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Sanne

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 07.12.2017

So ist das Leben

Lied der Weite
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Amerika, kleinstädtisch-ländliche Gegend. Verschiedenste Charaktere, durchschnittliche Menschen, Einzelschicksale. Zum Beispiel Victoria: sie ist 17, Schülerin und schwanger. Die Mutter wirft sie aus der ...

Amerika, kleinstädtisch-ländliche Gegend. Verschiedenste Charaktere, durchschnittliche Menschen, Einzelschicksale. Zum Beispiel Victoria: sie ist 17, Schülerin und schwanger. Die Mutter wirft sie aus der Wohnung, der Freund verschwindet. Bobby, Ike, ihr Vater. Die Mutter dazu ist schwer depressiv und lässt die Familie im Stich. Die Jungs kämpfen sich ziemlich allein gelassen durch. Ihr Vater ist überfordert, müht sich mit Erziehung und Job.
Die McPherons: sympathisches altes Bruderpaar. Bewirtschaften eine Rinderfarm, arbeiten hart, sind sich eigentlich selbst genug. Beweisen viel Herz.
Sie und andere werden unaufgeregt beschrieben. So gut, dass man sie förmlich vor sich sieht. Man könnte sie kennen. Ihr Leben beinhaltet so schmerzhafte Erlebnisse, dass das Lesen schwerfällt. Ein wunderbarer Roman, zutiefst menschlich, zutiefst anrührend, trotz allen Widrigkeiten optimistisch.

Veröffentlicht am 11.10.2017

Süchtig

Nachtlichter
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Nachtlichter“ ist wunderbar und zugleich schwer zu lesen. Kaum zu ertragen sind die schrecklichen alkoholbedingten Abstürze der Autorin. Kann man tiefer sinken? Ja, doch, aber Amy Liptrot will dem Teufelskreis ...

Nachtlichter“ ist wunderbar und zugleich schwer zu lesen. Kaum zu ertragen sind die schrecklichen alkoholbedingten Abstürze der Autorin. Kann man tiefer sinken? Ja, doch, aber Amy Liptrot will dem Teufelskreis der Sucht entkommen.
Aufgewachsen auf einer menschenarmen Orkney–Insel, mit einem manisch–depressiven Vater und einer zur Religion abgewanderten Mutter, sucht sie Abwechslung, Coolness und Karriere in London. Der Kick stellt sich nur nach immer mehr Alkohol ein. Peinliche Vorfälle, Jobverluste, Wohnungsnot, der Verlust des Freundes folgten. Versuche, trocken zu werden, ihre Unzufriedenheit abzulegen, scheitern mehrfach.
Ein erster Erfolg: mit Hilfe eines dreimonatigen Programms bleibt sie erstmals längere Zeit trocken. Eine Flucht zurück zu ihrem Geburtsort soll weiter helfen. Die Ablenkung durch harte Arbeit ist nur teilweise erfolgreich, die Lust auf Alkohol bleibt. Amy hat stets das Gefühl, dass etwas fehlt. Sie taucht tief ein in die Natur, erforscht verschiedenste Gebiete und analysiert sich selbst. Sie nimmt den Leser schonungslos ehrlich mit in ihre Welt. Dabei wird so viel Wissen eingewebt! Orkneys Einwohner heißen Orkadier. Was für Wolkenarten gibt es, was hat es mit dem Wachtelkönig auf sich, wie baut man Trockenmauern, woher kommen einige merkwürdige Worte, was passiert beim Ablammen? Kleinste Inseln, seltene Tiere, Grabhügel werden erforscht, Sagen erzählt.
Amy verbringt den Winter auf Papay. Dort leben 70 Menschen. Auch über ihre Bräuche erfährt der Leser Einiges: Muckle Supper, First Footing, Papay Gyro Nights. Genaue Naturbeobachtungen über die „Merry Dancers“, Luftspiegelungen, geografische Auffälligkeiten, Nebelwarnsysteme faszinieren.
Trotzdem ist da noch immer das bekannte Gefühl, abgelehnt zu werden, etwas zu verpassen. Amy stellt sich immer neuen Herausforderungen.
Ein sehr ehrliches, umfassendes Buch, das eine Lebensetappe anschaulich und offen beschreibt. Gleichzeitig eine liebevolle Beschreibung der Schottischen Inselwelt. Absolut lesenswert.

