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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.10.2021

David versus Goliath

Wie schön wir waren
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Das tolle Cover mit den in Naturtönen gehaltenen Afrikafarben stimmt einen perfekt ein auf die Handlung in “Wie schön wir waren”, die uns in ein kleines fiktives afrikanisches Dorf führt, wo die Menschen ...

Das tolle Cover mit den in Naturtönen gehaltenen Afrikafarben stimmt einen perfekt ein auf die Handlung in “Wie schön wir waren”, die uns in ein kleines fiktives afrikanisches Dorf führt, wo die Menschen mit dem Ahnenkult in einer hierarchischen, patriarchalischen Gesellschaft leben. Nach der Schule erlernen die Jungen mit 12 Jahren das Jagen, während die Mädchen von ihren Müttern in die Hausarbeit eingeführt werden. Die Vorbereitung auf ein Dasein als Ehefrau und Mutter ab circa 17 Jahren ist dringend notwendig, und alle Mädchen versuchen schon früh, sich einen potentiellen Ehemann zu sichern. Alle, bis auf Thula, die wissensdurstig und durchsetzungsfähig ist und es schafft, unterstützt durch eine amerikanische Menschenrechtsorganisation, sich gegen die Firma Pexton durchzusetzen, denn das Land, die Luft und das Wasser des Dorfes sind verseucht durch den amerikanischen Ölkonzern Pexton, der, mit Genehmigung der korrupten Regierung, Erdöl in der Gegend des Dorfes fördert, ohne Rücksicht auf die Bewohner. Der Dorfälteste wurde von dem Großkonzern gekauft. Es scheint ihm aufgrund seiner Privilegien egal zu sein, dass die Bewohner seines Dorfes, die unterdrückt und ausgebeutet werden, viele Tote zu beklagen haben. Sie glauben naiv an ihre Rechte und das Gute im Menschen, lernen im Verlauf der Handlung jedoch, sich zu wehren.
Die einzelnen Dorfbewohner sind sehr detailliert gezeichnet und die einzelnen Kapitel werden aus der Sicht unterschiedlicher Personen dargestellt, wodurch man viel über den Alltag im Dorf und die Gebräuche erfährt. Es gibt viele Unterbrechungen im Erzählfluss, Rückblenden und kurze Vorausschauen. Es wird mehrfach von einem brutalen Massaker an vielen Dorfbewohnern berichtet, die Hintergründe werden aber erst später dargelegt. Dadurch wird die Spannung erhöht, und der Leser bleibt tief betroffen zurück, unterstützt durch die kraftvolle, sehr intensive Sprache der Autorin, die es geschickt schafft, das brutale Vorgehen der Starken gegen die Schwachen darzulegen. Andererseits lässt sie die Dorfbewohner oft in einer poetischen, metaphorischen Sprache ihre Gefühle ausdrücken. Dieser sprachlich und inhaltlich gekonnte Ansatz lässt einen die Mentalität der Dorfbewohner besser verstehen.
Kosawa steht natürlich exemplarisch für die sehr aktuelle Umweltproblematik und die Unterdrückung und Ausnutzung von Schwachen in Afrika und anderen unterentwickelten Regionen.
Das Buch hat mich stark gefesselt und meine Erwartungen voll erfüllt.

Veröffentlicht am 03.10.2021

Anonyme Leichenteile

Abgetrennt
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Durch eine Fernsehsendung bin ich auf Michael Tsokos und seine Werke aufmerksam geworden. Somit ist “Abgetrennt” mein erster Tsokos -Thriller, aber auch ohne Kenntnis der zwei Vorläuferbände kann man sich ...

