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Veröffentlicht am 18.01.2022

Inhaltlich völlig am Thema vorbei!

Der Chip
1

Vielen lieben Dank an den cbt-Verlag und das Penguin Random House-Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Das ...

Vielen lieben Dank an den cbt-Verlag und das Penguin Random House-Bloggerportal für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Das Cover gefällt mir ganz gut; es ist eine Platine, der Titel „Der Chip“ ist buchstäblich der Chip. Es ist sofort erkennbar, dass es sich hierbei um eine dystopische Geschichte handelt, in der technologischer Fortschritt eine Rolle spielt.


Meine Meinung:
Vorab kann ich zunächst einmal ganz klar sagen: Sowohl das Cover als auch vor allem der Klappentext wecken falsche Hoffnungen, denn die Problematik eines solchen Chips, um die es hier gehen soll, spricht der Autor so gut wie gar nicht an.

Natürlich wird beim Lesen deutlich, dass von dem Chip und der KI „Brain“ Gefahren ausgehen: Die Individualität und Freiheit des Einzelnen wird für das „große Ganze“ aufs Spiel gesetzt. Damit hinterfragt Theisen technischen Fortschritt und stellt den Leser vor die Frage, was er bereit wäre, dafür aufzugeben.
Allerdings geschieht all dies nur am Rande. Tatsächlich geht er nämlich kaum auf die Problematik ein. Die Bedrohung ist da, aber sie wird nicht aufgebaut oder weiterentwickelt, es wird nicht einmal ansatzweise erklärt, was in den letzten zehn Jahren auf der Erde passiert ist – lediglich, dass die durchschnittliche Erderwärmung den Schwellenwert von 2° C überschritten hat, wird angeschnitten –, wie es zur Entwicklung der KI gekommen ist, oder wie der Chip in der gesamten Menschheit verbreitet wurde. Erwähnungen von Elon Musk, Mark Zuckerberg oder dem Bitcoin sollten wohl eine Verbindung zur Gegenwart herstellen, sorgen stattdessen aber viel mehr dafür, dass der Eindruck eines verzweifelten und vor allem unausgereiften Versuchs an Gesellschaftskritik entsteht.


Eine andere Sache sind die „Unknown“, quasi Rebellen: Ihre Existenz wird angesprochen, man hätte so viel spannende Handlung mit ihnen erreichen können, aber für die Geschichte wesentlich sind sie nicht und man fragt sich, weshalb sie dann überhaupt erst erwähnt werden.
In all diesen Fragen bleibt der Leser im Dunklen, das Worldbuilding ist also praktisch nicht vorhanden.


Wenn die Entwicklung der Erde bis zum Jahr 2032 ausgelassen und ausschließlich auf die aktuellen Schwierigkeiten des Chips, und welche Wirkungen er auf die Bevölkerung momentan hat, eingegangen würde, könnte ich damit ja noch leben – ein Buch muss nicht unbedingt alle Fragen beantworten, Manches kann auch der Fantasie des Lesers überlassen sein. Aber das spricht der Autor, wie gesagt, eben auch nicht an. Man fragt sich, welche Bereiche des Lebens die KI einsehen und kontrollieren kann, welche Auswirkungen dies bspw. auf die Gesellschaft oder die (Welt-) Politik hat, oder wie der Alltag aussieht, aber diese Fragen werden nicht beantwortet; der Fokus bleibt auf der Schule und den Schülerinnen. Die KI wird nur immer wieder am Rande erwähnt, das Interesse des Lesers wird nicht befriedigt.

Stattdessen fragt man sich, ob der Autor seine Geschichte wirklich durchdacht hat. So wird zum Beispiel gesagt, dass „Brain“ alles sehen könne, aber trotzdem kann sich Kim nachts scheinbar unbemerkt über den Campus bewegen.
Diejenigen, denen noch kein Chip implantiert wurde, müssen ein Stirnband tragen, das einen Sensor – denke ich? So ganz wird auch das nicht erklärt – hat, mit dem die KI über die Person Daten sammeln und sie quasi überwachen kann. Wenn eine Person dann ein fremdes Stirnband trägt, ruft sofort jemand aus dem Headquarter von „BrainVision“, der Firma, die die KI programmiert hat, aus dem Silicon Valley an und hält der Person eine Predigt. Wenn jedoch Kim stattdessen stundenlang ohne Stirnband herumläuft, wird sie nur von den Lehrern nach dem Grund gefragt, aber andere Konsequenzen hat ihr Verhalten nicht.
So ganz passt das also alles nicht zusammen, und das sind nur zwei Beispiele.


