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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.04.2024

Volltreffer!

Nachspielzeiten
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Fans des launigen MML-Podcasts ist Lukas Vogelsang bestens bekannt, und mit „Nachspielzeiten“ liefert er nun die perfekte Einstimmung auf die bevorstehende Europameisterschaft. In sieben Kapiteln begibt ...

Fans des launigen MML-Podcasts ist Lukas Vogelsang bestens bekannt, und mit „Nachspielzeiten“ liefert er nun die perfekte Einstimmung auf die bevorstehende Europameisterschaft. In sieben Kapiteln begibt er sich auf einen bunten Streifzug durch die Geschichten, die der Fußball schreibt, sowohl auf dem Platz als auch – und vor allem – abseits davon. Er spürt den mal glänzenden, mal stillen und mal tragischen Helden von damals nach und blickt – teils mit ihnen gemeinsam – auf Schlüsselmomente zurück. Als Kind der 90er und 2000er haben mich besonders die Kapitel über Otto Rehagel, Mehmet Scholl und Paul Gascoigne angesprochen. Viele der Geschichten sind nicht neu und langjährigen Fußballfans gut bekannt, doch Lucas Vogelsang erzählt und verbindet die Anekdoten mit wunderbarem Wortwitz, sodass die Lektüre ein großes Vergnügen ist. Oftmals habe ich beim Lesen laut aufgelacht, weil Vogelsangs amüsante und messerscharfen Sprachbilder immer wieder den Nagel auf den Kopf treffen. Für Fußballfans ist dieses Buch ein absoluter Volltreffer!

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Veröffentlicht am 26.04.2024

Spannend und ergreifend zugleich!

Der Friedhofswärter
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Ron Rashs neuester Roman spielt im Jahr 1951 zur Zeit des Korea-Krieges in einem kleinen Städtchen in North Carolina. Jacob Hampton, ein junger Mann aus wohlhabendem Hause, hat gegen den elterlichen Willen ...

Ron Rashs neuester Roman spielt im Jahr 1951 zur Zeit des Korea-Krieges in einem kleinen Städtchen in North Carolina. Jacob Hampton, ein junger Mann aus wohlhabendem Hause, hat gegen den elterlichen Willen die mittellose Naomi geheiratet. Beide erwarten ein Kind, als Jacob seinen Einberufungsbefehl erhält. Da Jacobs Eltern jegliche Unterstützung verweigern, bittet Jacob seinen Jugendfreund Gant Blackburn, sich um Naomi und das Baby zu kümmern. Dieser ist durch die Folgen einer Polio-Erkrankung gezeichnet und arbeitet als Friedhofswärter – ein einsamer Beruf, der ihm jedoch den Umgang mit Menschen und deren unangenehme Blicke erspart. Als Jacob im Korea-Krieg schwer verwundet wird, nehmen die Ereignisse eine ungeahnte Wendung…

Mehr möchte ich zum Inhalt an dieser Stelle nicht verraten, nur so viel: Die Handlung verläuft in eine gänzlich andere Richtung, als ich anhand der Kurzbeschreibung erwartet hätte, und hat mich völlig überrascht! Ich konnte das Buch anschließend nicht mehr aus der Hand legen und habe es bis spät nachts in einem Rutsch verschlungen.

Ron Rashs Roman ist spannend wie ein Krimi und spiegelt die gesellschaftlichen Strukturen und Vorstellungen in den Südstaaten der 50er Jahre wider. Die soziale Kontrolle in der Kleinstadt ist groß, Klatsch und Tratsch blühen, und über Einfluss verfügt, wer Vermögen besitzt. Die Kinder haben ihr Leben nach den elterlichen Vorstellungen zu richten, individuelle Entfaltung und Selbstverwirklichung sind Fremdworte.

Die Handlung wird abwechselnd aus den Perspektiven von Jacob, Naomi und Blackburn erzählt, wobei Blackburns Anteil am größten ist. Dieser ist mir im Lauf der Geschichte durch seine ruhige, aufrichtige Art ganz besonders ans Herz gewachsen. Insbesondere im letzten Drittel hätte ich mir jedoch gewünscht, noch etwas mehr aus Jacobs Sicht zu erfahren. Er bleibt hier leider etwas blass, obwohl seine Entwicklung und inneren Konflikte besonders interessant gewesen wären.


Ron Rash gelingt es, eine unglaublich spannende Handlung mit einer sinnlichen, nahezu poetischen Schreibweise zu verbinden. Hierbei genügen ihm wenige Worte, um Stimmungen und Gefühle einzufangen, sein Stil ist präzise und frei von jeglichem Kitsch.

