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Veröffentlicht am 25.02.2021

Ganz entspannt Aufräumen

Ordentlich entspannt - Der Guide für deine Aufräum-Routine
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"Ordentlich entspannt" (UT: Der Guide für deine Aufräum-Routine) von Carla Schwolow erschien im Verlag Prestel (2021, HC geb.). Das Sachbuch zum Thema "aufräumen" mit zahlreichen, wunderschönen (und aufgeräumt ...

"Ordentlich entspannt" (UT: Der Guide für deine Aufräum-Routine) von Carla Schwolow erschien im Verlag Prestel (2021, HC geb.). Das Sachbuch zum Thema "aufräumen" mit zahlreichen, wunderschönen (und aufgeräumt wirkenden Fotos) zeigt die Wohnung der Autorin, die mit Freund Henrik und dem Kater Alfie zusammenwohnt (das Konterfei von letztgenannten ist ebenfalls zu bewundern). Das Buch gibt praktische Tipps und Methoden zum Aufräumen.

Die Buchinnenseiten, die das gängige "Equipment" zum Ordnung schaffen zeigen (Kehrblech, Eimer, Staubwedel, Staubsauger & Co) brachten mich zum Schmunzeln. Nach dem Vorwort dieses wirklich sehr persönlichen Sachbuchs finden Putz- und Aufräumwütige (gerade jetzt im Frühjahr werden ja viele von uns vom Putzfieber befallen) nützliche Tipps und eine gute Gliederung, die es ermöglicht, Punkt für Punkt oder Raum für Raum vorzugehen, was ich je nach "Aufräumtyp", deren Klassifizierung ich hier interessant fand, so in noch keinem anderen Buch dieses Genres fand.

So geht es über tägliche Routinen (Rituale) über das richtige Equipment, das Henrik vorstellt, über Strategien und das Leben mit Haustieren (und dessen Echtfell-Beseitigung der Haare) bis hin zu Stauräumen, Pflanzen und das Einrichtungs 1x1; hierzu gibt es jeweils Einblicke in die Wohnung der Autorin und auch von Freunden, was dem Sachbuch eine sympathische sehr persönliche Note verleiht (und nicht zu übersehen ist, welch Pflanzenfreunde beide sind).

Besonders gut gefiel mir der "lockere Ton" im Sprachstil, in dem Carla ihre Tipps und Tricks vorstellt. Das Thema "Stauraum", bei dem ich einiges hinzulernen konnte und die Pflanzenwelt (und deren Pflege), auf die auch ich als meine "Mitbewohner" nicht verzichten möchte, fand ich persönlich sehr positiv. Auch die Challenge am Buchende, bei der man Gelerntes dann in die "Aufräum-Praxis" im eigenen Zuhause umsetzen kann, fand ich eine geniale Idee, wobei die Themen der Challenge durchaus erweiterungsfähig und auch abwandelbar sind (Bsp.: #klarschiffim Keller). Carla Schwolow betont (zu Recht, wie ich finde!), dass gemeinsames Putzen mehr Freude macht - und auch der Erfolg multipliziert sich natürlich, wenn alle mitanpacken. Letzteres hat mir besonders in WG-Zeiten Spaß gemacht - und anscheinend allen daran Beteiligten.

Fazit:

Es gibt sicherlich eine große Auswahl an Büchern, die sich mit dem "Ordnung schaffen zuhause" beschäftigen; was diesen Guide jedoch für mich zu einem Besonderen macht, ist die Tatsache, dass alltagstaugliche Methoden und Rituale je nach Aufräumtyp für jeden in die Praxis umsetzbar ist und die wundervoll gestalteten Seiten auch wirklich Lust zum (selbst und gemeinsam!) Aufräumen machen! Carla Schwolow legt dabei Wert auf den Wohlfühlcharakter, weniger auf eine Perfektion; nach dem Motto: "Schön soll's sein, nicht perfekt!"
Dem kann ich mich nur anschließen und vergebe mit einer Leseempfehlung 4*

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Veröffentlicht am 11.02.2021

Schöner Irland-Cosy mit sympathischen Ermittlern!

