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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.06.2019

Die Großmutter aus der Hölle

Der Zopf meiner Großmutter
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Im zarten Alter von sechs Jahren kommt Maxim mit seinen Großeltern von Russland nach Deutschland. Weshalb er bei den Großeltern und nicht seinen Eltern ist, bleibt lange Zeit unklar.
Die Großmutter ist ...

Im zarten Alter von sechs Jahren kommt Maxim mit seinen Großeltern von Russland nach Deutschland. Weshalb er bei den Großeltern und nicht seinen Eltern ist, bleibt lange Zeit unklar.
Die Großmutter ist eine herrische Person, die Max und ihren Ehemann, an dem sie kein gutes Haar lässt, unter der Fuchtel hat. Ihre Lebensaufgabe besteht in der Erziehung von Max, den sie in ihrer verschrobenen Wirklichkeitswahrnehmung für todkrank und grenzdebil hält. Dies geht so weit, dass ihrer Meinung nach ein Aufenthalt in Menschenmengen (Keime!) für Max ein tödliches Risiko darstellt. Sie serviert ihm eklige Pampen aus gekochtem Gemüse, den jährlich zubereitet Schokoladenkuchen zum Geburtstag isst sie allein, der Enkel darf daran riechen. Für meine Begriffe ist dies alles ein Fall fürs Jugendamt und die Großmutter ein Fall für die Psychiatrie. Der Großvater hat sich längst in seine eigene Welt zurückgezogen und ist vollkommen verstummt, dafür redet seine Frau ohne Punkt und Komma, meistens gibt sie Hasstiraden gegen Juden und Araber oder Beschimpfungen ihres Ehemanns („altes Schlitzauge“, „asiatische Fresse“) von sich.
„Liebenswerte Charaktere“, wie sie im Klappentext versprochen werden, habe ich in diesem Buch nicht gefunden. Max ist eingeschüchtert und lässt sich viel zu lange von seiner Großmutter beherrschen, der Großvater greift nicht ein und macht sich mitschuldig.
Ein Buch, das gut geschrieben ist, mich aber aufgrund der Persönlichkeit dieser Großmutter aus der Hölle zunehmend frustriert hat.

Veröffentlicht am 12.05.2019

Psychopathischer Fußfetischist

Mörderisches Lavandou (Ein-Leon-Ritter-Krimi 5)
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„Mörderisches Lavandou“ ist für mich das erste Buch des Autors Remy Eyssen. Dass ich die Vorgängerbände nicht kannte, war kein Problem, man kommt gut in die Geschichte rein. Der Schreibstil des Autors ...

„Mörderisches Lavandou“ ist für mich das erste Buch des Autors Remy Eyssen. Dass ich die Vorgängerbände nicht kannte, war kein Problem, man kommt gut in die Geschichte rein. Der Schreibstil des Autors liest sich flüssig und die Personen- und Landschaftsbeschreibungen sowie der Spannungsaufbau haben mir gut gefallen.

Ein deutscher Gerichtsmediziner, Leon Ritter, ist vor Jahren aus Frankfurt in die Provence gezogen und lebt dort mittlerweile mit der stellvertretenden Polizeipräsidentin und deren Tochter im malerischen Küstenörtchen Le Lavandou. Es ist Herbst und somit Nachsaison. Die Touristen sind größtenteils wieder abgereist und in der Provence ist wieder Ruhe eingekehrt. Dann wird ein aufs Brutalste abgehackter Frauenfuß gefunden. Der Leser weiß bereits, wer das Opfer ist, der Täter wird nur als „der Mann“ bezeichnet. Es beginnt die Suche nach der Nadel im Heuhaufen, denn der Täter ist äußerst umsichtig vorgegangen und hat keine Spuren hinterlassen. Bald darauf wird der nächste Fuß gefunden, wieder war kurz zuvor eine Frau verschwunden.
Als dann noch eine dritte Frau stirbt und sich unmittelbar danach ein Verdächtiger vom Balkon in den Tod stürzt, ist für die Polizei der Fall klar. Nur Leon Ritter, der mittlerweile selbst ins Visier der Polizei geraten und suspendiert worden ist, hat seine Zweifel...

Eigentlich fand ich den Roman spannend, auch wenn mir solch effekthascherische brutale Szenen mit Folterkammern usw., wie man sie allabendlich auch im Fernsehen präsentiert bekommt, zuwider sind. Allerdings fand ich das Motiv des Mörders total an den Haaren herbeigezogen. Und auch die immer wiederkehrenden Polizeipräsidenten, die ihre Fälle eigentlich nur abgeschlossen wissen möchten, egal, ob der richtige Täter geschnappt wurde oder nicht, sind hoffentlich nur eine Ausgeburt von Autoren. Dass immer wieder Ermittler oder in diesem Fall der zuständige Gerichtsmediziner als mögliche Täter ausgemacht werden, ist für meine Begriffe ebenfalls ausgesprochen absurd.
Meine hohen Erwartungen zu Beginn haben sich leider nicht erfüllt, ich vergebe 3,5 von 5 Sternen.

