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Veröffentlicht am 04.07.2022

Enemies to lovers im Regency-London

Wie man sich einen Lord angelt
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Vielen lieben Dank an den Knaur-Verlag für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Ok, also zuerst einmal muss ich über dieses ...

Vielen lieben Dank an den Knaur-Verlag für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Ok, also zuerst einmal muss ich über dieses wahnsinnig tolle Überraschungspaket fangirlen, das der Verlag hier zusammengestellt hat! 😍
Das Buch kam in einem zur Reihe passenden Karton zusammen mit einem Beutel English Breakfast Tee in einem niedlichen, pastellgrünen Teedöschen, Shortbread und einem kleinen Gläschen Lemon Curd, also allem, was man für eine englische Tea Time benötigt. Als wäre das nicht schon genial genug, ist in dem Buch auch noch ein signiertes Bookplate eingeklebt! Zu sagen, ich hätte mich über dieses unerwartete Päckchen gefreut, wäre untertrieben.
Abgesehen von der Verpackung ist aber auch das Buch an sich in gewohnter Knaur-Verlag-Manier wunderschön aufgemacht. Der größte Hingucker ist dabei wohl die hintere Klappe, die um den Schnitt bis nach vorne gefaltet ist. Wollen wir das einfach einen Faux-Farbschnitt nennen?
Die Klappe selbst ist mit Zitaten aus dem Buch geschmückt sowie Bildern der Protagonisten, abgerundet von hübschen Schnörkeleien und süßen Details.


Meine Meinung:
Ich bin nicht nur wegen des tollen Pakets froh darüber, dass der Verlag mir das Buch einfach so zugeschickt hat, denn wäre dem nicht so gewesen, hätte ich mich vermutlich niemals der Regency Romance gewidmet. Und wie wäre mein Leben verlaufen, wenn ich das einfach verpasst hätte?!

Ihr seht also: Ich war ziemlich begeistert vom Buch.
Das lag hauptsächlich an der Protagonistin Kitty, die sicherlich nicht bei jedem gut ankommt, aber mich konnte sie mit ihrer Pläneschmiederei und der Manipulation sämtlicher Junggesellen der Ballsaison inklusive ihrer Mütter von Beginn an für sich gewinnen! Ich fand es sehr spannend zu verfolgen, wie sie potenzielle Heiratskandidaten beobachtet und schnell lernt, wie sie sie am besten um den kleinen Finger wickeln kann, was ihre Schwächen sind und womit sie ihre Mütter bezirzen kann, ohne dass diese merken, dass es Kitty nur darauf ankommt, eine gute Partie zu machen. Sie ist bereit, alles zu tun, um die Zukunft ihrer Schwestern abzusichern, und das fand ich bemerkenswert.

„‚Nur wer reich ist, kann sich den Luxus der Ehre leisten‘, entgegnete sie kalt. ‚Und nur Männer haben das Privileg, ihr eigenes Vermögen zu machen. Ich habe vier Schwestern, die auf mich angewiesen sind, und die Berufe, die Frauen wie mir offenstehen – Gouvernante, Schneiderin vielleicht – würden nicht einmal ausreichen, um die Hälfte von ihnen zu kleiden und zu ernähren. Was soll ich also tun, außer mir einen reichen Ehemann zu suchen?“ (S. 105/ 351)

Dabei macht sie natürlich auch Fehler und verliert auch mal das Potenzial ihrer Schwester Cecily, die sie nach London begleitet, aus den Augen. Das macht Kitty greifbarer und führt einem vor Augen, dass sie trotz ihrer Rücksichtslosigkeit und Tendenz, sprichwörtlich über Leichen zu gehen, selbst noch relativ jung und eben doch keine schlechte Person ist, sondern lediglich besorgt um das Wohl ihrer Familie.
Für den Leser ist der Konflikt mit Cecily absehbar, aber dadurch, dass man nicht weiß, wann und vor allem wie Kitty das am Ende heimsucht, steigt alleine aus diesem Grund die Spannung konstant.

Hauptsächlich knistert es in diesem Buch aber zwischen Kitty und Lord Radcliffe. Während sie zunächst versucht, Archie, den jüngeren Radcliffe, zu verführen, weil er in ihren Augen ein leichteres Ziel zu sein scheint, ist für den Leser von Anfang an klar, dass Kitty und der Lord viel besser zusammenpassen. Einerseits liegt das schlicht daran, dass Archie eher wie ein 14-jähriger, in allen Lebensbereichen völlig unerfahrener Junge denn wie ein junger Heranwachsender etwa in Kittys Alter wirkt, und man ihn daher als Love Interest kaum ernstnehmen kann. Da die Autorin durchweg aber mit Sarkasmus und Überspitzungen spielt, denke ich, dass das durchaus beabsichtigt war.

Zum anderen behaupten sowohl Kitty als auch vor allem Lord Radcliffe ständig, dass sie sich nicht ausstehen können, sind aber so OFFENSICHTLICH obsessed miteinander, dass der enemies-to-lovers-liebende Leser hier schier verrückt wird wegen der süchtig machenden Umsetzung der love-to-hate-, will-they-won´t-they- und slow-burn-tropes.

„Statt den Tag wie geplant mit seiner Korrespondenz und dem Verfassen von Anweisungen bezüglich seiner baldigen Rückkehr nach Radcliffe Hall zu verbringen, brütete er mehrere unangenehme Stunden lang über Miss Talbots Unverfrorenheit, ihrer Respektlosigkeit – ihrer Dreistigkeit. Fast wünschte er, sie würde noch einmal zurückkehren, damit er sie anständig hinauswerfen konnte.“ (S. 139/ 351)

Das ist eine der größten Stärke des Buches, die die paar kleineren Schwächen (dazu gleich) mit Leichtigkeit überschatten können.

