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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 12.03.2024

Bittere Freundschaft

Der ehrliche Finder
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Auch in ihrem neuen Roman "Der ehrliche Finder" verschont Lize Spit die Leser und Leserinnen nicht: die Geschichte zweier sehr unterschiedlicher Jungen steuert unerbittlich auf das nicht nur bittere sondern ...

Auch in ihrem neuen Roman "Der ehrliche Finder" verschont Lize Spit die Leser und Leserinnen nicht: die Geschichte zweier sehr unterschiedlicher Jungen steuert unerbittlich auf das nicht nur bittere sondern auch grausame Ende zu. Zum Schluss ist nichts mehr, wie es war.

Jimmy und Tristan sind gleichaltrige Jungs. Mit sehr unterschiedlichen Problemen. Jimmy leidet darunter, dass der Vater die Familie verlassen hat und freut sich, in Tristan jemanden gefunden zu haben, mit dem er seine Sammelleidenschaft für Flippos teilen kann. Tristan ist mit seinen Eltern und vielen Geschwistern aus dem Kosovo geflüchtet. Familie Ibrahimi hat in dem belgischen Dorf Bovenmeer Fuß gefasst und eine große Hilfsbereitschaft der Dorfbewohner erfahren. So weit so gut. Bis eines Tages die Ausweisung der Familie Ibrahimi auf dem Tisch liegt. Ab nun wird eine Beklemmung beim Lesen spürbar. Denn Tristan hat einen unheilvollen Plan geschmiedet. Mit einer Heldentat will er seine Familie vor der Ausweisung retten.

Auf einer wahren Geschichte basierend erzählt Liz Spit einerseits in liebevollem Detailreichtum von der Freundschaft zwischen Jimmy und Tristan. Das muss als Trost reichen, denn die Unmenschlichkeit des Realen mutet sie am Ende ebenso zu. Ein lesenswertes Buch!

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Veröffentlicht am 25.02.2024

Tolles Debüt

Krummes Holz
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"Aus Krummen Holze, als woraus der Mensch gemacht ist, kann nichts ganz Gerades werden".

Keinen geringeren als Immanuel Kant hat sich die Autorin Julia Linhof für ihr Romandebüt "Krummes Holz" als "Zitatpaten" ...

"Aus Krummen Holze, als woraus der Mensch gemacht ist, kann nichts ganz Gerades werden".

Keinen geringeren als Immanuel Kant hat sich die Autorin Julia Linhof für ihr Romandebüt "Krummes Holz" als "Zitatpaten" gewählt.
Ihre Protagonisten Jirka, Malene und Leander sind aus eben diesem krummen Holz gemacht, oder anders: das Leben hat sie ein bisschen "verbogen".

Ein heißer Sommertag und eine öde Landschaft: hier hinein gerät man beim Lesen der ersten Seiten von Krummes Holz. Und bereits hier wird man tief in die Geschichte von Jirka, Leander und Malene hineingezogen.

Jirka kommt das erste Mal nach fünf Jahren im Internat, zurück auf den abgewirtschafteten elterlichen Hof, gelegen in der Einöde zwischen Sauerland und Ruhrgebiet. Sofort kommen die Erinnerungen an die Härte und das Schweigen der Kindheit, die Atmosphäre des Nicht-Willkommensein, an den Tod der Mutter. Jirkas Vater ist verwunden, seine Schwester Malene schweigt wütend und Leander, der Sohn des letzten Verwalters weicht ihm aus. Nur die demente Oma lässt Nähe zu.
Julia Linhof schafft es auf wunderbare Weise, dass man Jirka beim Lesen ganz Nahe kommen kann. Die Rückblenden in die glücklose Kindheit gelingen perfekt und der Bogen, den sie in die Gegenwart spannt, hat mich das Buch kaum aus der Hand legen lassen. Und über allem wabert die Schwüle des Sommers, bis sich ein Gewitter entlädt. Und das darf man gerne auch metaphorisch verstehen.
Am Ende ist das Krumme ein wenig begradigt. Das Schweigen wird gebrochen und Neues ist möglich.
Krummes Holz: ein richtig gutes Buch. Ich freue mich auf weitere Bücher von Julja Linhof und gebe eine ganz große Leseempfehlung.





