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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 02.10.2018

Ernüchterung: Ganz unterhaltsam, aber es fehlt an Tiefe

Blutrausch - Er muss töten (Ein Hunter-und-Garcia-Thriller 9)
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Spoilerfreie Rezension


Inhalt

Es ist trotz ihrer jahrelangen Erfahrung ein Schock für Hunter und seinen Partner Garcia, die beide auf UV-Morde, ultra gewalttätige Verbrechen, spezialisiert sind, als ...

Spoilerfreie Rezension


Inhalt

Es ist trotz ihrer jahrelangen Erfahrung ein Schock für Hunter und seinen Partner Garcia, die beide auf UV-Morde, ultra gewalttätige Verbrechen, spezialisiert sind, als sie den Tatort ihres neuesten Falles zum ersten Mal sehen. Ein junges Model wurde brutal getötet, ihre Leiche ist in einem schockierenden Zustand. Der Täter hat den Schauplatz nach seinen Wünschen umgestaltet und hinterlässt den ErmittlerInnen eine rätselhafte lateinische Nachricht. Offensichtlich sieht er sich als Künstler. Und gerade arbeitet er daran, seine persönliche Galerie des Grauens zusammenzustellen.

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Band #1 einer Reihe
Verlag: Ullstein Taschenbuch Verlag
Seitenzahl: 448
Erzählweise: Figuraler Erzähler, Präteritum
Perspektive: aus zahlreichen männlichen und weiblichen Perspektiven, auch aus der Perspektive des Mörders
Kapitellänge: kurz bis mittel
Tiere im Buch: - Wie so oft in Thrillern muss leider auch hier wieder eine Katze sterben (sie erfriert), um zu verdeutlichen, wie grausam der Killer ist. Das bin ehrlich gesagt langsam ein bisschen leid. Gut gefallen hat mir jedoch, wie empört die verschiedenen Figuren auf den Tod der Katze reagiert und dass sie viel Mitgefühl gezeigt haben. Wichtig ist mir, an dieser Stelle zu betonen, dass Katzen unbedingt immer mindestens zu zweit gehalten werden müssen, da sie KEINE Einzelgänger sind. Kleine Kätzchen und reine Wohnungskatzen alleine zu halten ist besonders grausam, da der Mensch einen Katzenfreund niemals ersetzen kann. Auf Dauer werden aufgrund von Einsamkeit dann oftmals Depressionen und Verhaltensstörungen wie Aggressivität und exzessives Kratzen an Möbeln entwickelt. Wer also seine Katze liebt, schenkt ihr einen Gefährten.

Warum dieses Buch?

Langsam habe ich es mich ja fast nicht mehr zuzugeben getraut, dass ich bisher noch keinen einzigen Carter gelesen hatte. Der Autor ist unter Thrillerfans sehr beliebt und es gibt einen regelrechten Hype um seine Bücher. Mit meiner „Bildungslücke“ in diesem Bereich, mit diesem dunklen, dunklen Geheimnis, wollte ich nun nicht mehr länger leben, daher habe ich mit dem neunten Band den Einstieg in die Reihe gewagt.

Meine Meinung

Einstieg (+)

Der Einstieg ist mir sehr leicht gefallen. Bereits das erste Kapitel endet herrlich unheimlich und verursacht Gänsehaut. Danach begegnen wir Hunter, der vor einer Gruppe Studierender einen Vortrag über sein Berufsfeld hält, aber durch einen wichtigen Anruf unterbrochen wird und sich sofort zum Tatort aufmachen muss. Die ersten Seiten haben mich so neugierig gemacht, dass ich unbedingt weiterlesen wollte. Obwohl dieser Band meinen Reiheneinstieg darstellte, hatte ich keinerlei Verständnisschwierigkeiten. Es gibt zwar manchmal Anspielungen auf frühere Bände, jedoch hatte ich nie das Gefühl, dass mir wichtiges Vorwissen fehlt. Wer also auch überlegt, ob er in der Mitte der Reihe einsteigen kann, kann sich ganz beruhigt an seinen ersten Carter wagen.

Linda ist gerade dabei die Face-Swap-App an ihrem Kater auszuprobieren:
„Gleich darauf erschien ein erster roter Kreis um ihr Gesicht. Der zweite folgte wenig später – und als sie ihn sah, war ihre Brust auf einmal wie zugeschnürt, als hätte jemand einen Druckverband um ihr Herz festgezogen.
Die App hatte nicht Mr Boingos Gesicht markiert, sondern etwas im dunklen Türrahmen hinter ihr.“ Seite 9

Schreibstil (+/-)

Dem Schreibstil stehe ich zwiegespalten gegenüber. Chris Carter schreibt zwar sehr routiniert, flüssig, anschaulich und angenehm lesbar, jedoch kratzt er mir viel zu oft nur an der Oberfläche. Hier hätte ich mir detailliertere Schilderungen der Gefühle und Gedanken der Figuren gewünscht und generell mehr Tiefe. Mir ist auch nach den ersten Seiten aufgefallen, dass das Buch sehr dialoglastig ist, was zwar einerseits dazu führt, dass man es sehr schnell lesen kann, andererseits geht das leider auch zulasten der Tiefe. Gerätselt habe ich, warum man das halb übersetzte Wort „Promkönigin“ gewählt hat und nicht einfach das deutsche „Ballkönigin“. Hier sollte bedacht werden, dass viele Menschen nicht gut Englisch sprechen und dass solche Ausdrücke dann zu Frustration führen könnten.

„Seine Augenlider zuckten nicht einmal. Sie senkten sich nur wie schwere Jalousien, die am Ende eines sehr, sehr langen Tages heruntergelassen wurden.“ Seite 296

Inhalt, Themen, Botschaften & Ende (+/-)

Der Autor hat sich für dieses Buch einen interessanten Plot mit vielen Wendungen ausgedacht, der eine klassische Thrillerstruktur aufweist und zwar nicht mit Innovationen begeistert, mich aber insgesamt dennoch gut unterhalten konnte. So besonders und ungewöhnlich wie der Fall dargestellt wurde, fand ich (als erfahrene Thrillerleserin) ihn allerdings nicht. Sehr gut gefallen hat mir jedoch, dass vom Autor immer wieder interessante Fakten und Einblicke in die Ermittlungsarbeit eingewebt wurden. Der Showdown kurz vor dem Ende war sehr spannend und beinhaltete einige unerwartete Momente, bei denen ich gar nicht wusste, wie mir geschieht. Manche Aspekte am Ende waren erstaunlich unaufgeregt abgehandelt (hier hätte ich mir mehr erwartet), und natürlich ist der Schluss so geschrieben, dass die Neugier auf den Folgeband geweckt wird.

Besonders neugierig war ich, wie blutig Chri Carter tatsächlich schreibt, da ich von allen Seiten vorgewarnt wurde. Da ich gerne Horrorfilme ansehe, kann mich zwar nichts so schnell erschüttern, aber ich war natürlich trotzdem gespannt. Das Ergebnis: Ja, es gibt blutige, grausig geschilderte Stellen (der erste Schauplatz ist mit Sicherheit die größte Bewährungsprobe für sensible LeserInnen und empfindliche Mägen), aber diese halten sich doch weitgehend in Grenzen. Ich fand beispielsweise Karin Slaughters Schilderungen weitaus schockierender.

Leider fehlte mir auch bei der Behandlung der (wenigen) Themen wieder Tiefe. Viele Aspekte, die man sehr gut noch ausbauen hätte können, werden leider nur ganz kurz angeschnitten und dann nicht weiter ausgeführt. Ein guter Thriller muss aber meiner Meinung nach beides vereinen können: Spannung und Tiefe. Daher lässt mich dieser Aspekt ernüchtert zurück.

Dialoge (-)

Enttäuschend fand ich oft die Dialoge. Hier gab es mir zu viele Wiederholungen und zu viele sinnlose Fragen wie „Wie meinen Sie das?“, die das Buch künstlich strecken und den Spannungsaufbau hemmen. Auch die ständigen Sticheleien zwischen den Ermittelnden haben mich zunehmend genervt. Absolut unglaubwürdig fand ich die langsamen Schlussfolgerungen und Ermittlungserfolge der Polizisten und FBI-Agenten. Sehr oft verstand ich als Leserin schon lange vorher Zusammenhänge, die dann pathetisch und mit vielen Cliffhangern offenbart wurden. Daher klappt es natürlich oft auch nicht mit dem Überraschungseffekt und dem AHA-Moment. Ich verstehe zwar, dass man niemanden überfordern, sondern sicherstellen will, dass die LeserInnen folgen können, aber die Darstellung der Ermittelnden hat für mich einfach viel ruiniert. Auf mich wirkten sie sehr inkompetent und unglaubwürdig – und wenn das wirklich schon das Beste ist, was Polizei und sogar FBI zu bieten haben, dann gute Nacht!