Auch anderweitige Logikfehler finden sich im Buch: So befinden sich Kim und Levin gegen Ende des Buches in einer Verfolgungsjagd in einem Lüftungsschacht – die Szene ist genauso absurd, wie sie hier klingt; das Ganze hat ein bisschen an eine schlechte, konstruierte Hommage an „Kim Possible“ erinnert –, in dem es, wie man es sich auch vorstellt, so eng ist, dass beide sich auf dem Bauch robbend fortbewegen müssen – nur um dann ein paar Seiten weiter im selben Lüftungsschacht in eine Quasi-Prügelei verwickelt zu werden, wo Kim nicht nur genug Platz hat, jemandem ins Gesicht zu treten (das ginge mit viel Mühe ja auch noch im Liegen), sondern auch, sich auf allen Vieren zusammenzukrümmen?
Ein Logikfehler der anderen Art: Es wird an einer Stelle von der „uralten PlayStation 7“ gesprochen. Das Buch spielt 2032, die aktuelle Version der PlayStation ist die 5, die ca. zehn Jahre vor dem Zeitpunkt der Handlung erschienen ist. Rechnet man die Veröffentlichungszyklen der PlayStation hoch, ist es zwar gut möglich, dass 2032 eine 7 existiert, aber die ist dann noch relativ neu und eben nicht „uralt“. Für den Plot ist das jetzt nicht weiter wichtig, aber es fällt eben doch auf, dass das nicht zuammenpasst.
Ich könnte noch weitere Beispiele nennen, aber das würde die Rezension sprengen.


Ähnlich störend und angesichts der Tatsache, dass viel Wichtiges ausgelassen wurde, sind im Übrigen Szenen, die nicht nur in dem Moment des Lesens sondern auch im Nachhinein völlig irrelevant für die Geschichte sind.
So liest man zum Beispiel an einer Stelle, wie Kim früh morgens in der Kantine ihr Frühstück isst, dabei eine (im Übrigen seltsame, von Werwölfen mit Karies handelnde – wozu die Info??) Serie schaut, dann wieder auf ihrem Zimmer ins Bett geht und für weitere zwei Stunden schläft. Was hat diese Szene mir gebracht? Genau: nichts.

Oder es werden Details angesprochen, die im jeweiligen Moment vielleicht wie Foreshadowing wirken, die aber im Nachhinein gar nicht mehr aufgegriffen werden und so einfach sinnlose Infos sind, die die Handlung nicht weiter voranbringen. Am prägnantesten aufgefallen sind mir da der Käfer an der Weide, der gleich an zwei unterschiedlichen Stellen von verschiedenen Figuren erwähnt wird, und die Sache mit dem Skarabäus, der gleich seiner Bedeutungslosigkeit irgendwann doch tatsächlich einfach so verschwindet (was die Protagonistin übrigens zwar sogar merkt, ihr aber offenbar völlig egal ist).


Ebenso unwichtig: Die Häufigkeit, mit der die Protagonistin duschen geht oder einfach nackt ist. Erstmal: Wer geht bis zu dreimal am Tag duschen?
Zweitens: Wieso muss das erwähnt werden, wenn es für die Handlung in dem Moment völlig irrelevant ist?
Drittens: Warum ist Kim, eine
Fünfzehnjährige*, wohlbemerkt, so häufig nackt oder fast nackt?
Mir ist bereits zu Anfang aufgefallen, dass der Autor, wenn er seine Figuren – die Jungen wie auch die Mädchen, vor allem aber seine Protagonistin – beschreibt, sehr körperfixiert schreibt. Im Laufe der Geschichte kommt es dann immer wieder zu Situationen, in denen man beim Lesen den Eindruck bekommt, der Autor habe ein irgendwie verschobenes Verhältnis zur Nacktheit, so oft, wie Kim sich auszieht, und zwar nicht nur dann, wenn sie duschen geht (dann aber auch).

