Profilbild von Samtpfote

Samtpfote

Lesejury Star
offline

Samtpfote ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Samtpfote über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 22.01.2020

Sprachgewaltig und sehr unterhaltsam, klug und poetisch

Verfasser unser
0

Inhalt:

In diesem schmalen Bändchen versammeln sich Kurzgeschichten und Gedichte, die mit ihrer ganz eigenen Erzählsprache unterhalten und beim Lesen für anschauliche Bilder sorgen. Die Buchmenschen, ...

Inhalt:

In diesem schmalen Bändchen versammeln sich Kurzgeschichten und Gedichte, die mit ihrer ganz eigenen Erzählsprache unterhalten und beim Lesen für anschauliche Bilder sorgen. Die Buchmenschen, die Giwi Margwelaschwili ganz besonders am Herzen liegen, werden immer wieder zum Zentrum der Geschichte gemacht und Wortpoesie, neue Wortschöpfungen, Systemkritik, feinsinniger Humor und vor allem eine Liebe zum Beschreiben und Erzählen, zu Gedankenspielen und ungewöhnlichen Auslegungen, versammeln sich hier auf engstem Raum.


Meine Meinung:

Ich bin froh, Giwi Margwelaschwili endlich für mich entdeckt zu haben und "Verfasser unser" ist mit seinen meistens sehr kurzen Gedichten und Texten ein hervorragender Einstieg in ein Werk, das kritisch und voller Widerstand gegen bestehende Grenzen und Regeln anschreibt, das aber innerhalb dieser Grenzen alles macht, was mit Worten auch nur annähernd machbar und vorstellbar ist. Ein so kreativer, intelligenter und vor allem bewusster Umgang mit Sprache ist mir noch nie begegnet und dennoch muss man keine Angst vor Margwelaschwili haben. Ja, der grosse Philisoph und Autor macht rege Querverweise zu grossen Klassikern der Weltliteratur, bedient sich sogar ihrer Figuren und greift in Handlungen ein, seine Beschreibungen und Formulierungen und sogar seine Wortschöpfungen erklären sich aber für Menschen mit einer gewissen natürlichen Intuition für Sprache ganz von selbst. Aber nicht nur das: es macht auch einfach riesigen Spass, sich in diesen Buchwelten zu bewegen und es berührt, wie Margwelaschwili seine turbulente Lebensgeschichte und seine Erfahrungen mit strengen politischen Systemen immer wieder verarbeitet und vor allem auch zum Anlass nimmt, sich nicht mundtot machen zu lassen, sondern stets gegen Grenzen, Systeme, Tyrannen und Engstirnigkeiten anschreibt und dabei seinen Buchpersonen auch immer zu ein wenig mehr Glück im Leben verhelfen will.


Meine Empfehlung:

Ich empfehle euch diesen kleinen literarischen Schatz und die vielen weiteren Werke dieses leider eher unbekannten deutsch-georgischen Wortkünstlers von Herzen weiter und hoffe darauf, dass seine Bücher noch ganz viele Leser*innen in fremde und bekannte Buchwelten entführen, zum Nachdenken anregen, zum Lachen und Weinen bringen und vor allem zum Staunen und Geniessen einladen werden.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
Veröffentlicht am 10.01.2020

Märchenhaft und beklemmend

Der Schneesturm
0

Inhalt:

Es schneit, es ist kalt, es stürmt und gefühlt befinden wir uns sowohl in der Vergangenheit, wo man sich mit Kutschen von A nach B bewegt, als auch in einer märchenhaften und auch ein wenig bedrohlichen ...

Inhalt:

Es schneit, es ist kalt, es stürmt und gefühlt befinden wir uns sowohl in der Vergangenheit, wo man sich mit Kutschen von A nach B bewegt, als auch in einer märchenhaften und auch ein wenig bedrohlichen Zukunft, in der es Zwergpferde und Riesen gibt, und in der seltsame Drogen für enorme Visionen sorgen können. Wir haben den Arzt Garin, der sich furchtlos durch den Sturm wagt und den Brotlieferanten Kosma, gennant Krächz, der unseren Arzt der bei der Bekämpfung einer Seuche, welche die Menschen zu zombieähnlichen Gestalten macht, dringend gebraucht wird, ins ein paar Stunden entfernte Örtchen Dolgoje fahren soll.