Veröffentlicht am 31.08.2017

Hochspannung

Spectrum
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Eine Hauptfigur ist Krüger.
Er ist: 1. Idris Madeira, Südafrikaner, sehr groß und massig, liebevoller Vater und Ehemann
2. Krüger, skrupelloser Auftragserfüller, der ca. ...

Eine Hauptfigur ist Krüger.
Er ist: 1. Idris Madeira, Südafrikaner, sehr groß und massig, liebevoller Vater und Ehemann
2. Krüger, skrupelloser Auftragserfüller, der ca. 300 Slumbewohnern Kopf, Hände und Füße
abhackt, effektiv und brutal Leute einschüchtert, viel Geld verdienen will und
Er kann: - zwischen beiden Gestalten nicht mehr mühelos hin- und herwechseln

Isabel Price ist eine südafrikanische Polizistin, die den Massakerkiller jagt und töten will, dabei illegale Wege beschreitet.Die Story um sie entwickelt sich unvorhersehbar.Das Böse kommt nach oben....

Dr. August Burke fasziniert am meisten. Autist mit Aspergersyndrom. Mir war nicht bewusst, wie Menschen mit Asperger empfinden. Das wird emotional beschrieben und ist sehr beeindruckend.
Burke analysiert messerscharf, zieht die richtigen Schlüsse aus kleinsten Details, beherrscht Computer. Aber: soziale Interaktion ist nicht seins. Er stößt Leute durch seine Direktheit unbeabsichtigt vor den Kopf, ängstigt sich vor Kontakten und gibt dennoch die perfekte Hilfe bei schwierigen Fällen. Sehr sympathisch.

Des Weiteren: Nic, Sohn eines Mafia-Bosses, der aus diesen Kreisen aussteigt und Karriere beim FBI machen möchte. Er wird nicht als gefühlloser Agent dargestellt, sondern sorgt sich um Nichte und "Brüder". Nett: Was für ein glücklicher Zufall, dass sein Mafia-Onkel bereit ist, ihm zu helfen!

Carter: Senior-Agent, langweilt sich am Schreibtisch, betreut und hilft dem Nachwuchs.

Eine der Geiseln, Gabi Deshpande, bekommt viel Raum. Allerdings nicht immer nachvollziehbar, wie sie sich verhält. Mutig und uneigennützig ist sie jedoch schon.

Rätselhaft: was ist so enorm Wichtiges bei GoBox versteckt wird, was hat die CIA damit zu tun, wie wird der Fall gelöst. Die Geschehnisse in der Bank spitzen sich zu. Krüger und Gehilfin schrecken wirklich vor Nichts zurück, um an ihre Ziele zu kommen.

Weiterer Spannungsmoment: die Geiseln sind biologisch verseucht. Können sie gerettet werden?
Krüger plus "Doc" sind spurlos aus dem angeblich ausbruchsicheren Gebäude verschwunden.
Und dann ist da noch ein Verbündeter der Gangster unter den Geiseln....
Das Buch ist super zu lesen, spannend, kurze Kapitel helfen, sich zurecht zu finden. Eine packende Story, Ich würde gern mehr von Ethan Cross lesen, "Spectrum" hat mich fasziniert, interessiert und gut unterhalten.

Veröffentlicht am 15.08.2017

Entschleunigung

Ein Gentleman in Moskau
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Graf Rostov hat Glück; statt zum Tode wird er im Jahr 1922 dazu verurteilt, sein weiteres Leben im Moskauer Edelhotel Metropol zu verbringen. Nicht in seiner großzügigen Suite, sondern in einem Dachkämmerchen. ...

