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SofieWalden

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.03.2022

Eigentlich ist jeder anders, aber einige eben ein bisschen mehr und 'Glück ist fast immer möglich'

Mongo
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Vorab, Harald Darer hat eine Geschichte über einen jungen Mann geschrieben, der anders ist. Dieser hat Trisomie 21 und daher heißt dieser Roman 'Mongo'. Moment mal, möchte man sagen, das geht doch nicht, ...

Vorab, Harald Darer hat eine Geschichte über einen jungen Mann geschrieben, der anders ist. Dieser hat Trisomie 21 und daher heißt dieser Roman 'Mongo'. Moment mal, möchte man sagen, das geht doch nicht, denn in unserem Sprachgebrauch wird dieses Wort geringschätzlich, geradezu verächtlich, inzwischen allerdings nicht nur für Menschen mit dieser Einschränkung verwendet. Doch Darer, genau mit dieser Reaktion konfrontiert, er hat diesen Titel bewusst gewählt. Denn seine Intention bei diesem Buch ist genau dies, den Vorurteilen und der Verächtlichkeit, die dieses Wort ausdrückt, entgegen zu wirken.
Harry und Katja werden Eltern. Doch die spontane Freude weicht der tiefen Sorge um eine mögliche Behinderung des ungeborenen Kindes, denn Katjas Bruder Markus ist mit Trisomie 21 auf die Welt gekommen. Da ist für Katja einerseits die große Liebe zu ihrem Bruder, diesem Menschen, der seinen ganz eigenen Weg durchs Leben gefunden hat, der so gerne lebt und den Leuten um sich herum sehr offen, aber auch durchaus fordernd entgegen tritt. Da ist aber auch dieses Gefühl von Schwere, das sie als Kind, durch eben diese familiären Gegebenheiten, empfunden hat.
Aber letztendlich ist es Harry, dessen gedankliche Auseinandersetzung mit diesem Thema wir als Leser begleiten dürfen. In Rückblenden erinnert er sich an das Kennenlernen von Markus, an Erlebnisse mit ihm, die ihn sehr berührt haben und die schön und 'wichtig' waren. Er stellt sich der Möglichkeit, dass auch sein Kind anders sein könnte und geht Wege, die schon 'sehr konsequent' sind, in seiner selbst gewählten Aufarbeitung. Aber das alles ist sehr nachvollziehbar und wirkt auch sehr authentisch, zumal dieser Harry der Person des Autors selbst, so wie ich es verstanden habe, sehr nahe kommt.
Ein Buch mit vielen Facetten zu einem Thema, das der Titel der Geschichte eindeutig auf dem Buchdeckel präsentiert. Ich hätte mir gewünscht, diese unverschnörkelte Fokussierung auch in der Geschichte selbst genauso vorzufinden. Das war, in der erwarteten Intensität, nicht ganz der Fall. 'Mongo' ist gut, man lebt mit und es wird ehrlich um Erkenntnis gekämpft, für sich selbst und natürlich auch für uns, seine Leser.
Ein, mein kleines Aber bleibt. Eine bemerkenswerte Leseerfahrung ist es auf jeden Fall.

Veröffentlicht am 25.03.2022

Literatur mit Anspruch, sprachlich und darüber hinaus

Den Wölfen zum Fraß
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Tituliert mit dem Genre Kriminalroman wird hier eine Geschichte erzählt, die auf einer wahren Begebenheit beruht, in Großbritannien bekannt als der sogenannten 'Yeates-Jefferies-Affäre'.
Eine junge Frau ...