Der Tag beginnt mit Mord
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"Der Tag beginnt mit Mord" von Molly Flanaghan ist der Auftaktband einer geplanten Serie um eine sympathische Ermittlerin, Fionna O'Connor und ist an der schönen irischen Westküste (nahe der "Cliffs of ...

"Der Tag beginnt mit Mord" von Molly Flanaghan ist der Auftaktband einer geplanten Serie um eine sympathische Ermittlerin, Fionna O'Connor und ist an der schönen irischen Westküste (nahe der "Cliffs of Moher") im fiktiven Dörfchen Ballinwroe verortet. Es handelt sich um eine geplante Cozy-Crime-Serie, die im Aufbau-Verlag (atb, 2021) erschien bzw. hoffentlich weitergeht.

Inhalt:

Fiona O'Connor, die nach Ballinwroe, ihrem Heimatdorf, nach dem Tod ihrer Eltern aus Dublin zurückkehrt und das Haus zu einem Bed & Breakfast umbaut, sieht sich einer Dorfbevölkerung gegenüber, die sie eher ablehnt, da sie im Alter von 16 Jahren fluchtartig alles hinter sich ließ: Doch Fiona hat einen unbeugsamen Willen und macht allen (auch Nathan Flynn, dem Hotelbesitzer und Bürgermeister des Dorfes) im Pub unmittelbar klar, dass sie zu bleiben gedenkt und sich von nichts und niemand vertreiben lässt: In der Vergangenheit sind einige Provokationen und Einschüchterungsversuche passiert, die sich etwa in toten Vögeln vor Fionas Haustür, Gülle in den Beeten u.a. Vorkommnissen manifestierten. Sie sagt demjenigen den Kampf an, der hinter diesen üblen Machenschaften steckt.
Der junge Pater Michael Moran, der seinen eigenen Dämonen davonlaufen möchte, dies aber nicht schafft, soll Fiona nach Hause begleiten, bevor der Streit zwischen Nathan und ihr weiter eskaliert. Da entdecken beide etwas Helles zwischen den Ruinen der alten Mühle, in denen Fiona als Kind oft spielte: Es handelt sich um eine Hand, die zu einem Gast gehört, der sich im B & B eingemietet hatte: Steven Millers Leben endete grausam und Fiona und Michael sind zutiefst erschrocken über den Fund der Leiche.

Wer war dieser Gast und warum war er nach Ballinwroe gekommen? Hatte er etwas zu verbergen, da sein Zimmer vollkommen verwüstet wurde? Diesen und anderen Fragen zur Aufklärung des Mordfalles gehen bald Inspector Aiden Connolly und sein Stgt. Scott nach. Der sympathische Aiden bemerkt sehr schnell, dass die junge Besitzerin des B & B eine scharfe Beobachtungsgabe besitzt und ihm viele wertvolle Infos zum Ermordeten liefert: Hatte er Feinde im Dorf oder kannte er einen der Dorfbewohner? Was hat es mit dem Fund auf sich, den Fiona am Fenster von Steven Miller zwischen den Dachziegeln entdeckt?

Meine Meinung:

Die Krimihandlung ist in die schöne irische Landschaft der Westküste eingebettet, der Schreibstil der Autorin ist eingängig und flüssig - zuweilen mit einem Augenzwinkern - zu lesen. Der atmosphärische Krimi, der als HauptprotagonistInnen eine pfiffige, selbstbewusste und emanzipierte Fiona und einen nach außen kalten, auch kaltschnäuzigen Inspector Aidan Connolly, der in Dublin mit seinem Vater und seiner kleinen Tochter zusammenwohnt, im Grunde aber doch durchaus liebenswert ist und sympathische Züge zeigt, nimmt zum einen durch die spannende Handlung Fahrt auf und vermittelt zum anderen das sich-Näherkommen dieser beiden Ermittler. Besonders gefallen haben mir die kritischen Seitenhiebe zu Themen wie Missbrauch durch die katholische Kirche, das Pub- und Dorfsterben, die Abhängigkeit von Tourismus und neben der Gesellschaftskritik auch die kulturellen Elemente wie z.B. die Tatsache, dass heute Gälisch wieder gelehrt wird, währenddessen diese alte Sprache lange Zeit verpönt und gar verboten war (nicht nur in Irland, auch z.B. in der Bretagne).
Die Geschichte des Ermordeten gewinnt an Brisanz, als es Zweifel an seiner Identität gibt und ein weiteres Thema ist auch Korruption, selbst innerhalb der Gardia (irische Polizei), deren Netzwerke fast unsichtbar sind.
Witzig fand ich den Vater von Aidan, der, früher selbst Polizist, natürlich auf dem Laufenden bleiben will und immer im Bilde, wo sein Sohn gerade ermittelt: Er hat noch gute Verbindungen zu einigen Sergeants und wirkt so im Hintergrund bei der Lösung des Falles mit (auch wenn Aidan dies offiziell nicht unbedingt glücklich macht).
Eine weitere positive Figur war für mich der Pubbesitzer Evan Gallagher, dessen Ziel es wie das von Fiona ist, das einst sehr lebendige Dorf wiederzubeleben. Er ist einer, der nicht abwanderte, sondern neue Möglichkeiten suchte und Ballinwroe ersparte, auch noch das einzige Pub zu verlieren.
Man rätselt als Leser mit, wer der Mörder sein könnte und Molly Flanaghan gelingt es, falsche Fährten auszulegen: Eine weitere wichtige Figur ist Pater Michael Morgan, den man im Verlauf des Krimis etwas besser kennenlernt. Der Showdown am Fluss ist sehr spannend, wenn auch ein klein wenig holperig, jedoch laufen letztendlich die Fäden schlüssig zusammen.

Fazit:

Ein lesens- und empfehlenswerter Cozy-Krimi für alle, die Irland mögen und eine neue Autorin für sich entdecken möchten, die den Leser auf die schöne grüne Insel entführt. Momentan zumindest literarisch und in spannender Weise. Ich bin gerne ins B & B von Fiona eingecheckt und schon sehr neugierig, wie sich die Figuren in den Folgebänden weiterentwickeln - und welche Fälle sie lösen werden. Auch wenn es noch Luft nach oben gibt, hat mir der Krimi ausgesprochen gut gefallen und ich empfehle ihn sehr gerne weiter! Für das Début vergebe ich 4*

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Veröffentlicht am 27.01.2021

2. Strick- und Lesereise nach Schottland und Wales!

Wintertee im kleinen Strickladen in den Highlands
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"Wintertee im kleinen Strickladen in den Highlands" von Susanne Oswald ist der Nachfolgeband zu "Der kleine Strickladen in den Highlands" und erschien 2020 als TB im Verlag HarperCollins. Dieser Roman ...

"Wintertee im kleinen Strickladen in den Highlands" von Susanne Oswald ist der Nachfolgeband zu "Der kleine Strickladen in den Highlands" und erschien 2020 als TB im Verlag HarperCollins. Dieser Roman kann jedoch unabhängig vom ersten gelesen werden, da er in sich abgeschlossen ist.

Hat mich der Vorgänger vollends "verzaubern" können; sowohl von der Handlung, den ProtagonistInnen als auch vom Setting her, geht es auch in diesem Roman um den Strickladen "Wolle und Zeit", der sich im fiktiven Ort Calwell am Loch Lomond/Schottland befindet. Dieser wundervolle Strickladen wurde vor einem Jahr von Maighread von deren Grandma übernommen und läuft seither sehr erfolgreich, was vornehmlich damit zu tun hat, dass die junge Inhaberin zum Einen strickbegeistert ist (was sie durchaus mit der Autorin teilt) und zum anderen ihr Herzblut in diesen Strickladen steckt.