Die andere große Stärke ist der bereits angeschnittene spitze, sarkastische Unterton, der zusammen mit dem etwas altertümlich anmutenden Schreibstil dem Buch einen ganz besonderen Charme gibt. Das sorgt für einen durchgehenden Lesefluss, einige Lacher zwischendurch und unterstreicht dazu Kittys scharfen Verstand.
Auf das Worldbuilding hat die Autorin sich dagegen weniger konzentriert; die Geschichte spielt größtenteils zwar in London, aber sie hätte auch genauso gut in einer anderen englischen Stadt stattfinden können. Gestört hat mich das weniger, da der Fokus hier eindeutig auf den Figuren liegt und das Drumherum daher kaum relevant ist, aber es mit ist ein Grund, weshalb ich letztlich einen halben Punkt abgezogen habe.

Der andere Grund dafür, ist das Ende, das zwar immer noch gut ist, aber im Verhältnis zum Rest des Buches wenig zufriedenstellend und in meinen Augen etwas zu abrupt ist. 50 bis 100 Seiten mehr, in denen Kitty und Lord Radcliffe vielleicht noch etwas mehr Zeit miteinander verbringen können, hätten dem Buch sicherlich gutgetan; so wirkte das Ganze etwas zu übereilt, als wollte die Autorin schnell zu einem Schluss kommen. Man könnte auch sagen, das slow burn vorher war im Gesamten betrachtet vielleicht etwas zu slow und nicht genug burn. Wie gesagt: Es ist eindeutig nicht schlecht, aber man hat nicht das Gefühl, dass Kittys Geschichte abgeschlossen ist. „Wie man sich einen Lord angelt“ ist zwar ein Reihenauftakt, aber ich gehe davon aus, dass es in den Folgebänden um Kittys Schwestern geht, ähnlich wie in „Bridgerton“, und wenn dem tatsächlich so ist, fehlt diesem Buch ein schöner, runder Abschluss.

Zum Thema „Bridgerton“: Als ich das Buch gelesen habe, kannte ich die Reihe bzw. Serie noch nicht, habe mir aber von Sophia sagen lassen, dass „Wie man sich einen Lord angelt“ dem ersten Buch/ der ersten Staffel inhaltlich stark ähnelt. Mittlerweile habe ich die Staffel (und die zweite übrigens auch, ich bin jetzt voll im Regency-Fieber) gesehen und kann dies bestätigen. Das ändert im Nachhinein natürlich nicht meine Bewertung des Buches, da ich beim Lesen ja eindeutig sehr viel Spaß hatte. Ich kann mir allerdings vorstellen, dass jemand, der Julia Quinns Vorlage bereits kennt, hiervon unter Umständen etwas enttäuscht ist, da (zumindest die Serie! Die Bücher habe ich ja noch nicht gelesen) „Bridgerton“ um einiges runder, die Figuren etwas ausgereifter sind als hier. „Wie man sich einen Lord angelt“ kann ich allerdings als Einstieg in die Regency Romance sehr empfehlen!


Fazit:
Wer hätte gedacht, dass ich mal ein Fan von Regency-Romances werde? Ich definitiv nicht, aber „Wie man sich einen Lord angelt“ hat zweifellos dafür gesorgt! 😍
Man kann hier nicht erwarten, dass die Autorin besonders viel Energie aufs Worldbuilding verwendet; die Geschichte spielt größtenteils zwar in London, aber sie hätte auch genauso gut in einer anderen englischen Stadt stattfinden können. Aber das ist hier auch gar nicht schlimm, denn der Fokus liegt eindeutig auf Kittys Pläneschmiederei und Manipulation, und das unterstützt vom scharfen, subtil sarkastischen Schreibstil auf höchst amüsante Weise!
Wer „Bridgerton“ bereits kennt, könnte hiervon aufgrund der starken Ähnlichkeit unter Umständen ein bisschen enttäuscht werden, wenn man sich einen anderen Blickwinkel erhofft (wenn nicht, werdet ihr es lieben). Wer einen Einstieg in das Genre sucht, wird hiermit jedoch sehr viel Spaß haben!
4,5/ 5 Lesehasen.

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  • Charaktere
Veröffentlicht am 03.07.2022

Academic rivals to lovers meets Glee

I Kissed Shara Wheeler
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Vielen lieben Dank an den Knaur-Verlag für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Ich liebe es, dass der Verlag das Originalcover ...

Vielen lieben Dank an den Knaur-Verlag für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Ich liebe es, dass der Verlag das Originalcover (und den Titel auch, btw) übernommen hat! Die poppigen Farben und der Kontrast zwischen dem grünen Hintergrund und dem pinken Brief vor dem blonden Mädchen, das genauso aussieht, wie Shara Wheeler beschrieben wird, gefallen mir super und fangen genau den richtigen High-School-RomCom-Glee-Vibe ein! Die Haptik ist durch das matte Cover mit dem glänzend hervorgehobenen Titel und den Kussmündern sehr toll.
Schön gestaltet finde ich im Übrigen die abgedrucken Schnipsel, Tagebucheinträge, Chatauszüge etc. mit Gerüchten oder Aussagen über Shara, die man vereinzelt am Kapitelende findet und die die Geschichte schön abrunden.
„I Kissed Shara Wheeler“ ist von der Haptik abgesehen allerdings ein ganz normales Taschenbuch; wenn ich auch sonst ein Fan vom Knaur-Verlag bin, finde ich die € 14,99, die man zum Teil nicht mal für broschierte Bücher zahlt, dafür schon viel. Im Laden würde ich das Buch deshalb wieder zurücklegen.