Am sinnfreisten ist mir die Szene in Erinnerung, in der sie bei Levin im Zimmer ist und sich draußen Lehrer ankündigen, die wissen wollen, wer warum im Nebenzimmer eingebrochen ist. Levin befiehlt ihr daraufhin sich auszuziehen und sich in ihr Bett zu legen. Okay, man könnte denken, sie soll so tun, als wäre sie mit ihm zusammen gewesen. Das an sich ist nicht ungewöhnlich, wenn auch je nach Sichtweise vielleicht ein bisschen unpassend für Figuren in ihrem Alter. Sie versteckt sich dann aber völlig unter der Decke, nicht einmal ihr Kopf ist für die Lehrer zu sehen – das hätte sie aber doch genauso gut angezogen tun können! Wieso ist es dann wichtig zu erwähnen, dass sie sich auszieht???

Weder in dieser noch in allen anderen Szenen, in denen Kim nackt ist (oder duscht), ist das für die Geschichte in irgendeiner Weise notwendig, schonmal gar nicht in Anbetracht ihres Alters!


Solche Situationen erschweren jedenfalls das Lesen, das ohnehin schon durch den wirren, teils zusammenhangslosen Schreibstil des Autors nicht angenehm ist.
Nicht nur, weil er Vieles schlicht nicht erklärt, fällt es einem oft schwer, der Handlung zu folgen, sondern weil er stets von Höcksken auf Stöcksken kommt. Er legt auf den 200 Seiten durchgehend ein viel zu rasantes Erzähltempo an den Tag und springt von einem Punkt zum anderen, ohne dass man beim Lesen nachvollziehen kann, wie es denn jetzt genau dazu gekommen ist. Für das gesamte Buch wäre es wohl gut gewesen, wenn Theisen mindestens 100, vielleicht sogar eher 200 Seiten mehr geschrieben hätte, auf denen er Handlungsstrukturen, die Hintergründe der Welt oder auch die Protagonisten erklärt und ihnen auch die Zeit gibt, sich zu entwickeln.


Denn das fehlt dem „Chip“ ebenfalls: Figuren, die greifbar werden, die man nachvollziehen kann, die sich entwickeln. Am stärksten fällt das natürlich bei der Protagonistin Kim auf, die man wohl am besten mit „Fähnchen im Wind“ beschreiben kann. Sie wechselt vor allem zu Beginn fast durchgängig die Seiten, ändert gefühlt alle drei Sekunden ihre Meinung über „BrainVision“, Julian oder Levin. Dann plötzlich wird sie von jetzt auf gleich von der Mitläuferin zur Rebellin, entliebt sich mir nichts, dir nichts von ihrem aktuellen Freund Julian, weil sie sich Hals über Kopf in Levin verliebt hat.
In all dem ist wirklich NULL Entwicklung zu sehen, es passiert alles einfach ohne Vorwarnung. Dementsprechend wenig kann man ihre Handlungen und ihr Verhalten dann natürlich nachvollziehen.

Das beschränkt sich leider nicht nur auf Kim, auch die anderen Figuren sind ähnlich ohne Substanz. Die Jugendlichen werden ausnahmslos rückgrat- und meinungslos dargestellt, leicht manipulierbar, mit instabilen, fast schon bipolar anmutenden Emotionen. Keiner der Schüler hat wirklich einen greifbaren Charakter, im Gegenteil kann man sie alle ohne Weiteres in bestimmte Schubladen stecken, und in genau den gleichen Schubladen denken sie auch.
Es ist wohl kennzeichnend für die Relevanz der Figuren, dass ich durchweg Schwierigkeiten hatte, mir die Namen der Figuren sind. Wie unwichtig vor allem alle Nebenfiguren hier sind, ist anscheinend auch dem Autor bewusst, da mittendrin eine Figur tatsächlich einfach nicht mehr da ist, weil sie genauso aussehe, rede und sich kleide wie eine andere Figur. Ähm…???