Veröffentlicht am 24.04.2019

Mörder wider Willen

Das Verschwinden der Stephanie Mailer
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Sommer 1994: In der Kleinstadt Orphea an der Ostküste der USA geschieht während der Premiere eines Theaterfestivals ein Vierfachmord. Opfer sind die Familie des Bürgermeisters sowie eine Joggerin, die ...

Sommer 1994: In der Kleinstadt Orphea an der Ostküste der USA geschieht während der Premiere eines Theaterfestivals ein Vierfachmord. Opfer sind die Familie des Bürgermeisters sowie eine Joggerin, die wohl Zeugin des Verbrechens wurde.
Die beiden jungen Polizisten Jesse Rosenberg und Derek Scott klären den Fall schnell auf, der Schuldige kommt bei einer Verfolgungsjagd ums Leben.
Inzwischen schreiben wir das Jahr 2014 und Jesse Rosenberg, den alle aufgrund seiner perfekten Aufklärungsrate „Mister 100 Prozent“ nennen, steht kurz vor der Pensionierung. Ausgerechnet bei seiner Abschiedsparty spricht ihn die Journalistin Stephanie Mailer an, die behauptet, sie hätten damals den Falschen gefasst und der wahre Mörder sei noch auf freiem Fuß. Bevor Stephanie Jesse mitteilen kann, was sie zu dieser Annahme bringt, verschwindet sie und wird wenig später tot aufgefunden.
Die Polizei von Orphea ist zunächst wenig begeistert, dass der alte Fall wieder neu aufgerollt werden soll, doch dann geschehen weitere Morde...
Um dieses Buch wurde vor Erscheinen so ein Hype gemacht, dass ich es unbedingt lesen bzw. hören wollte. Der Anfang ist wirklich sehr spannend, und der Roman ist sehr gut und ansprechend gelesen. Der Fall ist mysteriös und spannend, es geraten immer mehr Verdächtige ins Visier der Ermittler und auch die persönliche Geschichten von Jesse und Derek sowie die der anderen Protagonisten sind bis zu einem gewissen Grad interessant. Allerdings ist genau dies auch der Schwachpunkt dieses Romans: er verliert sich auf zu vielen Nebenschauplätzen. Ein früherer Polizeichef, der jetzt als durchgeknallter Regisseur lebt, ein Verleger, dessen Geliebte ständig teure Geschenke von ihm fordert und ihn an den finanziellen Ruin bringt (dieser Handlungsstrang ging mir am meisten auf die Nerven, da mir das beschriebene Verhalten völlig überzogen vorkam), ein drogensüchtiges junges Mädchen, das den Tod einer Mitschülerin verschuldet hat und vieles mehr. Irgendwann war mir das alles zuviel, zumal es einige Querverbindungen gibt und irgendwann fast jeder als Mörder in Frage kommen könnte.
Das Ende ist dann einigermaßen überraschend und es kommt wieder etwas von der anfänglichen Spannung auf. Wenn dieser Roman nicht ganz so lang wäre, würde er sehr gewinnen. Nicht schlecht, aber der langweilige, teils verwirrende und in die Länge gezogene Mittelteil hat mein Vergnügen etwas getrübt.

Veröffentlicht am 04.04.2019

Frauenfreundschaft

Aller Anfang
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Die vier Studentinnen Sally, Bree, April und Celia lernen sich an ihrem ersten Tag im Wohnheim der Frauenuniversität Smith College kennen. Zwei von ihnen kommen aus reichem Elternhaus, eine aus der Mittelschicht ...

Die vier Studentinnen Sally, Bree, April und Celia lernen sich an ihrem ersten Tag im Wohnheim der Frauenuniversität Smith College kennen. Zwei von ihnen kommen aus reichem Elternhaus, eine aus der Mittelschicht und die Vierte muss sich ihr Studium durch diverse Jobs selbst finanzieren. Obwohl sie völlig verschieden sind, entwickelt sich schnelle eine tiefe Freundschaft zwischen ihnen und bis zum Abschluss des Studiums sind sie unzertrennlich.
Danach schlagen sie ganz unterschiedliche Wege ein und haben nur noch sporadisch Kontakt. Erst als eine von ihnen heiratet und sich wünscht, den Vorabend der Hochzeit noch einmal zusammen mit ihren Freundinnen zu begehen, kommen die vier wieder zusammen. Doch trotz der Wiedersehensfreude kommt es zum Eklat und es ist nicht klar, ob dies das Ende ihrer Freundschaft bedeutet.
J. Courtney Sullivan beschreibt im ersten Teil dieses Romans das Leben an einer reinen Frauenuniversität: Heimweh und Herzschmerz, seltsame Rituale sowie Saufgelage und Knutschorgien unter Frauen. Man bekommt den Eindruck, dass ein großer Teil der Studentinnen lesbisch ist oder zumindest für die Dauer des Studiums lesbisch wird. Es gibt sogar einen Tag, an dem sich Lesben als solche outen können und dafür gefeiert werden.
Auch Bree verliebt sich in eine Frau, Lara. Die Beziehung bleibt auch nach dem Studium bestehen, doch kann Bree nicht richtig dazu stehen. Als ihre Familie von der Beziehung erfährt, führt dies zum Bruch zwischen Bree und ihren Eltern.
Sally, die früh ihre Mutter verloren hat und sehr darunter leidet, beginnt eine Affäre mit einem sehr viel älteren verheirateten Mann und ist die erste der Freundinnen, die nach dem Studium heiratet.
Celia, deren größter Wunsch es ist, Schriftstellerin zu werden, verdient sich ihr Geld als Lektorin bei einem Verlag für Trivialliteratur und sucht sich gelegentliche One-night-stands.
April hingegen hat kein Interesse an einer Beziehung. Ihre Leidenschaft ist es, sich für unterprivilegierte Frauen und Mädchen einzusetzen. Zusammen mit der Feministin Robbie deckt sie Missstände auf und begibt sie sich dabei in Gefahr. Doch dann läuft ein Projekt vollkommen aus dem Ruder und April verschwindet...
Das Buch ist stellenweise sehr spannend und ich konnte es kaum aus der Hand legen, doch das Ende fand ich leider unrealistisch und wenig überzeugend. An „All die Jahre“ kommt es meiner Meinung nach nicht heran.

