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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.05.2024

Wenn die Heimat Hölle ist, ist dann die Rückkehr in die Hölle eine Heimkehr?

James
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Der Sklave Jim lebt mit Frau und Tochter als Eigentum der Witwe Watson auf deren Farm. Als sie beschließt, ihn weiterzuverkaufen, flieht er. Sein Plan ist es, an Geld zu kommen und seine Frau und Tochter ...

Der Sklave Jim lebt mit Frau und Tochter als Eigentum der Witwe Watson auf deren Farm. Als sie beschließt, ihn weiterzuverkaufen, flieht er. Sein Plan ist es, an Geld zu kommen und seine Frau und Tochter freizukaufen. Ein wahnwitziger Plan im Süden der Vereinigten Staaten in den 1860er-Jahren, wo schwarze Jungs gelyncht werden, nur weil sie es gewagt haben, zu einem weißen Mädchen „hallo“ zu sagen.
Jim ist ein Meister darin zu verbergen, wie intelligent er ist. Er kann lesen und schreiben und außerdem reden wie die Weißen, doch da sich diese gern überlegen fühlen, reden Sklaven allesamt Südstaatenenglisch mit fehlerhafter Grammatik. Nur wenn sie unter sich sind, reden sie normal, sie sind sozusagen zweisprachig. Dieser ins Deutsche übersetzte Südstaatenslang hat mich zu Beginn sehr gestört, doch man gewöhnt sich daran und der Übersetzer Nikolaus Stingl hat diese schwierige Aufgabe, einen künstlichen Dialekt zu erschaffen, sehr gut gelöst.
Percival Everett hat mit „James“ Mark Twains Geschichte von Tom Sawyer und Huckleberry Finn fortgeschrieben, allerdings aus der Sicht des Sklaven Jim. Wir erleben die grausame Welt der Sklaverei, in der Sklaven schlechter gehalten werden als Tiere, sie gelten nicht als menschliche Wesen und grausame Foltermethoden werden damit gerechtfertigt, dass Sklaven ohnehin keinen Schmerz empfinden.
Der weiße Junge Huck, der von seinem Vater misshandelt wird, schließt sich Jim auf dessen Flucht an und gemeinsam erleben sie Naturkatastrophen und lebensgefährliche Abenteuer. Sie treffen Betrüger und Menschenschinder, Vergewaltiger und geschundene, gebrochene Sklaven. Zu wissen, dass sich das Leben von Sklaven damals tatsächlich so oder ähnlich abgespielt hat, ist herzzerreißend. Man bangt mit Jim und Huck und manchem Weggefährten und anderen wünscht man, er möge in der Hölle schmoren. Ich habe schon lange bei keinem Buch mehr so mitgefiebert bis zur letzten Seite.
Ich bin immer äußerst skeptisch, wenn ein Roman als „Meisterwerk“ angepriesen wird, doch dieses Mal bin ich ganz dieser Meinung. Ein intelligentes, spannendes und außergewöhnliches Buch, das zuweilen auch sehr komisch ist. Das beste Buch, das ich in diesem Jahr bisher gelesen habe!

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Veröffentlicht am 21.05.2024

Wieder genial

Mord stand nicht im Drehbuch
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Mindgame“, ein Stück von Anthony Horowitz, wird an einem Londoner Theater uraufgeführt. Wie nicht anders zu erwarten, zerreißt die für ihre spitze Feder bekannte Kritikerin Harriet Throsby von der Sunday ...

Mindgame“, ein Stück von Anthony Horowitz, wird an einem Londoner Theater uraufgeführt. Wie nicht anders zu erwarten, zerreißt die für ihre spitze Feder bekannte Kritikerin Harriet Throsby von der Sunday Times das Stück in der Luft. Am nächsten Morgen wird sie tot aufgefunden. Alles deutet darauf hin, dass Horowitz der Täter ist. Die Tatwaffe trägt seine Fingerabdrücke, auf der Leiche befindet sich eines seiner Haare. Prompt wird er verhaftet und in Untersuchungshaft gesteckt, sehr zur Freude des Ermittlerteams Cara Grunshaw und Derek Mills, die sich Horowitz in einem früheren Fall zu Feinden gemacht hat.

