Profilbild von NobbyR

NobbyR

Lesejury Profi
offline

NobbyR ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit NobbyR über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.09.2020

Spannende Near Future Science Fiction

Fallender Stern
0

Der im Piper-Verlag veröffentlichte, in der nahen Zukunft spielende Science-Fiction-Roman „Fallender Stern“ von Christoph Dittert beschäftigt sich mit einem Erstkontakt zu außerirdischer Intelligenz. Der ...

Der im Piper-Verlag veröffentlichte, in der nahen Zukunft spielende Science-Fiction-Roman „Fallender Stern“ von Christoph Dittert beschäftigt sich mit einem Erstkontakt zu außerirdischer Intelligenz. Der Autor ist in der deutschen SF-Szene kein unbeschriebenes Blatt: So gehört er unter seinem Pseudonym Christian Montillon seit 2006 zu den Stammautoren der Perry-Rhodan-Serie und ist dort seit dem 2013 erschienenen Jubiläumsband 2700 zusammen mit Wim Vandemaan für die Exposés zuständig.

Worum es geht
Als die NASA eines Tages aus dem All Funksignale auffängt, die eindeutig einen künstlichen Ursprung haben, bleiben der Menschheit 30 Jahre Zeit, sich auf einen möglichen Erstkontakt mit außerirdischen Intelligenzwesen auch technisch vorzubereiten. So lange braucht nämlich der in der Nähe des Sonnensystems aufgetauchte Asteroid, von dem die nicht entschlüsselbare Nachricht stammt, um von der Erde aus in Reichweite zu kommen. Ein bemanntes Raumfahrtprojekt wird eigens hierfür erstellt. Aus der Perspektive einer amerikanischen Familie wird beispielhaft geschildert, wie die Menschen mit dieser Situation umgehen. Die Zwillinge Amy und Eric, deren Mutter bei der NASA arbeitet, sind gerade zehn Jahre alt, als die geheimnisvolle Botschaft empfangen wird. Während Amy im weiteren Verlauf alles daransetzt, um bei dem erhofften Treffens mit den Außerirdischen an vorderster Front dabei zu sein, möchte ihr Bruder am liebsten nichts davon wissen. So stehen auf der einen Seite die von strenger Geheimhaltung geprägten Entwicklungsarbeiten der Weltraumorganisation und auf der anderen Seite die kleineren und größeren Dramen der Familiengeschichte, die jeweils über die Handlungsjahre episodenhaft erzählt werden. Während die Menschheit im Angesicht des ersten Begegnung enger zusammenrückt, bricht die Familie auseinander. Schließlich ist der Asteroid in Erdnähe, und ein kleines Team von Astronauten bricht auf, um in seine Reichweite zu gelangen.

Kritik
Es dauert etwas mehr als bis zur Mitte des Romans, bis es zum eigentlichen Kontaktversuch kommt. Trotzdem schafft es Christoph Dittert von den ersten Seiten an, den Leser zu fesseln. Geschickt schildert er anhand von Amy und Eric den psychologischen Konflikt zwischen Hoffnungen und Ängsten, die mit einem Erstkontakt einher gehen. Der geniale Physiker Stephen Hawking hat einmal gesagt, wenn Aliens uns jemals besuchen sollten, so denke er, wäre das Ergebnis so wie bei Christopher Columbus und seiner ersten Ankunft in Amerika – was nicht sonderlich gut für die amerikanischen Ureinwohner ausgegangen sei. Die Bedenken, den Kontakt aktiv zu suchen, sind also nicht unbegründet. Andererseits glauben viele, dass die technologische Überlegenheit einer Spezies, die zu einer interstellaren Raumfahrt fähig ist, mit einer höheren moralischen Integrität einher geht und hoffen daher auf eine nicht nur friedliche, sondern für die Menschheit auch fördernde Begegnung. Dieses Spannungsfeld ist ein klassisches Thema der Science Fiction seit H. G. Wells.

Inhaltlich kann die Handlung in drei Abschnitte unterteilt werden: vor, während und schließlich nach dem NASA-Projekt, dessen Ausgang an dieser Stelle nicht verraten werden soll. Dabei verzichtet Dittert weitgehend auf Effekthascherei oder technokratische Details. Sein Lösungsansatz zu Fragen, wie ein solcher Erstkontakt ablaufen könnte, ob wir fremde Lebensformen überhaupt als solche wahrnehmen und mit ihnen kommunizieren können oder was dabei passieren könnte, ist vielschichtig und interessant, wobei das eher überraschende Ende erfreulich frei von Klischees ist Raum für Phantasie lässt. Erfreulicherweise kommt es weder zum dramatischen Abschuss eines feindlich gesinnten Alienraumschiffs noch zum diplomatischen Dinnerbankett mit den Außerirdischen. Lediglich der Versuchung, die Fremden anschaulich zu schildern, kann der Autor nicht widerstehen, was vielleicht mit seiner Prägung durch Perry Rhodan zusammenhängt. Doch dafür durchlaufen seine Hauptfiguren eine für den Leser nachvollziehbare Entwicklung und gewinnen im Verlauf des Romans immer mehr an Tiefe.

