gerne noch mehr darüber erfahren, wie all das eigentlich entstanden ist, doch erst nach knapp 200 Seiten gibt es hierzu die ersten Hinweise. Das Geheimnis um die Geburtsobjekte und somit der weitere Verlauf der Geschichte sind hingegen schon nach den ersten Kapiteln zu erahnen.

„Die dunklen Geheimnisse von Heap House“ ist trotz kleinerer Schwächen in der Umsetzung ein recht ansprechender Trilogiestart, der vor allem durch seine Skurrilität und die sympathischen Hauptfiguren besticht. Am Ende des Buches wartet jedoch ein großer Cliffhanger auf uns Leser/-innen, der viele Fragen unbeantwortet lässt. Ich glaube, hier muss ich dann doch zum englischen Original greifen, denn ich möchte wissen, wie es mit Clod und Lucy weitergeht.

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Veröffentlicht am 10.03.2022

Das Verschwinden der Agatha Christie

Mrs Agatha Christie
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Im Dezember 1926 verschwindet Agatha Christie für elf Tage in ihrem Leben spurlos. Eine beispiellose Suchaktion beginnt, an der sich sogar Größen wie Dorothy Sayers und Sir Arthur Conan Doyle beteiligten ...

Im Dezember 1926 verschwindet Agatha Christie für elf Tage in ihrem Leben spurlos. Eine beispiellose Suchaktion beginnt, an der sich sogar Größen wie Dorothy Sayers und Sir Arthur Conan Doyle beteiligten und in deren Verlauf ihr Ehemann Archie immer mehr ins Kreuzfeuer der Ermittlungen geriet. Der Ausgang ist bekannt: Agatha taucht in einem Hotel in Harrogate wieder auf und gibt vor, sich an nichts erinnern zu können. Sie und Archie lassen sich scheiden und fortan wird sie nicht nur wieder heiraten, sondern vor allem eine Vielzahl großartiger Kriminalromane schaffen.

In „Mrs Agatha Christie“ erzählt Marie Benedict nun ihrerseits, was damals in diesen elf Tagen geschehen sein könnte. Dabei schildert sie das Geschehen aus zwei verschiedenen Perspektiven: In der Vergangenheit ist Agatha die Protagonistin und die Autorin verwendet die Ich-Form, um eine gewisse Verbundenheit herzustellen. Erzählt wird ausgehend von dem Moment im Oktober 1912, als Agatha und Archie sich kennenlernen. In der Gegenwart, am Tag nach dem Verschwinden seiner Frau, steht dieser im Fokus. Sein Handlungsteil ist jedoch in der Er-Form geschrieben – die Loyalitäten der Leser*innen sind sofort klar.

Gut recherchiert ist Benedicts Roman allemal, Namen, Orte, Daten, ja sogar Agathas Kleidung an ihrem Hochzeitstag werden genauestens dargestellt. Auch ihre Theorie über das Verschwinden der beliebten Autorin erscheint plausibel. Es ist allgemein bekannt, dass Archie eine Affäre hatte und diese heiraten wollte – Agathas Plan, ihm dafür gewaltig die Suppe zu versalzen, passt zu allem, was wir über ihren Charakter wissen und ist zudem mehr als nur einen Schmunzler wert.

„Mrs Agatha Christie“ ist in weiten Teilen – und damit war natürlich zu rechnen – eine Liebesgeschichte oder vielleicht eher eine Geschichte über das Scheitern einer Ehe und darüber, wie Frauen stets den Spagat zwischen Beruf und Familie, zwischen Ehemann und Kind schaffen müssen. Persönlich hätte ich mir einen größeren Fokus auf Agathas Schreiben und ihre Perspektive nach dem Verschwinden gewünscht. Dieses Risiko wollte die Autorin offensichtlich aber nicht eingehen, schade!

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Veröffentlicht am 10.02.2022

Sehr konstruiert

Mrs Potts' Mordclub und der tote Nachbar
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Die 77-jährige Judith Potts lebt allein in ihrem Herrenhaus, das sie von ihrer Tante geerbt hat, im kleinen Dorf Marlow. Sie ist Kreuzworträtsel-Autorin und liebt es, nackt im Fluss zu schwimmen und sich ...

Die 77-jährige Judith Potts lebt allein in ihrem Herrenhaus, das sie von ihrer Tante geerbt hat, im kleinen Dorf Marlow. Sie ist Kreuzworträtsel-Autorin und liebt es, nackt im Fluss zu schwimmen und sich den ein oder anderen Whisky zu genehmigen. Doch dann wird ihr beschauliches Leben durch den Mord an ihrem Nachbar durcheinandergebracht. Oder eigentlich eher aufgepeppt, denn Judith denkt gar nicht daran, zu warten, bis die Polizei den Fall gelöst hat. Sie nimmt die Ermittlungen lieber selbst in die Hand.