Protagonist & Figuren (-)

Auch der Protagonist und die meisten anderen Figuren (Timothy ist hierbei beispielsweise eine Ausnahme) konnten mich nicht vollkommen überzeugen. Hunter fand ich zwar nett, und ich mochte seine ruhige, besonnene Art und seine schlauen Schlussfolgerungen, aber ich konnte absolut keine Bindung zu ihm und zu den meisten anderen Personen aufbauen, obwohl ich mich sehr bemüht habe. Dazu fehlte mir einfach Tiefe in Bezug auf die Gefühls- und Gedankenwelt. Die Figuren erschienen mir blass, eindimensional und austauschbar. Ich weiß nicht, ob es daran lag, dass die Geschichte aus so vielen verschiedenen Perspektiven erzählt wurde (was mich aber eigentlich überhaupt nicht gestört hat, weil es sehr gut gemacht war) oder daran, dass der Großteil der Charakterarbeit (die Hauptfigur betreffend) schon in den vorherigen Bänden steckt.

Manche Figuren waren mir leider auch unsympathisch, zum Beispiel fand ich die Zankereien zwischen der bissigen Agent Fisher und dem kindischen und provokanten Partner Garcia einfach nur nervig. Auch gab es kaum Charakterentwicklung, was mich ebenfalls enttäuscht hat. Wer von der Charakterzeichnung in diesem Buch ebenfalls nicht begeistert war und Lust auf einen Thriller hat, der atemlose Spannung mit großen Emotionen und liebevollster Figurenzeichnung kombiniert, dem kann ich nur die Thrillerreihe von Daniel Cole empfehlen, besonders „Hangman“.

Spannung & Atmosphäre (+/-)

Auch in diesem Bereich gab es Aspekte, die mich überzeugen konnten und Dinge, die mich enttäuscht zurückgelassen haben. Zuerst zum Positiven: Ich fand das Buch niemals langweilig, meine Neugier war eigentlich konstant hoch, ich wollte immer und durchgehend wissen wie es weitergeht. Ein Pageturner war es trotzdem nicht, weil die Spannung, (vermutlich auch durch die langwierigen Dialoge) immer wieder einbricht. Es gibt zwar schon einige absolut unerwartete Wendungen, die mich wirklich unvorbereitet trafen, und gekonnt platzierte Cliffhanger, jedoch hat der Autor es meiner Meinung nach bei Letzteren teilweise übertrieben. Beinahe jedes Kapitel endet mit solch einem Cliffhanger, manchmal wirken sie gewollt, fast parodistisch (als würde der Autor das Genre satirisieren) und erinnerten an Clickbait im Internet. Hier wäre also weniger meiner Meinung nach manchmal doch mehr gewesen.

„Die Fotos von Kristine Rivers hatten Hunter, Garcia und Captain Blake vielleicht überrascht – die Bilder des zweiten Opfers jedoch versetzten ihnen regelrecht einen Schock.“ Seite 145

„‘Was ist denn das?‘
Trotzdem schnitt er weiter, bis er den Brustkorb des Toten komplett geöffnet hatte.
Er traute seinen Augen nicht.
‚Das ist doch … unmöglich.‘“ Seite 254

Geschlechterrollen (♥)

Auch wenn im Verhältnis der Geschlechter etwas mehr Männer im Buch vorkommen als Frauen, finde ich den Umgang des Autors mit modernen Frauenrollen (bis auf einen kleine Szene in einem Restaurant, in dem bei der Toilettenbeschilderung angedeutet wird, dass Frauen starke Getränke nicht vertragen würden) wunderbar. Es gibt im Buch ein selbstbewusstes, erfolgreiches Model, eine starke, mutige FBI-Agentin, die sich nichts gefallen lässt (gut, hier hat der Autor ein bisschen übertrieben) und zahlreiche Frauen in hohen Führungspositionen. Sie sind Leiterinnen verschiedener polizeilicher oder rechtsmedizinischer Abteilungen, Hochschuldozentinnen, intelligent, kompetent und stark. Dafür ein großes Lob!

Mein Fazit

Insgesamt habe ich mir vom berühmten, gefeierten Chris Carter doch etwas mehr versprochen. „Blutrausch – Er muss töten“ konnte mich zwar insgesamt gut unterhalten, aber leider nicht ganz überzeugen. Das lag vor allem an der Oberflächlichkeit und der mangelnden Tiefe bei der Behandlung der Themen, bei den Figuren, beim Protagonisten und beim Schreibstil. Ein detaillierterer Einblick in die Gefühls- und Gedankenwelt der manchmal leider auch unsympathischen Charaktere hätte es mir sicher leichter gemacht, eine emotionale Bindung zu ihnen aufzubauen. Leider waren auch die langwierigen Dialoge (voller Sticheleien und banalem Geplänkel) oft anstrengend zu lesen. Die Leistungen der angeblich besten Ermittler der Polizei und des FBI fand ich dürftig, enttäuschend und unglaubwürdig, die Personen wirkten auf mich teilweise sehr inkompetent (wenn man als Laie schneller Schlussfolgerungen treffen kann, ist das besorgniserregend!). Obwohl ich den Hype also nicht nachvollziehen kann, fand ich meinen ersten Carter insgesamt durchaus interessant und unterhaltsam und habe auch viele gute Ansätze gesehen. Deshalb werde ich dem Autor mit Sicherheit noch eine Chance geben und nun am besten mit dem ersten Teil beginnen.

Bewertung

Idee, Themen, Botschaft: 3 Sterne
Worldbuilding: 2,5 Sterne
Ausführung: 3 Sterne
Einstieg: 5 Sterne
Schreibstil: 3 Sterne
Dialoge: 2,5 Sterne
Protagonist: 2,5 Sterne
(Neben)Figuren: 2 Sterne
Atmosphäre: 3 Sterne
Spannung: 3 Sterne
Ende: 3 Sterne
Emotionale Involviertheit: 2 Sterne
Geschlechterrollen: ♥

Insgesamt:

❀❀❀ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir 3 knappe, ernüchterte Lilien!

Veröffentlicht am 20.09.2018

Eine Geschichte mit viel Potenzial, das aber leider nicht genutzt werden konnte

Wild Games - In einer heißen Nacht
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Die Rezension enthält leichte Spoiler!


Inhalt

Abby ist eine professionelle Buchrezensentin, die regelmäßig Bücher liest und diese im Anschluss ohne Skrupel und mit großer Genugtuung verreißt. Nun ...

Die Rezension enthält leichte Spoiler!


Inhalt

Abby ist eine professionelle Buchrezensentin, die regelmäßig Bücher liest und diese im Anschluss ohne Skrupel und mit großer Genugtuung verreißt. Nun soll sie jedoch plötzlich im Rampenlicht stehen, und ihre Chefin macht deutlich, dass sie keine Wahl hat. Entweder sie wird Teilnehmerin bei der Reality-Show Endurance Island, recherchiert dort verdeckt und erhält dafür unter anderem einen wertvollen Buchvertrag, oder sie wird keine Aufträge mehr bekommen. Zähneknirschend und nur sehr widerwillig stimmt Abby schließlich zu. Und das Schicksal scheint es leider nicht gut mit ihr zu meinen, denn sie hat das Pech, ausgerechnet mit dem arrogantesten, unsympathischsten Teilnehmer in einem Team zu landen. Tagelang alleine mit ihm in einem provisorischen, selbst gebauten Camp, ohne richtiges Essen und nur in Gesellschaft von nervigen Sandflöhen. Einfach furchtbar, dieser Kerl! Oder?

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Genre: Liebesroman
Verlag: Bastei Lübbe
Seitenzahl: 240
Erzählweise: Ich-Erzähler, Präteritum
Perspektive: aus weiblicher Perspektive
Kapitellänge: mittel
Tiere im Buch: - Fische werden getötet, um sie zu essen, jedoch wird das nicht näher beschrieben.

Warum dieses Buch?

Zwischendurch darf es auch einmal eine (leichte) Liebesgeschichte sein. Obwohl ich eigentlich zurzeit nur selten Liebesromane lese (oft sind sie mir zu langweilig), habe ich hier nur allzu gerne eine Ausnahme gemacht, weil Reality-TV ein Guilty Pleasure von mir ist.

Meine Meinung

Einstieg (+)

Der Einstieg ist mir sehr leicht gefallen. Die Geschichte beginnt direkt, hat nur eine sehr kurze Einleitung, und auch danach verliert die Autorin keine Zeit: Nach wenigen Seiten befindet sich die Hauptfigur bereits mit ihren KonkurrentInnen auf der Insel. Kleine Interviewausschnitte sind jedem Kapitel vorangestellt, die uns Deans Sicht der Dinge mitteilen.