Im vorliegenden Buch geht es um die Freundin von Maighread, Chloe. Sie hat ein großes Kräuterwissen und verkauft im kleinen ihre kreativen Teesorten und auch Kräutersalben und -cremes, die sie selbst herstellt. Beruflich ist sie als Psychologin an einem Scheidepunkt, entscheidet sich jedoch auf Anraten ihrer besten Freundin und Scotts, ihrem Freund, in einem Frauenhaus in Glasgow in Teilzeit zu arbeiten: Scott und Chloe sind sehr glücklich und verliebt, jedoch ist die Frage absehbar, dass die Zukunft der beiden Fragen aufwerfen wird: Wird Chloe nach Glasgow ziehen, da Scott als junger Arzt eine nächste Sprosse der Karriereleiter erklimmen könnte - oder wird sie der Natur, die sie sehr liebt und ihren Freunden am Loch Lomond den Vorzug geben?
In diese schwierigen Überlegungen und Entscheidungen erreicht sie die Nachricht ihrer Großmutter aus Wales: Gwendolyn möchte den letzten Wunsch von Padraig, dem schwer erkrankten Großvater Chloes erfüllen und fragt ihre Enkelin, ob sie nach Wales kommen könnte. Hier zeigt sich, welch starke Frau Chloe ist, denn sie stellt die eigenen Bedürfnisse zurück, um ihrer Grandma, mit der sie sich sehr gut versteht, in dieser schweren Zeit nach dem Tod ihres Grandpas beizustehen: Dieser war ebenfalls leidenschaftlicher Kräutersammler und vererbte ihr sein ganzes Wissen..... Es geht thematisch um Liebe und Lebensentscheidungen, auch um Verlust und Trauer sowie um Freundschaft und Hilfsbereitschaft.

Die Geschichte ist also sowohl in Schottland (am schönsten See des Landes) verortet wie auch in Wales, wohin die Reise für Chloe und für den Leser geht: Besonders interessant fand ich hier die Nachbemerkung der Autorin, die auf ihrer Recherchereise von einem SWR-TV-Team begleitet wurde. Das Ergebnis der Reise ("Eisenbahnromantik, Reihe des SWR "Wolken, Wolle, Wales") ist bei youtube zu finden und vergrößert bildhaft noch mehr den Genuss, den dieser ausgesprochene "Wohlfühlroman" dem Leser bereitet, ich kann nur empfehlen, sich diese Reise anzuschauen!

Susanne Oswald hat einen sehr flüssigen, emotional-warmherzigen Schreibstil und die Figuren, die man teils schon aus ihrem ersten "Strickladen"-Roman kennt, sind allesamt Sympathieträger. Hier sicherlich besonders Chloe selbst und Scott. Aber auch Gwendolyn, Eilidh und Elisabeth, die älteren strickenden Frauen sowie Joshua, Peter und besonders Maighread sind allesamt liebenswerte Personen, die hier anzutreffen sind: Allerdings hätte ich mir hier und dort doch eine kleine "Ecke und Kante" des einen oder anderen Protagonisten gewünscht.

Vielleicht finden sich welche im nächsten Roman der strick- und schreibwütigen Autorin, die im Genre Frauen- und Liebesromane anzusiedeln ist: Eigentlich nicht mein Lieblingsgenre, aber Susanne Oswald schreibt in einer Form, die mir persönlich sehr zusagt: Nicht kitschig und mit Zuckerguss "überhäuft", dafür mit liebenswerten Charakteren, mit denen man sich als Leser einfach wohlfühlt. Einige Strickanleitungen hat die Autorin ebenfalls beigefügt und das "Sahnehäubchen" auf den Scones ist für mich die Filmreise zum Buch: Ich teile die Leidenschaft fürs Stricken, für Schottland und Wales sowohl auch für Dampfloks durchaus mit Susanne Oswald und danke ihr für schöne und entspannte sowie interessante Lesestunden:

Wohlfühlromane haben durchaus ihre Berechtigung, besonders in diesen Zeiten, daher empfehle ich den Roman sehr gerne weiter und vergebe 4 * auf der "Wohlfühlskala".