Auch die Erwachsenen bleiben nicht greifbar und austauschbar. Am meisten enttäuscht bin ich von Kims Opa, der durchaus das Potenzial gehabt hätte, sich zu einer spannenden, mächtigen Figur zu entwickeln. Ähnlich wie auch die Problematik um den Chip und die KI wird er aber bis zum Schluss nicht zum Zentrum der Handlung; in Erzählungen ist er zwar da, aber er trägt nichts Wesentliches bei, bis er am Ende dann als deus ex machina auftaucht und alle Probleme mit einem metaphorischen Fingerschnippen löst und dann ist das Buch zuende und alles ist gut. Hm ja, enttäuschend oder?



Fazit:
„Der Chip“ war ein Flop, so klar muss ich das hier sagen. Der Klappentext verspricht eine spannende Verschwörung, eine gesellschaftskritische Auseinandersetzung mit technischem Fortschritt und ein dystopisches, düsteres Setting.
Was man bekommt, ist stattdessen eine seltsame Internatsgeschichte mit einer extrem wankelmütigen Protagonisten und ähnlich instabilen Nebenfiguren, einem völlig verschobenen Fokus auf für den Plot irrelevante Dinge statt der eigentlichen Problematik, unausgereiftes bis gar nicht vorhandenes Worldbuilding, insgesamt eine wirre Handlung, der man nur schwer Folgen kann, und schließlich eine für ein Jugendbuch, in dem die Protagonistin selbst erst 15 Jahre alt ist, völlig unangemessene Häufigkeit an sinnloser Nacktheit.
Die Idee hinter „Der Chip“ ist super, die Umsetzung aber unterirdisch. Es gibt ganz wohlwollende 1/5 Lesehasen mit Tendenz nach unten.

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  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 29.05.2022

Das war nicht gut lol (0 Sterne)

Heartless Dynasty - Der Erbe
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Vielen lieben Dank an den Lyx-Verlag und die #bloggerjury für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Also, wie ihr vielleicht ...

Vielen lieben Dank an den Lyx-Verlag und die #bloggerjury für das Rezensionsexemplar!
Meine Rezension spiegelt selbstverständlich trotzdem meine ehrliche Meinung wider.

Aufmachung:
Also, wie ihr vielleicht wisst, bin ich ja kein Fan von Personen auf dem Cover, und dieses hier ist auch das perfekte Beispiel dafür, warum das so ist: Der Blick des Herrn ist soooo unangenehm! xD
Ich bin froh, dass das Buch nur als ebook erhältlich ist, insofern ist das ja nicht weniger schlimm – zumal bei dem Cover auch irgendwie sofort klar ist, dass es sich hier um Adult Romance handelt (auch wenn der Gute angezogen ist – immerhin das!).
Gut gefällt mir allerdings der dunkelrote Hintergrund und die goldenen Schnörkeleien am Rand. Das gibt dem Cover etwas Royales, was ja durchaus zur De Loughrey-Dynastie passt.


Meine Meinung:
Uff. Wo fange ich nur an? Vielleicht mit dem Offensichtlichen: w t f ?!
Das Buch ist schlecht. Keine Leseempfehlung.

Ich habe mich nach Beenden bereits in meiner Instagramstory über all die Gründe ausgelassen, aus denen ihr dem Buch möglichst fernbleiben solltet, dabei fing es gar nicht mal soooo schlecht an.
Gut, der Prolog besteht quasi nur aus einer seitenlangen Sexszene, die noch dazu nicht mal gut und ohne jegliche Emotionalität, Sexiness oder Spannung geschrieben ist und in der eigentlich nur auf alle erdenklichen Weisen geschrieben wird, dass Atticus Ophelia nimmt (nicht wie, dazu gleich noch mehr). Das fand ich schon sehr cringe und etwas bedenklich, eigentlich hätte mir da bereits ein Licht aufgehen müssen.
Allerdings bin ich von vornherein nicht mit sonderlich hohen Erwartungen ans Buch gegangen – ich wollte nur ein bisschen Smut und hätte dafür sogar auf Plot oder Charakterentwicklung verzichtet. Also hatte ich nach diesem seltsamen Prolog noch die Hoffnung, dass meine fast schon unterirdisch niedrigen Erwartungen an „Heartless Dynasty“ noch erfüllt würden.