Meine Meinung:

Dieses Buch habe ich in Marias Lesekreis gelesen und freue mich auf den Austausch, der am Sonntag stattfinden wird. Sicher sind nämlich auch einige äusserst kontroverse Meinungen dabei. Auf mich hat "Der Schneesturm" äusserst beklemmend gewirkt. Mit einer inneren Enge habe ich Seite um Seite umgeblättert und zusehen müssen, wie ein Hindernis nach dem anderen die sonst schon scheinbar endlose Kutschenfahrt noch mehr in die Länge zieht. Wie es kälter und kälter wird, wie unser eigentlich so pflichtbewusste Arzt seinen Kutscher und herzensguten Begleiter Krächz zurechtweist und massregelt, weil dieser mit seiner bedächtigen Art nicht gerade dazu beiträgt, dass die Reise ein baldiges Ende nimmt.

Wer zum ersten Mal zu einem Stück russischer Literatur greift, ist sicher irritiert von den Bildern und Ideen, die heraufbeschworen werden und dem Umgang, den die Menschen miteinander pflegen. Aber eigentlich befinden wir uns einfach in einem - äusserst dramatischen - russischen Märchen. Einem Märchen, in dem die endlose Kutschenfahrt eine Metapher für ein Land ist, in dem alles sehr langsam vorankommt, in dem Vergangenheit und Gegenwart und vielleicht sogar ein wenig Zukunft aufeinanderprallen, in dem Menschen abhängig sind von einem System, in dem der Alkohol und grosse Machthaber äusserst präsent in den Köpfen und Herzen sind und in dem eine Landschaft voller Schönheit und Weite zum Träumen und Schwelgen einlädt, aber auch äusserst bedrohlich wirken kann.

Die scheinbare Sinnlosigkeit des Versuches, ans Ziel zu kommen, hat mich ein wenig an "Wo warst du, Adam?" von Heinrich Böll erinnert. Dort allerdings ist es der zweite Weltkrieg, der bis zum bitteren Ende geführt wird und der ohne jeden Sinn und Zweck, aber auch komplett planlos für unheilbare Wunden in der Seele ganzer Nationen führt.


Sprache:

Einlullend und poetisch schön und zuweilen auch kafkaesk erzählt Sorokin seine Geschichte. Geübte Literaturkritiker wollen Zitate grosser russischer Autoren und Dichter in Sorokins Erzählung finden, ich habe vor allem sehr viel Humor, Sarkasmus und einige äusserst spitze Seitenhiebe gefunden. Immer wieder war da aber auch eine ganz eigene, schillernde sprachliche Schönheit, die das Buch zu einem wahren Lesegenuss gemacht haben und mich förmlich an den Seiten kleben liessen. Ein grosses Lob an dieser Stelle an den Übersetzer Andreas Tretner, der es mit diesem anspruchsvollen Text sicher nicht leicht hatte, dem aber eine runde, in sich stimmige Übersetzung gelungen ist.


Meine Empfehlung:

Von mir gibt es eine herzliche Empfehlung für dieses durchaus anspruchsvolle, wunderschön erzählte Buch, das aber auch äusserst beklemmend wirkt und beim Lesen für Gänsehaut gesorgt hat.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 30.12.2019

Ein bewegendes und unterhaltsames Stück Literatur

Lied über die geeignete Stelle für eine Notunterkunft
0

Inhalt:

Unsere Protagonistin lebt mit einem toten Maulwurf neben und in den Trümmern ihres Elternhauses und errichtet - Stein um Stein - eine Notunterkunft, in der sie bescheiden lebt. Alles, was sie ...

Inhalt:

Unsere Protagonistin lebt mit einem toten Maulwurf neben und in den Trümmern ihres Elternhauses und errichtet - Stein um Stein - eine Notunterkunft, in der sie bescheiden lebt. Alles, was sie braucht, schafft sie aus ihrem Elternhaus in ihre neue Bleibe oder sammelt und klaut es sich aus der Natur und den Geschäften der Umgebung zusammen. "Lied über die geeignete Stelle für eine Notunterkunft" ist ein Buch über einen alternativen Lebensentwurf, über die Jugend und das Notwendige, das Vergängliche, Verluste und Minimalismus.