Fazit
„Fallender Stern“ ist intelligente Near Future Science Fiction mit einer packenden Mischung aus Lebensgeschichten und dem Gedankenspiel, was passieren könnte, wenn wir den Beweis für die Existenz außerirdischen Lebens hätten.

Danksagung
Mein Dank an den Piper-Verlag und NetGalleyDE, dass ich diesen Roman im Austausch gegen eine ehrliche Rezension lesen durfte.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 07.07.2020

Solider Thriller aus Deutschland

Zehn
0

Dies ist die Besprechung eines vom Verlag über Netgalley.de zur Verfügung gestellten Probeexemplars:

Der Debutroman "Zehn" von Andy Neumann ist ein im April 2020 im Gmeiner Verlag als Taschenbuch und ...

Dies ist die Besprechung eines vom Verlag über Netgalley.de zur Verfügung gestellten Probeexemplars:

Der Debutroman "Zehn" von Andy Neumann ist ein im April 2020 im Gmeiner Verlag als Taschenbuch und E-Book erschienener Thriller. Der Autor ist hauptberuflich Beamter beim BKA, weiß also in Sachen Polizeiermittlungen, wovon der schreibt.

Der Roman handelt von einem Serienkiller, der über einen Zeitraum von neun Jahren insgesamt neun Menschen ermordet hat, ohne wegweisende Spuren zu hinterlassen. Seine Motive sind unklar, zwischen den Opfern gibt es keinen erkennbaren Zusammenhang. Erst nach dem sechsten Mord gibt sich "Ten", wie er sich nennt, gegenüber der Polizei zu erkennen. Lediglich der Reporter Rolf Niessen hat den Verdacht, dass der Täter in den Reihen der Polizei zu suchen sein könnte. Zehn Taten in zehn Jahren ist Tens perfider Plan, wobei die Morde immer perfekter werden sollen. Kann Niessen den Killer stoppen, bevor der sein Ziel erreicht?

Aus wechselnder Perspektive – teils in Rückblendenden – erzählt Andy Neumann bis zum finalen Showdown, wie Ten eher per Zufall zum Serienmörder wurde, und liefert dabei auch verstörende Einblicke in die Psyche des Täters. Die Figuren, ihre Situation und Gedanken erscheinen in allen Blickwinkel realistisch und verständlich, auch wenn die Antriebsfeder eines Serienmörders kaum nachvollziehbar ist. Der Roman ist packend, mit viel Insiderwissen geschrieben und durch seine abwechslungsreiche Handlung flüssig zu lesen. Leider gibt es ein paar Längen, so dass der Autor die Spannung nicht durchgehend hoch halten kann. Nicht alle Fragen werden geklärt, das überraschende Ende bleibt offen.

Insgesamt ein empfehlenswertes Buch, das sich nicht hinter den Werken renommierter Autoren verstecken muss.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 12.09.2020

Spannendes Debüt mit Schwächen

Die Tote von Dresden
2

Der Kriminalroman »Die Tote von Dresden« von Julius Kron ist ein Polizeithriller, der in der sächsischen Hauptstadt und Umgebung spielt.

Worum es geht
Nachdem ein Sexualmörder aufgrund seines Ermittlungsfehlers ...

Der Kriminalroman »Die Tote von Dresden« von Julius Kron ist ein Polizeithriller, der in der sächsischen Hauptstadt und Umgebung spielt.