Tja. Zum einen: Das war die einzige Sexszene im Buch, wenn man mal von einer höchst bedenklichen Situation, die eigentlich keine Sexszene ist, (auch dazu gleich noch mehr) absieht. Also selbst meine einzige, in dem Genre eigentlich wirklich nicht so schwer erfüllbare Erwartung wird hier enttäuscht!
Zum anderen ist der Rest des Buches nicht einfach nur schlecht geschrieben, sondern auch inhaltlich echt nicht gut.


Fangen wir aber mal mit dem Harmlosesten an: dem Schreibstil der Autorin. Ich selbst schreibe keine Geschichten, aber durch die unzähligen Bücher, die ich bereits gelesen habe, sowie Autorentipps-Posts auf Instagram, die ich mir gerne mal durchlese, weiß selbst ich von einer goldenen Regel, die Geschichten um so viel besser machen, wenn man sie einhält, weil der Leser das Geschriebene dann viel leichter nachempfinden kann: Show, don’t tell – also dass man nicht darüber schreiben soll, dass etwas passiert oder eine Figur so ist, sondern beschreiben soll, wie es dazu gekommen ist, wie die Figur sich fühlt, wie andere sie wahrnehmen etc. Das gibt dem Geschehen und den Figuren viel mehr Tiefe und Greifbarkeit, man kann sich als Leser leichter fallenlassen und das wiederum sorgt dafür, dass man beim Lesen vergisst, dass man liest.

Und genau das macht die Autorin nicht.
Sie sagt, dass Atticus der heißeste, begehrteste Junggeselle der Stadt ist, sie sagt, dass er sexy ist usw. Er gibt aber keinen Anlass dafür, dass man der Autorin auch glaubt, dass er wirklich so sexy ist! Im gleichen Stil beschreibt sie auch die Sexszene im Prolog, ohne jegliches Gespür für Sinnlichkeit; trotz der ersten Person kommt man sich dadurch als Leser dabei vor wie ein gruseliger Voyeur, der das Geschehen von oben beobachtet. Show, don’t tell beherrscht Lynn nicht.

Darüber hinaus hätte sie sich bestimmt gut 200 Seiten sparen können (was bei einem 350 Seiten-langem Buch über den restlichen Inhalt auch viel aussagt), wenn sie nicht in gefühlt jedem zweiten Satz gesagt hätte, dass Atticus so heiß und sexy und begehrt ist.
Genauso oft betonen Atticus und Ophelia im Übrigen, dass Ophelia ja ✨ nicht wie alle anderen ✨ ist – warum mich dieser Satz jedes Mal hart genervt hat, müssen wir hier wohl auch nicht weiter ausführen –, und alle möglichen Vorgänge, Gedanken oder Handlungen der Protagonisten beschreibt sie in einem Absatz in gefühlt 467 verschiedenen Formulierungen. Hier ein Beispiel:

„Ich hatte nichts versprochen, hatte meine Gefühle nicht offengelegt, obwohl sie da waren – knospend und neu. Ich würde es nicht wagen, sie ihr zu offenbaren, aber ich konnte nicht leugnen, dass sie vorhanden waren. Ich wollte mehr von ihr, hielt diesen Wunsch aber im Zaum.“ (S. 182/240 im ebook)

Okay, also er findet sie toll, will ihr das aber nicht sagen, und das muss er ganze drei Mal betonen. Das habe ich aber auch schon beim ersten Mal verstanden.
Über solche Stellen bin ich beim Lesen häufiger gestolpert, und während es nach einem oder vielleicht auch nach zwei Malen vielleicht noch durchs Lektorat gerutscht sein könnte, zeugt das bei der Häufigkeit, mit der diese Passagen hier auftreten, von einem schlechten, übertrieben pathetischen Schreibstil, dem ich nichts abgewinnen kann.