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Veröffentlicht am 07.10.2020

Sherlock Holmes lässt grüßen - 2. Fall für Daniel Hawthorne

Mord in Highgate
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"Mord in Highgate" von Anthony Horowitz erschien (HC, gebunden) 2020 im Insel-Verlag. Bereits nach den ersten Seiten war mir klar, dass es hier um einen klassischen englischen Kriminalroman im Stile von ...

"Mord in Highgate" von Anthony Horowitz erschien (HC, gebunden) 2020 im Insel-Verlag. Bereits nach den ersten Seiten war mir klar, dass es hier um einen klassischen englischen Kriminalroman im Stile von Sherlock Holmes und seinem Partner Watson geht: Auf den Spuren von niemand Geringerem als Arthur Conan Doyle wandelt hier Daniel Hawthorne, meist mürrisch und schlecht aufgelegt, gerne rauchend und keinen Millimeter seines Privatlebens preisgebend, zudem Ex-Polizist bei Scotland Yard gemeinsam mit - und dies ist eine Besonderheit - "Tony", der eigentlich als Scriptschreiber im Filmgeschäft arbeitet, hier jedoch die Rolle von Holmes einnimmt, Hawthorne in den Ermittlungen zu kniffligen Fällen, zu denen ihn Scotland Yard nach wie vor braucht, begleitet....

Im zweiten Fall von Daniel Hawthorne geht es um die Aufklärung des Mordes an einem bekannten Scheidungsanwalt, Richard Pryce, der zuvor an einem Fall arbeitete, in dem es um Millionen ging: Lockwood, ein windiger Immobilienhai, wollte sich von seiner Frau Akira Anno, einer feministischen Schriftstellerin, scheiden lassen und ist Mandant von Pryce. Da der Anwalt zugunsten Lockwoods vereiteln kann, dass Anno die Hälfte seines (nicht unbeträchtlichen Vermögens) erhält, kippt diese in einem Restaurant Pryce ein Glas Rotwein über den Kopf und bedauert, dass es nicht die Flasche war... Das Kuriose: Genau so endete das Leben des Staranwalts; er wurde mit einer hochpreisigen Flasche Rouge in seiner Wohnung erschlagen....

Im Stile eines crime noir lernen wir nun etwaige Verdächtige kennen: Stephen Spencer, der in Tränen aufgelöste Ehemann von Pryce; Akira Anno und deren Freundin und Verlegerin Dawn; Davina Richardson - um einige zu nennen.
Letztere verlor ihren Ehemann vor 6 Jahren durch ein Unglück bei einer Höhlenwanderung, die Richard Pryce, Greg Taylor und Richardson jedes Jahr gemeinsam unternahmen. Könnte der Mord in Zusammenhang mit der gemeinsamen Höhlenwanderung stehen, die die drei Freunde damals unternommen hatten? Hätte Stephen Spencer, Krokodilstränen weinend, nicht ebenfalls ein Motiv? Und wie viel soll Tony der unsympathischen DCI Grunshaw und ihrem Assistenten Darren von der gemeinsamen Ermittlungsarbeit mit Hawthorne preisgeben, wozu diese ihn gezwungen hat?

Der Ort des Geschehens ist London, wobei ich den Ausflug nach Yorkshire zu der besagten Höhle sehr genoss: Einzig die Figur Hawthorne wurde mir immer unsymphatischer, da er unnahbar, wenn auch überaus scharfsinnig, seinem Partner nichts von seinem Privatleben verraten mochte. Andererseits ist es für mich auch ein stilistischer "Schachzug", denn vielleicht wird der Leser in einem späteren Band doch einiges zur Vorgeschichte von Daniel Hawthorne erfahren? (ausser der Tatsache, dass er gerne Airfix-Modelle zusammenbaut).