Meine Meinung:

Auf "Lied über die geeignete Stelle für eine Notunterkunft" bin ich bei Jan aufmerksam geworden und ich bin wirklich froh, dass mich seine amüsante Schilderungen der Protagonistin und ihres toten Maulwurfs so neugierig gemacht haben auf dieses Buch. Nach den ersten paar Sätzen war ich allerdings noch ein wenig irritiert, weil die einzelnen Abschnitte eher Textfragmente sind, welche den Bau der "Notunterkunft" und die Umsiedlung in dieses neue, abgelegene und auch sehr einsame und verlassene Leben dokumentieren. Nach wenigen Seiten habe ich aber das Konzept durchschaut und mich nur so in diese Geschichte gestürzt, die gesellschaftliche Normen ad absurdum führt, mit Leerstellen viel Interpretationsspielraum und Platz für eigene Gedanken lässt und zudem in Rückblicken und Briefen eine Geschichte erzählt, die vom Verlust und der Einsamkeit handelt und nicht immer nur heiter Sonnenschein ist. Wie sich die Protagonistin an ihren toten Maulwurf klammert, hat mich nicht nur amüsiert, sondern auch berührt, wie sie sich von ihren Habseligkeiten trennt, sich aber auch einige wirkliche Notwendigkeiten mühsam beschaffen muss, hat mich zum Nachdenken gebracht. Simone Hirth ist mit diesem vielseitigen, kritischen und vor allem auch handwerklich geschickt geschriebenen Stück Gegenwartsliteratur ein wahrlich fesselndes und berührendes Debüt gelungen.


Meine Empfehlung:

Von mir gibt es eine herzliche Leseempfehlung für dieses Buch, das zeigt, wie mit wenigen Worten und viel Raum für eigene Gedanken eine ganze Geschichte erzählt werden kann, die kritisch und unterhaltsam zugleich für einige spannende Lesestunden sorgt.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 09.12.2019

Grandiose und lesenswerte Sammlung von Texten

Königin im Dreck
0

Inhalt:
"über die lippen dieser leute wird
keine einzige klage kommen. ihre
psycho-geschichten intressieren
mich nicht. mich intressiert:
was macht eine königin im dreck?

rms

Bei einer Sammlung von verschiedenen ...

Inhalt:
"über die lippen dieser leute wird
keine einzige klage kommen. ihre
psycho-geschichten intressieren
mich nicht. mich intressiert:
was macht eine königin im dreck?

rms

Bei einer Sammlung von verschiedenen Schriften eines Autors ist klar, dass es keine fortlaufende Handlung gibt. Vielmehr sind die einzelnen Texte Betrachtungen, Gedanken und Erklärungen und wie der Untertitel es schon sagt "Texte zur Zeit". Was sich jedoch überall finden lässt, sind liebevoll ausgeschmückte und sehr zugespitzte Berichte und die sich fast durch die ganze Sammlung durchziehende konsequente Kleinschreibung Schernikaus. Die Fragestellungen, welche der Autor uns so provokativ und ironisch vor die Füsse wirft, zeigen Gedankengut und Haltung von Menschen mit unterschiedlichsten Ansichten und politischen Prägungen auf. In erster Linie geht es aber um seine Haltung und seine Betrachtungen zu Politik und Kultur. Es geht um seine Literatur und Literatur, die er mag, um Künstler, welche ihn faszinieren und um Themen, die ihn täglich beschäftigen. So wundert es nicht, dass er dem Thema AIDS gegenüber fast einen nüchternen und teilweise sehr ironischen Charakter behält. Was so gross, unbekannt und angsteinflössend ist, lässt sich vortrefflich mit Humor ertragen. Hintergrundinformationen wie Gespräche mit Ärzten und Patienten ermöglichen einen genaueren Alltag in das Leben eines Erkrankten und die damalige Haltung gegenüber Betroffenen Menschen. Aber auch der Frage nach dem Brötchen im Sozialismus geht Schernikau mit Witz und Rafinesse nach. So beschreibt er zum Beispiel den Unterschied zwischen Grossbäckereien und Familienbetrieben und schafft es auch dort, seine politische Haltung in die Geschichte eines Brötchens zu legen. Ausserdem erklärt er uns die verschienen Schlagertypen der DDR und bringt uns die Interpreten dieser musikalischen Gattung näher. Ich muss zugeben, dass ich einige Male ein wenig recherchieren musste, um zu verstehen, von welchen Leuten Schernikau schreibt und welche Vergleiche er ins Feld führt. Da ich Jahrgang 1992 habe und aus der Schweiz stamme wird mir dies wohl jedoch niemand verübeln.