"'Ich freue mich auf den Wettbewerb. Gegen die Kräfte der Natur anzutreten... und gegen die Mitspieler. Ob ich mit den Frauen flirten werde? Wenn es mich dem Sieg näher bringt, ja, aber ich bin nicht darauf aus, eine kennenzulernen. Ich bin darauf aus zu gewinnen.' - Vorabinterview mit Dean Woodall" E-Book, Position 32

Schreibstil (+/-)

Am Schreibstil gibt es eigentlich nichts auszusetzen, wenn man weiß, worauf man sich bei dieser Art von Literatur einlässt. Er ist einfach (dabei nicht ZU einfach), flüssig, anschaulich und enthält nur in sehr seltenen Fällen Wiederholungen (diese haben mich aber niemals gestört). Die Emotionen der Hauptfigur und die Anziehungskraft zwischen Abby und Dean werden gelungen beschrieben und beim Lesen spürbar. Jedoch sollte man sich keine poetischen Hochleistungen oder viel Anspruch erwarten. Dass die Sprache jedoch oberflächlich bleibt, sowohl bei Gedanken und Gefühlen der Figuren als auch bei den Schilderungen verschiedener Entwicklungen nicht genug in die Tiefe geht, ist schade, ich hätte mir hier etwas mehr erhofft, da ich viel Potential in der Geschichte erkannt habe. Mehr Worte hätten der Geschichte definitiv gutgetan. Erfrischend fand ich jedoch, dass die Geschichte nur aus einer Perspektive erzählt wird. Zum einen wird so das Buch nicht unnötig aufgebläht, zum anderen bleibt es spannender, weil man nicht weiß, was Dean genau denkt.

Inhalt, Themen, Botschaften & Ende (+/-)

Wenn man zu solch einem Buch greift, bei dem schon alles von Cover bis Klappentext „leichte Liebesgeschichte“ für zwischendurch schreit, weiß man eigentlich, was einen erwartet und worauf man sich einlässt. Ich lese solche Geschichten mittlerweile nur noch ganz selten, aber manchmal tun ein bisschen unkomplizierte Liebe und eher anspruchslose Unterhaltung ja auch ganz gut. Dennoch hätte ich mir hier mehr Tiefe gewünscht, vor allem da die Geschichte so viel Potential hat: Ein harter Wettkampf mitten im Paradies, eine Gruppe ganz unterschiedlicher Menschen auf engstem Raum. Das, was auch bei den TV-Formaten lockt - Drama, ein kompliziertes Beziehungsgeflecht, hochkochende Emotionen –, wollte ich auch hier erleben, vielleicht sogar - weil es sich ja um ein Buch handelt und man so zumindest ganz nah an den Figuren und der Heldin ist und mehr Nuancen wahrnimmt - noch intensiver und emotionaler. Leider wurden meine Hoffnungen enttäuscht. Viel Potential wird nach einem starken Anfang verschwendet: Die Geschichte ist sehr dünn und handlungsarm, oft oberflächlich (die Beziehungen zwischen den Figuren werden kaum thematisiert) und absolut vorhersehbar. Es ist leider eine dieser Geschichten, bei denen der Schauplatz nur den Handlungsrahmen für die alles dominierende Liebesgeschichte bildet, um die es eigentlich WIRKLICH geht. Sowohl die Geschichte als auch das Ende enthalten leider auch das eine oder andere Klischee und kleinere Logikfehler (diese haben mich aber meist nicht wirklich gestört).

Wenn man die Erwartungen jedoch zurückschraubt, wenn es einem ohnehin nur um die Lovestory geht und wenn man im Vorhinein weiß, dass die Reality-Tdee nur ein Vorwand ist und nicht wirklich ausgebaut wird, glaube ich, dass man mit dieser Geschichten dennoch einige unterhaltsame Stunden haben kann. So mochte ich den Anfang beispielsweise sehr, Abby lässt sich hier von Dean absolut nichts gefallen und die Wortgefechte der beiden sind manchmal wirklich amüsant zu lesen. Auch was die Liebesgeschichte betrifft, gibt es kribbelnde, vor gegenseitiger Anziehung nur so sprühende Stellen und gelungene Momente, in denen die Zuneigung füreinander deutlich wird. Jedoch ging mir das das Ganze insgesamt – und das liegt mit Sicherheit an der Kürze des Romans – alles zu schnell (teilweise werden Tage übersprungen und in nur wenigen Worten zusammengefasst). Diese amüsante Phase voller Hassliebe war zu bald vorbei, glühende Abneigung wandelte sich viel zu schnell in Anziehung und schlussendlich in Verliebtheit.

Protagonistin (+/-)

Eigentlich mochte ich Abby, auch wenn sie keine besonders komplexe Figur ist, und fand sie am Anfang wirklich sympathisch. Sie scheint intelligent zu sein, schreibt Rezensionen wie ich – ich konnte mich schnell mit ihr identifizieren. Am Beginn ist sie eine starke weibliche Hauptfigur, beobachtet genau, bevor sie handelt, ist impulsiv und lässt sich absolut nichts gefallen. Doch sobald sich die Geschichte mit Dean vertieft, scheint sie sich total zu verändern. Bei jeder seiner Bewegungen, bei jeder Gesichtsregung vermutet sie, dass er das Interesse verliert oder auf sie böse ist. Sie wird auf einmal unsicher, bekommt Selbstzweifel, ihre Gedanken kreisen ständig um Dean. Was mich am meisten gestört hat: Er wird zunehmend als perfekt und sogar „Gott“ (jedes Mal habe ich hier mit den Augen gerollt) bezeichnet und Abby fragt sich ständig, ob sie gut genug für ihn ist. Das Schlimmste: Alle ihre Zweifel beziehen sich nur auf ihr Äußeres, als wäre das alles, was bei einer Frau zählt. Was mit ihrer Intelligenz, ihrer starken Persönlichkeit und ihrem Selbstbewusstsein ist? Tja, darauf hat Abby wohl ganz vergessen…

Nebenfiguren (-!)

Die Nebenfiguren konnten mich leider nicht überzeugen. Sie sind durchgehend viel zu blass gezeichnet und absolut austauschbar. Ich weiß, dass Abby nicht viele davon näher kennenlernt, aber dennoch hätten die Nebenfiguren mehr Persönlichkeit erhalten müssen. Dean ist zwar minimal besser ausgearbeitet, aber auch über ihn erfährt man so gut wie nichts. Er ist so austauschbar wie alle anderen Figuren, entspricht dem Prototyp des arroganten, harten Kerls mit der weichen Schale und wird wohl schnell vergessen sein.

Spannung & Atmosphäre (+/-)

Durch den flüssigen Schreibstil lässt sich die Geschichte sehr schnell und angenehm lesen. Langweilig wurde mir meist trotz der großen Vorhersehbarkeit nicht, spannend fand ich vor allem die Streitereien zwischen Abby und Dean und natürlich die Wettkämpfe. „Wildgames – in einer heißen Nacht“ ist, was Spannung und Insel-Atmosphäre betrifft, ein nettes Leseerlebnis ohne große Überraschungen oder Innovationen – aber auch nicht mehr.

Feministischer Blickwinkel (+/-)

Am Beginn zeigt sich Abby noch selbstbewusst, frech und stark, kritisiert sogar machohaftes Verhalten. Aber eine Frau, die sich später selbst nur aufs Aussehen reduziert, einen Mann ständig als Gott bezeichnet und sich durchgehend fragt, ob sie gut genug für ihren perfekten Schwarm ist, ist natürlich alles andere als feministisch. Generell werden Frauen (und teilweise auch Männer) in der Show oft aufs Äußere reduziert, müssen extrem viel Haut zeigen – Dinge, die in solchen Shows leider auch in der Realität immer noch häufig passieren (und auch kritisiert gehören!). Am wenigsten hat mir gefallen, dass die Medien Abby den Beinamen „die Bücherbitch“ gegeben haben und das sie das nicht im Geringsten stört, sondern dass sie auch noch irgendwie stolz darauf zu sein scheint. Sexistische Sprache ist niemals cool - sie diskriminiert, fördert Rollenstereotypen und ist hinderlich für die Gleichberechtigung. Solche Dinge sollten in Medien wie Büchern reflektiert und kritisiert und nicht als lustig dargestellt werden.