So viel also zum bloß nervigen Teil des Buches.


Was mich aber fast schon wütend gemacht hat, ist die Art, wie die Autorin mit der Toxizität der Beziehung zwischen Ophelia und Atticus umgeht, und der Reproduktion von Misogynie.


Zum einen sind alle Frauen neben Ophelia in dieser Geschichte Feindbilder und Konkurrenz für sie, selbst Atticus‘ lesbische Sekretärin, die aus offensichtlichen Gründen ja nun wirklich kein Interesse an Atticus hat (gut für sie) – das weiß Ophelia zwar nicht, aber warum empfindet es die Autorin dann als notwendig, die Sekretärin zu einem solchen Feindbild zu machen?
Es dreht sich ausnahmslos alles um Atticus und seine Sexiness; ständig wird über ihn geredet, getuschelt oder Ophelia dafür niedergemacht, dass sie es (als arme Frau) geschafft hat, den super sexy, reichen Atticus zu heiraten. Keine einzige weibliche Frau in diesem Buch hat darüber hinaus einen weiterreichenden Zweck (weshalb ich auch den Namen der Sekretärin sowie aller anderen weiblichen Figuren vergessen habe).

Ophelia hat im Übrigen auch keine einzige richtige Frauenfreundschaft (oder überhaupt Freundschaften). Allerdings ist Ophelia ja auch ✨ nicht wie alle anderen ✨, sie könnte vermutlich also sowieso nichts mit den typischen girls anfangen.
Man sollte meinen, „Heartless Dynasty“ sei von einem alten, weißen Mann, der normalerweise Drehbücher für US-amerikanische Actionfilme mit einem weißen, männlichen, super sexy Helden und einer Jungfrau in Nöten, die er rettet und später heiratet, und die ihm dann Kinder gebärt (was im Übrigen auch Ophelias Zweck ist), schreibt, so viel Sexismus findet man hier auf den 350 Seiten.


Zum anderen ist Atticus ein gigantischer, frauenfeindlicher Arsch. Und Ophelia hat entweder Entschuldigungen für sein asoziales Verhalten, oder sie findet es doch gar nicht so schlimm, denn so ist er halt, hihihi.
Meine Güte. Ich weiß gar nicht, wie ich euch meine Fassungslosigkeit über die überromantisierende Art, wie die Autorin die Toxizität in ihrem Buch übergeht, begreiflich machen soll!
Grundsätzlich, das sage ich immer wieder, können toxisches Verhalten oder toxische Beziehungen in Büchern sehr unterhaltsam sein, vor allem in einem (quasi-) royalen Setting wie diesem hier mit einer reichen Familie, die viel mehr Macht besitzt als sie sollte, und diese auch gut und gerne missbraucht – siehe L. J. Shen. Auch „Heartless Dynasty“ hätte eine schön trashige, verdrehte und schmutzige Cinderella-Story sein können, wenn die Autorin nicht jedes Mal Entschuldigungen für übergriffiges Verhalten seitens Atticus gefunden hätte. Wirklich jedes. Verdammte. Mal.

Der Typ ist einfach extrem besitzergreifend, herrisch und kommandiert Ophelia ausnahmslos herum. So hat er bspw. über ihren Kopf hinweg einfach ihren Job gekündigt, weil sie als seine Frau ja jetzt nicht mehr arbeiten muss, er ist schließlich super reich und super sexy. Ob sie vielleicht arbeiten will, spielt für ihn keine Rolle.
Er befiehlt ihr, ihre Frisur und ihren kompletten Kleidungsstil zu ändern, weil sie als seine Frau für ihn nicht reich genug aussieht, schließlich muss sie als sein Accessoire zu ihm und seiner Sexiness passen. Hier mal zwei kleine Zitate an dieser Stelle:

„‚Wir müssen dir morgen neue Kleider besorgen. Ich kann nicht zulassen, dass meine Verlobte so Pennerin herumläuft‘“ (S. 121/240 im ebook)