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Veröffentlicht am 15.10.2023

Von Jägern und Wölfen

Ich träumte von einer Bestie
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Nina Blazon ist eine Autorin mit vielseitigem Repertoire. Kinder-, Jugend-, Fantasy-, aber auch Erwachsenenromane hat sie bisher geschrieben. Ihr neues Buch mit dem Titel "Ich träumte von einer Bestie" ...

Nina Blazon ist eine Autorin mit vielseitigem Repertoire. Kinder-, Jugend-, Fantasy-, aber auch Erwachsenenromane hat sie bisher geschrieben. Ihr neues Buch mit dem Titel "Ich träumte von einer Bestie" scheint nun ein Mix aus allen Genres zu sein. Und dieser ist ihr unfassbar gut geglückt.

Fleur lebt relativ zurückgezogen und arbeitet als sogenannte Datenforensikerin. Sie geht Spuren im Internet nach und taucht dabei oft ein in die Welt des Worldwide Web. Im richtigen Leben läuft es nicht so glatt für die junge Frau. Als Leser:in merkt man schnell, dass Fleur ein Geheimnis umgibt. Doch was es sein kann, bleibt lange verborgen. Erst als Fleur durch das Erbe ihrer gehassten französischen Großmutter auf die Spur einer jahrhundertealten ungelösten Familiengeschichte stößt, nimmt auch die Geschichte fahrt auf. Nina Blazon verwebt hier die Legende der Bestie des Gévaudan mit der Geschichte von Fleurs Familie. Blazon führt uns in die abgelegene Gegend der Auvergne in Frankreich. Auf sehr fesselnde Weise, die ab und an auch einen kleinen Schauer hervorruft, wird das Geheimnis am Ende gelüftet.
Ich kann dieses Buch allen empfehlen, die gerne in märchenhafte Geschichten eintauchen. Perfekt wird das Ganze durch die Informationen zur Legende der Bestie. Sehr passend zur kommenden dunklen Jahreszeit.

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Veröffentlicht am 09.10.2023

Bezauberndes Buch

Der späte Ruhm der Mrs. Quinn
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Auch im Alter kann noch Erstaunliches passieren. Mrs. Quinn liefert dafür das beste Beispiel.

Seit fast sechs Jahrzehnten sind Jennifer und Bernhard Quinn ein Ehepaar und leben beschaulich in einer englischen ...

Auch im Alter kann noch Erstaunliches passieren. Mrs. Quinn liefert dafür das beste Beispiel.

Seit fast sechs Jahrzehnten sind Jennifer und Bernhard Quinn ein Ehepaar und leben beschaulich in einer englischen Kleinstadt. Jennifers großes Hobby ist das Backen. Schon früh hat sie gelernt, dass das Zubereiten von Backwerk eine Art von Liebesbeweis sein kann. In ihrer Familie hat das Anfertigen von Köstlichkeiten eine Tradition. Rezepte werden aufgeschrieben und so für die Nachwelt festgehalten. Seit frühester Jugend verwöhnt sie ihre Lieben mit ihren Kreationen und ist somit eine Meisterin im Backen geworden. Jennifer stellt sich einer neuen Herausforderung, als sie sich (ohne ihrem Mann Bernhardt davon etwas zu sagen) für einen Backwettbewerb im Fernsehen anmeldet. Woche für Woche wird nun das köstlichste Gebäck produziert, und tatsächlich ist mir beim Lesen das Wasser im Munde zusammengelaufen. Für Jennifer entwickelt sich der Wettbewerb zu einer großen Freude. Ein Geheimnis aus Jennifers Vergangenheit trübt allerdings ihre Freude über den Erfolg. Doch letztlich kommt es auch hier zu einem guten Ende.

