Interessanter Mix aus Kurzgeschichten zu Karl Mays Helden
Old Shatterhand – Neue AbenteuerDer Herausgeber hat ein gutes Gespür für die Auswahl der Autoren zu dieser Anthologie bewiesen. Wie der Text auf dem Buchdeckel schon andeutet bekommt der Leser hier eine Auswahl von Kurzgeschichten unterschiedlicher ...
Der Herausgeber hat ein gutes Gespür für die Auswahl der Autoren zu dieser Anthologie bewiesen. Wie der Text auf dem Buchdeckel schon andeutet bekommt der Leser hier eine Auswahl von Kurzgeschichten unterschiedlicher Autorinnen/Autoren, die jede/r auf ihre/seine ganz eigene Art und Weise an den Stoff und Karl Mays Figuren herangehen. Hier kann wohl jeder May-Leser eine oder gleich mehrere Entdeckungen machen.
Jutta Laroche die den Kennern des May-Kosmos ein Begriff sein wird, eröffnet mit einer eher klassischen Winnetou-Geschichte den Band. Wie man es von ihr kennt schreibt sie auch hier aus der Sicht Winnetous als Ich-Erzähler, was für Erstleser ihrer Stoffe bestimmt ungewohnt sein wird. Auf jeden Fall eine spannende Erzählung.
Peter Wayand hat sich die Eröffnung zum ersten Teil des zweiten Bands der Winnetou-Trilogie Karl Mays vorgenommen, wo Old Shatterhand nach einem Schiffbruch in New York landet und mittellos eine Arbeit sucht und dann bei einem Privatdetektivkorps anheuert. Was bei Karl May die Ereignisse der Old Death-Erzählung einleitet, nimmt Wayand als Grundlage für eine Geschichte die Old Shatterhands ersten Fall als Privatdetektiv schildert. Dabei trifft er den Stil des Vorbilds ganz gut und baut geschickt ein paar bekannte Figuren aus Mays Geschichten ein. Auch der historische Bezug passt gut.
Lennardt M. Arndt bringt ebenfalls eher klassischen Abenteuerstoff alá Karl May. Wo Wayand den Anfang von Winnetou II als Ausgangspunkt für seinen Beitrag wählt nimmt sich Arndt das Ende des gleichen Buchs vor. Seine spannende Verfolgungsgeschichte beginnt am Ende der Firehand-Erzählung. Winnetou ist gerade aufgebrochen um Santer zu jagen und Old Shatterhand bleibt bei Old Firehand um für die Sicherheit der Überlebenden des Angriffs der Poncas zu sorgen. Als Old Shatterhand und Sam Hawkens, Old Firehand und seinen Sohn Harry nach Fort Randall begleiten entwickelt sich die lesenswerte Geschichte der Verfolgung eines Entführers und Mörders. Auch hier werden bekannte May-Figuren und historische Bezüge auf interessante Art und Weise zusammengebracht. Wer Arndts "Surehand-Story" kennt wird davon nicht über-rascht sein.
Die Skepsis, die ich bei Jacqueline Montemurris etwas kryptisch angehauchtem Titel "Starker Wind gegen Rinder" empfand löste sich beim Lesen der Kurzgeschichte schnell auf. Zwei Feinde müssen sich zusammenraufen, um die eigenen Stämme, Apatschen und Komantschen vor einem Hungerwinter zu bewahren. Auch Vorbehalte die ein weißer Siedler gegen die Ureinwohner hat, werden auf die Probe gestellt und so entwickeln sich vor der großen Geschichte um die Abwendung der Not der Indianer noch kleinere menschliche Schicksale und Wendungen.
Die Erzählungen Nadine Schmengers und Katrin Ebels befassen sich eingehender mit der besonderen Beziehung der Blutsbrüder. Wo die Eine die bekannte unbedingte Freundschaft Winnetous und Old Shatterhands auf inte-ressante Weise in einer Gut-gegen-Böse-Geschichte auf die Probe stellt, nimmt die Andere nur die beiden Helden in den Blick. Aber auch sie schafft es nachvollziehbar eine solche Prüfung darzustellen. Einziges Manko der beiden Erzählungen ist die sehr häufige Verwendung des Begriffs „Blutsbruder“. Das wirkt mir zu aufgesetzt und hat es bei May so nie gegeben.
Katharina Maier die schon zwei Sonderbände im Karl-May-Verlag platziert hat, die aber eher als Sachbücher bezeichnet werden können, legt hier ein Fragment einer Shatterhand-Geschichte vor. Besonders ist zu erwähnen, dass die Erzählung aus der Sicht einer Reisenden geschildert wird die sich mit einer Gruppe skuriler Figuren auf einem Treck befindet. Unser „Charley“ wie auch Winnetou, die sich dem Treck auf heimliche Art und Weise annehmen werden also aus Sicht einer dritten Person beschrieben die selber Handelnde in der Geschichte ist. Das liest sich eingehend und erschafft eine besondere Wirkung. Schade, dass es nur ein Fragment ist.
Nur die Kurzgeschichte „Das Phantom der Chisos“ von Alexander Röder der wie auch Jacqueline Montemurri Autor der „Magischer Orient“-Reihe im Karl-May-Verlag ist, lässt mich ratlos zurück. Entweder habe ich da was nicht verstanden oder mir entgeht die vom Herausgeber angesprochene Ironie die dem Text innewohnen soll.
Alles in Allem ist der Sonderband „Old Shatterhand – Neue Abenteuer“ aus dem Karl-May-Verlag allen wärmstens zu empfehlen die grundsätzlich bereit sind sich auf Geschichten über Mays Helden einzulassen, die mal nicht aus der Feder ihres literarischen Vaters stammen.