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Pantoffeltier

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 03.10.2021

Im Arrest

DAFUQ
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Weil ihr vorgeworfen wird, eine regierungskritische Demonstration organisiert zu haben, muss Anja für zehn Tage in den Arrest. Dort ist sie mit sechs anderen Frauen eingesperrt.
Die Autorin stellt die ...

Weil ihr vorgeworfen wird, eine regierungskritische Demonstration organisiert zu haben, muss Anja für zehn Tage in den Arrest. Dort ist sie mit sechs anderen Frauen eingesperrt.
Die Autorin stellt die alles erdrückende Langeweile der eintönigen Tage sehr gut dar. Wie die Frauen die Zeit mit Rauchen totschlagen, einfach um irgendwas zu tun, wie sie sich gegenseitig nerven, aber doch einander brauchen, wie es beunruhigt und gleichzeitig seltsam beruhigt immer beobachtet zu werden.
Die Übersetzung ist sehr wörtlich, das macht es ab und an holperig. Warum man auch Bandnamen übersetzt, ist mir etwas unklar. Vielleicht hat man sich gescheut, die Umschrift aus dem Kyrillischen zu nehmen, aber beispielsweise mit "Nächtliche Scharfschützinnen" kann man kaum etwas anfangen, wenn man die Band nicht kennt.
Interessant fand ich die verschiedenen Geschichten der sehr unterschiedlichen Frauen. Leider wurden diese nicht sehr ausführlich erzählt. Es geht, anders als man vermuten würde, nicht viel um Politik sondern vor allem um Liebes- und Abhängigkeits- Beziehungen zu Männern und Frauen. Das ist etwas schade, denn das hat mich nicht immer interessiert. Besonders Anjas Geschichte um eine Dreiecksbeziehung wurde ermüdend lang ausgewalzt.
Am Ende driftet es in eine übernatürliche Richtung ab. Das ist an sich nicht schlimm, ich lese gern Fantasy, aber hier war für mich der Bruch zu stark und der ganze realistische Teil wurde dadurch abgewertet. Man denkt nicht mehr darüber nach wie schlimm es ist, dass Anja für eine Demonstration ins Gefängnis muss, sondern nur noch darüber, ob irgendjemand übernatürliche Kräfte haben könnte oder nicht. Von der Autorin ist ja auch noch bekannt, dass sie zum Team von Nawalny gehört und sich mit der Organisation von Demonstrationen und dem Leben im Arrest auskennt.
Auch von der Lesbarkeit her wird es immer anstrengender zum Schluss hin und war ich war am Ende ganz froh durch zu sein. Trotzdem habe ich durchaus immer wieder Mehrwert in der Lektüre gefunden.
Insgesamt ein spannendes Buch, was aber unter seinen Möglichkeiten bleibt.

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Veröffentlicht am 13.09.2021

Ach Walter

Barbara stirbt nicht
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Herr Schmidt und Barbara sind seit über 50 Jahren verheiratet. Barbara ist für den Haushalt zuständig, Herr Schmidt brachte das Geld nach Hause. Doch eines Tages steht Barbara einfach nicht mehr auf und ...

Herr Schmidt und Barbara sind seit über 50 Jahren verheiratet. Barbara ist für den Haushalt zuständig, Herr Schmidt brachte das Geld nach Hause. Doch eines Tages steht Barbara einfach nicht mehr auf und Herr Schmidt sieht sich mit Aufgaben konfrontiert, um die er sich nie gekümmert hat; Kaffeekochen zum Beispiel.

Es wird aus Herrn Schmidts Blickwinkel berichtet. Er ist sehr selbstgerecht und stur, was ihm nicht in den Kram passt, verleugnet er. Ob das nun die Homosexualität seiner Tochter oder die Krankheit seiner Frau ist. Man erfährt also nur sehr langsam was überhupt los ist und wie es mit Barbara und die Bewältigung des Haushalts überhaupt steht. Ganz langsam öffnet sich Herr Schmidt und lässt Neuerungen zu, er bleibt dabei jedoch ruppig und verschlossen.
Das ist vom Konzept her gut gemacht, ich fand es jedoch eher anstrengend zu lesen. Das angekündigte "urkomische" habe ich dabei nicht gefunden, dafür war es zu traurig zu sehen, wie unglücklich eigentlich alle Charaktere sind. Herr Schmidt ist sehr mit sich selbst beschäftigt (auch wenn ihm Barbara offensichtlich sehr wichtig ist, was er aber nicht zugeben kann), insofern bleiben viele Figuren, besonders die Kinder sehr blass.
Einzig der Enkelsohn kann etwas unbedarfte Freude reinbringen, auch wenn er nach Herrn Schmidts Ansicht die falsche Hautfarbe hat.
Dass Herr Schmidt über das Kochenlernen einen Veränderungsprozess durchläuft fand ich eine schöne Idee, es war jedoch nicht so ganz realistisch. Würde mich wundern, wenn es tatsächlich so eine aktive facebookcomunity bei einem Koch gäbe, aber dafür bin ich vielleicht auch zu jung.
Insgesamt ein nettes Buch, kann man mal lesen, jedoch nicht mein Humor.