Der Fall nimmt viele Wendungen; zu Beginn wird die Spannung angefacht , jedoch kam es durch einige Wiederholungen immer wieder zu einer Abflachung des Spannungsbogens, was mich zuweilen störte.
Gefallen hat mir jedoch der ironische und zuweilen humorvolle Unterton, der auch Selbstkritik nicht aussparte und vor allem die Besonderheit, dass der Autor alias Watson in der Ich-Form den Leser an seinen Gedankengängen teilhaben lässt und gleichzeitig im Roman selbst als Protagonist agiert: Die Bemühungen (oder das Konkurrenzdenken?) Tonys, den Fall noch vor Hawthorne lösen zu können, sind gut herauszulesen; ebenso gibt Horowitz freimütig einige Informationen (oder Desillusionen) zu seinem Schriftstellerleben preis, die durchaus interessant sind, aber mit dem Roman selbst nichts zu tun haben. Der britischen AutorInnen eigene "trockene Humor" kommt stellenweise auch nicht zu kurz; etwa bei Tonys "Auftritt" im Lesekreis Hawthornes...

Es werden jede Menge falscher Fährten gelegt und beim Rätselraten, wer nun den Mord begangen hat - und aus welchen Motiven, wird der Leser einbezogen: Wird es Tony tatsächlich gelingen, den Mörder noch vor Hawthorne ausfindig zu machen?

Fazit:

Einem versierten Krimileser ist schnell klar, dass es sich hier um einen Kriminalroman handelt, auf dem der Schatten von Sherlock Holmes von Beginn an über dem Fall lag. Mir ging es ein wenig so, wie es "Tony" beschreibt: "Ich hatte das Gefühl, einen alten Krimi in einem s/w Fernseher zu sehen" (Zitat S.321). Ein solider Kriminalroman im Sinne des crime noir, der an den Stil von Sherlock Holmes erinnert - und dennoch hier in flüssig geschriebener, unterhaltsamer und modernisierter Form aufwartet.
Ich vergebe 87° auf der "Krimi-Couch" und 4 Sterne.

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Veröffentlicht am 14.06.2020

Die verlorene Frau

Die verlorene Frau
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1960, Seaview Cottage, Sussex, England:

Rebecca Waterhouse wächst auf Seaview Cottage bei ihrer Mutter Harriet auf. Der Vater, der an Kriegstraumata leidet und ein gewalttätiger Trinker ist, prügelt seine ...

1960, Seaview Cottage, Sussex, England:

Rebecca Waterhouse wächst auf Seaview Cottage bei ihrer Mutter Harriet auf. Der Vater, der an Kriegstraumata leidet und ein gewalttätiger Trinker ist, prügelt seine Frau nach seiner Heimkehr (er verbrachte einige Jahre in der Psychiatrie) jeden Abend. Rebecca flüchtet dann regelmäßig zu Harvey, einem Nachbarjungen und Freund, in dem Wissen, dass sie ihrer Mutter nicht helfen kann. Als Harriet eines Nachts von Rebecca blutend und mit schwersten Verletzungen im Vorzimmer liegt, findet man die Leiche des Vaters in der Nähe; er hat sich mit seiner Pistole selbst gerichtet...

2014, Chichester:

Jessica, eine der zwei Töchter von Rebecca, schwanger und durchleidet eine schlimme Schwangerschaft: Sie glaubt, dass man ihr Baby stehlen, ihr fortnehmen wird und flieht mit der neugeborenen Elisabeth aus dem St. Dunston's Hospital.
Iris, die Schwester von Jessie, wird von Rebecca gebeten, Jessica und das Baby zu finden und Rebecca muss sich erstmals seit Jahrzehnten der Frage stellen und ihren Töchtern erzählen, was sich in der schicksalhaften Nacht auf Seaview Cottage ereignet hat, denn das Auffinden von Jessica ist eng mit dieser Frage verwoben.....

