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Skadi

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Veröffentlicht am 12.08.2021

Eine verbotene Liebe

Zeit des Glanzes
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Würzburg 1933. Katharina Wagner hat sich mit Joseph, ihrer großen Liebe, verlobt. Joseph ist Kaufhausbesitzer und Jude. Als solcher flüchtet er vor den Nationalsozialisten in die Schweiz und verkauft Katharina ...

Würzburg 1933. Katharina Wagner hat sich mit Joseph, ihrer großen Liebe, verlobt. Joseph ist Kaufhausbesitzer und Jude. Als solcher flüchtet er vor den Nationalsozialisten in die Schweiz und verkauft Katharina sein Kaufhaus für einen unangemessen geringen Preis. Fortan kümmert sie sich um das Kaufhaus, während sie auf Joseph wartet. Doch dann erhält sie einen Brief: er hat in der Schweiz geheiratet. Katharina widmet ihr Leben von nun an dem Kaufhaus.
„Zeit des Glanzes“ ist der Auftakt der Reihe „Die Schwestern der Kaufhausdynastie“ und erzählt die Geschichte der Familie aus Katharinas Perspektive.
Katharina ist eine bewundernswerte junge Frau. Eine ambivalente Figur, die auf Messerschneide unterwegs ist und an der ein moralisches Problem deutlich wird: einerseits profitiert sie vom Nationalsozialismus andererseits stellt sie sich nie wirklich auf dessen Seite. Sie weigert sich der NSDAP beizutreten und nach dem Krieg hadert sie damit, das Kaufhaus, das sie so günstig erworben hat, als ihr Eigentum zu betrachten – im Gegensatz zu ihrem Vater. Das macht sie relativ sympathisch. Aber Katharina ist auch eine knallharte Geschäftsfrau, die nicht lange an der Vergangenheit hängt. Sie macht weiter und manchmal wirkt das etwas zu schnell und zu kalt. Aber sie ist eine auf vielen Ebenen recht logische Figur.
Joseph ist das Gegenteil davon. Er ist sprunghaft und lässt sich leicht von außen manipulieren. Was genau Katharina an ihm so toll findet, wird dadurch schwer nachvollziehbar. Vor allem, da sie ihm mehrfach verzeiht, dass er Fehler macht und Katharina dabei wissentlich verletzt.
Stilistisch fehlt es einigen Szenen leider für einen historischen Roman etwas an Atmosphäre. Allerdings lässt sich das Buch locker und flüssig lesen und trumpft an anderen Stellen dafür auf. Die damalige Zeit wird sensibel aber unbeschönigt beschrieben. „Zeit des Glanzes“ schaut mit der Lupe auf Einzelschicksale, auf den Riss, der plötzlich durch das ganze Land, durch Städte und manchmal auch durch Familien geht. Ebenso wie der Zwiespalt zwischen „Wegsehen“ (und es manchmal auch müssen) und „Etwas tun“. Hierbei liegt für mich die Stärke des Romans.
„Zeit des Glanzes“ ist ein wundervoller Roman über eine starke Frau, die mit den Zeichen ihrer Zeit zu kämpfen hat. Kein Must-Read, aber ich werde defnitiv noch die beiden weiteren Teile der Reihe lesen.

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Veröffentlicht am 10.08.2021

Monaco 1974

Mord auf der Rennstrecke
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Die Hamburgerin Angie, ehemals Au-Pari der Commisaire Lucie Gerard, hat ihre Anstellung beendet und macht sich auf den Weg nach Nizza, um dort eine Wohnung zu finden. Als sie im Zug einen Mitarbeiter des ...