Der späte Ruhm der Mrs Quinn liest sich so locker und leicht wie ein mit Liebe gebackenes Kuchenstück von Jennifer Quinn wohl schmecken mag. Es gibt wenig Überraschendes in diesem Buch, und Fans von liebenswerten Charakteren kommen hier voll auf ihre Kosten. So warmherzig und routiniert von der Autorin Olivia Ford geschrieben, dass man es kaum glauben kann, dass dies ihr Debütroman ist.
Ich bin nun gespannt, ob es demnächst ein Backbuch geben wird. Mich würde es auf jeden Fall freuen.

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Veröffentlicht am 22.09.2023

Echt und atmosphärisch

Als wir an Wunder glaubten
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Als wir an Wunder glaubten: Ein Roman, so echt und atmosphärisch, dass das Lesen wie von selbst geht. Am Ende des Buches taucht man auf und reibt sich verwundert die Augen und fragt sich: Alles lange her, ...

Als wir an Wunder glaubten: Ein Roman, so echt und atmosphärisch, dass das Lesen wie von selbst geht. Am Ende des Buches taucht man auf und reibt sich verwundert die Augen und fragt sich: Alles lange her, oder etwa doch nicht?

Ein norddeutsches Dorf wenige Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges: die Bewohner von Unnenmoor tragen noch an der Last, die der Krieg und die
Nationalsozialisten Ihnen aufgebürdet haben. Ehemänner sind im Krieg geblieben oder noch in Gefangenschaft, die Täter und Mitläufer der untergegangenen Diktatur haben sich in der neuen Zeit bereits bestens eingerichtet und Frauen beginnen, sich in der neuen Ordnung ihre Plätze zu sichern. Die alten Gewissheiten tragen nicht mehr, und so mancher bastelt sich ein neues Weltbild. Aberglaube und Religion sind gern genommene Zutaten, um das zu erklären, was den Alltag der kleinen Dorfgemeinschaft bestimmt. Dazu gehören auch die Wunder, an die man glaubt oder glauben möchte.

So auch die beiden Hauptfiguren Annie und Edith, die während des Krieges fest zusammengehalten haben. Die Männer im Krieg, die Arbeit auf den Höfen muss weitergehen. Hoffnung auf Rückkehr der Männer haben sie beide, doch nur einer kommt zurück. Annie sorgt aufopferungsvoll für ihren kriegsversehrten Mann, doch bei dem flammt ein altes Begehren auf. Nicht Annie, sondern Edith will er. Was liegt da Näher, als in Edith eine Hexe zu sehen, die Annies Mann verzaubert hat? Und wie praktisch, dass man der "Töverschen" dann auch gleich andere vermeintlich nicht erklärbare Geschehnisse anhängen kann. Das Unheil bleibt wie eine dunkle Wolke über Unnenmoor hängen, bis nichts mehr geht.

Die Autorin Helga Bürster führt den Leser:innen in Ihrem neuen Buch Als wir an Wunder glaubten authentisch und präzise den Mikrokosmos Dorf vor Augen. Dabei trifft sie den damals herrschenden Zeitgeist detailgenau. Selber aus Norddeutschland stammend, gelingt es ihr hervorragend die Lebenswelt von einst stimmungsvoll zu beschreiben. Auch die plattdeutsche Sprache, die sie ihren Protagonist:innen immer wieder in den Mund legt, tut das Übrige.
Ich habe diese Buch verschlungen. Bürsters Erzählstil ist unkompliziert, aber dadurch nicht weniger packend. Die Geschichte der Einwohner von Unnenmoor scheint lange her zu sein. Aus meiner Sicht passt sie aber sehr gut in unsere Zeit der Verschwörungserzähler und Esoterikschwurbler.
Einen kleinen Kritikpunkt habe ich aber am Buch: der Klappentext spricht von wahren Begebenheiten. Darüber hätte ich gerne mehr erfahren. Helga Bürster deutet in ihrer Danksagung etwas an, aber leider kann man damit nicht viel anfangen.
Eine große Empfehlung an Alle, die gerne in Geschichten aus Norddeutschland eintauchen. Weitere Bücher der Autorin liegen bereits ganz oben auf meinem Bücherstapel.

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