Meine Meinung:
Ich mochte das Buch sehr!! 🥰
Das liegt zum einen vor allem daran, dass es mich vom Vibe her sehr an „Glee“ erinnert hat, meine absolute Lieblingsserie von vor ca. 10 Jahren (liebe sie immer noch). Insofern hatte „I Kissed Shara Wheeler“ natürlich irgendwo einen Vorteil, wobei ich mir vorstellen kann, dass manche diese Parallelen negativ auffassen werden.
Chloe Green hat mich nämlich sehr stark an Rachel Berry erinnert. Beide sind sehr ehrgeizig, würden alles tun, um ihre Ziele zu erreichen. Während Rachel (zumindest in den ersten Staffeln) davon überzeugt ist, die beste Sängerin zu sein und vor allem mit Quinn Fabray rivalisiert, ist Chloe der Meinung, die habe es verdient, Jahrgangsbeste zu sein. Dabei ist Shara Wheeler ihre „Erzfeindin“, die sie um jeden Preis übertrumpfen muss, wovon sie fast schon besessen ist.
Ihr seht: Auf den ersten Blick mutet „I Kissed Shara Wheeler“ ein bisschen wie eine Faberry-Fanfiction an, und obwohl man diese Parallelen nicht übersehen kann, haben sie mich nicht im Geringsten gestört. Denn natürlich geht es in diesem Buch um die Beziehung zwischen Chloe und Shara, und wie beide merken, dass sie, obwohl sie zwar Rivalinnen sind, sich eigentlich eben doch nicht hassen. Gleichzeitig hat „I Kissed Shara Wheeler“ aber auf seinen fast 400 Seiten noch viel mehr Inhalt.

Im Fokus stehen nämlich nicht nur Chloe und Shara, sondern auch Sharas Nachbar Rory und ihr Freund Smith, die sie wie Chloe kurz vor ihrem Verschwinden ebenfalls geküsst hat. Alle drei finden im Laufe der Handlung an sie adressierte Briefe von Shara, in denen sie sie mit Rätseln und Geheimnissen konfrontiert, von denen sie verlangt, dass die drei sie lösen, damit sie Shara finden.
Dabei finde ich zum einen bemerkenswert, dass die Autorin es schafft über gut 300 Seiten der Figur Shara nur über diese Briefe Leben einzuhauchen. Ihr Charakter wird bloß über ein paar Zeilen, die sie Chloe und die Jungs gerichtet hat, greifbar, und von Erzählungen und Kommentaren ihrer Mitschüler im Detail geformt. Es dauert verhältnismäßig lange, bis Shara selbst auf die Bühne kommt und sich persönlich präsentieren kann – bis dahin ist sie bereits eine ausgereifte Figur, über die sich der Leser ein gutes Bild machen konnte. Was viele Autor*innen nicht mit seitenlangen Monologen oder Dialogen schaffen, schafft Casey McQuiston über ein paar Briefe und Erwähnungen. Damit beweist sie, dass sie Characterbuilding einfach kann.

Das zeigt sie darüber hinaus auch bei ihren anderen drei Protagonisten sowie sämtlichen Nebenfiguren.
Denn nicht nur Shara wird über die Briefe gestaltet; die Geheimnisse, die Shara dort offenbart, sagen sowohl dem Leser als auch Chloe, Rory und Smith einiges über die Beteiligten. Sie sorgt mit ihren Briefen dafür, dass Vieles ans Licht kommt, was den Dreien zuvor nicht klar war, und zwingt sie dadurch natürlich dazu, dass sie sich mit dem auseinandersetzen, was sie übereinander erfahren.
Das wiederum zwingt sie gleichzeitig, miteinander zu arbeiten und einander besser kennenzulernen. Sharas Briefe schaffen es, dass Chloe, Rory und Smith beginnen, die sozialen Gruppierungen die an ihrer High School herrschen, zu hinterfragen und schließlich zu duchbrechen; sie erkennen, dass sie trotz unterschiedlicher Interessen doch Vieles gemeinsam haben, und lernen, Vorurteile zu erkennen und zu beseitigen und über sich hinauszuwachsen.
Die Geschichte wird zwar aus Chloes Sicht in der dritten Person erzählt, aber durch diese Verflochtenheit der Figuren kommt man allen dreien, wie auch Shara sehr nahe und lernt sie kennen und lieben.

Aber auch die Nebenfiguren kommen bei der ganzen Suche nach Shara nicht zu kurz: Seien es Chloes Mütter, ihre beste Freundin Georgia, Sharas Vater oder Klassenkameraden wie bspw. Dixon, Ace oder Summer: Die Autorin schafft es, ihnen allen quasi nebenher, ohne den wichtigen Hauptplot aus dem Fokus zu verlieren, eine eigene Stimme und eigene Geschichten zu geben. Sie sind zwar „nur“ Nebenfiguren, aber allesamt tragen sie auf irgendeine Weise etwas zum Plot bei und bekommen dabei selbst die Gelegenheit, wie die Protagonisten zu wachsen. „I Kissed Shara Wheeler“ besteht aus „nur“ 394 Seiten, aber es ist so angereichert mit Charakterwachstum, dass es sich nach viel mehr anfühlt, ohne dabei überladen zu wirken.


Neben dem herausragenden Characterbuilding hat das Buch eine weitere große Stärke: die fast schon beiläufige Queerness vieler Figuren. Oft sind bei Büchern mit queerer Repräsentation nur die Protagonisten oder nur eine bzw. einige wenige Nebenfiguren queer, oder es wird mit Klischees gespielt, die Queerness wird „aufgebauscht“ etc. Das kann auch gute Repräsentation und unterhaltsam sein, aber es gibt immer noch viel zu wenige Bücher, in denen die Queerness der Figuren alltäglich ist, ohne ihre Probleme herunterzuspielen. Und genau das schafft die Autorin mit „I Kissed Shara Wheeler“: Hier gibt es Figuren wie Chloe und ihre Moms, die stolz auf ihre Sexualität sind und diese auch nach außen tragen, es gibt closeted Figuren und Figuren, die sich im Laufe der Handlung erst noch finden müssen – all das in einer konservativen Kleinstadt im „Bible Belt“ der USA, also der Gegend, die besonders stark christlich geprägt ist. Das in Kombination mit der Engstirnigkeit der Bewohner sorgt dafür, dass die Schülerschaft mit Ausnahme von Chloe, die aus Kalifornien dorthin gezogen ist, erst lernen muss, mit queeren Mitschülern umzugehen; Konflikte sind da vorprogrammiert.
Das alles setzt die Autorin auf sehr schöne, authentische, gleichzeitig sensible Art und Weise um, die es einem leicht macht, sich in Chloe und die anderen Figuren hineinzuversetzen.