Meine Meinung:

Emily Gunnis gelingt es auf einzigartige Weise auch in diesem Roman (der erste hat mich so sehr begeistert, dass ich sehr gespannt auf "Die verlorene Frau" wartete), den Leser durch unterhaltsame und tiefgründige Spannung zu fesseln. Nach und nach lernt man die vielschichtigen Charaktere der Hauptpersonen dieses Romans, der tragische Ereignisse in der Nachkriegszeit Englands um ein Familiengeheimnis schildert, kennen: Da ist Harriet, die Mutter von Rebecca, die auf taube Ohren stößt, als sie sich Hilfe vor ihrem gewalttätigen Ehemann holen will und Rebecca selbst, die das Ereignis 1960 auf Seaview Cottage ihr ganzes Leben, das sie als Ärztin führt, um anderen Menschen zu helfen, begleitet und unausgesprochen ist, bis Jessica, ihre Tochter, die von Liz, deren Stiefmutter, systematisch von Rebecca getrennt wurde, schwanger ist und mit ihrer kleinen Tochter aus der Klinik flieht: Die postpartalen Depressionen scheinen in der Familie zu liegen und wiederholen sich auf schmerzhafte Weise.

Iris, die Schwester Jessicas, macht sich auf die schwierige Suche nach Jessie und dem Baby (sie selbst glaubt, keine Kinder haben zu können und ist frisch geschieden), wohl wissend, dass "die Zeit läuft", sollte die kleine Elisabeth, die Medikamente benötigt, am Leben bleiben können....

Die Suche nach dem Baby, aber auch Rückblicke in die Vergangenheit und das unglückliche Leben Harriets, einer sehr sympathischen Figur, die wie viele andere Frauen damals keine Möglichkeiten hatte, sich von einem gewalttätigen Ehemann zu trennen, sind die Kernzentren dieses unter die Haut gehenden Romans. Harvey, der Vater von Jessica, geht dabei stets den "Weg des geringsten Widerstandes" und erkennt dies am Ende des Romans, dennoch ist auch er ein Sympathieträger.

Die Themen dieses emotionalen, aufwühlenden, tragischen und zuweilen schmerzhaft-schockierenden, aber auch sehr berührenden Romans sind jedoch vielschichtiger Natur: Er beschäftigt sich mit den Traumata des 2. Weltkrieges, die teils gewalttätige, jedoch oft psychisch gestörte Männer in ihre Familien zurückbrachte, die damals keinerlei Therapie oder Hilfe bekamen (im Gegensatz zu heute); mit ungewollter Kinderlosigkeit und postpartaler Depression, häuslicher Gewalt, Vergewaltigung, aber auch Liebe und Vertrauen in der Familie. Dramatik kommt durch die Geschichte Harriets ins Spiel, die für mich eine der stärksten Charaktere des Romans und die eigentlich "verlorene Frau" ist: Sie opfert sich in gewisser Weise, um Rebecca zu retten.

Fazit:

Trotz aller Tragik, Familiengeheimnissen und der Verschleierung von Wahrheiten, die familiäre Dramen wie diese am Leben halten - sie sich manchmal sogar wiederholen lassen, steht dieser Roman für mich für Offenheit, Klarheit und Ehrlichkeit in der Familie. Auch dafür, sich nicht an eine unglückliche Vergangenheit zu klammern, sondern loslassen zu können, frei zu sein - zu leben! Zugleich ist es für mich ein literarisches "Denkmal" für all die Frauen (hier personifiziert durch Harriet Waterhouse), die Gewalt von kriegstraumatisierten Männern nach dem 2. Weltkrieg (und auch davor) erleben mussten - und ihr nicht entkommen konnten. Ein starker Roman mit authentischen, sympathischen Figuren (besonders Harriet, Rebecca und Iris), den ich gerne weiterempfehle und selbst gelesen habe! 4*

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