Die Hamburgerin Angie, ehemals Au-Pari der Commisaire Lucie Gerard, hat ihre Anstellung beendet und macht sich auf den Weg nach Nizza, um dort eine Wohnung zu finden. Als sie im Zug einen Mitarbeiter des Formel 1 Rennstalls Team Lotus kennenlernt, überredet dieser sie, für den Großen Preis von Monaco 1974 als Grid Girl zu arbeiten. Team Lotus, bekannt für seine technischen Neuerungen, geht mit neuen Bremsen an den Start. Graham Stone, einer der beiden Fahrer des Teams, hat allerdings Schwierigkeiten damit. Es kommt wie es kommen muss: die Bremsen an Stones Wagen versagen. Der Unfall endet mit einem Sturz ins Hafenbecken, den der Rennfahrer nicht überlebt. Da Angie mit der Arbeit des Commissaire Franc Sarasin unzufrieden ist, ruft sie ihre ehemalige Chefin Lucie Gerard nach Monaco. Die hat dort zwar keine Befugnisse, unterstützt aber Sarasin bei seinen Ermittlungen. Und Stone bleibt nicht der letzte Tote dieses Wochenendes.
Auch wenn die Ähnlichkeiten natürlich „rein zufällig“ sind, basieren einige der Figuren eindeutig auf historischen Vorbildern. Vor allem bei den beiden Lostus-Fahrern Graham Stone (Graham Hill) und Ronnie Anderson (Ronnie Peterson) ist es sehr eindeutig. Persönlich fand ich diesen Aspekt äußerst unterhaltsam. Wer wenig Ahnung von der Formel 1 hat, bekommt wichtige Begriffe in Fußnoten erklärt.
Der Roman ist zwar ein historischer Krimi, allerdings nicht historisch korrekt. Vor allem an der Rennsporthistorie wurde ein bisschen was verdreht (ein Unfall im Hafenbecken wäre 1974 nicht so verwunderlich gewesen, wie es im Buch dargestellt wird). Aber das ist ein Punkt, der nicht-Rennsport-Fans wahrscheinlich nicht auffällt. Diejenigen die das Buch deswegen lesen, werden wahrscheinlich enttäuscht sein.
Unmittelbar daran schließt sich auch mein zweiter Kritikpunkt an: als Sponsor ist bei Lotus der russische Oligarch Orlow an Bord. Der mit seinem Geld dafür sorgt, dass Sohnemann Ersatzfahrer bei Lotus wird. Mir persönlich etwas zu klischeehaft. Abgesehen davon, dass Oligarchen nicht ins Jahr `74 passen – das hat mich beim Lesen immer wieder herausgeworfen und mein Leseerlebnis etwas gestört. Denn der Fall ist eigentlich interessant.
Nun zum Positiven. Angie und Lucie sind durch und durch sympathisch, sodass es Spaß macht, sie in die schillernde Welt der Formel 1 zu begleiten. Auch die anderen Figuren sind interessant gestaltet, haben ihre Macken und ihre Stärken und die Rennfahrer passen zur Mentalität der 70er Jahre. Auch Franc Sarasin gehört zu diesen interessanten Figuren (und taucht auch in weiteren Bänden der Reihe auf, wie ich irgendwo gelesen hatte).
Der Stil ist locker und leicht zu lesen, sodass – wenn man die inhaltlichen Punkte außer Acht lässt – man flüssig durch die Geschichte kommt. An einigen Stellen kommt auch die wunderbar eigene Atmosphäre des Fahrerlagers auf, diese Szenen waren definitiv mein Highlight an diesem Buch. Es gibt einige interessante Wendungen (vor allem im Zusammenhang mit den weiteren Toten, aber darüber sollte an dieser Stelle nicht allzu viel verraten werden), sodass es bis zum Ende spannend bleibt. Und lässt man die kleinen Unstimmigkeiten aus, so offenbart sich ein interessanter Blick in die Boxengasse, in der es in den 70er Jahren noch ganz anders zuging als heutzutage.
Wer sich nur für diesen Band der Reihe interessiert, dem sei gesagt, dass es kein Problem ist, mit dieser Geschichte einzusteigen. Dass es bereits 10 Bände vorher gab, fällt kaum auf. Es werden einige Andeutungen gemacht, die das Interesse an den anderen Teilen wecken, allerdings wird kaum Wissen aus diesen Vorausgesetzt.
Insgesamt ein interessantes Buch, das ich allerdings nicht eingefleischten Formel 1 Fans empfehlen würde. Eher Menschen, die das Setting interessiert, sich aber von zurechtgebogenen Details nicht stören lassen und einfach einen guten Krimi lesen wollen.

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Veröffentlicht am 18.05.2021

Erschreckend aktuell

Noah
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Noah weiß nichts über sich selbst. Er ist sich nicht mal sicher, ob er überhaupt Noah heißt. Nachdem er angeschossen wurde, hat er sein Gedächtnis verloren. Der obdachlose Oscar sammelt ihn auf, pflegt ...

Noah weiß nichts über sich selbst. Er ist sich nicht mal sicher, ob er überhaupt Noah heißt. Nachdem er angeschossen wurde, hat er sein Gedächtnis verloren. Der obdachlose Oscar sammelt ihn auf, pflegt ihn gesund und steht ihm auch zur Seite, als Noahs Erinnerungen allmählich zurückkehren und klar wird: sein Leben ist in Gefahr.

Vorweg sei gesagt: für mich war es „der erste Fitzek“ - insofern kann ich keinen Vergleich zu anderen Werken des Autos ziehen. Aber ich bin mir sicher, dass es nicht der letzte Thriller von Sebastian Fitzek war, den ich lese.