„Da konnte er keine Romanze gebrauchen – vor allem nicht mit einer wie mir, die eindeutig nicht der Playboy-Bunny-Typ war. Für einen Gott wie Dean war ich zu normal.“ Position 968

Mein Fazit

„Wildgames – in einer heißen Nacht“ ist eine nette, vorhersehbare Geschichte, die ihr Potenzial und ihren Schauplatz leider nicht nutzen kann und die mich daher leider enttäuscht hat. Schließlich war es gerade dieser Handlungsrahmen, der mich interessiert hat - ich wollte (wie bei den TV-Sendungen) Drama, hochkochende Emotionen, interessante Gruppendynamiken und ein kompliziertes Beziehungsgeflecht zwischen den TeilnehmerInnen sehen. Der Schreibstil ist angenehm und flüssig lesbar, die Liebesgeschichte entwickelt sich zwar zu schnell, bietet aber trotzdem einige kribbelnde, gelungene Momente. Die Hauptfigur zeigt sich am Beginn des Buches stark und frech, zweifelt im Laufe der Geschichte aber zunehmend an sich selbst (bzw. ob sie für ihren angeblich perfekten Schwarm gut genug ist). Eine große Schwäche hat die Geschichte leider: ihre Oberflächlichkeit. Die Figuren sind blass und austauschbar, bei den Beziehungen der TeilnehmerInnen, Gedanken und Gefühlen geht die Autorin nicht in die Tiefe (deshalb konnte ich auch nicht richtig mitfühlen und mitfiebern) und die Geschichte hält kaum Überraschungen, aber dafür einige Klischees bereit. Ohne Frage hätten dem Buch hundert Seiten mehr gutgetan, weil die Autorin dann mehr Zeit gehabt hätte, ihre Geschichte besser auszubauen. „Wildgames – in einer heißen Nacht“ soll eine leichte Liebesgeschichte sein – mir war sie leider etwas zu leicht. Wenn man die Erwartungen aber zurückschraubt und wenn es einem ohnehin nur um die Lovestory geht, kann man mit dieser Geschichte aber mit Sicherheit trotzdem einige unterhaltsame Stunden erleben.

Bewertung

Idee, Themen, Botschaft: 4 Sterne
Ausführung: 2 Sterne
Worldbuilding: 3 Sterne
Einstieg: 4 Sterne
Schreibstil: 3 Sterne
Protagonistin: 3 Sterne
Nebenfiguren: 1 Sterne
Liebesgeschichte: 3 Sterne
Atmosphäre: 2,5 Sterne
Spannung: 2,5 Sterne
Ende: 3 Sterne
Emotionale Involviertheit: 2 Sterne
Feministischer Blickwinkel: +/-

Insgesamt:

❀❀,5 Lilien

Dieses Buch bekommt von mir 2,5 leider enttäuschte Lilien!

Veröffentlicht am 18.09.2018

Fesselnd, faszinierend, famos - ein Hoch auf die Merkwürdigkeit!

Hier ist noch alles möglich
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Inhalt

Der Chef einer Fabrik, die kurz vor der Schließung steht, stellt eine neue Nachtwächterin ein, die Protagonistin dieses Romans. Ein Wolf wurde auf dem Fabrikgelände gesichtet, hat es gewagt, Grenzen ...

Inhalt

Der Chef einer Fabrik, die kurz vor der Schließung steht, stellt eine neue Nachtwächterin ein, die Protagonistin dieses Romans. Ein Wolf wurde auf dem Fabrikgelände gesichtet, hat es gewagt, Grenzen zu überschreiten. Panik bricht aus. Gruben werden ausgehoben, Fallen aufgestellt, der Wolf wird zum zentralen Thema in der Fabrik.

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Genre: Roman
Verlag: Aufbau Verlag
Seitenzahl: 192
Erzählweise: Ich-Erzähler, meist Präteritum, selten Präsens
Perspektive: aus weiblicher Perspektive
Kapitellänge: Das Buch ist in drei große Kapitel eingeteilt, die in weitere kurze Geschichten und Episoden unterteilt sind.
Tiere im Buch: +/- In einer Geschichte wird ein Hahn getötet, der Chef der Firma stellt Tellereisen auf, um den Wolf zu fangen, was nichts anderes als schlimmste, verachtenswerteste Tierquälerei und zu verurteilen ist. Was geschehen würde, wenn der Wolf in die Falle ginge, wird nie konkretisiert, vermutlich würde er aber erschossen werden. Tauben werden an einem Flughafen erschossen, um die Flugzeuge vor Vogelschlag zu schützen, ein Vogel wird in einem Film versehentlich getötet. Die Protagonistin hingegen versucht den Wolf immer wieder zu schützen, zum Beispiel indem sie die Fallen schließt, dafür gibt es Pluspunkte.

Warum dieses Buch?

Dieses Buch hat es dieses Jahr auf die Longlist des Deutschen Buchpreises geschafft, daher musste es in irgendeiner Weise etwas Besonderes sein. Klappentext, Titel und Cover haben mich sofort neugierig gemacht – so stand schnell fest, dass es mein erstes Longlist-Buch werden würde. Weitere werden folgen.

Meine Meinung

Einstieg & Struktur (+)

Der Einstieg fiel mir sehr leicht, obwohl die Struktur durchaus als ungewöhnlich zu bezeichnen ist. Hier wechseln sich kurze Episoden aus dem Leben der Nachwächterin mit Reflexionen, selbst verfassten Wörterbucheinträgen, einzelnen Fotos (deren Bedeutung einem beim Lesen nicht immer sofort klar ist), Zeichnungen und sehr kurzen Geschichten ab, die meist merkwürdig sind und von fremden Inseln handeln. Schon die erste Seite hat mich derart fasziniert, dass ich unbedingt weiterlesen wollte.

„Der Wolf und die Wölfe haben keine Namen. Man nennt sie Wolf und Wölfe. Sie haben Verstecke. Sie bewegen sich nachts.
Auch ich bewege mich nachts, auch ich schaue viel in die Dunkelheit.
Auch ich drang in Gebiete vor.“ E-Book, Position 41

Schreibstil (♥)

Auch der Schreibstil war einer der Gründe, warum ich so schnell in die Geschichte gefunden habe. Er ist einfach und sehr angenehm und flüssig lesbar, und obwohl er einige Wiederholungen enthält (etwas, was mich normalerweise schnell nervt), so waren diese ganz gezielt und bewusst gesetzt und haben dem Text einen bestimmten Nachdruck und einen leicht kindlichen, unvoreingenommenen Unterton verliehen, was mir sehr gut gefallen hat. Die meist kurzen, manchmal mit Beistrichen oder Konjunktionen verbundenen Hauptsätze sind sehr nüchtern und schmucklos gehalten, ohne blumige Verzierungen oder Spielereien, dennoch ist die Sprache eindringlich und faszinierend. Selten blitzen Spuren von Humor auf. Trotz des einfachen Schreibstils will das Buch mit voller Konzentration gelesen werden, das zeigt sich auch daran, dass es keine Anführungszeichen gibt. Alleine durch den Schreibstil hat es einen Sog auf mich ausgeübt, dem ich mich nicht entziehen konnte. Manches Mal schien mir die Sprache aber auch etwas prätentiös – nämlich immer dann, wenn jedes Wort so voller Nachdruck gesetzt wurde, als hätte es eine große und tiefgehende Bedeutung. Häufig steckt bei diesem Buch viel zwischen den Zeilen, aber in manchen Momenten gibt es das auch meiner Meinung nach nur vor. Aber: Ich verzeihe es, und ich verzeihe es gerne, weil mir das Gesamtbild so gut gefallen hat.

„Ich sehne mich nach Unsicherheit, nach mehr Echtheit vielleicht, nach Wirklichkeit. Ich möchte unterscheiden können, was wichtig ist und was nicht. Ich möchte Teil einer Geschichte sein oder vieler Geschichten zugleich.“ E-Book, Position 307

„Ich stelle mir eine Welt vor, auf der Wölfe bereits mit Tellereisen an den Füßen geboren werden und in keine weiteren treten können.“ E-Book, Position 309

Inhalt, Themen, Botschaften & Ende (+)

Eigentlich hat dieses Büchlein ja nur wenig Handlung. Eine junge Frau wird als Nachtwächterin eingestellt, weil ein Wolf auf dem Gelände gesichtet wurde. Die eigentlich dünne Geschichte enthält durch die treffenden Beobachtungen, die interessanten und mitunter merkwürdigen Gedankengänge der Hauptfigur, ihre (nächtlichen) Erkundungen, die Analysen ihrer Mitmenschen und manches seltsame Ereignis aber erstaunlich viel Tiefe. Es geht in diesem Buch um Grenzen, die verzweifelt geschützt werden (obwohl es eigentlich viel wichtigere Dinge gäbe, um die man sich kümmern sollte), um Wölfe, Flüchtlinge, Dinge, die diese überschreiten und die Folgen davon. Hier lassen sich viele Parallelen und Analogien zur gegenwärtigen Realität finden. Es geht auch ums Ankommen und um die Angst vor dem Fremden, Unberechenbaren. Die Geschichte spielt in diesem magischen Übergangzustand zwischen Bekanntgabe der Schließung und dem tatsächlichen Abschalten der Maschinen.