Tituliert mit dem Genre Kriminalroman wird hier eine Geschichte erzählt, die auf einer wahren Begebenheit beruht, in Großbritannien bekannt als der sogenannten 'Yeates-Jefferies-Affäre'.
Eine junge Frau wird tot aufgefunden, ermordet und erste Ermittlungen führen zu einem Tatverdächtigen, einem ehemaligen Lehrer des Chapelton Colleges. Der pensionierte Mann ist ein eher exzentrischer Einzelgänger, war aber bei den Schülern mit seiner unkonventionellen und diesen durchaus zugewandten Art recht beliebt. Und einer von ihnen war Amber, der nun, 30 Jahre später, seinem ehemaligen Lehrer am Verhörtisch gegenüber sitzt und im Gegensatz zu den Medien, die eine beispiellose Hetzkompagne gegen ihr 'Opfer' starten, nicht an dessen Schuld glauben kann. Und so macht er sich daran, den wirklichen Mörder zu finden.
Dieser Roman ist nicht einfach nur ein Krimi, sondern er beschäftigt sich, neben der medialen Ausuferung bzgl. des mutmaßlichen Täters, auch sehr zeitkritisch mit dem damaligen britischen Schulsystem, deren Starrheit und Härte, gar Grausamkeit, hinter den altehrwürdigen Mauern der Bildung. Und dann geht es hier, als sehr prägentem Element, auch um die Sprache. Schon nach wenigen Sätzen wird man sich bewusst, dieser Schreibstil, diese präzise, bildhafte Wortgestaltung, da kann man unumwunden von Literatur sprechen. Und gerade weil das geschriebene Wort hier von hoher Güte ist, muss man sich als Leser erst einmal 'daran gewöhnen' und die Geschichte zum Fließen bringen. Und genau das ist dann leider auch das Problem. Es bleibt teilweise schon etwas mühsam, das Darüberlesen und das tut auch dem Miterleben der Handlung nicht gut. Hier wäre tatsächlich weniger mehr gewesen, aber wenn man es kann und der Autor kann es definitiv, dann seine sprachlichen Ansprüche an sich selbst herunterzufahren, das ist wohl eher schwierig zu bewerkstelligen.
Aber trotz dieses 'Hakens', das ist ein außergewöhnlicher Kriminalroman mit hoher sprachlicher Qualität. Und man kann sich damit arrangieren und auch ein wenig herausgefordert fühlen.
Also dann, durchaus empfehlenswert.

Veröffentlicht am 14.03.2022

Hier ist der Krimi nur ein Teil des Ganzen

Ostfriesensturm
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Ein neuer Fall für Kommissarin Ann Kathrin Klaasen. Ihr Ermittlerteam hat ja schon viele Untiefen ausgelotet, natürlich immer mit viel Regionalkolorit, einer ordenlichen Meeresbrise und originellen Gestalten, ...

Ein neuer Fall für Kommissarin Ann Kathrin Klaasen. Ihr Ermittlerteam hat ja schon viele Untiefen ausgelotet, natürlich immer mit viel Regionalkolorit, einer ordenlichen Meeresbrise und originellen Gestalten, ganz vorne weg die eigene Mannschaft mit Ehemann Kommissar Frank Weller und dem Kollegen Rupert mit seiner ganz eigenen Art. Auch dieses Mal gibt es natürlich einen Mord, mehrere sogar und die Krimihandlung nimmt ihren Lauf. Aber und das ist hier anders, der Fall an sich ist nicht so sehr das, was dieses (Hör)-Buch ausmacht. Als erstes, hier tritt der Autor Klaus-Peter Wolf selbst in Erscheinung, denn er liest dieses Hörbuch vor. Man merkt sofort, er ist in dieser Beziehung kein Profi, aber das ist auch gar nicht so schlimm, denn dadurch kommt die Geschichte auch ein wenig anders rüber. Das ist wohl auch so gewollt, denn ein Teil der Erzählung ist für den Autor eine sehr persönliche Angelegenheit. Er gibt hier erstmals preis, wie seine eigenen Kindheit als Sohn eines Alkoholiker verlaufen ist, sehr detailliert, sehr verzweifelt und für die Leser sehr berührend, stellvertretend durch einen seiner Protagonisten erzählt. Und dann spielt die Geschichte zu Beginn des 1. Corona-Lockdowns. Alles ist geschlossen, die Urlauber müssen nach Hause fahren. So richtig den Ernst der Lage hat man wohl zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfasst. Das nun so zeitnah wieder zu erleben, gerade auch, weil die Pandemie auch jetzt noch so gar nicht ausgestanden ist, das macht schon 'komische Gefühle'. Aber diese Zeit gehört nun mal dazu und irgendein Autor musste wohl einmal 'damit anfangen'. Und die Geschichte selbst, sie öffnet viele Türen, hinter denen man Menschen findet, die ein verdammt hartes Päckchen zu tragen haben und das hat nicht immer wirklich etwas mit dem Krimi an sich zu tun.
Mir hat das gefallen und so kann ich diesem Buch auch viel positives abgewinnen, denn den Krimi selbst fand ich eher nicht gelungen und das recht offene Ende verstärkt diesen Eindruck noch.
Also, dies ist ein Hörbuch so richtig zum Zuhören und sich mitnehmen lassen, wie ein langer Spaziergang am Strand. Ob das beim Lesen auch so funktioniert, ausprobieren. Hier passt es auf jeden Fall gut.