Da Horowitz die Kritikerin zwar nicht leiden konnte, sie aber keinesfalls umgebracht hat, stellt sich natürlich die Frage nach dem wahren Täter. Der Einzige, der Horowitz aus dieser mehr als misslichen Lage helfen kann, ist sein Sidekick Hawthorne, ein aus dem Polizeidienst entlassener Privatdetektiv, der ihm schon der Öfteren bei der Aufklärung von Verbrechen behilflich war. Dumm nur, dass Horowitz ihm gerade unmissverständlich klar gemacht hat, dass er die Zusammenarbeit mit ihm endgültig beenden will und Hawthorne damit vor den Kopf gestoßen hat.

Ich habe bisher jeden Roman aus dieser Reihe gelesen und sie haben mir alle gefallen. Es gibt wenige Krimiautoren, deren Humor und Schlagfertigkeit es mit Horowitz aufnehmen können. Wie immer präsentiert der Autor auch hier jede Menge Verdächtige, allesamt mit nachvollziehbarem Motiv, führt die Leser auf falsche Fährten und überrascht durch unerwartete Entwicklungen, die ein anderes Licht auf die Geschehnisse werfen. Die in der Ich-Form geschriebenen Romane sind eine gelungene Mischung aus Tatsachen und Fiktion, beispielsweise verweist der Autor auf seine Alex Rider Jugendromanreihe, die er ja tatsächlich geschrieben hat, oder er nennt die Namen berühmter Regisseure. Die Aufklärung der Fälle geschieht immer auf der Basis solider Ermittlungsarbeit und nicht wie in so manchem Krimi, den ich in letzter Zeit gelesen habe, aufgrund eines diffusen Bauchgefühls der Ermittler. Horowitz‘ Werke sind eine Hommage an die Klassiker des Genres, Agatha Christie und Sir Arthur Conan Doyle. Sie sind intelligent, sprachlich auf hohem Niveau und voller Wortwitz. Ich habe das Buch an einem Wochenende verschlungen und war traurig, am Ende angelangt zu sein. Ich freue mich jetzt schon auf eine Fortsetzung der Reihe. Absolute Leseempfehlung für Fans von klassischen spannenden Whodunnits ohne viel Blutvergießen und Gemetzel!

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Veröffentlicht am 18.05.2024

Deprimierend

In den Augen meiner Mutter
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Als Georgie und ihr Bruder Dan klein waren, verschwand ihre Mutter von einem Tag auf den anderen. Seitdem haben sie abgesehen von einer Postkarte nie wieder von ihr gehört. Jetzt ist Georgie selbst schwanger ...

Als Georgie und ihr Bruder Dan klein waren, verschwand ihre Mutter von einem Tag auf den anderen. Seitdem haben sie abgesehen von einer Postkarte nie wieder von ihr gehört. Jetzt ist Georgie selbst schwanger und sie macht sich Gedanken, wie sie mit ihrer Mutterrolle zurechtkommen wird.

Zwei Wochen vor der Geburt sind die sozialen Medien voll von einer Geschichte: ein kleines, auf einer abgelegenen schottischen Insel vermisstes Mädchen wird von einer Einsiedlerin gerettet. Das dazugehörige Foto lässt keinen Zweifel offen: die Frau ist Nancy, Georgie und Dans Mutter. Georgie sieht ihre einzige Chance, mit der Mutter in Kontakt zu treten, indem sie auf die schottische Insel fährt. Womit sie nicht gerechnet hat, ist, dass Nancy bereits wieder auf der Flucht ist.

Durch einen Zugstreik gestrandet, ruft Georgie ihren Bruder Dan an, mit dem sie seit Jahren keinen Kontakt mehr hat, und die beiden gehen gemeinsam in einem alten VW Käfer auf einen abenteuerlichen Roadtrip Richtung Norden.