Wie ich schon weiter oben geschrieben habe, ist dies ein Buch, das zwar in einem einfachen Schreibstil verfasst wurde, das aber zwischen den Zeilen in die Tiefe geht. Die genaue Analyse der wiederkehrenden Motive, Symbole und Metaphern wäre vermutlich ein Heidenspaß für viele LiteraturwissenschaftlerInnen (auch ich würde eine solche Analyse nur allzu gerne lesen), aber auch ohne detaillierte Untersuchung erahnt man, dass es dort vieles zu entdecken gibt. Das hat bei mir eine niemals versiegende Faszination ausgelöst. Das Ende ist ebenfalls stark, ich mochte den letzten Satz sehr.

Protagonistin & Figuren (♥)

Eigentlich erfährt man über die Protagonistin beinahe gar nichts, nicht einmal an einem Namen kann man sich beim Lesen anhalten. Nur hin und wieder gibt es Andeutungen, ihre Erinnerungen an frühere Wohnorte und Tätigkeiten blitzen immer nur kurz auf. Aber wer sie eigentlich ist, welche Ausbildung sie gemacht hat, wie ihre Kindheit und nähere Vergangenheit war, warum sie nicht mit Freunden oder Familienangehörigen Kontakt halten muss – das alles bleibt im Dunkeln. Eigentlich würde man erwarten, dass es unter solchen Vorzeichen gar nicht gelingen kann, sich mit der Hauptfigur zu identifizieren, zu ihr eine Bindung aufzubauen. Doch – weit gefehlt! - man bekommt sehr schnell ein Gefühl für die Protagonistin. Gianna Molinari gelingt es trotzdem sehr gut, ihr eine Persönlichkeit zu verleihen, sie komplex und liebevoll zu zeichnen. Ich mochte die Heldin jedenfalls von Anfang an und bin ihr sehr gerne auf ihre nächtlichen Kontrollgänge, in ihre Geschichten und bei ihren mitunter unkonventionellen, merkwürdigen Gedankengängen gefolgt. Ich liebe ja merkwürdige Dinge, denn häufig machen sie ein Buch sehr interessant. Auch diese Geschichte bildet hier keine Ausnahme.

Auch die Nebenfiguren erhalten (für die Größe ihrer Rollen) erstaunlich viel Farbe, auch wenn die Hauptfigur nur wenige näher kennenlernt. Egal ob Clemens, der Koch oder Lose – sie alle sind authentische Menschen, die ich nicht immer sympathisch, schon gar nicht perfekt, aber immer interessant fand.

„Warum bist du eigentlich in die Fabrik gekommen, fragt Clemens. Du könntest anderes tun. Studieren, reisen. Warum bist du hier, fragt er.
Es gefällt mir hier. Das ist ein guter Ort. Hier ist noch alles möglich.
Sogar Wölfe, sagt Clemens.
Sogar die.“ E-Book, Position 190

Spannung & Atmosphäre (+)

„Hier ist noch alles möglich“ erzeugt eine ganz eigene, feine, fesselnde Art von durchgehender Spannung. Wie bei der Hauptperson wächst auch bei den LeserInnen das Gefühl, dass tatsächlich ALLES geschehen könnte. Man harrt ebenso gespannt auf Spuren des Wolfes wie die Arbeiter der Fabrik, fast hält man die Luft an. Eine unverwechselbare, dichte Atmosphäre am Schauplatz - die bröckelnden Wände, der abblätternde Putz, der rostige Zaun mit seinen Löchern, das Unkraut, das das alte Fabrikgelände langsam wieder zurückerobert – wird sehr gelungen kreiert. Einen Teil der Spannung macht sicher auch aus, dass man nicht immer weiß, ob alles, was die Protagonistin schildert, tatsächlich passiert oder ob es nur ein Trugbild ist und sich nur in ihren Gedanken abspielt. Die dunklen bis dämmrigen, manchmal etwas unheimlichen Stunden ihrer nächtlichen Wache sind wie die Momente zwischen Schlaf und Wachsein: Dort existieren Dinge, Schatten, bei denen man sich nicht sicher ist, ob sie real sind.

„Die Lampen erleuchten nur gewisse Teile des Geländes, in den dunklen Ecken ahne ich den Wolf oder viele Wölfe zugleich.“ E-Book, Position 312

„Ich frage mich, ob die Nacht etwas mit mir macht, ob sie mich verändert, ob ich blassere Haut bekomme, meine Haare weniger schnell wachsen. Vielleicht sehe ich im Dunkeln mehr, als ich noch vor einigen Wochen gesehen habe. Vielleicht werden meine Augen fähiger auf die eine oder andere Weise.“ E-Book, Position 717

Feministischer Blickwinkel (+)

Mir ist beim Lesen keine Form von Sexismus aufgefallen, auch die Protagonistin erscheint mir sehr mutig, selbstbewusst und stark. Außer dass es noch mehr weibliche Figuren hätte geben können, gibt es hier keine Kritikpunkte – das gefällt!

Mein Fazit

„Hier ist noch alles möglich“ ist ein faszinierender Roman, der mich absolut überzeugen konnte. Obwohl der Schreibstil nüchtern, schmucklos und einfach ist, zeigt er dennoch eine große Eindringlichkeit. Schnell wird klar: Dieses Buch hat Tiefe, hier steckt unheimlich viel zwischen den Zeilen. Es geht um Grenzen, um die Panik, wenn sie übertreten werden, um das Suchen nach ganz vielen Dingen (Heimat, Wolf, Antworten), um die Angst vor dem Fremden, Unbekannten. Viele Verbindungen zwischen dem fiktionalen Roman und der gegenwärtigen Realität lassen sich ziehen. Obwohl man über die starke Protagonistin beinahe nichts erfährt, gelingt es Gianna Molinari dennoch, sie so liebevoll zu charakterisieren und ihr so eine einnehmende Persönlichkeit zu verleihen, dass ich eine enge Bindung zu ihr aufbauen konnte und ihr sehr gerne auf ihren nächtlichen Rundgängen und in ihre meist sehr interessanten, manchmal auch merkwürdigen (auf die beste Art!) Gedanken zu folgen. Der Autorin gelingt es, eine ganz feine, fesselnde Spannung zu erzeugen, die niemals einbricht, sie lässt seltsame Ereignisse geschehen in diesem Buch. Die dunklen bis dämmrigen, manchmal etwas unheimlichen Stunden der nächtlichen Wache sind wie diese Momente zwischen Schlaf und Wachsein: Dort existieren Dinge, Schatten, bei denen man sich niemals sicher sein kann, ob sie real sind.

Bewertung

Idee, Themen, Botschaft: 4 Sterne
Worldbuilding: 5 Sterne
Ausführung: 4,5 Sterne
Einstieg: 5 Sterne ♥
Schreibstil: 5 Sterne ♥
Protagonistin: 5 Sterne ♥
Nebenfiguren: 5 Sterne
Atmosphäre: 5 Sterne ♥
Spannung: 4,5 Sterne
Ende: 5 Sterne
Emotionale Involviertheit: 5 Sterne
Feministischer Blickwinkel: +

Insgesamt:

❀❀❀❀❀♥ Lilien

Dieses Buch bekommt von mir fünf faszinierte Lilien und ein Herz – und somit den Lieblingsbuchstatus!

Veröffentlicht am 15.09.2018

4,5 Sterne: Informativ, interessant, verständlich, humorvoll - so muss ein Sachbuch sein!

Ein Keim kommt selten allein
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Inhalt

Wir alle kennen sie, die Leute, die überallhin ihr Desinfektionsmittel mitnehmen, die einen leidenschaftlichen Krieg gegen Mikroben aller Art führen. Sollen wir sie uns alle zum Vorbild nehmen? ...

Inhalt

Wir alle kennen sie, die Leute, die überallhin ihr Desinfektionsmittel mitnehmen, die einen leidenschaftlichen Krieg gegen Mikroben aller Art führen. Sollen wir sie uns alle zum Vorbild nehmen? Müssen wir bei jedem Atemzug Angst haben, uns etwas Schlimmes einzufangen? Warum viele Keime sogar unsere Freunde sind, warum die Kirche, was Mikroben betrifft, kein gesegneter Ort ist, wo die wirklich wilden Keime wohnen, warum Händewaschen so wichtig und wer diese Margot ist – das alles und noch viel mehr verrät Prof. Dr. Markus Egert, ein führender Forscher auf dem Gebiet der Haushaltshygiene, in diesem Buch mit viel Witz und Charme.