Abschließend habe ich einen winzigen Kritikpunkt, der letztlich dafür gesorgt hat, dass „I Kissed Shara Wheeler“ von mir nicht die volle Punktzahl bekommen hat: Ich habe relativ lange gebraucht, bis ich den Einstieg ins Buch gefunden habe und auch zwischendurch stagniert die Spannung ein wenig. Abgesehen davon fliegt man nur so durch die Seiten, aber über diese Stellen muss man natürlich trotzdem hinweg. Woran meine Schwierigkeiten gelegen haben, kann ich allerdings gar nicht so genau festmachen, vielleicht ja am doch eher unpersönlichen Schreibstil. Ich habe normalerweise eigentlich keine Probleme mit der dritten Person, aber vielleicht hätte der Ich-Erzähler hier für mich besser gepasst? Das ist aber, wie gesagt, nur eine winzige Kleinigkeit, die sehr subjektiv ist und letztlich kaum ins Gewicht fällt, weshalb ich da nicht mehr als einen halben Punkt abziehe.
Denn abgesehen von diesem Aspekt hat mir vor allem der trockene, bissige Humor der Protagonistin sehr gefallen. Durch ihn bekommt sie einerseits noch mehr Selbstvertrauen, auf der anderen Seite wird sie dadurch dem Leser trotz ihrer doch eher eigensinnigen, fast schon rücksichtslosen Art zugänglicher gemacht. Wenn ich also auch Problemchen mit der Erzählform hatte, den richtigen Erzählton trifft die Autorin ohne Frage!

Fazit:
Mir haben die Scavenger-hunt-glee-vibes super gefallen und Chloe ist eine tolle Protagonistin, die mich mit ihrem trockenen Humor und Sarkasmus oft zum Lachen gebracht hat. Shara Wheeler lernt man lange Zeit erst nur aus dritter Hand und über ihre Briefe kennen, aber trotzdem schafft die Autorin es, sie genauso greifbar und lebensecht zu gestaltet wie die Figuren, die man „live“ begleitet.
Am besten fand ich jedoch die Freundschaft, die sich unerwarteterweise zwischen Chloe und den Jungs entwickelt, und natürlich die tolle Repräsentation von Queerness!
Einen halben Punkt Abzug gibt es allerdings für den etwas holprigen Einstieg und die kleinere Durststrecke zwischendurch.
4,5/5 Lesehasen.

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Veröffentlicht am 30.04.2022

Es stimmt mal wieder (fast) alles!

The Sea in your Heart
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Vielen lieben Dank an den Kyss-Verlag für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Darüber, dass das Cover ein großes Highlight ...

Vielen lieben Dank an den Kyss-Verlag für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Darüber, dass das Cover ein großes Highlight und ein wunderschöner Hingucker ist, müssen wir wohl nicht reden. Man sieht einen Sonnenaufgang (oder -untergang) am Strand, im Hintergrund sind Felsen und das Meer zu sehen. Alleine vom Betrachten bekommt man hier Fernweh, man fühlt sich sofort wohl und kann das Meer förmlich rauschen hören. Darüber hinaus harmoniert es wunderbar mit dem Cover des ersten Bandes; man sieht sofort, dass die Bücher zusammengehören müssen, auch wenn sie für sich genommen sehr individuell sind.
Auch der Titel „The Sea in Your Heart“ ist hervorragend gewählt, wie ich finde. Zum einen passt es vom Aufbau her super zum Titel des Auftaktbandes („The Sky in Your Eyes), zum anderen findet er sich auch im Inhalt wieder. Mehr kann man von einem Buchtitel gar nicht verlangen!


Meine Meinung:
Vom Inhalt bin ich ähnlich begeistert wie von der Aufmachung.
Der erste Band hatte mir ja vor allem wegen Elíns negativer Gedanken nicht so sehr zugesagt, auch wenn mich alles andere an „The Sky in Your Eyes“ durchaus überzeugen konnte.
Hier habe ich hingegen, bis auf einige winzige Aspekte kaum etwas zu meckern!


Zum einen hat mir Jules´ Ausarbeitung nicht zu hundert Prozent gefallen. Ich glaube, er hätte noch viel mehr zu bieten gehabt, als er hier zeigen konnte. Ähnliches ist mir ja schon bei Jón in Band 1 aufgefallen, wobei Jules bereits um einiges mehr an Persönlichkeit hat als Jón. Er ist eben nicht nur der hübsche, nette Mann, in den sich die Protagonistin verliebt, er hat auch eigene Ziele, Vorstellungen und Motivationen. Dennoch hat mir etwas an ihm gefehlt; vielleicht ein paar mehr Hintergrundinformationen zu ihm, die ihn neben seiner Arbeit als Anwalt ausmachen, vielleicht hätten ihm auch ein paar Kapitel aus seiner Sicht gutgetan, sodass man besser hätte einschätzen können, wie er über manche Situationen denkt. Dies ist hier jedoch ausgeblieben, sodass er für mein Empfinden durchweg ein wenig zu blass und konturenlos blieb (vor allem neben Lilja), auch wenn er mir durchaus sympathisch war. Aber er hätte eben, wie gesagt, auch mehr sein können.