Veröffentlicht am 15.02.2022

Eine reiche unbeschwerte Jugend und dann beginnt das Erwachsenwerden

Die Gezeiten gehören uns
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San Francisco in den 1980er Jahren, hier in Sea Cliff, einem Viertel mit einer meist reichen Anwohnerschaft leben die beiden Freundinnen Eulabee und Maria Fabiola. In ihre Freizeit sind sie meistens mit ...

San Francisco in den 1980er Jahren, hier in Sea Cliff, einem Viertel mit einer meist reichen Anwohnerschaft leben die beiden Freundinnen Eulabee und Maria Fabiola. In ihre Freizeit sind sie meistens mit ihrer 4er Mädchenclique unterwegs und ihr jugendlich bestimmter Lebensinhalt beruht darauf, Spaß zu haben, aufzufallen und den Jungen den Kopf zu verdrehen. Als jedoch eines Tages ein Man in einem Auto nach der Uhrzeit fragt, macht Eulabees Freundin daraus etwas ganz anderes. Sie behauptet, der Mann hätte sexuelle Handlungen an sich vorgenommen. Eulabee ist verwirrt, verunsichert von Maria Fabiolas Lüge, aber sie hält der Versuchung, es sich leicht zu machen, stand und rückt nicht von dem tatsächlichen Sachverhalt ab. Das führt dazu, dass sie fortan ausgeschlossen ist von ihrer Clique. Und die schöne Freundin treibt ihr Spiel, andere manipulieren zu wollen, schon fast Macht über sie zu haben und selbst immer gut dazustehen, weiter. Aber Eulabee, sie ist in der Lage, die Dinge zu sehen, wie sie sind, zu reflektieren, was da gerade passiert und so wird diese Geschichte zu einem Comig-of-Age-Roman mit einer sehr interessanten Grundkonstellation, angenehm flüssig und passend zur Zeit geschrieben und sozusagen auf Augenhöhe zu den handelnden Personen.
Ein bzgl. seiner Thematik sehr ansprechendes Buch, das genau die Dinge anspricht, die dazugehören und das Ende ist wirklich gut gewählt.

Veröffentlicht am 14.02.2022

Ein einziger Satz und ganz viel Selbstreflexion

Das Vorkommnis
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Eine Begegnung auf einer Lesung, der Satz einer jungen Frau "Wir haben übrigens denselben Vater.", gerichtet an die Autorin, dieses Vorkommnis ist der Ausgangspunkt für diese autofiktional aufgearbeitete, ...

Eine Begegnung auf einer Lesung, der Satz einer jungen Frau "Wir haben übrigens denselben Vater.", gerichtet an die Autorin, dieses Vorkommnis ist der Ausgangspunkt für diese autofiktional aufgearbeitete, in der Ich-Form angelegte Geschichte und es bricht Gräben auf, nicht nur, verständlicherweise geschockt aus dem Moment heraus, für eine kurze Zeit des sich Sammelns und Sortierens. Nein, über Jahre begleitet die Ich-Erzählerin dieses Ereignis und es hat Folgen für sie selbst. An die Stelle von Gelassenheit und einem sicheren inneren und familiären Gefüge, in dem sie glaubte, fest verankert zu sein, treten Zweifel. Erinnerungen werden hochgeholt, die Gedanken gehen zurück zu ihrer Kindheit in Ostdeutschland, zu ihren Eltern und immer wieder wird auch das Konstrukt ihrer eigenen Familie und die Beziehung zu ihrem Ehemann durchleuchtet.
Ein Roman, der getragen wird von der Person der Autorin selbst. In ihr schwirren die Gedanken durch sämtliche Ritzen ihres bisherigen Seins und um sie herum dreht sich das Leben, das sich über die Jahre eben so anhäuft. Geschrieben in einer sehr flüssigen und präzisen Sprache, mit kleinen Nuancen von ins Sarkastische driftendem Humor, hat dieses Buch eine Menge zu bieten und die Selbstreflexion der Autorin überträgt sich unweigerlich auch in der einen oder anderen Form auf ihre Leser. Hier wird viel Gedankenarbeit geleistet, auch wenn die Buchdeckel schon geschlossen sind.