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband, Sachbuch
Verlag: Ullstein Extra
Seitenzahl: 256
Tiere im Buch: - Es werden Tierversuche ohne kritischen Kommentar zitiert. Hier auch wieder meine Empfehlung: Wenn ihr ebenfalls gegen sinnlose, oft grausame Tierversuche seid, schaut bitte beim Verein „Ärzte gegen Tierversuche“ vorbei, der schon jahrelang engagiert und teilweise sogar schon erfolgreich für Alternativen und für eine tierversuchsfreie Forschung kämpft.

Warum dieses Buch?

Ganz einfach: Ich bin ein Mensch, der sich ziemlich schnell ekelt. Natürlich musste ich dieses Buch lesen, denn: Ich war bereit, endlich herauszufinden, wo unsere wahren, unsere größten kleinsten Feinde lauern und wie man sich vor ihnen schützen kann.

Meine Meinung

Einstieg (+/-)

Der Einstieg fiel mir nicht ganz so leicht, da die ersten Seiten etwas allgemeiner gehalten sind und ich nicht ganz so schnell vorankam. Doch schon nach den ersten kurzen Kapiteln lernte ich den angenehmen Schreibstil des Buches sehr zu schätzen und habe es dann auch innerhalb von wenigen Tagen ausgelesen.

"Vorträge zur Haushaltshygiene beginne ich gern mit: 'Hallo, mein Name ist Markus Egert und ich untersuche Sachen, von denen die meisten Leute sagen: Das will ich eigentlich alles gar nicht so genau wissen!'" Seite 13

Inhalt & Verständlichkeit (♥)

Auf jeder Seite merkt man Prof. Dr. Markus Egert seine Begeisterung und Leidenschaft für die im Buch ziemlich süß abgebildeten Mikroben an – eine Begeisterung, die beim Lesen schnell überspringt. Jedes Kapitel bietet viele lehrreiche Informationen, immer wieder wird auf die neuesten Studien und Theorien verwiesen – jedoch ist das Buch dabei niemals trocken, sondern, im Gegenteil, sehr unterhaltsam und interessant zu lesen. Hin und wieder gibt es auch Rückblicke in die Vergangenheit oder Ausblicke in eine futuristische Zukunft, in der den Ärzten und Ärztinnen eventuell – wer weiß – nicht mehr unser Bluttest, sondern ein Abstrich unseres Mikrobioms Auskunft über unseren Gesundheitszustand geben könnte. Man merkt, dass der Autor ein absoluter Experte auf seinem Gebiet ist, er kann aus erster Hand über den Alltag in Kosmetiklaboren und seine durchgeführten Forschungen erzählen. Besonders gut hat mir dabei gefallen, dass Markus Egert immer wieder auch ungewöhnliche Wege geht. So wagte er es, einen Ort zu untersuchen, der bis jetzt unerforscht geblieben war: die Weihwasserbecken in der Kirche. Welche Ergebnisse und „dunklen Geheimnisse“ da ans Licht gekommen sind, findet ihr am besten selbst heraus. In „Ein Keim kommt selten allein“ wird jedoch nicht nur über die verschiedensten gefährlichen und uns freundlich gesinnten Mikroben aufgeklärt, sondern es wird auch mit vielen Mythen aufgeräumt. Die LeserInnen erfahren, wo die wirklich gefährlichen Keime lauern und welche Grundregeln bei der Haushaltshygiene sogar Leben retten können. Dabei ist die Bandbreite der besprochenen Aspekte beeindruckend umfangreich und breit gefächert, und das Sachbuch beantwortet mit Sicherheit nicht nur Fragen, die man sich immer schon stellte, sondern führt einem mitunter auch überraschende Aspekte vor Augen, an die man wohl noch nie zuvor gedacht hat.

Kritikpunkte gibt es nur wenige, und diese fallen nicht wirklich ins Gewicht: So fand ich manche Ansichten des Autors etwas antiquiert, beispielsweise gehört für ihn zu einer ausgewogenen, gesunden Ernährung Fleisch, was allerdings nicht stimmt, da auch eine vegetarische oder vegane Ernährung sehr gesund oder sogar gesünder als eine omnivore Kost sein kann (von den Umweltaspekten einmal abgesehen). Hier hätte ich mir von einem Wissenschaftler schon erwartet, dass das erwähnt wird und neueste wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigt werden. Zudem hätte ich mir manches Mal mehr Tiefgang gewünscht (z. B. beim Thema Toxoplasmose). Obwohl ich verstehe, dass es sich hier um Einführungswerk handelt und obwohl natürlich bei einem Buch gewisse Seitengrenzen existieren, hätte ich bei manchen Aspekten gerne noch viel mehr erfahren (aber das zeigt ja auch, wie gut das Buch geschrieben ist und wie es den Wissensdurst weckt). Ich denke daher, dass das Buch wirklich nur etwas für Laien ist, Menschen, die sich mit dem Thema schon einmal beschäftigt haben, sollten besser zu einem spezifischerer Fachliteratur greifen, auch wenn auch sie mit Sicherheit vom einen oder anderen Fakt noch überrascht werden können. Die comicartigen Illustrationen fand ich charmant und sehr süß, sie lockern das Buch gekonnt auf, allerdings wäre es oft auch interessant gewesen, zu sehen, wie die einzelnen Keime unter dem Mikroskop tatsächlich aussehen.

„Wenn Mikrobiologen den wahren Unterschied zwischen Mikroorganismen, also Einzellern, und höheren, einzelligen Lebewesen erklären wollen, haben sie ein ganz einfaches Unterscheidungskriterium zur Hand: Alles, was man in einen Mixer stecken kann, ohne es zu töten, sind Mikroorganismen. Der Hintergrund: In Mehrzellern haben sich die einzelnen Zellen so spezialisiert, dass sie alleine unter natürlichen Lebensbedingungen nicht mehr lebensfähig sind.“ Seite 16

Schreibstil (♥)

An den Schreibstil musste ich mich erst einmal gewöhnen, vor allem, weil er so informativ und wissenschaftlich in dem Sinne ist, dass er viele Studien und Theorien zitiert (so soll das aber natürlich in Sachbüchern sein!). Nach einigen Seiten jedoch lernte ich die Sprache sehr zu schätzen. Der Autor lockert den Text immer wieder mit interessanten oder kuriosen Anekdoten aus seinem Alltag und mit ganz viel Charme und Humor auf. Ich bin nur so durch das Buch geflogen, und das lag sicher auch am angenehmen, leicht verständlichen, flüssig lesbaren Schreibstil. So müssen Sachbücher geschrieben sein! Die seltenen inhaltlichen Wiederholungen, die manche LeserInnen gestört haben, fand ich sehr praktisch: Vor allem, wenn man das Buch nicht am Stück liest, ist es angenehm, wenn wichtiges Vorwissen in einem späteren Kapitel (wo es gebraucht wird, um den Sachverhalt zu verstehen) wiederholt wird. Kurze Info-Kästen fassen das Wichtigste noch einmal zusammen, so wird auf einen Blick deutlich, worauf es, z. B. im Umgang mit Schwämmen, wirklich ankommt.

„Preisfrage: Um wie viel attraktiver ist die Vorstellung, unter Krätze zu leiden, wenn man weiß, dass auch Napoleon Bonaparte unter der parasitären Hautkrankheit litt?“ Seite 68

Geschlechtergerechte Sprache (+/-)

Im Buch wird zwar häufig auf geschlechtsneutrale Begriffe wie „Menschen“ ausgewichen, jedoch wird an vielen Stellen nicht gegendert. Das finde ich schade, da ich mir in einem modernen Sachbuch schon erwarte, dass Frauen durchgehend nicht nur mitgemeint, sondern auch sichtbar sind. Gestört hat mich auch, dass der Autor immer wieder betont, dass er nicht oft den Putzlappen schwingt. Auf mich wirkte das etwas machohaft. Einmal wird auch geschrieben, dass seine Ehefrau behauptet, Frauen würden öfter das Klo putzen als Männer. Das war mit Sicherheit lustig gemeint, jedoch fördern solche Aussagen nur Geschlechterstereotypen und sind deshalb dringend zu vermeiden!