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Veröffentlicht am 04.08.2021

romantisch

Dein Herz in tausend Worten.
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Millie arbeitet als Assistentin in einem Verlag und schmökert gern in abgelehnten Manuskripten. Eins dieser Manuskripte hat es ihr ganz besonders angetan, sie fühlt sich sofort vom Autor verstanden. Als ...

Millie arbeitet als Assistentin in einem Verlag und schmökert gern in abgelehnten Manuskripten. Eins dieser Manuskripte hat es ihr ganz besonders angetan, sie fühlt sich sofort vom Autor verstanden. Als sich plötzlich die Gelegenheit ergibt, mit dem Autoren in Kontakt zu treten, muss Millie ihre Schüchternheit überwinden.

Eine sehr romantische Liebesgeschichte entspinnt sich. Millie ist extrem schüchtern, erinnert gerade am Anfang an eine romantisierte Amélie Poulain. Ihr Bruder und ihre ArbeitskollegInnen bringen ein wenig Erdung rein, das tut der Geschichte gut. Will, der Autor wiederum ist erfolgreich, wohlhabend und berühmt, aber in Trauer gefangen. Also zwei etwas dysfunktionale Menschen, die zusammenfinden können, wenn sie sich aufeinander einstellen und Hindernisse überwinden. Und natürlich gibt es auch noch ein paar Zufälle und wohlmeinende Freunde, die den ein oder anderen Schubs verteilen.
Das ist ganz nett, auch wenn es mit der Logik ab und an knirscht. Am Anfang verteilt Millie beispielsweise Zitate aus Manuskripten und es wird lange drüber diskutiert, dass das ohne Einverständnis des Autors nicht legal ist. Am Ende scheint es dann völlig in Ordnung ganze Manuskripte rauszugeben. Und für meinen Geschmack wird auch etwas zu ausführlich unter den Nebenfiguren verkuppelt. Aber es ist eben auch kein realistisches Buch, sondern ein netter romantischer Liebesroman, der zum Träumen einlädt. Und dieses Ziel wird erreicht.

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Veröffentlicht am 17.05.2021

Erinnerung an eine Freundschaft

Die Geschichte von Kat und Easy
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1973 waren Kat und Easy beste Freundinnen, hingen gemeinsam im Jugendzentrum in einer deutschen Kleinstadt ab, doch sie haben sich schon lange aus den Augen verloren. Nach gut 40 Jahren findet Kat plötzlich ...

1973 waren Kat und Easy beste Freundinnen, hingen gemeinsam im Jugendzentrum in einer deutschen Kleinstadt ab, doch sie haben sich schon lange aus den Augen verloren. Nach gut 40 Jahren findet Kat plötzlich eine Nachricht ihrer Freundin auf ihrem Blog. Die beiden Frauen treffen sich in Kreta zum gemeinsamen Urlaub. Sie erinnern sich zurück an die schönen Zeiten, aber auch den Schmerz, der sie auseinander trieb.

Mir persönlich haben die Abschnitte in der Vergangenheit besser gefallen. Vielleicht, weil ich altersmäßig näher an den Jugendlichen dran bin als an den älteren Frauen. Die Abschnitte in Kreta waren mir etwas zu ruhig. Es gibt viele Gespräche und besonders E-Mails, die aber die Handlung nicht so richtig voranbringen. Vieles bleibt ungesagt.
Schön fand ich die Darstellung der Freundschaft. Das Nachsinnen darüber, was sich geändert hat, aber auch was gleich geblieben ist. Trotzdem kam ich gefühlt nicht so nah die Protagonistinnen ran. Da blieb immer ein Abstand, der mich vom Mitfiebern abgehalten hat. Die beiden sind sehr unterschiedlich und fühlten sich doch in einer kurzen aber intensiven Jugendfreundschaft sehr verbunden.
Ein schönes Buch, stellenweise auch mit poetischen Stellen, was mich jedoch nicht so recht abholen und begeistern konnte.