Durch eine Fernsehsendung bin ich auf Michael Tsokos und seine Werke aufmerksam geworden. Somit ist “Abgetrennt” mein erster Tsokos -Thriller, aber auch ohne Kenntnis der zwei Vorläuferbände kann man sich gut in die Geschichte einfühlen und lernt gleich zu Beginn alle wichtigen Charaktere kennen. Besonders gut hat mir der Rechtsmediziner Dr. Paul Herzfeld gefallen, der sehr authentisch rüberkommt, gepflegte Sprache verwendet und voller Akribie in seiner Arbeit aufgeht. Sehr detailliert werden Obduktionen beschrieben, die aber immer so formuliert werden, dass man sie als Laie auch problemlos verstehen kann. Das Ganze ist in die sehr spannende Handlung eines Thrillers integriert. Der aufreibende Arbeitsalltag eines Rechtsmediziners wird umso bedeutsamer, da Michael Tsokos, Professor für Rechtsmedizin und international anerkannter Experte auf dem Gebiet der Forensik, in seinem Nachwort erklärt, dass die Handlung auf wahren Begebenheiten beruht, die meist genauso abgelaufen sind.
Die kurzen Kapitel und die wunderbar leichte und flüssige Sprache des Autors ließen mich durch die Seiten fliegen, dabei werden parallel stattfindende Ereignisse in aufeinander folgenden Abschnitten beschrieben und mit Zeit- und Ortsangaben versehen.
Der abgetrennte Arm, der auf dem Cover abgebildet ist, führt in die Kieler Rechtsmedizin, und die Recherchen finden in der Kieler Umgebung und sogar, zum Schluss, in Bad Segeberg bei den, von mir sehr geliebten, Karl May Festspielen statt.
Auch das Cover fasziniert mich. Es evoziert eine düstere und geheimnisvolle Atmosphäre mit dem Männerarm und der haptischen Narbe. Es erzeugt Neugier, denn man fragt sich, was wohl abgetrennt wurde, und liest dann den Klappentext.
Eine klare Kaufempfehlung für die Leser, die das Besondere lieben, denn die Mischung aus spannendem Thriller und interessantem Rechtsmedizineralltag ist prima geglückt.
Sicherlich werde ich die Vorläuferbände noch lesen, wie auch alle zukünftigen Tsokos- Fans.

5 Punkte

Veröffentlicht am 26.09.2021

Hassliebe

SCHWEIG!
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Das Cover des Thrillers von Judith Merchant ist sehr minimalistisch, fast ausschließlich in schwarz-weiß Tönen gehalten. Es hätte mich nicht zum Kauf des Werkes bewogen, der imperativ “Schweig” schon, ...

Das Cover des Thrillers von Judith Merchant ist sehr minimalistisch, fast ausschließlich in schwarz-weiß Tönen gehalten. Es hätte mich nicht zum Kauf des Werkes bewogen, der imperativ “Schweig” schon, denn das einzelne Wort hat eine große Ausstrahlungskraft!
Die beiden Schwestern stellen Contrapunkte bezüglich ihres Charakters und ihrer Lebensgeschichte dar.
Esther, verheiratet, zwei Kinder, finanziell recht einfach ausgerichtet. Sue, sehr vermögend, geschieden und psychisch scheinbar angeschlagen, dazu äußerst penibel und ruhebedürftig.
Esther kümmert sich seit der Kindheit um ihre kleine Schwester, macht sich ständig Sorgen, kontrolliert, manipuliert und maßregelt sie. Sue ist davon völlig genervt und möchte auf gar keinen Fall ein Treffen mit ihrer Schwester zu Weihnachten. Diese erzwingt es und es kommt zu einem Psychospiel mit hochkochenden Emotionen. Der Plot zieht den Leser immer mehr in seinen Bann. Die beiden Protagonistinnen berichten aus ihrer jeweiligen Perspektive und es wird zu einem Familiendrama als Martin, Esthers Ehemann, involviert wird.
Wir finden zwei Erzählerinnen in kurzen Kapiteln vor, und der Leser weiß oft nicht, auf wessen Seite er sich schlagen soll.
Der Schreibstil ist klar, und durch die unterschiedlichen Perspektiven sehr kontrastreich und lebendig.
Die Charaktere sind sehr differenziert und realistisch abgebildet, so dass man mitfiebert und von dem Werk gefangengenommen wird. Leider geschieht auch noch ein Unglück!
ich finde diesen Thriller sehr spannend und gelungen. Ein tolles Weihnachtsgeschenk für Freunde!

Veröffentlicht am 14.08.2021

Psychologische Kriegsführung

Ritchie Girl
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Ich bin historisch sehr interessiert und versuche die deutsche Nazivergangenheit, die Kollaboration und besonders die Rolle der US- Amerikaner zu verstehen.
Mit seinem Werk “Ritchie Girl” ist Pflüger eine ...