Mein Fazit

So muss ein Sachbuch sein! „Ein Keim kommt selten allein“ hat mich auf ganzer Linie überzeugt. Der Schreibstil sehr informativ, zahlreiche Studien und Theorien werden zitiert. Dabei bleibt die Sprache aber stets angenehm und flüssig lesbar, sodass das Lernen hier wirklich Spaß macht. Auch inhaltlich bietet Prof. Dr. Markus Egert eine breite Brandbreite an interessanten Fakten, gibt wertvolle Hygienetipps, räumt mit überholten Mythen auf und zeigt uns, wo die wirklich wilden Keime wohnen. Hierbei kann das Buch immer wieder überraschen und faszinieren, denn die auf jeder Seite spürbare Leidenschaft und Begeisterung des Autors für Mikroben springt beim Lesen schnell über. Zwischendurch wird der Text auf gelungene Weise immer wieder durch kuriose Anekdoten, comicartige Illustrationen und mit viel Humor und Charme aufgelockert. Die Kritikpunkte sind klein und fallen kaum ins Gewicht: Manchmal hätte ich mir bei manchen Aspekten mehr Tiefgang gewünscht, reale Bilder der Keime hätten das Buch noch informativer gemacht und stellenweise hätte ich mir eine geschlechtersensiblere Sprache gewünscht. Insgesamt kann ich euch „Ein Keim kommt selten allein“ jedoch nur wärmstens ans Herz legen – es ist Horrorroman (besonders für Menschen, die sich schnell ekeln), Geschichtsstunde, Biologieunterricht, Hygieneanleitung und Liebesgeschichte in einem. Warum Liebesgeschichte? Ganz einfach, es gibt nämlich zwei, die gehören untrennbar zusammen, können ohne einander nicht leben: Mensch und Mikrobe.

Bewertung

Einstieg: 3 Sterne
Inhalt: 4,5 Sterne
Verständlichkeit: 5 Sterne ♥
Schreibstil: 5 Sterne ♥
Gendergerechte Sprache: +/-

Insgesamt:

❀❀❀❀,5 Lilien

Dieses Buch erhält von mir viereinhalb überzeugte Lilien!

Veröffentlicht am 14.09.2018

Stellenweise fasziniert und hellauf begeistert, aber leider nicht durchgehend

Uns gehört die Nacht
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Die Rezension enthält leichte Spoiler!


Inhalt

Ein Mädchen aus der Unterschicht trifft auf den Sprössling einer sehr reichen, einflussreichen Familie. Nach und nach verwandelt sich die obsessive, ungesunde ...

Die Rezension enthält leichte Spoiler!


Inhalt

Ein Mädchen aus der Unterschicht trifft auf den Sprössling einer sehr reichen, einflussreichen Familie. Nach und nach verwandelt sich die obsessive, ungesunde Affäre in eine zarte, aber verbotene Liebe. Wie weit sind Jamey und Elise bereit zu gehen, um ihre Liebe zu verteidigen?

Übersicht

Einzelband oder Reihe: Einzelband
Genre: Roman / Liebesgeschichte
Verlag: Diogenes
Seitenzahl: 464
Erzählweise: Figuraler Erzähler, meist Präsens, selten Präteritum
Perspektive: aus weiblicher Perspektive
Kapitellänge: mittel bis lang
Tiere im Buch: +/- Einerseits behandeln Elise und Jamey ihren Hund Buck sehr liebevoll (er wird sogar zu einer wichtigen Figur), andererseits werden Missstände, was Tiere betrifft, ungeschönt geschildert und nichts wird dagegen unternommen. Der Hund einer armen Familie bekommt nicht die medizinische Betreuung, derer er bedürfte, er wird vernachlässigt, seine Zähne und sein Zahnfleisch sind verfault, ein anderer Hund stirbt röchelnd und erhält keine Hilfe oder Zuwendung. Zudem werden kränkliche Kätzchen beschrieben, die in einem Zooladen verkauft werden und hungrige Streuner. Hier meine Bitte: Kauft niemals Tiere in Zoohandlungen, sie kommen nicht vom privaten, befreundeten Züchter, sondern werden unter schlimmsten, tierquälerischen Bedingungen meist im Ausland „produziert“. Zudem haben sie meist viele Krankheiten, viele weibliche Tiere sind bereits trächtig. Bitte unterstützt diese Tierquälerei nicht, sondern kauft eure Tiere bei seriösen (dies ist bitte genau zu prüfen!) Züchtern oder schenkt einem Tier aus dem Tierheim oder aus dem Tierschutz ein schönes, neues Zuhause. Und noch eine wichtige Information, weil im Buch Katzen mit Milch gefüttert werden: Katzen vertragen keine normale Milch, da sie unter einer Laktoseintoleranz leiden. Um ihnen und sich selbst als BesitzerIn unangenehmen Durchfall und Bauchschmerzen zu ersparen, sollten die Stubentiger nur spezielle Katzenmilch oder einfach laktosefreie Milch erhalten. Allerdings auch nur als Leckerchen, die Hauptflüssigkeitszufuhr sollte aus Wasser bestehen, da Milch einen sehr hohen Fett- und Milchzuckergehalt aufweist – was zu einer Reihe weiterer Probleme führen kann.

Warum dieses Buch?

Dieses Buch ist eines der seltenen Fälle, die rein aufgrund ihres wundervollen Covers und ihres schönen Titels meine Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben. Eigentlich lese ich selten Liebesgeschichten, doch diese schien etwas Besonderes zu sein, deshalb wollte ich unbedingt mehr erfahren.

Meine Meinung

Einstieg (♥)

Der Einstieg fiel mir sehr leicht, denn der emotionale Prolog hat es in sich. Elise zielt mit einem Gewehr auf Jameys Brust. Sofort tauchten viele Fragen auf: Wie konnte es so weit kommen? Was ist geschehen? Wird sie abdrücken? Dann springt die Geschichte rund eineinhalb Jahre in die Vergangenheit und nimmt uns mit zu den Anfängen im Januar 1986 und dem ganz und gar unspektakulären Zusammentreffen der zwei Protagonisten.

„Falls der Eindruck entsteht, das Zimmer sei klein, das ist es nicht. Es ist aufgebläht, riesig – es pocht wie eine Milliarde Herzen, so wie ein Raum pulsiert, wenn sich die Menschen darin ihrer Macht bewusst werden. Elise wird die Augen schließen, das Gesicht abwenden und das Gewehr entsichern.“ Seite 9f

Schreibstil (+/-)

Der Schreibstil hat zwei Seiten, besteht aus Schatten und Licht. Manchmal schreibt Jardine Libaire romantisch, emotional, fast märchenhaft, schaut ganz genau hin, wenn Liebe und Schönheit im Leben von Jamey und Elisa aufblitzen, andererseits wird ihr Ton oft auch entwaffnend, ja fast schon schockierend direkt, schmutzig, beinahe vulgär, beschönigt nichts. Eines steht mit Sicherheit fest: Die Sprache ist teilweise wirklich anspruchsvoll. In seinen guten Momenten glänzt der Schreibstil mit wunderbar bildlicher Sprache, gelungenen Vergleichen, Beschreibungen und Metaphern. In seinen schwächeren Momenten wirkt er bemüht, die Metaphern ausufernd, abstrakt, schwer verständlich, die Formulierungen sperrig und nicht flüssig lesbar. Klar ist, dass dieses Buch keinesfalls nebenher gelesen werden muss, die Sprache verlangt die volle Aufmerksamkeit.

„Er braucht eine Weile, aber schließlich grinst er. Dann lacht er – sein goldenes, schmutziges Lachen. Seine Skepsis zerbricht, und aus der kaputten Schale rinnt ein Dotter.“ Seite 273

Inhalt, Themen, Botschaften & Ende (+/-)

Die Geschichte um Jamey und Elise ist in verschiedene Monate unterteilt. Innerhalb der Kapitel werden viele kurze, oft nur eine halbe Seite lange Episoden abwechselnd aus Jameys und Elises Sicht erzählt. Was am Beginn als obsessive, manische, ungesunde Affäre beginnt, entwickelt sich nach und nach, glaubwürdig und langsam zu einer tiefen Liebe. Hierbei geht die Autorin vor allem bei den zahlreichen Liebesszenen teilweise sehr ins Detail und schildert diese nicht gerade poetisch – das wird nicht für jeden etwas sein, auch mir hat das nicht immer gefallen. Jedoch ist es schön zu sehen, wie sich die beiden immer mehr ineinander verlieben, etwas, das vor allem Jamey sehr unerwartet trifft, dem als reicher Erbe eine solche Beziehung strengstens untersagt ist. Aus diesem Grund stellt auch seine snobistische Familie die größte Hürde für das junge Glück dar, mit allen Mitteln wird versucht, Jamey wieder „auf den richtigen Weg“ zurückzubringen.