Lilja hingegen hat mir super gefallen! Sie ist nicht auf den Mund gefallen, weiß was sie will und setzt sich auch durch. Dabei hat es mich positiv überrascht, wie wohldurchdacht ihre Handlungen sind und wie besonnen und gemäßigt sie auf viele Situationen reagiert. An sich hätte es mich gar nicht so sehr überraschen dürfen, da sie sehr nachvollziehbar und erwachsen gehandelt hat; eben so, wie man es von sich selbst auch behaupten würde. Da ist mir dann aufgefallen, dass viele New Adult-Protagonistinnen unnötigerweise hysterisch werden oder Drama machen. Lilja ist da anders, und das fand ich sehr erfrischend, vor allem, da sie aufgrund ihrer Überzeugungen und ihres starken Willens nicht weniger leidenschaftlich ist. Ich mochte sie also sehr gerne, und finde es tatsächlich ein bisschen schade, dass „The Sea in Your Heart“ das einzige Buch bleiben wird, in dem sie eine Rolle einnimmt.

Was ich hier bloß nicht so ganz verstanden habe: Sie ist Jóns Schwester, weshalb „The Sky in Your Eyes“ und „The Sea in Your Heart“ ja auch zwei Teile einer Dilogie sind. Abgesehen davon, dass dies vereinzelt erwähnt wird und sie gegen Ende kurz mal mit ihm telefoniert, spielt diese Verbindung aber keinerlei Rolle in der Geschichte. Das fand ich dann doch etwas schade, da einerseits Jón so die Möglichkeit genommen wurde, dem Leser noch etwas von sich zu zeigen, und andererseits auch Liljas Charakter in dieser Hinsicht nichts dazugewonnen hat. Das Buch hätte genauso gut ein Standalone sein können, denn die Handlung und Beziehungen aus dem Auftakt spielen hier schlicht keine Rolle. Das ist also der zweite winzige Aspekt, der dafür gesorgt hat, dass „The Sea in Your Heart“ es nicht ganz zum Fünf-Sterne-Highlight geschafft hat.


Der dritte und letzte Punkt, der mir negativ aufgefallen ist, ist eine Wendung in der Handlung gegen Ende, die ich aus Spoilergründen jetzt natürlich nicht näher umschreiben werde, bei der diejenigen unter euch, die das Buch gelesen haben, aber sicherlich wissen werden, was ich meine.
Diese Wendung war in meinen Augen total unsinnig und hätte es gar nicht gebraucht. Mich hat sie zwar nicht sonderlich gestört, da mir die Art und Weise, wie die Autorin diesen Konflikt gehändelt hat, sehr gut gefallen hat, aber die Handlung hätte den Konflikt eigentlich gar nicht erst nötig gehabt, zumal er so plötzlich auftaucht, dass es schon ein bisschen so wirkt, als sollte auf den letzten Metern nochmal etwas Drama eingestreut werden. Hätte das Buch nicht gebraucht, aber dadurch wird es, wie gesagt, jetzt auch nicht allzu sehr heruntergezogen.


Abgesehen davon hat hier nämlich alles gestimmt!
Vor allem die Umsetzung der Walfang-Thematik hat mir super gefallen. Nicht nur die Überfischung der Meere, die hier auch thematisiert wird, sondern auch der Walfang sind wichtige Probleme, über deren Existenz man zwar Bescheid weiß, worüber man aber nicht zwangsläufig intensiver nachdenkt, wenn man nicht unmittelbar damit zu tun hat. Kira Mohn schafft es mit „The Sea in Your Heart“, dass man sich das Gelesene durch den Kopf gehen lässt und sich von sich aus intensiver mit dem Thema beschäftigen will, ohne dass sie dafür den sprichwörtlichen Zeigefinger erheben muss oder belehrend wird. Beim Lesen hinterfragt man seine eigene Einstellung auch bezüglich den Fischkonsum und denkt darüber nach, welche Konsequenzen das eigene Kauf- und Essverhalten tatsächlich auf die Ozeane und den Bestand der Lebewesen hat.

„Wir sind beide Kreaturen dieses Planeten, und wir brauchen einander. Der Ozean muss für uns beide ein sicherer Ort sein. Denn ohne das Leben im Meer sterben wir alle.“ (S 31)

Das Buch bekommt dadurch also einen Mehrwert, der über den Unterhaltungsfaktor hinausgeht, den Liljas und Jules´ Beziehung hat.

Darüber hinaus hat mir auch die Einbindung der Geschichte in eine Schadensersatzklage positiv überrascht! Ich freue mich jedes Mal, wenn ein Roman juristisch wird, dementsprechend natürlich auch hier. Und auch das hat Kira Mohn super umgesetzt! Sie beweist, dass man als Autor*in kein juristisches Fachwissen braucht oder allzu sehr in die Tiefe gehen muss, um einen Fall spannend zu machen oder eine überzeugende Lösung der Streitigkeit zu finden. Das ist zwar eine Kleinigkeit, die aber für mich als Jurastudentin umso stärker positiv ins Gewicht fällt. :D


Zuletzt kann ich nicht anders, als erneut den Schreibstil und vor allem das Setting in den höchsten Tönen zu loben. Die Autorin hat es bisher mit jedem der Bücher, die ich von ihr gelesen habe, geschafft, dass ich sofort nach den ersten paar Seiten Fernweh bekomme.
Ich zitiere mich an dieser Stelle einfach mal frech selbst aus meiner Rezension zu „The Sky in Your Eyes“: Wenn man sich also bei ihren Büchern auf eines verlassen kann, ist, dass sie es schaffen, einen mit ihrer Wohlfühlatmosphäre an absolut traumhaften Orten zu verzaubern.


Fazit:
Ich lieb‘s!
Für die volle Punktzahl fehlte mir hier etwas an Jules‘ Charakter. Ich hätte gerne noch etwas mehr über Jules erfahren, vielleicht hätte ich gerne auch einige Kapitel aus seiner Sicht gehabt. Ich glaube, das hätte ihm noch mehr Tiefe gegeben. Auch eine Wendung gegen Ende der Geschichte war nicht unbedingt notwendig, und dass, obwohl eine Dilogie, die Figuren aus Band 1 hier kaum relevant sind, fand ich auch etwas schade.
Beides hat mich letztlich aber nicht allzu sehr gestört, denn davon abgesehen stimmt hier ansonsten einfach alles!
Lilja ist eine super Protagonistin, die weiß, was sie will und was ihr wichtig ist, und dafür zwar besonnen, aber nicht weniger bestimmt einsteht. Die Thematik des Walfangs hat die Autorin hervorragend aufgearbeitet; sie zeigt auf emotionale Weise auf, wie viel weltweit nicht nur dabei, sondern beim Fischfang generell falsch läuft. Zuletzt ist hier auch das Setting Islands natürlich wieder ein Träumchen; die Autorin sorgt jedes Mal zuverlässig aufs Neue für Fernweh!
4,5/5 Lesehasen.