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Veröffentlicht am 04.09.2023

Wichtiges Thema, wenig überzeugend umgesetzt

Die Kinder sind Könige
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Delphine de Vigan ist bekannt dafür sich in ihren Büchern gesellschaftskritischen Themen zu widmen. In diesem Buch geht es um Eltern, deren Influencerkarrieren darauf beruhen, dass sie ihre Kinder filmen ...

Delphine de Vigan ist bekannt dafür sich in ihren Büchern gesellschaftskritischen Themen zu widmen. In diesem Buch geht es um Eltern, deren Influencerkarrieren darauf beruhen, dass sie ihre Kinder filmen und so vor allem Werbeeinnahmen generieren.

Gemeinsam mit der procédurière Clara erkundet man nach dem Verschwinden eines sechsjährigen Mädchens die Welt der Influencer-Familien. Wir erfahren, dass die Mutter, Mélanie, davon träumte Realitystar zu werden und dank ihrer Kinder ihr Ziel endlich erreicht hat. Die Videos mit ihren beiden Kindern erreichen Millionen Aufrufe in Frankreich. Es wird sehr stark auf die daraus folgenden Gefahren für die Kinder eingegangen. Die Kinder sind in sehr jungem Alter für das Auskommen der Familie verantworlich, müssen ständig eine Rolle vor der Kamera spielen und sind dem Spott ihrer Altersgenossen ausgesetzt.

Das Thema fand ich auch sehr wichtig und interessant, aber leider konnte mich die Umsetzung nicht überzeugen. Es ist sehr unemotional, und analytisch geschrieben. Es liest sich zwar sehr schnell, das liegt aber auch daran, dass die Kapitel kurz sind und es viele halbleere Seiten gibt. Die Personen blieben mir alle sehr fern. Sie interagieren kaum miteinander, es wird viel beschrieben und behauptet. Alle sind sehr einsam, auch, oder gerade wenn, sie Millionen Fans im Internet haben. Das ist sicherlich gewollt, macht das Lesen aber weniger spannend.

Zudem habe ich das Gefühl, dass das Buch nicht besonders gut recherchiert ist oder die Autorin Social Media nicht kennt/kennen will. Teilweise spielt es in der Zukunft, aber hier habe ich das Gefühl, dass die Realität diese Zukunft schon überholt hat. Auch die Darstellung des Influencerlebens überzeugt mich nicht. Warum haben die Kinder nur negative Auswirkungen zu spüren und Mélanie nur positive? Sicherlich ist das auch mit der jeweiligen Sichtweise zu erklären, aber ein bisschen mehr Ausgewogenheit hätte ich überzeugender gefunden. Üblicherweise kriegt man im Internet sowohl Liebe als auch Hass ab. Es ist auch unrealistisch, dass jedes neue Video sofort extreme Zuschauerzahlen erreicht. Es gibt unendlich viel im Internet, die Aufmerksamkeitsspannen sind kurz, man muss ständig neue spannende Inhalte generieren und auch die Werbepartner zufrieden stellen, deren Ansprüche steigen. Das ist sicherlich nicht nur für die Kinder anstrengend, sondern auch für die Eltern. Und wo sind die traditionellen Medien, die sich sicherlich auch für die Familie interessieren, gerade nach dem Verschwinden eines Kindes? Auch die Beziehung der Eltern wird kaum thematisiert. Der Vater bliebt extrem blass, Mélanie verharrt in absoluter Naivität, es gibt keinerlei Entwicklung. Das fand ich wahnsinnig schade. Ein paar Seiten mehr, um mehr in die Tiefe zu gehen, hätten dem Buch gut getand. Oder ein paar weniger, wenn man es bei einer reinen Kriminalgeschichte belassen hätte,

Insgesamt hatte ich das Gefühl, dass die Autorin ihr Thema wichtig fand und unbedingt Kritik an der Kommerzialisierung von Kindervideos üben wollte, sich aber in der Social Media Welt allgemein nicht gut auskennt. Es wird einseitig auf Gefahren von Social Media hingewiesen ohne genauer nachzufragen, was Social Media den Menschen gibt und was Alternativen sind.

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