Meine Meinung:
Es schien mir bei der Lektüre des Buches so, als würde Schernikau in erster Linie für sich und nicht für das Publikum schreiben. Als würde er Tagebuch schreiben und seine eigenen Gedanken festhalten und als sei es ihm dann egal, ob jemand ihm dabei noch über die Schultern blicken würde, oder nicht. Aber genau dieser Stil scheint mir vom Autor gewollt zu sein und wohl auch darin liegt die grosse Faszination, welche die Texte auf mich ausübten. Die provokativen Haltungen, die klar dargelegten Meinungen und die sehr ehrlichen Hintergrundberichte zeugen von einer starken Persönlichkeit, welche trotzdem mit Ängsten und Problemen des täglichen Lebens hadert und sich dabei einen eigenen Lebensstil zurechtbiegen will und dies wahrscheinlich auch schafft. Jahre nach seinem Tod fasziniert und berührt der Autor auf altbewährte Weise und die liebevolle Auswahl der Texte durch Thomas Keck bildet ein fein durchkomponiertes Gesamtkunstwerk.

Fazit:
Ein lesenswertes Stück Kunst welches Ansprüche an den Leser stellt und sich trotzdem sehr flüssig und in bekömmlichen Portionen lesen lässt. Von der Auwahl her ist für alle etwas dabei und darum empfehle ich das Buch auch allen, welche sich durch diese Rezension angesprochen fühlen.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
Veröffentlicht am 15.11.2019

Eine vergnügliche Komödie mit einem Hauch Gesellschaftskritik

Drei Männer im Schnee
0

Meine Meinung:
Dieses Buch habe ich mir schon länger von einem sehr guten Freund ausgeliehen. Er war überzeugt davon, dass es mir gefallen würde und er hatte absolut recht. Diese zuweilen schräge und ...

Meine Meinung:
Dieses Buch habe ich mir schon länger von einem sehr guten Freund ausgeliehen. Er war überzeugt davon, dass es mir gefallen würde und er hatte absolut recht. Diese zuweilen schräge und stets äusserst kluge Verwechslungskomödie über eine klassenübergreifende Freundschaft, reiche und arme Menschen, Frauen und Männer und einen abgelegenen, eingeschneiten Ort im Winter, hat mich begeistert.
Kästners pointierte Gesellschaftskritik, welche vor allem die gehobener Gesellschaftsschichten und ihre vermeintliche Überhabenheit aufs Korn nimmt und zugleich aufzeigt, dass auch weniger vermögende Menschen nicht vor argen Vorurteilen gefeit sind - weil Menschen nun mal einfach Menschen sind und zu Vorurteilen neigen - trifft gezielt ins Schwarze was allerdings alles mit einem liebenswert beobachtenden und wohlwollenden Auge geschieht.

Erzählsprache:
Nach wenigen Sätzen sind wir mitten im Geschehen, erfahren von den Ränken, die Geheimrat Tobler nach dem Gewinn eines Preisausschreibens schmiedet und vom Chaos, das er damit ziemlich umgehend auslöst. Im tiefen Winter begleiten wir die Protagonisten auf die Eisbahn, die Piste, einen Kostümball und an zahllose elegante Dinner und erfahren bald, wie es Geheimrat Tobler und seinem mitgereisten Kammerdiener Johann, der sich als Besitzer einer Reederei ausgibt, ergeht. Nur schon die Grundidee dieser Geschichte ist ein ziemlich ungewöhnlicher Einfall und dass es Kästner auch noch gelingt, stets kurzweilig zu erzählen, die Figuren in ihren Verkleidungen unentdeckt zu lassen und vor allem natürlich auch noch ein wenig Chaos, Romantik und Drama in die sonst schon spannende Atmosphäre, in der wohlhabende Menschen literarisch auf den Arm genommen werden, einfliessen zu lassen, ist ein wahres Meisterstück.

Meine Empfehlung:
Ich staune immer wieder, wie sehr wir Buchliebhaber*innen uns vom schönen, neuen Schein blenden lassen, weil da leider sehr oft wundervolle Literatur, die halt schon ein wenig älter ist, ausser Acht gelassen wird und vielleicht sogar in Vergessenheit gerät. "Drei Männer im Schnee" ist mittlerweile ein wenig in die Jahre gekommen, ist aber das beste Beispiel dafür, dass Klassiker weder angestaubt noch antiquiert daherkommen müssen, sondern dass sie genau so aktuell, kurzweilig und lehrreich sein können, wie alle Neuerscheinungen, die wir sonst in den Regalen der Buchhandlungen antreffen. Für dieses zeitlose und äusserst unterhaltsame Stück Literatur gibt es von mir eine überzeugte Empfehlung.