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Veröffentlicht am 11.04.2022

Schwieriger Einstieg, aber insgesamt grandioser Jugendthriller

Firekeeper's Daughter
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Vielen lieben Dank an den cbj-Verlag und das Penguin Random House-Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.


Aufmachung:
Das ...

Vielen lieben Dank an den cbj-Verlag und das Penguin Random House-Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.


Aufmachung:
Das Cover ist wunderschön! Man sieht zwei Gesichtshälften, die die Flügel eines Schmetterlings vor der aufgehenden Sonne bilden, außerdem abstrahiert jeweils ein Vogel- und Bärenkopf auf jeder Seite und am unteren Bildrand ein Feuer. Das Cover spiegelt so Motive des Inhalts und den Spirit Namen der Protagonistin wider. Ich finde es schön, dass dieses prägnante Cover aus dem Original übernommen wurde, ebenso der Titel „Firekeeper’s Daughter“, der auf den Familiennamen Firekeeper der Hauptfigur wie auf ihren Vornamen Daunis, der übersetzt „Tochter“ bedeutet, anspielt.


Meine Meinung:
Der Einstieg ins Buch hat meinen positiven Ersteindruck ausgelöst durch das Cover erst einmal gedämpft, ich habe nämlich relativ schlecht ins Buch gefunden.
Das liegt vor allem daran, dass man im Prinzip gar nicht in Daunis‘ Leben eingeführt wird, man wird einfach ins Geschehen geworfen und muss sich erst einmal selbst zurechtfinden. Komplizierter wird das Ganze durch die in den Text eingegliederten Ausdrücke in Anishinaabemowin, der Ojibwe-Sprache, die uns deutschen Lesern natürlich sehr fremd sind. Das Verstehen ist kein Problem, da sich hinten im Buch ein Glossar befindet; selbst wenn sich die verschiedenen Wörter also nicht aus dem Kontext ergeben, was auch oft genug der Fall ist, kann man eben schnell nachschlagen und ist wieder etwas schlauer. Hinzu kommt, dass sich die meisten Ausdrücke und Redewendungen doppeln, sodass man irgendwann weiß, dass bspw. „miigwech“ „Dank“, „kwe“ „Frau“ oder „mashkodewashk“/ „mashkwadewashk“ „Salbei“ bedeutet.
Da darin jedoch, wie gesagt, nicht eingeführt wird, sondern man einfach akzeptieren muss, dass diese Begriffe nicht erklärt werden, ist der Einstieg zunächst kompliziert und gewöhnungsbedürftig.

Hinzu kommt, dass es sehr lange dauert, bis der Mord passiert, von dem im Klappentext die Rede ist, der Daunis in die Ermittlungen einführt. Die Autorin lässt sich also viel Zeit damit, die Geschichte zunächst einmal überhaupt in Fahrt zu bringen.
Bis dahin ist das Geschehen sehr langatmig, um nicht zu sagen langweilig. Man muss sich fast schon dazu überreden, weiterzulesen.

Irgendwann kommt es jedoch zu dem Punkt, an dem sich die Ereignisse überschlagen, die Ermittlungen spannend werden, und man selbst auch eigene Theorien aufstellt. Ab dann wird das Buch spannend und man kann es nur schwer weglegen.
Vieles ist dabei schon früh absehbar, die Geschichte insgesamt ist sehr vorhersehbar. Das hat mich jedoch gar nicht mal so wirklich gestört; auch wenn ich mir in vielen Teilen schon denken konnte, wo das Buch mich hinführen würde, hatte ich trotzdem viel Spaß beim Lesen und Rätseln. Ich wollte natürlich wissen, ob ich Recht hatte!
Dabei hat es „Firekeeper’s Daughter“ aber auch oft genug geschafft, mich zu überraschen oder mit Plottwists aufzuwarten, mit denen ich nun doch gar nicht gerechnet hätte.
Die Ermittlung ist so strukturiert, dass stets etwas Neues passiert, ohne dass die Geschichte etwa zu überladen oder unrealistisch wirkt; die Handlung folgt einem natürlichen Fluss und ist in sich schlüssig und rund.

Das Ende hat mir an diesem Buch sogar mit am besten gefallen, da es zwar einerseits relativ offen ist, vor allem was Daunis betrifft, auf der anderen Seite werden die relevanten Fragen alle zufriedenstellend geklärt und man kann als Leser das Buch mit einem guten Gefühl zuschlagen.


Der zweite Aspekt, der mich von „Firekeeper’s Daughter“ so überzeugen konnte, ist, dass man praktisch nebenbei unheimlich viel über die Natives, vor allem über die Kultur und Mentalität der Ojibwe lernt, und zwar nicht nur über die Sprache durch die, wie oben bereits angesprochen, in den Text integrierten Wörter in Anishinaabemowin. Vor allem lernt man Vieles über Festtage, die Bräuche der Menschen im Todesfall einer geliebten Person, den Glauben an Schöpfer oder die Lehren der Sieben Großväter. Aber auch die Geschichte der Natives wird angesprochen, wobei in der Handlung mehr auf das Generationentrauma eingegangen wird und der Anhang einen über das geschichtliche Hintergrundwissen aufklärt.
Das ist super interessant und macht das Buch an den Stellen spannend, in denen die Ermittlungen gerade zum Stillstand kommen. Inhaltlich hat die Autorin das Buch hier super aufgeteilt.