Worum es geht
Nachdem ein Sexualmörder aufgrund seines Ermittlungsfehlers freigesprochen werden musste, soll Kriminaloberkommissar Frank Haberking zur Strafe in einem zehn Jahre alten, kalten Fall ermitteln. Ihm zur Seite gestellt wird die jüngere Oberkommissarin Anna-Maria Slakow, der ein Disziplinarverfahren und eine Anklage wegen schwerer Körperverletzung im Dienst drohen. Während der behäbige, wenig ambitionierte und zu Dienst nach Vorschrift neigende Haberking diesen Auftrag als Vorwand sieht, ihn bei dem zu erwartenden Misserfolg erst später – aber dafür weniger medienwirksam – zu suspendieren, hofft seine ehrgeizige und sich über Regeln schon einmal hinwegsetzende Kollegin, sich durch eine rasche Aufklärung rehabilitieren zu können. Die beiden sollen die Hintermänner im Entführungsfall der jungen Richterin Jennie Flagant aufdecken, die seinerzeit in die Zwangsprostitution verschleppt wurde und kurz nach ihrer Befreiung durch die Polizei Selbstmord begangen haben soll. Zwar wurden die der Serbenmafia angehörenden Bordellbetreiber verhaftet und verurteilt, aber weder die Motive der Tat noch die Verantwortlichen konnten bisher ermittelt werden. Binnen kürzester Zeit kann das ungleiche Team ungeahnte Ermittlungserfolge aufweisen, die darauf hindeuten, dass der Fall eine politische Dimension haben könnte und es noch andere Opfer gegeben hat. Gleichzeitig bringen sie dadurch sich und Haberkings Familie in Gefahr. Wer hat ein Interesse daran, dass der Fall abgeschlossen wird, und wer will dies verhindern? Es scheint, dass ihre Gegner Haberking und Slakow immer einen Schritt voraus sind. Der Verdacht keimt auf, dass es einen Maulwurf in den Reihen der Polizei geben könnte.

Kritik
Die Handlung spielt sich − abgesehen von einigen Rückblenden, in denen die Vergangenheit der Opfer, einschließlich Jennie Flagants Martyriums, das drastisch geschildert wird, und ihres Umfeldes beleuchtet werden − innerhalb einer angespannten Woche ab, in denen die Geheimnisse schrittweise und mit einigen Wendungen enthüllt werden. Der Roman ist daher spannend und temporeich; die Hauptfiguren wirken menschlich und sympathisch. Leider macht diese Reduktion der erzählten Zeit die Geschichte aber auch unrealistisch. Es ist nicht nachvollziehbar, warum zwei neu auf diesen kalten und angeblich sogar verjährten Fall angesetzte Ermittler, die sich ja auch erst einmal in die Aktenlage einarbeiten müssen, kurzfristig bahnbrechende Erfolge erzielen, wo zuvor andere über zehn Jahre hinweg gescheitert sind. Rasch wird sogar klar, dass noch weitere Verbrechen in unmittelbaren Zusammenhang mit dem Fall stehen. Es gibt bei den Nachforschungen keine nennenswerten Sackgassen, der Täter steht im Prinzip nach zwei Dritteln fest und muss nur noch dingfest gemacht werden. Hier hätte der Autor seinen Kommissaren besser mehr Probleme gegönnt, ohne dass Spannung und Erzählzeit darunter hätten leiden müssen. Auch wenn in einem fiktionalen Text prinzipiell alles möglich ist, leidet darunter doch die Plausibilität. Obendrein wird hier auch noch der Zufall immer wieder bemüht, um die Handlung voran zu treiben.

Erschwerend kommt hinzu, dass im Roman jedes Kapitel und jeder Abschnitt mit einem exakten Datum und/oder einer genauen Uhrzeit versehen ist, diese jedoch häufig nicht stimmig oder zumindest unwahrscheinlich sind. Diese Logikfehler reichen von widersprüchlichen Aussagen (die Freiheitsberaubung und Zwangsprostitution der Richterin zog sich laut Kapitel 2 über zwei Jahre und sie beging 2008 Selbstmord, wohingegen es gemäß der Rückblende in Kapitel 8 nur vier Monate waren und sie 2007 starb) über unwahrscheinliche Altersangaben bis hin zu hanebüchen Zeitabläufen, bei denen Fahrzeiten zwischen den Handlungsorten oder die konkret angegebene Dauer bestimmter Handlungsabschnitte nicht ausreichend berücksichtigt werden (das komplette Kapitel 5). An anderer Stelle fragt man sich, wie die Kommissare lange nach Schalterschluss privat an hohe Geldbeträge kommen. Das sind handwerkliche Fehler, die sowohl dem Autor als auch etwaigen Testlesern oder spätestens dem Lektorat vor der Veröffentlichung hätten auffallen müssen. So ist es − gelinde gesagt – für den aufmerksamen Leser ärgerlich und den Verlag peinlich und wirkt wie mit heißer Nadel gestrickt. Auch bleiben einige Aspekte des Falls ungeklärt, respektive für den Leser unbeantwortet. Ebenso die Fragen, warum ausgerechnet diese beiden Kommissare auf den Fall angesetzt wurden und warum eine Aufklärung bisher immer gescheitert ist. Die angekündigte politische Dimension ist eher ernüchternd; was letztlich bleibt, ist ein banaler Rachefeldzug. Ein entscheidender Mittäter wird am Schluss aus dem Hut gezaubert, obwohl diese Person im gesamten Roman so gut wie keine Rolle spielt. Der Maulwurf wird am Ende entlarvt, wobei mir der schlüssige Grund fehlt, warum diese Person so gehandelt hat, wo es immerhin um die Vertuschung schwerer Straftaten geht. Zuletzt werden dann die Voraussetzungen für mindestens eine Fortsetzung geschaffen.