Veröffentlicht am 30.03.2019

Leben zwischen Ost und West

Was uns erinnern lässt
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Die Anwaltsgehilfin Milla hat ein ausgefallenes Hobby: Lost Places, verlassene Orte. Als sie eines Tages im Thüringer Wald unterwegs ist, findet sie einen solchen Ort, den Keller eines ehemaligen Hotels, ...

Die Anwaltsgehilfin Milla hat ein ausgefallenes Hobby: Lost Places, verlassene Orte. Als sie eines Tages im Thüringer Wald unterwegs ist, findet sie einen solchen Ort, den Keller eines ehemaligen Hotels, in dem sich noch allerlei Habseligkeiten der früheren Bewohner befinden. Vom Hotel selbst ist nur noch Schutt vorhanden. Durch ein beschriftetes Schulheft erfährt Milla den Namen einer Familienangehörigen, Christine, und nimmt Kontakt mit ihr auf.
Zwischen den beiden Frauen entwickelt sich schnell eine Freundschaft. Milla erfährt, dass Christines Familie in den 1950er Jahren aus ihrer Heimat im Sperrgebiet zwischen DDR und BRD vertrieben und zwangsumgesiedelt wurden. Wer die Umsiedlung veranlasst hat, wissen sie bis heute nicht. Nachforschungen, die Christines Tante Elvira angestellt hatte, verliefen im Sande, und auch eine Entschädigung hat die Familie nie erhalten.
Milla ist von der Geschichte fasziniert und beginnt ebenfalls damit, im Namen der Familie Nachforschungen anzustellen und Unterlagen anzufordern. Zusammen mit Christine sucht sie Zeitzeugen und ehemalige Freunde der Familie auf. Dabei entdeckt sie, dass der Verräter von damals ein ganz anderer ist als vermutet...
Das Buch behandelt ein interessantes Thema: das Leben einer Familie im Sperrgebiet zwischen Ost- und Westdeutschland. Es ist haarsträubend zu lesen, welchen Repressalien und Schikanen die Familie ausgeliefert war. So durften die Großeltern eines Tages nicht mit den Enkeln ins Sperrgebiet zurück, weil die Enkel nicht in ihren Ausweisen vermerkt waren. War der Schlagbaum unbesetzt, hieß es warten, bis sich der Beamte endlich blicken ließ. Wehe, man wagte es, ohne Kontrolle die Grenze ins Sperrgebiet zu passieren. Im nächsten Moment war der Beamte zur Stelle und nahm einen fest.
Das Buch liest sich größtenteils flüssig, doch teilweise ist die Geschichte unnötig in die Länge gezogen und trivial. Nach einem der vielen Stromausfälle weint Christines kleine Schwester im Dunkeln, woraufhin die große Schwester ihr den Nacken kitzelt, bis sie wieder lacht. Wie interessant...
Was mich ebenfalls genervt hat, war das Festhalten am wöchentlichen Ritual des Gästezimmer Putzens. Seit Jahren hat das Hotel Waldeshöh keine Gäste mehr gesehen, trotzdem werden jeden Samstag die Zimmer geputzt und die Betten frisch bezogen. Die Kinder hausen beengt in einem kleinen Kämmerchen, doch die Gästezimmer sind tabu. Ein für die nicht vorhandenen Gäste angeschaffter Badeofen steht neu herum, die Familie heizt das Badewasser mit der Waschmaschine. Alles nicht nachvollziehbar und für meine Begriffe ziemlich dumm.
Ob das Leben in der DDR sich tatsächlich so abgespielt hat, kann ich nicht beurteilen, es war aber auf jeden Fall sehr interessant, einen Einblick in das Leben einer Familie zu bekommen, die zunehmend isoliert und auf sich selbst gestellt im Grenzgebiet zwischen Ost und West lebte.