Auch Daunis, die Protagonistin, trägt ihren Teil dazu bei, dass man beim Lesen von „Firekeeper’s Daughter“ viel Spaß hat. Ähnlich wie der Leser wird sie, als sie Zeugin des Mordes wird, quasi ins kalte Wasser geworfen und muss mit den Ermittlungen des FBI klarkommen. Sie muss lernen, dass Vieles, was sie zu wissen glaubte, nicht so ist wie es scheint. Dabei befindet sie sich stets in einem Zwiespalt und muss sich entscheiden, ob sie ihre Gemeinschaft unterstützen möchte, oder dem FBI bei seinen Ermittlungen hilft. Nicht nur Daunis stellt sich im Zuge dessen die Frage, inwieweit das eine dem anderen dienen kann oder ob es sich dabei um zwei Gegensätze handelt, die sich gegenseitig ausschließen.
Dieser Zwiespalt zieht sich im Übrigen durch Daunis‘ ganze Figur: als Tochter einer weißen Frau und eines Ojibwe ist sie Teil zweier Welten, die zu verbinden ihr nicht leichtfallen.
Als Leser begleitet man sie auf diesem Weg und beobachtet, wie sie damit klarkommen muss und an diesen Konflikten wächst. Sie ist bereits zu Beginn eine starke Protagonistin, aber sie schafft es, im Laufe der Handlung noch mehr zu reifen und an Selbstbewusstsein zu gewinnen, auch wenn sie auf dem Weg falsche Entscheidungen trifft und viel einstecken muss.


Fazit:
Grandioser Jugendthriller über eine junge, starke Protagonisitin, die versucht, ihrer Gemeinschaft zu helfen, indem sie als V-Person für das FBI ermittelt, und das dem Leser ganz nebenbei wunderbar Vieles über Natives und die Kultur der Ojibwe näherbringt. Einige Wendungen sind vorhersehbar, aber trotzdem konnte „Firekeeper’s Daughter“ mich nahezu durchgehend fesseln und vereinzelt sogar überraschen.
Einzig mit dem Einstieg lässt die Autorin sich sehr viel Zeit, daher gibts einen halben Punkt Abzug.
4,5/5 Lesehasen.

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Veröffentlicht am 11.04.2022

Düstere Rotkäppchen-Adaption

Die Chroniken von Rotkäppchen - Allein im tiefen, tiefen Wald
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Vielen lieben Dank an den penhaligon-Verlag und das Penguin Random House-Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.


Aufmachung:
Wie ...

Vielen lieben Dank an den penhaligon-Verlag und das Penguin Random House-Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.


Aufmachung:
Wie auch schon in meiner Rezension zu „Die Chroniken der Meerjungfrau“ geschrieben, ist die Aufmachung dieser Reihe wirklich ein Hingucker.
Zum einen, weil man auf den ersten Blick erkennt, um welches Märchen es jeweils geht, das Cover weist tolle Details auf, der Schnitt ist ein Hingucker und die Farbgebung passt zum Märchen.
Zum anderen aber auch, weil die einzelnen Teile der Reihe – trotz der vielen verschiedenen Farben – wunderbar miteinander harmonieren; man sieht auf Anhieb, dass die Bücher zusammengehören, kann aber auch direkt erkennen, dass sie in sich abgeschlossene Geschichten bilden.
Insgesamt finde ich den Preis von 18 € nach wie vor für dieses Hardcover im Taschenbuch-Format einen stolzen Preis, der aber immerhin insofern gerechtfertigt ist, als dass man hier etwas fürs Auge bekommt.


Meine Meinung:
An „Die Chroniken der Meerjungfrau“ habe ich vor einem halben Jahr hauptsächlich bemängelt, dass es mir nicht spannend und düster genug war. Aus diesem Grund habe ich meine Erwartungen an „Die Chroniken von Rotkäppchen“ etwas heruntergeschraubt; der Klappentext klingt zwar ähnlich dramatisch wie der der Meerjungfrau, aber ich wollte nicht wieder davon enttäuscht werden, dass sich das Buch als nicht so gruselig herausstellt, wie es angepriesen wird.
Wäre gar nicht nötig gewesen!


In „Die Chroniken von Rotkäppchen“ ist eine Pandemie für den Tod Hunderttausender und den Untergang der Zivilisation verantwortlich – das klingt angesichts der Corona-Pandemie natürlich erstmal bestenfalls wie ein schlechter Witz, schlechtestenfalls wie Schwurbelei. Tatsächlich rufen viele Situationen beim Lesen ein Deja-Vu-Gefühl hervor; einiges, wovon die Autorin hier im fiktiven Rahmen schreibt, ist tatsächlich so oder so ähnlich (weniger dramatisch, aber zumindest in vergleichbarer Weise) so aufgetreten. Das macht das Lesen mindestens komisch, an manchen Stellen aber durchaus auch sehr unangenehm.
Lustigerweise ist das Buch im Original bereits 2019 erschienen – die Autorin kann die Corona-Pandemie also gar nicht zur Inspiration herangezogen haben. Sobald einem das bewusst wird, ist das Gelesene zum Teil sogar noch erschreckender; es ist ein bisschen so, als hätte die Autorin, als sie „Die Chroniken von Rotkäppchen“ geschrieben hat, in Teilen die Zukunft vorhergesagt.

Im Großen und Ganzen ist die Grundstimmung des Buches also allein deshalb schon sehr düster. Man weiß zu Anfang noch nicht wirklich, was dazu geführt hat, dass Red alleine durch den Wald laufen muss, also warum sie ohne Begleitung ist oder weshalb sie überhaupt erst ihr Zuhause verlassen musste.
Dies erfährt man erst nach und nach parallel zu dem, dessen Red sich im Wald stellen muss: Die Handlung wird im „Davor“ – also das, was passiert ist, bevor Red losgegangen ist – und dem „Danach“ – dort, wo die Geschichte einsetzt – erzählt.
Dabei erschließt sich dem Leser nicht nur das Vergangene, sondern das Geschehene nimmt insgesamt erst Gestalt an, wenn man um Reds Erlebnisse sowohl im Davor als auch im Danach weiß. Auf den ersten Blick mag diese Handlungsaufteilung also zunächst verwirrend wirken, aber beim Lesen stellt sie sich als hervorragender Aufbau heraus, der die Spannung nur noch verstärkt und zu einigen Plottwists oder Aha-Momenten führt. Die Autorin verrät dabei gerade so viel, dass man nicht den Überblick oder die Geduld verliert; das hat sie ganz wunderbar hinbekommen.