Seit vergangenem Jahr hat das 2013 erschienene Buch eine schockierende Aktualität gewonnen. Pandemie, Masken, Ausgangssperren, es gibt zahlreiche Parallelen zur heutigen Zeit. Das macht manche Szenen schwer zu lesen – auch wenn die einfühlsam beschriebenen menschlichen Tragödien wohl zu jeder Zeit schwer zu verdauen sind.

Erzählt wird die Geschichte hauptsächlich aus drei Perspektiven, deren Handlungsstränge eng miteinander verwoben sind. Eine vierte Perspektive ist unabhängig davon und verdeutlich zwar die Probleme der Überbevölkerung, die eines der tragenden Themen des Buches ist, trägt allerdings nicht viel zur Handlung selbst bei. Persönlich bin ich etwas zwiegespalten, was ich davon halten soll, weil sich die betreffenden Kapitel etwas „überflüssig“ anfühlen, gleichzeitig machen sie auf ein sehr reales Problem aufmerksam. Fest steht für mich allerdings: man hätte sie reduzieren können, wodurch die Handlung gestrafft worden wäre. Allerdings ist der Rest des Buches definitiv nicht zu langatmig. Die ganze Wahrheit um „Noah“ und seine Vergangenheit wird so langsam entfaltet, dass man das Buch nicht aus der Hand legen kann, die actionreichen Szenen dazwischen sorgen dafür, dass allerdings auch keine Langeweile aufkommt, bis das nächste Puzzlestück enthüllt wird.

Stilistisch ist es nah an der Perfektion und da es mein erster Fitzek-Thriller war, kann ich nicht beurteilen, ob das bei ihm generell der Fall ist, aber: die Beschreibungen waren mir stellenweise zu wenig. Alles wird nur so grob beschrieben, dass man als Leser zwar eine ungefähre Vorstellung der Szenerie hat, aber der berühmtberüchtigte Film im Kopf nicht so recht zu laufen kommt.

Die Thematik sorgt dafür, dass die Geschichte auch eine politische Dimension hat. Allerdings wird diese eher auf gesellschaftlicher Ebene ausgetragen. Wie bereits erwähnt: vieles daran stimmt einen nachdenklich. Weniger über die aktuelle Zeit, als unser Konsumverhalten im Allgemeinen. Etwas, das ich bei einem Thriller bislang kaum erlebt habe und das genau meinen Geschmack getroffen hat.

Alles in allem ist „Noah“ ein sehr guter Thriller, auch wenn ich persönlich noch etwas Luft nach oben gesehen hätte, sodass ich ihn nicht als perfekt bezeichnen kann.

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Veröffentlicht am 29.09.2018

Gefangen im Labyrinth

Die Auserwählten - Im Labyrinth
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Als er erwacht, kann er sich an nichts mehr erinnern, außer an seinen Namen: Thomas. Er findet sich auf einer Lichtung mit anderen Jungen wieder, umgeben von einem riesigen Labyrinth, in dem dunkle Kreaturen ...

Als er erwacht, kann er sich an nichts mehr erinnern, außer an seinen Namen: Thomas. Er findet sich auf einer Lichtung mit anderen Jungen wieder, umgeben von einem riesigen Labyrinth, in dem dunkle Kreaturen lauern.

Wie in den letzten Jahren häufiger, habe ich in diesem Fall leider auch den Film zuerst gesehen. Das hat natürlich den Effekt, dass ich bereits ungefähr wusste, was passieren wird, auch wenn es einige Abweichungen zwischen Film und Buch gibt. Wie nahezu immer gilt allerdings: der Film ist ok, das Buch tausend Mal besser!

Zunächst hat mich die Idee mit dem Labyrinth begeistert und eins kann ich vorwegnehmen: Die wird auch im Buch sehr gut umgesetzt.

Der Stil lässt sich leicht lesen, ohne vollkommen anspruchslos zu sein, wie in manch anderem Jugendbuch – damit konnte das Buch von der ersten Seite an sofort bei mir punkten. Leider konnte ich mir unter den Griewern nicht wirklich etwas vorstellen. Ich hatte zwar noch die Darstellung aus dem Film im Kopf, aber die wollte nicht so recht zu den meiner Meinung nach etwas zu spärlichen Beschreibungen aus dem Buch passen.

Thomas als Hauptfigur war mir – wie leider bei vielen Jugendbüchern – eher weniger sympathisch. Viele seiner Handlungen konnte ich nur schwer nachvollziehen, wirklich in ihn hineinversetzen konnte ich mich zu keinem Zeitpunkt. Dafür waren mir die meisten der anderen Figuren sympathisch und ich konnte richtig mit ihnen mitleiden. Vor allem weil bei Nebenfiguren ja nie klar ist, ob sie überleben werden.