Bedauerlicherweise schöpft Kron auch das Konfliktpotential nicht aus, das sich aus seinen gegensätzlichen Protagonisten ergeben könnte. Hier wäre Raum für Spannungen oder zumindest Frotzeleien gewesen – man denke nur an Boerne und Thiel im Münsteraner Tatort. Doch die beiden müssen sich nicht wirklich zusammenraufen, sondern harmonisieren eigentlich von Anfang an recht gut miteinander, nachdem sie kurz nach dem ersten Zusammentreffen einen Kooperationspakt geschlossen haben. Hier hat der Autor interessante Möglichkeiten verschenkt. Die privaten Probleme, die sich bei Haberland im Verlauf der Handlung ergeben, sind hingegen eher klischeehaft. Noch dazu wird trotz des gedrängten Zeitablaufs hierfür ein ganzer Abschnitt verschenkt, obwohl es die eigentliche Handlung nicht weiterbringt. Während Haberlands Charakterisierung sehr ausführlich ist, bleibt seine Kollegin Slakow im Vergleich eher blass. Es wird auch nicht darauf eingegangen, warum sie am Ende doch nicht, auf ihre alte Stelle zurückkehren möchte, obwohl dies ursprünglich ihr wiederholt erklärtes Ziel war.

Zum Showdown baut Kron dann auch noch eine fast schon Tarantino-esque Actionszene ein, die doch reichlich überzogen wirkt — beide Protagonisten sind natürlich Meisterschützen —, obwohl sie natürlich spannend und temporeich ist.

Wer aufgrund des Titels und des düster gehaltenen Covers mit dem Dresdener Panorama einen echten Regionalkrimi erwartet hat, wird voraussichtlich enttäuscht sein. Zwar scheint Rheinländer Julius Kron die diversen Örtlichkeiten gründlich genug und teilweise vor Ort recherchiert zu haben, doch es fehlt trotz allem an Lokalkolorit. Dresden ist hier nie viel mehr als reine Kulisse. Die Handlung wäre mit wenigen Änderungen in jede x-beliebige andere Stadt übertragbar, egal ob Magdeburg, Erfurt, Leipzig oder Düsseldorf. Die Region und die Menschen, deren Eigenheiten, Sprache sowie guten und schlechten Seiten werden nicht in der Detailhaftigkeit geschildert, dass der Ort zu einem Schwerpunkt der Nebenhandlung wird. Eine soziologische Orientierung, wie sie für einen Regionalkrimi typisch wäre, fehlt daher weitgehend, wodurch der Roman per se jedoch nicht schlechter wird.

Fazit
Wer einfach, ohne viel nachdenken zu müssen, einen fesselnden Thriller lesen möchte und über die zahlreichen Unstimmigkeiten hinweg lesen kann, dem sei »Die Tote von Dresden« durchaus empfohlen. Julius Krons Schreibstil ist modern, der Roman von der ersten Seite an packend, unterhaltsam und flüssig zu lesen. Ich bin daher hin und her gerissen: Die Story gefällt mir mit ein paar Abstrichen gut und ist spannend geschrieben, die Figuren sind interessant. Die erwähnten schriftstellerischen Fehlleistungen beleidigen dagegen meinen Verstand, zumal die Auflösung des Falls etwas unbefriedigend ist und einige lose Handlungsfäden übrig bleiben. Dafür muss ich Punkte abziehen.

Die inhaltlichen Unzulänglichkeiten sind schade, denn Haberking und Slakow hätten als Romanfiguren eigentlich das Potential für eine erfolgreiche neue Serie, auf die das ans Dezernat Q von Jussi Adler-Olsen erinnernde Ende hindeutet. Sollte es eine Fortsetzung geben, liegt es an Autor und Lektorat, es im zweiten Band unbedingt besser zu machen. Ansonsten hat man mich spätestens dann als Leser verloren.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Spannung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Handlung