Quasi nebenbei lässt sie immer mal wieder subtil Hinweise auf das Märchen von Rotkäppchen fallen, wie bspw. die Männer, die durch den Wald streifen, und Red nichts Gutes wollen, und die sie „Wölfe“ nennen, oder eben das Offensichtlichste: Nämlich, dass Red auf dem Weg zu ihrer Großmutter ist.
Darüber hinaus finden sich hier und da aber auch Anspielungen auf andere Märchen, so z. B. Hänsel und Gretel. All das passiert im Vorbeigehen, sodass es einem erst bei näherem Hinsehen auffällt.

„‚Ich weiß. Es gibt eine Menge Ungeheuer da draußen, und alle sehen aus wie Menschen‘, antwortete Red.“ (S. 269)

Inhaltlich fällt dabei vor allem anfangs und im Mittelteil auf, dass sich die Autorin sehr viel mit der Beschreibung eigentlich unwichtiger Details aufhält. Während mich so etwas in Büchern normalerweise schnell nervt, weil oftmals die Handlung darunter leidet, passt es hier aufgrund des eigenwilligen Schreibstils und der Eigenart der Protagonistin (dazu gleich) einfach ins Buch. Durch die durchweg düstere Grundstimmung kommt auch bei unwichtigen Beschreibungen an keinen Stellen Langeweile auf, vielmehr sorgen sie dafür, dass man noch angespannter ist, weil man die ganze Zeit damit rechnet, dass irgendetwas passiert.
Einzig zum Ende hin fällt dieses Stilmittel der Autorin dann negativ auf, als große Probleme quasi mit Links gelöst werden und man über einen Zeitsprung ohne viel Aufhebens zum Ende kommt. So hatte ich z. B. noch ca. 50 Seiten zu lesen und habe mich dann gefragt, wie das alles, was eigentlich noch geklärt werden müsste, denn bitte dort unterkommen sollte. Von der Lösung der Autorin war ich dann eher enttäuscht – die Energie, die sie für die ganzen Beschreibungen aufgewandt hat, wäre an dieser Stelle für mein Empfinden besser aufgehoben. So stimmt das Verhältnis nicht ganz, sodass man, auch wenn man anfangs sehr begeistert ist, hintenraus etwas enttäuscht wird.


Das bleibt jedoch mein einziger Kritikpunkt, der Rest des Buches hat mir super gefallen.
Vor allem auch die Protagonistin Red, die als fast einzige relevante Figur in diesem Buch die Handlung wesentlich trägt, konnte mich überzeugen.
Ihre Vorsicht und vielen Ängste – fast schon Paranoia – machen sie zu einer sehr eigenwilligen Protagonistin, an die man sich erstmal gewöhnen muss. Sie hat in ihrem Leben viele Horrorfilme gesehen und lässt sich davon leiten – das macht sie nicht etwa überängstlich oder nervig, sondern fast schon perfekt vorbereitet für eine Weltuntergangssituation. Gleichzeitig merkt man ihr an, wie verängstigt sie ist, da sie aller Filme zum Trotz natürlich genauso gut weiß, dass sie sich im Ernstfall kaum verteidigen kann, keine praktischen Überlebensfähigkeiten hat und auf ihr Glück und ihren Verstand angewiesen ist. Sie macht das beste aus ihrer Situation, trifft nichtsdestotrotz aber auch mal falsche Entscheidungen und kommt in Lagen, in denen sie sich nicht zu helfen weiß. Genau diese Menschlichkeit und dass sie so „normal“ ist, machen sie so sympathisch und sorgen dafür, dass man sich gut in sie hineinversetzen kann.


Unterstrichen wird ihr Charakter vom Schreibstil, der, ähnlich wie Red, anfangs sehr gewöhnungsbedürftig ist. Man befindet sich praktisch in Reds Kopf und „hört“ ihre ungefilterten Gedanken so, wie sie ihr in den Sinn kommen. Das führt dazu, dass Henrys Stil zwischendurch etwas wirr und durcheinander wirkt, da teils Satzzeichen fehlen, Wörter oder Sätze mehrfach hintereinander oder im ganzen Buch wiederholt werden, oder manche Gedanken auch mal nicht zuende geführt oder von anderen Gedanken unterbrochen werden.
Das klingt jetzt alles so, als könnte man der Autorin nur schwer folgen, was anfangs auch durchaus zutrifft. Sobald man sich aber erst einmal daran gewöhnt hat, sorgt dieser Stil nur dafür, dass man noch stärker ans Buch gefesselt ist als ohnehin schon, da man eben aus erster Hand miterlebt, wie es Red gerade geht.



Fazit:
„Die Chroniken von Rotkäppchen: Allein im tiefen, tiefen Wald“ ist nicht „gruselig“ im klassischen Sinne, aber die Grundstimmung ist durchweg bedrückend und unangenehm, man ist die ganze Zeit angespannt und kann sich nur schwer von den Seiten lösen.
Die Autorin schreibt so, wie die Protagonistin denkt, was anfangs etwas gewöhnungsbedürftig ist, aber dann dafür sorgt, dass man sich umso besser in sie hineinversetzen kann.
Das Ende ging mir allerdings dafür, dass zuvor jedes Detail beschrieben wurde, viel zu schnell. Da hätte ich es besser gefunden, wenn die Autorin das anders eingeteilt hätte, deshalb den halben Punkt Abzug.
4,5/5 Lesehasen.

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