Mich hat dieses Buch wirklich begeistert, und ich würde sehr gerne noch mehr von Ron Rash lesen. Ich bin etwas erstaunt, dass bisher anscheinend keine weiteren Bücher von ihm in deutscher Übersetzung erschienen sind. Das ändert sich hoffentlich bald!


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Veröffentlicht am 25.04.2024

Sprachhistorisch interessant, für die praktische Nutzung nur bedingt geeignet

Kluge Wörter
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Allein der Titel „Kluge Wörter“ regt zum Nachdenken an – was sind „Kluge Wörter“? Und gibt es diese überhaupt? Kann ein Wort an sich überhaupt „klug“ sein, oder ist hierzu ein Verstand nötig? Diese Gedanken ...

Allein der Titel „Kluge Wörter“ regt zum Nachdenken an – was sind „Kluge Wörter“? Und gibt es diese überhaupt? Kann ein Wort an sich überhaupt „klug“ sein, oder ist hierzu ein Verstand nötig? Diese Gedanken gingen mir als erstes durch den Kopf. Matthias Heine versteht darunter Wörter, die der Bildungssprache zuzurechnen sind und die nicht selten als Distinktionsmerkmal dienen.

Der Autor hat eine bunte Auswahl an bildungssprachlichen Wörtern zusammengetragen, die sowohl recht geläufige wie aufoktroyieren, fulminant, impertinent oder misogyn umfasst, als auch eher Unbekanntes wie bramarbasieren, Prokrustesbett oder idiosynkratisch. Zu jedem Eintrag erfährt man als Leser*in Wissenswertes und oft Erstaunliches zu Herkunft, Bedeutung und Verwendung. Dies fand ich sehr interessant, insbesondere da sich die Letzteren im Laufe der Zeit manchmal gewandelt oder sogar ins Gegenteil verkehrt haben (etwa frugal). Ergänzt werden diese Erläuterungen durch diverse Zitate. Dank des angenehmen Schreibstils mit humorvollem Unterton wirkt das Buch keineswegs trocken, sondern liest sich sehr vergnüglich.

Dennoch erfüllt das Buch nicht ganz die Erwartungen, die ich aufgrund der Kurzbeschreibung hatte. Diese versprach eine „einfachen Zugang“ zu gebildeter Sprache und Erklärungen zu „aktuellen Verwendungsweisen und den damit verbundenen Fallen“. Dieses Versprechen löst das Buch nur teilweise ein. Die vom Autor ausgewählten Zitate sind häufig mehrere Jahrhunderte alt und entstammen der Philosophie und Hochliteratur. Dem Verständnis ist dies nicht zuträglich. Während die historischen Bedeutungen bzw. die Wortherkunft genau erläutert werden, fehlt oft eine präzise Beschreibung der heutigen Verwendung samt aussagekräftiger moderner Beispiele. Das ist jedoch nötig, um ein Gefühl für ein Wort zu bekommen und es auch sicher und korrekt in den aktiven Wortschatz einzubinden. Nichts ist sprachlich peinlicher als ein falsch benutztes Fremdwort. Ich musste hier immer wieder nebenbei noch Wikipedia zu Rate ziehen, um mir die entsprechenden Informationen zu holen. Ebenso habe ich Hinweise auf Wörter vermisst, mit denen es leicht zu Verwechslungen kommen kann. Bei „avisieren“ vs. „anvisieren“ merkt Heine dies an, bei „dezidiert“ hingegen fehlt ein Verweis auf „dediziert“.

Fazit: Ein unterhaltsames und aus sprachhistorischer Sicht interessantes Buch, als Nachschlagewerk und zur Erweiterung des aktiven Wortschatzes nur bedingt geeignet.

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Veröffentlicht am 24.04.2024

sehr konstruiert und wenig glaubwürdig

Der Killer in dir
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Da ich vom selben Autor letztes Jahr „Erinnere Dich“ gelesen hatte und das Buch sehr spannend und psychologisch interessant fand, war ich neugierig auf „Der Killer in dir“.

Der Ex-Polizist Alex ist ein ...

Da ich vom selben Autor letztes Jahr „Erinnere Dich“ gelesen hatte und das Buch sehr spannend und psychologisch interessant fand, war ich neugierig auf „Der Killer in dir“.

Der Ex-Polizist Alex ist ein absoluter Familienmensch. Als Hausmann kümmert er sich um die Tochter, während seine Frau arbeiten geht. Eines Tages spricht ihn in einem Cafe ein geheimnisvoller Fremder an. Er hält ihn für einen berüchtigten Auftragskiller und beauftragt ihn mit einem Mord. Weigert er sich, wird seiner Familie etwas zustoßen. Alex befindet sich in einer Zwickmühle. Er möchte einfach nur ein ruhiges Leben mit Frau und Kind führen, und um seine Familie zu schützen, würde er alles tun. Doch kann er wirklich zu Mörder werden? Und was ist das für eine elektrisierende Erinnerung, wenn er an den tödlichen Schuss denkt, den er als Polizist einmal abgeben musste?