Ich bin historisch sehr interessiert und versuche die deutsche Nazivergangenheit, die Kollaboration und besonders die Rolle der US- Amerikaner zu verstehen.
Mit seinem Werk “Ritchie Girl” ist Pflüger eine brillante Mischung aus Fakten und Fiktion gelungen. Dabei wird deutlich, dass der Autor sehr intensiv recherchiert hat.
Die Protagonistin Paula Bloom ist als Kind einer deutschen Mutter und eines reichen amerikanischen Geschäftsmannes in privilegierten Verhältnissen in Berlin aufgewachsen. Nach ihrer Umsiedlung in die USA konnte sie studieren und wurde in dem real existierenden Camp Ritchie dafür ausgebildet, als Besatzungsoffizierin in Deutschland eingesetzt zu werden. Während der Kriegsverbrecherprozesse soll sie einen österreichischen Juden verhören, der vorgibt, während des 2. Weltkriegs ein wichtiger Spion gewesen zu sein.
Sie reflektiert auch genau die Situation in ihrem Berliner Elternhaus wo alle möglichen Nazigrößen ein und ausgingen. Welche Rolle hat ihr Vater gespielt? Wie war er im Nazisystem involviert?
Paula wird mit schlimmsten Nazi - Verbrechen konfrontiert. Sie ist sogar in Nürnberg anwesend als Todesurteile ausgeführt werden.
Sie begegnet ihrer großen Liebe wieder und muss erkennen, inwiefern er sich schuldig gemacht hat.
Der Autor erzählt sehr wortgewaltig und metaphorisch. Sein Werk regt ständig zum Nachdenken an. und man muss zwischendurch innehalten. Also keine leichte Kost!
Paula Bloom weiß nicht mehr wo sie sich verorten soll und dem Leser ergeht es ähnlich. Wie war das Leben während der Nazizeit, und hätte man etwas tun können bzw. müssen?
Das Cover zeigt in dunklen Farben am unteren Bildrand vermutlich das Gelände der IG Farben, während der Nazi-Zeit das größte Chemie- und Pharmaunternehmen der Welt, welches durch jüdische Zwangsarbeiter und “Arisierung” zu seiner wirtschaftlichen Blüte aufsteigen konnte.
Dieses Cover passt perfekt zur Thematik des Werkes. Seine Protagonistin wurde sehr detailliert dargestellt, Identifikation ist gut möglich, Aufarbeitung der Problematik wurde mir ermöglicht. Ein tolles Werk für den anspruchsvollen, historisch interessierten Leserkreis.

Veröffentlicht am 14.08.2021

Les délices chez Aurélie

Die Zeit der Kirschen
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Als Frankreichliebhaber und Pariskenner hat mir das Cover mit der Abendstimmung in Paris und der Haptik des glänzenden und verschnörkelten Titels sehr gut gefallen. Bei näherer Betrachtung des abgebildeten ...

Als Frankreichliebhaber und Pariskenner hat mir das Cover mit der Abendstimmung in Paris und der Haptik des glänzenden und verschnörkelten Titels sehr gut gefallen. Bei näherer Betrachtung des abgebildeten Restaurants wird deutlich, dass der deutsche Titel lediglich die Übersetzung des Restaurantnamens ist, der allerdings auch für französische Verhältnisse sehr ausgefallen ist. Auf jeden Fall wird eine romantische Stimmung evoziert, die zu einem Liebesroman passt.
Nicolas Barreau war mir bisher nicht als Schriftsteller bekannt, aber nun werde ich auf alle Fälle “das Lächeln der Frauen” lesen, denn “Die Zeit der Kirchen” hat meine Erwartungen weit übertroffen.
Die Protagonisten Aurélie und André sind sehr authentisch. Aurélie hat es mir besonders angetan, denn sie folgt komplett dem Image der temperamentvollen, aber niedlich - romantischen Französin.
Der Köchin und Restaurantbesitzerin Aurélie wird fälschlicherweise ein Michelin - Stern verliehen? Als die Verwechslung durch den Restaurantbesitzer des eigentlichen Sterns herauskommt, ist Aurélie dem Nervenzusammenbruch nahe, nimmt dann aber doch das Angebot an, dort einen Kochkurs zu absolvieren, was bei André Eifersucht auslöst, denn sein Ziel, nämlich ein Heiratsantrag, rückt nun in weite Ferne.
Dieser Roman ist sehr romantisch geschrieben, man spürt die Leichtigkeit des Lebens und das Gewissen. Besonders gut haben mir die Dialoge gefallen welche die Charaktereigenschaften gut herausgestellt haben. Sehr gut finde ich auch, dass man durch den Wechsel der Erzählperspektiven in die Gefühlswelt beider Protagonisten Einblick erhalten hat. Zwar sind einige Reaktionen etwas überspitzt, aber man leidet mit André, der immer auf den richtigen Moment mit seinem Antrag wartet. Alles ist witzig beschrieben und dem Leser wird Empathie vermittelt. Die Frage ist die ganze Zeit: “ Wird es das große Happy End geben?”
Durch die vielen unvorhersehbaren Wendungen und Ereignisse wird der Unterhaltungsfaktor angekurbelt. Alles in allem eine lesenswerte und unterhaltsame Liebesgeschichte, die ich gerne an Romantiker weiterempfehle.
Als i-Tüpfelchen hätte ich mir noch ein paar Kochrezepte im Anhang gewünscht, zum Beispiel von dem “ Menu d’amour”.