Immerhin hielt die Spannung konstant an und obwohl ich den Film kannte, konnte ich das Buch kaum aus der Hand legen – man weiß ja nie, ob die Macher des Films nicht doch die Story etwas verändert haben.

Kurz gesagt: Ein schöner Auftakt einer Trilogie, wenn auch ein typisches Jugendbuch, das aufgrund des Schreibstils allerdings auch älteren Lesern gefallen kann.

Veröffentlicht am 23.07.2018

Ein Leben im braunen Sumpf

Ein deutsches Mädchen
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Als Kind hatte Heidi Benneckenstein keine Ahnung, dass ihre Familie anders ist. Dass sie in eine Nazifamilie hinein geboren wurde, begriff sie erst später. Aber wie ist es, seine Kindheit unter anderem ...

Als Kind hatte Heidi Benneckenstein keine Ahnung, dass ihre Familie anders ist. Dass sie in eine Nazifamilie hinein geboren wurde, begriff sie erst später. Aber wie ist es, seine Kindheit unter anderem in Camps zu verbringen, in denen Hakenkreuze fast schon Normalität sind und in dem sich die Menschen längst vergangene Zeiten zurückwünschen? Wenn man Deutschland in seinen alten Grenzen aus Holz aussägen muss und lernt, es hätte den Holocaust nie gegeben?

Es ist ein erschreckendes Bild, dass diese Biographie zeichnet. Angefangen bei einer Kindheit im rechten Milieu, hinein in die rechtsradikale Szene. In einen braunen Sumpf, aus dem heraus zu kommen, alles andere als einfach ist. Aber Heidi hat dies geschafft. Trotz ihrer Vergehen, muss man den Hut vor ihrem Mut ziehen, dieses Buch zu veröffentlichen.

Heidi Benneckenstein hat den Weg in die Szene nicht frei gewählt, der Weg schien ihr vorgezeichnet und damit steht sie im Kontrast zu vielen anderen Aussteigern. Berichte über das innere der rechten Szene findet man zu Hauf, Aussteigerbiographien, Studien, Onlineartikel. Nur wenig über die Kindheit in der Szene und allein deswegen würde ich eine absolute Leseempfehlung für dieses Buch aussprechen. Hinzu kommt ein authentischer Bericht darüber, wie Nazis die Wahrheit solange verdrehen, bis sie in ihr Weltbild passt und darüber dass die etwas merkwürdig wirkende gutbürgerliche Familie von Nebenan manchmal mehr mit dem Biersaufenden Skinhead zu tun hat, als man auf den ersten Blick glauben würde.

Manchmal hadert sie damit, will nicht werden wie ihre Mutter, hat Stress mit dem Vater. Statt früh auszusteigen und das alles hinter sich zu lassen, steigt sie tiefer in die Szene ein. Die Seite des Rechtsradikalismus, die wir aus den Medien kennen. An vielen Stellen wirken diese Beschreibungen Klischeehaft, aber vielleicht sind diese Menschen auch tatsächlich eine Karikatur ihrer selbst. Interessant ist, wie tief Benneckenstein tatsächlich in der Szene steckte und wie schwer ihr der Ausstieg fiel. Hier kommt ein weiteres interessantes Puzzlestück, das ihre Biographie von der anderer Aussteiger unterscheidet, hinzu: sie ist gemeinsam mit ihrem Freund ausgestiegen. Das macht es schwerer und leichter zugleich und damit umso beeindruckender.

Es gibt viele Anekdoten in diesem Buch, schockierend und packend. Zumindest theoretisch. Es gibt viele Stellen, an denen die Atmosphäre authentisch wirkt, an denen man sich als Leser in Heidi Benneckenstein hineinversetzen kann, obwohl ihr damaliges Leben so herzlich wenig mit dem unseren zu tun hat. Trotzdem ist es nicht so fesselnd, wie es sein könnte. Das liegt vor allem Stil, der meist sehr nüchtern ist, manchmal träfe es sogar das Wort fad. Mit viel Abstand reflektiert Benneckenstein ihr Leben, das merkt man. Aber der Anspruch an ein solches Buch sollte auch nicht sein, ein stilistisches Meisterwerk zu sein, es sollte aufklären und diesen Zweck erfüllt es. Ich hoffe sehr, dass es irgendwann in jedem Bundesland auf dem Lehrplan auftaucht, denn dieses Buch zeigt uns definitiv mehr über dieses fremde Leben als jede Dokumentation inklusive kurzem Interview mit einem Aussteiger über die Szene und vor allem wesentlich mehr als überzeichnete Filme wie „Kriegerin“.