Robert Thorogood war mir bisher nur als Autor der erfolgreichen „Death in Paradise“-Reihe (die übrigens auch eine durchaus gelungene Umsetzung als TV-Serie besitzt) ein Begriff. Nun startet er mit „Mrs Potts‘ Mordclub und der tote Nachbar“ eine neue Reihe, die ganz im Stil von Miss Marple daherkommt. Die Geschichte wird aus der Sicht eines auktorialen Erzählers geschildert und bleibt die meiste Zeit über bei ihrer Protagonistin Judith. Im späteren Verlauf kommen jedoch auch deren neue Freundinnen, Hundesitterin Suzie, Pfarrersgattin Becks und Dectective Sergeant Tanika Malik zu Wort.

Ein englisches Dörfchen und eine ebenso neugierige wie resolute „Privatdetektivin“ - das sind leider auch schon die einzigen Parallelen zur Kultfigur Jane Marple. Judith Potts ist, um ehrlich zu sein, leicht nervtötend und stellt sich bei ihren Ermittlungen manchmal reichlich ungeschickt an. Ihre offensichtlichen Versuche, im Fall herumzuschnüffeln, werden daher auch schon bald von allen Beteiligten durchschaut. Dennoch ist sie die einzige, die zur Lösung des Falles beiträgt, alle Hinweise fallen ihr in den Schoß und alle wichtigen Schlussfolgerungen stammen von ihr.

Die arme Tanika rückt dabei nicht nur völlig in den Hintergrund, sondern heuert aus lauter Hilflosigkeit die drei Damen auch noch an, um den Fall überhaupt lösen zu können. Und eben diese Auflösung ist dann auch ein wenig hanebüchen und sehr konstruiert. Glänzen kann der Roman jedoch in den Momenten, wenn die drei neuen Freundinnen ihre Kräfte bündeln, sich gegenseitig unterstützen und gemeinsam Großartiges erreichen – davon in Zukunft gerne mehr.

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Veröffentlicht am 20.01.2022

Gutes Konzept, schwache Umsetzung

Ende in Sicht
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Hella ist 69 und hatte unter ihrem Künstlernamen mit „Ende in Sicht“ vor vielen Jahren einen großen Hit. Inzwischen ist sie jedoch in Vergessenheit geraten und vereinsamt. Als sie sich in die Schweiz aufmacht, ...

Hella ist 69 und hatte unter ihrem Künstlernamen mit „Ende in Sicht“ vor vielen Jahren einen großen Hit. Inzwischen ist sie jedoch in Vergessenheit geraten und vereinsamt. Als sie sich in die Schweiz aufmacht, um dort Sterbehilfe in Anspruch zu nehmen, landet die 15-jährige Juli vor ihr auf der Straße. Die will nämlich ebenfalls ihrem Leben ein Ende setzen und hat sich von der Autobahnbrücke gestürzt. Hella nimmt das Mädchen mit, um sie in ein Krankenhaus zu bringen und es entwickelt sich ein wahnwitziger Roadtrip.

„Ende in Sicht“ ist bereits der zweite Roman aus der Feder der Journalistin und Moderatorin Ronja von Rönne. Erzählt wird sowohl aus der Perspektive von Hella, als auch der von Juli – jeweils in der dritten Person und der Vergangenheitsform. Der Schreibstil ist von kurzen und prägnanten Sätzen geprägt, welche die Handlung gehetzt vorantreiben. Die beiden Protagonistinnen wirken auf den ersten Blick sehr unterschiedlich: Hella, älter und eine ehemalige Berühmtheit. Juli, eine Schülerin wie viele andere auch. Doch als sich die beiden endlich einander öffnen, werden Gemeinsamkeiten sichtbar – beide sind auf ihre Art sehr einsam, haben eine „abwesende“ Mutter und das Leben satt.

Die Prämisse des Romans klang für mich sehr spannend und hat mich sofort angesprochen, doch leider konnte die Umsetzung nicht ganz mithalten. Es fällt schwer, einen Bezug zu den Figuren aufzubauen. Hella hat einige Charakterzüge und Handlungsweisen an sich, die sie nicht unbedingt sympathisch machen, Julis Leid hingegen bleibt bis zum Ende nur schwer greifbar. Ronja von Rönne beschreibt zwar die Depression ihrer Protagonistin, emotional erreicht mich das Ganze jedoch nicht.

Hinzu kommt, dass einige Teile der Handlung nicht ganz glaubwürdig sind. Wer würde ein junges Mädchen, das offensichtlich gerade von einer Brücke gesprungen ist, einfach so wieder aus der Notaufnahme marschieren lassen? Und auch Hellas Kontaktaufnahme mit der Sterbehilfeorganisation wirkt nicht besonders realistisch. Spontan fallen mir einige Romane ein, die das, was die Autorin vorhatte, so viel besser machen, schade!

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