Beide Protagonisten versuchen, sich von ihrer Herkunft zu lösen und unabhängig zu werden. Da Elise von ganz unten kommt, eine schwierige Kindheit voller Gewalt und Drogen hinter sich hat, und da Jamey der Oberschicht entstammt, inklusive exzellenter Bildung und Millionen auf dem Konto, treffen sich die beiden irgendwo in der Mitte, wo sie sich ein gemeinsames Leben aufbauen. Jardine Libaire geht in ihrem erstaunlich handlungsarmen (!) Buch der Frage nach, wie sehr unsere Herkunft unser Leben bestimmt und wie schwierig es ist, ihr zu entfliehen, und behandelt die wenigen anderen Themen wie Eifersucht, Krankheit, Drogen, (falsche) Freundschaft und Opferbereitschaft tiefgründig. Manches bleibt dennoch oberflächlich, wird nur angerissen, hier hätte ich gerne noch mehr erfahren (beispielsweise über Jameys Innenleben) und trotz vieler gelungener Ansätze, konnte mich die Geschichte insgesamt leider nicht so mitreißen, berühren und faszinieren, wie ich es mir erhofft hatte. Das Ende war zwar keine Offenbarung, es hat mir aber gut gefallen.

Protagonisten (+/-)

Elise und Jamey sind beide interessante Hauptfiguren, die von ihrer Herkunft und ihrer Vergangenheit gezeichnet sind. Nach und nach gelingt es beiden, sich immer mehr davon zu befreien, was sehr spannend ist. Beide Figuren erhalten Stärken und Schwächen, Träume und Ängste, es wurde sich bemüht, sie komplex zu zeichnen und ihre Entwicklungen authentisch zu beschreiben. Dennoch blieb beim Lesen leider immer eine gewisse Distanz, ich konnte irgendwie keine tiefergehende Beziehung zu den beiden aufbauen. Manchmal schienen sie mir trotz allem zu stereotyp, etwas zu sehr die klassischen, tragischen Liebenden (der melancholische, reiche Erbe und die impulsive, lebenshungrige Frau aus der Unterschicht) zu sein. Manchmal schien ihre Persönlichkeit nur daraus zu bestehen. Dennoch: Jamey mochte ich eigentlich gern, seine Denkweise, die stets etwas ins depressive geht, fand ich wirklich faszinierend. Es gelang mit zwar nicht immer, mit den Figuren mitzufiebern, aber in manchen Momenten wurde ich doch ins Herz getroffen, berührt und erschüttert.

„Elise hat langgestreckte Glieder und runde feste Brüste. Jungshüften. Ein Windhund, aerodynamisch, geprügelt, schnell wie der Teufel, zum Rennen gemacht, zum Verlieren geboren.“ Seite 14

Nebenfiguren & Beziehungen (+/-)

Die wenigen Nebenfiguren bleiben teilweise blass, sind teilweise aber auch erstaunlich liebevoll gezeichnet, manche konnten mich durchgehend, und auch wenn sie nur kleine Rollen in der Geschichte einnahmen, absolut begeistern und überzeugen. Besonders Matt mit all seinen Unsicherheiten, dem gespielten Stolz und seinem Snobismus hat mir als Figur sehr gut gefallen. Jameys und Elises Familien werden zudem authentisch (wenn auch etwas klischeehaft) beschrieben, jeder Blick, jedes Wort aus ihrem Mund ist hierbei ganz und gar von ihrer Herkunft durchdrungen.

Spannung & Atmosphäre (+/-)

Hier bin ich zwiegespalten, besonders das erste Drittel der Geschichte, die ungeschönten Beschreibungen der dreckigen, aber auch schillernden Seiten von New York und New Haven fand ich wirklich spannend. Wenn ich mit Freunden über das Buch gesprochen habe, dann in einem enthusiastischen Ton, ich hatte das Gefühl, etwas Großartiges in den Händen zu halten. Doch nach und nach nahmen die bemühten, ausufernden, schwer verständlichen Metaphern und Formulierungen zu und der Spannungsbogen baute sich regelmäßig und brach wieder ein. Manche Situationen, die geschildert wurden, waren unspektakulär und banal, und auch wenn das einerseits sicher auch zur Schönheit und Authentizität der Liebesgeschichte beiträgt, so kann es in manchen Momenten auch etwas ermüdend sein. Ich hatte immer wieder das Gefühl, dass man kürzen können hätte, dass das Buch dadurch profitiert hätte und noch besser geworden wäre.

„Der Tag ist warm genug , um die Eiszapfen in den Bäumen zu schmelzen, woraus eine Art Regen entsteht, der fällt, wenn er Lust hat, mehr tierisch als mineralisch, ein Regen mit eigenem Willen, Empfindungen.“ Seite 20

Feministischer Blickwinkel (+/-)

Einerseits ist Elise eine sehr starke, mutige Frauenfigur, die genau weiß, was sie will, sich auf eigene Faust durchschlägt, von ihrer Familie (und Herkunft) befreit und auch in Liebesdingen oft den ersten Schritt macht. Andererseits gibt es einige Beispiele für Sexismus, beispielsweise werden Frauen als „Miststück“ und „Schla+++“, einmal sogar als „Fo+++“ bezeichnet. Zudem wird Jamey vorgehalten, er würde einen „Frauenjob“, also einen minderwertigen Job machen. Auch häusliche Gewalt gegen Frauen und Kinder wird thematisiert, allerdings wird auf diese Weise keinesfalls unkritisch (die Folgen werden aufgezeigt) das Milieu beschrieben, aus dem Elise stammt. Dennoch ist es natürlich frustrierend zu sehen, wie abhängig Elises Mutter von ihrem Schläger-Freund ist, wie viel sie (und andere Frauen) sich gefallen lässt. Auch wenn ich mir hier noch etwas mehr Sensibilität vor allem für das Thema „sexistische Sprache“ wünschen würde, bin ich insgesamt zufrieden mit diesem Buch, nicht nur aufgrund der starken, weiblichen Hauptfigur, sondern auch, weil sich Männer im Haushalt beteiligen, beim Abwaschen beobachtet werden können und Emotionen zeigen dürfen.

Mein Fazit

„Uns gehört die Nacht“ konnte mich insgesamt leider nicht so berühren, mitreißen und faszinieren, wie ich mir das erhofft hatte. Der Schreibstil, der manchmal sehr romantisch ist, zeigt sich an anderen Stellen schockierend direkt, manchmal sogar vulgär und beschönigt nichts. Teilweise konnten mich die bildhafte Sprache und die gelungenen Metaphern hellauf begeistern, manchmal wirkten sie aber auch bemüht, uferten aus, waren so abstrakt, dass sie schwer verständlich waren. Manchmal wirkten die Formulierungen sperrig und waren nicht flüssig zu lesen. Jardine Libaire behandelt nur wenige Themen, viele dafür aber tiefgehend. Im Fokus steht die verbotene Liebesgeschichte zwischen Elise und Jamey und deren Versuche, sich von ihrer Herkunft zu befreien. Obwohl die Figuren glaubwürdige Schwächen, Stärken, Ängste und Träume haben, blieb stets eine gewisse Distanz zu ihnen, ich konnte keine enge Bindung zu ihnen aufbauen, nur manchmal mit ihnen mitfiebern und mitleiden. Teilweise wirkten sie stereotyp und schienen nur aus ihrer Herkunft zu bestehen. Was die Spannung und die Atmosphäre betrifft, so gab es zum einen vor allem im ersten Drittel des Buches viele gelungene Momente und anschauliche Schilderungen der Sonnen- und Schattenseiten New Yorks und New Havens, zum anderen führte die Schilderung von oft unspektakulären, banalen Szenen zu Spannungseinbrüchen. „Uns gehört die Nacht“ ist ein Buch mit viel Potential, das mich stellenweise wirklich begeistern, faszinieren und berühren konnte, aber leider nicht durchgehend.

Leseempfehlung: Wenn euch Cover, Titel oder Klappentext neugierig machen, einfach mal hineinlesen und dann entscheiden! Und jetzt nehmen wir uns bitte noch einen Moment Zeit und bewundern das wundervolle Cover. Danke!

Bewertung

Idee, Themen, Botschaft: 3,5 Sterne
Worldbuilding: 4 Sterne
Ausführung: 3,5 Sterne
Einstieg: 5 Sterne ♥
Schreibstil: 3,5 Sterne
Protagonisten: 3,5 Sterne
Nebenfiguren: 3 Sterne
Atmosphäre: 4 Sterne
Spannung: 2,5 Sterne
Ende: 4 Sterne
Emotionale Involviertheit: 3 Sterne
Feministischer Blickwinkel: +/-

Insgesamt:

❀❀❀,5 Lilien

Dieses Buch bekommt von mir 3,5 Lilien!