Bis an diese Stelle war das Buch kurzweilig und interessant, dann beginnt es sich allerdings zu ziehen. Die Kapitel werden aus der Sicht von Nancy und Georgie erzählt. Der Leser erfährt, wie Nancy als junge Frau schwanger wird und mit der Situation nicht zurechtkommt. Die Ehe mit Frank wurde unüberlegt geschlossen und bald haben sie sich nichts mehr zu sagen. Am glücklichsten war Nancy während ihres Schauspielstudiums, wenn sie auf der Bühne stand. Dort bekam sie Aufmerksamkeit, nicht zuletzt von einem älteren Dozenten, zu dem sich eine toxische Beziehung entwickelt. Auch als sie heiratet, taucht er immer wieder in ihrem Leben auf und droht mit Enthüllungen.

Nancy trifft viele schlechte Entscheidungen, bei denen ich sie am liebsten geschüttelt hätte, damit sie aufwacht und merkt, wie sie ihr Leben zugrunde richtet. Je weiter die Geschichte fortschreitet und je mehr wir über Nancy und ihre lieblose Ursprungsfamilie, sowie die Familie, die sie zurückgelassen hat, erfahren, desto frustrierender empfand ich dieses Buch. Auch wenn es auf einer versöhnlichen Note endet, war er für mich eine äußerst deprimierende Lektüre voller Personen, deren Entscheidungen ich in keinster Weise nachvollziehen konnte und Zufällen und Ereignissen, die mir äußerst konstruiert und wenig glaubhaft erschienen. Leider nicht der nach dem Erstlingswerk „Café Leben“ erwartete Lesegenuss. 3,5 Sterne.

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Veröffentlicht am 15.05.2024

Mehr Roman als Krimi

Südlich von Porto wartet die Schuld
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Ria Almeida, die Kommissarin aus Stuttgart mit portugiesischem Vater und schwäbischer Mutter, hat ihre Heimat verlassen, um in Portugal zu leben. Sie ist zunächst bei ihrer hochschwangeren Cousine und ...

Ria Almeida, die Kommissarin aus Stuttgart mit portugiesischem Vater und schwäbischer Mutter, hat ihre Heimat verlassen, um in Portugal zu leben. Sie ist zunächst bei ihrer hochschwangeren Cousine und deren Mann untergekommen. Praktischerweise kann sie den Job der Cousine im Polizeirevier des kleinen Ortes Torreira übernehmen. Schon kurze Zeit nach ihrer Ankunft geschieht ein Mord und Ria ermittelt gemeinsam mit dem wortkargen und schroffen Commissario Baptista, den sie bereits aus einem zurückliegenden Fall kennt. Mir war nicht bewusst, dass „Südlich von Porto wartet die Schuld“ bereits der zweite Band einer Reihe ist, doch wurden einige der wichtigsten Geschehnisse noch einmal aufgerollt.

Dieses Buch ist für mich ein typisches Beispiel für eine Wahl aufgrund des ansprechend gestalteten Covers: ein Fischerboot, das sich im blauen Meer spiegelt, im Hintergrund endloser Horizont. Darunter eine Anordnung von typisch portugiesischen Azulejos.

Ich hatte einen spannenden Krimi mit etwas portugiesischem Lokalkolorit erwartet, doch der wichtigste Bestandteil eines Krimis, Spannung, fehlte.