Graf Rostov hat Glück; statt zum Tode wird er im Jahr 1922 dazu verurteilt, sein weiteres Leben im Moskauer Edelhotel Metropol zu verbringen. Nicht in seiner großzügigen Suite, sondern in einem Dachkämmerchen. Was tut er so Tag für Tag? Er schließt Bekanntschaft mit der neunjährigen Nina. Mit ihr erkundet er die Ecken und Kammern des Hotels, zu denen Gäste keinen Zutritt haben. Beobachtungen der neuen Herrschenden spiegeln Zeitgeschichte. Hintergrundinformationen werden lakonisch eingestreut.
Alexander Rostov hat verborgene Reserven.Diese ermöglichen es ihm, weiterhin ausgezeichnet zu speisen und Lieferungen von außerhalb zu empfangen.Gelegentlich trifft er alte Freunde und erhält Informationen, wie die neuen Machthaber ihre Vorstellungen umsetzen. Menschen werden wegen Lappalien verurteilt, Kulturgüter vernichtet, Etiketten von Weinflaschen gelöst, um fehlendes Wissen zu kaschieren, Posten mit unfähigen Emporkömmlingen besetzt. Aufgezeigt wird ein Kaleidoskop der 20-er Jahre und der folgenden Jahrzehnte in historischem Kontext.
Für den Grafen ergeben sich unerwartete Betätigungen und eine ebenso unerwartete Beziehung. Im Mikrokosmos des Hotels findet er neue Freunde und übernimmt Verantwortung für Sofia, ein kleines Mädchen.Dafür vorgesehen waren zwei Monate; es werden Jahre daraus.
Immer wieder erfährt die Handlung interessante Sprünge, die dem Leser Raum für eigene Schlussfolgerungen lassen. Mit bissigem Sarkasmus beschreibt Amor Towles die Entwicklungen in der Sowjetunion, schweift ab in glanzvolle Zeiten vor der Oktoberrevolution, gibt Benimmunterricht in unaufdringlicher Form.

Auf jeden Fall sollte man sich beim Lesen dieses wunderbaren Buches viel Zeit lassen, um all die geschickt eingestreuten Details zu erkennen und zu würdigen.

Veröffentlicht am 02.07.2017

Raum

Raum
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Wahrhaft erschütternd, faszinierend, packend - dieses Buch legt man nicht beiseite! Wie kann ein Mensch einem anderen so etwas nur antun - auf knapp 16² m jahrelang eingesperrt sein, ohne Hoffnung, total ...

Wahrhaft erschütternd, faszinierend, packend - dieses Buch legt man nicht beiseite! Wie kann ein Mensch einem anderen so etwas nur antun - auf knapp 16² m jahrelang eingesperrt sein, ohne Hoffnung, total abhängig von der Gnade eines Monsters, zusammen mit einem Kind.... Ma ist unglaublich stark, sie lebt ihr Leben für ihren Sohn, lehrt ihn, schützt ihn, gibt nicht auf. Bewundernswert. Die Hauptperson, Jack, berichtet von seinem fünften Geburtstag an über sein Leben. Er kennt nichts Anderes als "Raum" und seine Ma. Für ihn ist das also normal, Sport macht er auch, es wird viel gebastelt, das Geschehen im Fernsehen ist für ihn eine erfundene Welt, Sonntagsguttis sind ein Höhepunkt. Er muss in einem Schrank schlafen, hungern, frieren, unsichtbar für Old Nick bleiben. Gerade, dass alles so normal für Jack ist, macht fassungslos. Was entgeht dem Jungen, wie tapfer ist seine Mutter, die zudem ständig unter Zahnschmerzen und einem gebrochenen Handgelenk leidet. Aber als der Junge jetzt \ geworden ist, ändert sich einiges, die Situation spitzt sich zu. Ich habe es nicht für möglich gehalten, aber Jack gelingt die Flucht und seine Mutter wird nach sieben Jahren befreit. Happy End? Bei weitem nicht. Für Jack ein ganz großer Schock. Trotz "Entlügens" seiner bisherigen Welt durch die Mutter als Vorbereitung auf die Flucht ist alles fremd, laut, ungewohnt, anders. Auch seine Ma, die zusammenbricht und einen Selbstmordversuch unternimmt. Aber Jack ist mutig, wissbegierig, er wird betreut und von Verwandten umsorgt, auch wenn diese teilweise gedankenlos und unüberlegt handeln oder überfordert sind. Verständlich, wenn er vertraute Dinge wie den stinkigen Teppich aus "Raum" vermisst. Unglaublich, was dieser kleine Kerl durchmacht. Zu seinem Glück stößt er aber auch auf viel Verständnis, seine Ma erholt sich, sie nehmen das Leben in Angriff. Man kann hoffen, dass sie ihren Frieden finden. Emma Donoghue hat ein großartiges Buch geschrieben. Wie sie Jack erzählen lässt, einfach nur erzählen ohne Wertung, ist absolut packend. Jack registriert ohne Kritik, ohne Verurteilung, ganz sachlich. Er erfindet Worte wie Mungst, zusammengesetzt aus Mut und Angst. Dinge sind seine Freunde. Man steigt ein in seine Welt und ist erschüttert. Ich habe selten ein so tolles Buch gelesen. Absolut empfehlenswert.