Das Buch ist in Form eines Tagebuchs geschrieben. Dies ist ungewöhnlich und ein interessanter Ansatz, führt jedoch auch dazu, dass die Handlung eher in Berichtsform wiedergegeben wird und wenig lebendig wirkt. Auch die Spannung leidet deutlich. Die Geschichte konnte mich inhaltlich leider nicht überzeugen, wirkte sie doch arg konstruiert und in einigen Punkten sehr unglaubwürdig. Die meisten Charaktere blieben eindimensional und blass. Der Protagonist wurde mir mit fortschreitender Handlung immer unsympathischer, seine Rechtfertigungsgründe für sein Handeln immer fragwürdiger, so dass mir am Ende völlig egal war, was mit ihm passieren würde.

Von der Grundidee des unversehens in die Kriminalität schlitternden Normalbürgers erinnerte mich das Buch an „Achtsam morden“ von Karsten Dusse, jedoch ohne dessen Humor und sprachliche Brillianz.

Insgesamt konnte „Der Killer in dir“ meine Erwartungen leider nicht erfüllen.

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Veröffentlicht am 24.04.2024

Ein einzigartiges Zeitzeugnis!

Die Schwabengängerin
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Da sich meine Urgroßeltern ebenfalls ab dem Kindesalter als Magd und Knecht auf einem schwäbischen Bauernhof verdingen mussten (wenn auch erst um 1915), interessierten mich die Lebenserinnerungen der „Schwabengängerin“ ...

Da sich meine Urgroßeltern ebenfalls ab dem Kindesalter als Magd und Knecht auf einem schwäbischen Bauernhof verdingen mussten (wenn auch erst um 1915), interessierten mich die Lebenserinnerungen der „Schwabengängerin“ Regina Lamprecht sehr.
Es ist beeindruckend, wie lebendig und inhaltlich detailliert Regina Lamprecht noch über 60 Jahre später ihre Erlebnisse erinnert und in insgesamt acht Heften zu Papier bringt (Das neunte Heft ist nicht Teil dieses Buches). Dass hierbei nach so langer Zeit an mancher Stelle die zeitliche Abfolge etwas durcheinander gerät und nicht genau mit den historisch überprüfbaren Fakten aus den Matrikelbüchern und Chroniken übereinstimmt, ist nur allzu natürlich.
Sehr erstaunt war ich über die Hilfsbereitschaft der Leute damals – stets fand Regina einen Fuhrmann, der sie umsonst mitfahren ließ, und die Familien halfen sich bei Notlagen gegenseitig aus. Oft erhielt Regina großzügige Kleiderspenden, Speis und Trank, auch selbst bedachte sie stets Freunde und Verwandte, sooft es ihr möglich war. Reginas Erinnerungen zeugen von der harten Arbeitsbedingungen, denen bereits Zehnjährige ausgesetzt waren, fernab der Heimat und ohne Freizeit. Auch der enorme Einfluss der katholischen Kirche und die feste Verankerung des Glaubens im Alltag werden deutlich. Regina Lamprechts Erinnerungen sind trotz des schweren Arbeitsalltags geprägt von Zuversicht und Lebensfreude, und ich hatte beim Lesen den Eindruck, dass sie sich bei der Niederschrift vor allem an die guten Erlebnisse erinnern wollte. Die negativen Erfahrungen werden häufig nur angedeutet oder in wenigen kurzen Sätzen abgehandelt, etwa die Drangsalierungen der Schwabenkinder durch die älteren Knechte am Hof oder die freudlose und grausame Zeit als Magd im Kloster. Auch das wohl schwierige Verhältnis zum Vater, für den hauptsächlich Reginas Arbeitskraft zählte und der sehr streng gewesen zu sein scheint, klingt nur leise an. Ausführlicher geschildert werden vor allem die schönen Erlebnisse, insbesondere in den ersten der insgesamt acht Hefte.
Die aktuelle Neuausgabe wurde behutsam editiert und ausführlich kommentiert, auch ein Glossar mit einigen Dialektausdrücken fehlt nicht. Das sehr ausführliche Vorwort und die interessanten Erläuterungen zu Regina Lamprechts Manuskript helfen, die Lebenserinnerungen richtig einzuordnen und geben wertvolle Hintergrundinformationen.
„Die Schwabengängerin“ ist ein einzigartiges Zeitzeugnis und äußerst lebendig, informativ unterhaltsam geschrieben. Unbedingt lesenwert!

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