„‚Ich kenne außerdem deine Kreditkartenabrechnung, weiß um deine wachsenden Schulden und sehe, dass du dringend einen guten Haarschnitt brauchst und nicht den Fünf-Dollar-Topfschnitt, den du gegenwärtig zur Schau stellst.‘ […] ‚Und da wir schon mal beim Thema Haare sind, du wirst sie dir, sobald wir jemanden damit beauftragt haben, diesen übertrieben maskulinen Schnitt geziemend zu korrigieren, wachsen lassen‘“ (S. 122f./240 im ebook)

Ich lüge nicht! Das hat er wirklich 1:1 zu Ophelia gesagt! Er hat sie ganz ernsthaft einfach zu arm und zu hässlich genannt, um würdevoll an seiner Seite zu stehen, und ihr darüber hinaus einfach einen Teil ihrer Identität (denn Kleidung und Haarschnitt sind ja nunmal Ausdruck der Identität) abgesprochen. Auf die vielen anderen Punkte, die mir allein im zweiten Zitat sauer aufstoßen, gehe ich einfach mal nicht weiter ein, ihr könnt es euch sicherlich denken.

Hinzu kommt, dass er ihr auch noch verbietet, das Haus ohne einen Bodyguard zu verlassen. Hallo? Das grenzt an Freiheitsentzug?

Und ihre Reaktion auf all das? Sie schimpft ein bisschen mit ihm, woraufhin er seine Sexiness und seine Macht und seinen Reichtum spielen lässt und böse wird. Dann lässt sie das Thema sofort fallen und wehrt sich nicht gegen seine Befehle. Er behandelt sie wie einen Gegenstand oder einen Hund, und sie lässt es mit sich machen. Denn so ist er halt. Er will sie ja ✨nur beschützen✨, von daher ist es okay.

Versteht ihr mein Problem??????? Sie lehnt sich ein kleines bisschen gegen ihn auf, vollführt dann aber beim kleinsten Anzeichen von Gegenwind seitens Atticus‘ eine 180°-Wende; es scheint fast, als sollte ihr Pseudo-Protest das Alibi für Atticus‘ unmögliches, sexistisches, übergriffiges Verhalten sein, denn wenn sie sich dagegen wehrt, dann sind sie ja ebenbürtig, oder? Dass aber genau das gerade nicht der Fall ist, wird immer wieder nur allzu überdeutlich! Sie versucht nicht einmal, standhaft zu bleiben. Es ist aber auf der anderen Seite auch nicht so, als sei sie sich des Machtgefälles bewusst, oder als sollte der Leser darauf hingewiesen werden, dass dem so ist, da sie für sein Verhalten immer wieder Entschuldigungen findet.
Sie bedankt sich bei ihm stattdessen sogar für ganz grundlegenden Anstand, mit dem er ihr eigentlich alleine deshalb schon begegnen sollte, weil sie ein Mensch ist!!! Das sagt sie ihm sogar fast wörtlich:

„‚Ich danke dir.‘
‚Wofür?‘
‚Dafür, dass du es mir erklärt und mich nicht von oben herab behandelt hast.‘“ (S. 144/240 im ebook)

Ich bin ja schon eine Verfechterin für Höflichkeit und man kann sich ruhig hin und wieder für ein paar Nettigkeiten des Gegenübers bedanken, aber man bedankt sich nicht für das Mindestmaß an Respekt, mit dem man allein aus dem Grund, dass man selbst ein Mensch ist, verdient hat, dass andere Menschen einem begegnen! Es liegt in der Würde eines jeden Menschen, mit Respekt behandelt zu werden, und dass es hier so dargestellt wird, als sei Atticus ein Ritter in weißer Rüstung, wenn er sie ihrem naturgegebenen Recht gemäß behandelt, ist einfach falsch, und das wird hier nicht deutlich!


Den Höhepunkt erreicht die ganze Toxizität, als er neben der schlafenden Ophelia liegt, sich nicht im Griff hat, und sich noch während sie schläft auf sie legt und sich zwischen ihre Beine schiebt! Als sie davon wach wird, sagt er Folgendes:

„‚Du wirst mir nachgeben, und verdammt, du wirst es genau jetzt tun‘ […] ‚Gib nach, Ophelia. Ich weiß, dass du es genauso sehr willst wie ich.‘“ (S. 183/240 im ebook).