Ein ermordeter Richter wird am Strand gefunden. Ria und Baptista haben beide aufgrund ihres jeweiligen Bauchgefühls Hauptverdächtige im Sinn und ermitteln vorzugsweise in diese Richtung. Mir kam dieser Roman vor wie aus dem Krimibaukasten zusammengesetzt. Man nehme eine junge Ermittlerin, die im Übrigen sehr blass bleibt, ich habe beispielsweise keinerlei Vorstellung davon, wie sie aussieht, einen sozial dysfunktionalen Commissario, zu dem sich die Ermittlerin trotz seiner permanenten Beleidigungen unerklärlicherweise hingezogen fühlt, ein schüchterner und ständig errötender Jugendfreund, ein paar skurrile Gestalten, dazu eine Gruppe von militanten Umweltschützern und Rias Familienangehörige samt deren völlig überzogenen kleinen Dramen. Ein guter Krimi kam dabei leider nicht heraus. In der Mitte des Buchs hatte ich schon eine Vorstellung davon, wer der Täter ist und wie die Fäden zusammenlaufen, und genauso kam es auch. Rias privatem Umfeld wurde viel zu viel Aufmerksamkeit geschenkt und vieles fand ich einfach lachhaft. Welche erwachsene Frau mietet eine Wohnung und überlässt es dann Freunden und Familie, sie nach deren Gusto einzurichten, Zeitmangel hin oder her? Wer Portugalfeeling und eine nicht sehr anspruchsvolle Lektüre sucht, ist hier richtig. Von mir leider nur 2,5 Sterne.

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Veröffentlicht am 09.05.2024

Carl Mørck, ein Drogenschmuggler?

Verraten
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Im zehnten und letzten Fall der Reihe um Ermittler Carl Mørck versucht der Autor, viele Handlungsstränge der zurückliegenden Bände zusammenzuführen. Obwohl ich alle Bände gelesen habe, war mir vieles in ...

Im zehnten und letzten Fall der Reihe um Ermittler Carl Mørck versucht der Autor, viele Handlungsstränge der zurückliegenden Bände zusammenzuführen. Obwohl ich alle Bände gelesen habe, war mir vieles in der Zwischenzeit nicht mehr präsent, mal abgesehen von den wirklich spektakulären und einprägsamen Fällen wie dem von Merete Lynggaard, die jahrelang in einer Druckluftkammer gefangen gehalten und von Carl und dem Dezernat Q befreit wurde. Eben jene Merete bietet sich jetzt an, Carl zu helfen, denn dieser sitzt unter dem Verdacht des Drogenschmuggels hinter Gittern, gemeinsam mit vielen Verbrechern, die er selbst ins Gefängnis gebracht hat. Carl muss um sein Leben fürchten, denn nicht nur seine Mithäftlinge, sondern auch Leute außerhalb des Gefängnisses trachten ihm nach dem Leben.
Carls Chef Marcus Jacobsen ist unbegreiflicherweise von dessen Schuld überzeugt und verbietet den anderen Angehörigen des Dezernat Q, Rose, Assad und Gordon, in dem Fall zu ermitteln, was die drei jedoch keinesfalls davon abhält, alles daran zu setzen, Carls Unschuld zu beweisen. Unterstützung erhalten sie von Carls Frau Mona und seinem langjährigen Freund Hardy, der bei einem früheren Einsatz angeschossen wurde und seitdem gelähmt ist.
Es hat mir großen Spaß gemacht, die vielen alten Bekannten in diesem Buch wiederzutreffen, bei dem Aufrollen der zahlreichen alten Fälle ist Adler Olsen für meine Begriffe jedoch etwas über das Ziel hinausgeschossen. Das komplexe Geflecht von mafiaähnlichen Strukturen und die ganzen Drahtzieher und Hintermänner im Drogenhandel waren kolossal verwirrend und es war fast unmöglich, sich die ganzen Namen zu merken. Nicht alle Handlungsstränge wurden befriedigend aufgelöst. So habe ich mich bis zuletzt gefragt, weshalb Carls erster Anwalt aus dem Weg geräumt wurde. Das Buch ist vor allem gegen Schluss reich an Actionszenen, bei denen der Autor wahrscheinlich schon eine spätere Verfilmung vor Augen hatte.
Alles in allem fand ich das Buch spannend, doch manche Szenen hätten durchaus gekürzt werden dürfen. Ein guter Krimi, doch nicht der beste der Reihe.

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