Während sie schläft, kann sie offensichtlich keinen Consent geben, und sobald sie dazu fähig wäre, drängt er sich ihr auf und gibt ihr gar keine Chance, sich zu weigern! Das ist (versuchte) Vergewaltigung, ffs.
Ophelias Reaktion? Sie tritt ihm zwar zwischen die Beine – das fand ich zuerst gut –, ein paar Seiten später findet sie das dann aber doch ganz heiß. Da war ich dann doch wieder fassungslos und habe mich verarscht gefühlt. Was ist das bitte für eine Aussage!?


Ganz abgesehen davon, dass also Atticus‘ falsches Verhalten jedes Mal relativiert und meistens sogar romantisiert wird (er ist schließlich super sexy), bekommt Ophelia durch ihr ständiges Hin und Her auch einen völlig inkonsistenten Charakter. Sie findet sein Verhalten eigentlich doof, aber dann doch gut. Was denn jetzt? Wieso ändert sie jedes Mal so schnell wieder ihre Meinung? So kann ich ihre Pseudo-Abwehr gar nicht ernstnehmen.
Gekrönt wird das dann vom Ende, als etwas passiert, dass dafür sorgt, dass sie Hals über Kopf wegläuft. Warum so plötzlich? Warum ausgerechnet erst dann? Warum nicht schon vorher, was hat sich jetzt geändert? Das habe ich wirklich nicht verstanden.


Ich habe jetzt gerade viel zu schlechte Laune, da ich schon wieder viel zu viel über dieses Buch nachdenke, also will ich meinen Rant mit wenigen Worten zum Plot abschließen:
Gibt’s nicht. Es gibt keinen Plot, es passiert einfach nix. Zugegeben, das habe ich auch eigentlich nicht anders erwartet, wie ich eingangs ja schon geschrieben hatte. Aber dafür, dass es dann auch keine einzige weitere Sexszene gibt, finde ich die Tatsache, dass Atticus (neben den Verboten, die er gegenüber Ophelia ausspricht) über 350 Seiten erklärt, dass seine Familie mindestens so anstrengend ist wie er sexy, ohne dass man jemals Einblicke in seine Arbeit oder seine Familie bekommt, doch schon sehr mager.
Hier wären wir, um den Kreis zu schließen, auch wieder beim Thema Show, don’t tell: Die Autorin sagt die ganze Zeit, dass es eben so ist, aber warum Atticus solche Schwierigkeiten hat, seine Familie zu kontrollieren (komisch eigentlich, bei Ophelia fällt es ihm doch so leicht), weiß ich bis heute nicht.
Auf der anderen Seite macht er ja auch nix außer sexy aussehen, also vielleicht liegt’s daran.


Fazit:
Das war nicht gut.
Habe noch nicht mal viel erwartet, wollte eigentlich nur ein bisschen Smut. Aber selbst die einzige Sexszene in diesem Buch war cringe. Darüber hinaus ist Atticus einfach nur ein Idiot, Ophelia findet ständig Entschuldigungen für sein übergriffiges, sexistisches und schlicht unmögliches Verhalten und ist darüber hinaus auch noch dankbar dafür, wenn er sie ausnahmsweise mal nicht von oben herab oder wie einen Gegenstand behandelt. Ich habe nicht per se was gegen toxische Geschichten, aber wenn das Ganze wie hier romantisiert oder entschuldigt wird, habe ich daran keinen Spaß 🤷🏻‍♀️
Darüber hinaus hätte sich die Autorin sicherlich gut 200 Seiten sparen können, wenn sie nicht ständig alles hundertmal wiederholt hätte.
Auf allen Plattformen, auf denen ich einen Stern geben muss, bekommt dieses Buch diesen einen Stern, aber eigentlich hat’s halt nix verdient.
0/5 Lesehasen, lasst es einfach sein.

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