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SofieWalden

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.10.2020

Barbarottis sechster Fall und ein echter Nesser eben

Barbarotti und der schwermütige Busfahrer
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Nesser schreibt seine Kriminalromane, wie Meisterdiebe ihre Tat planen, durchdacht, präzise elegant und mit einer ganz eigenen künstlerischen Note. Und hier tut er es wieder.
Der Fall, auf den das inzwischen ...

Nesser schreibt seine Kriminalromane, wie Meisterdiebe ihre Tat planen, durchdacht, präzise elegant und mit einer ganz eigenen künstlerischen Note. Und hier tut er es wieder.
Der Fall, auf den das inzwischen auch privat verbandelte Ermittlerpaar Barbarotti und Backmann trifft, führt sie einige Jahre zurück in der Zeit, zu einem Busfahrer, der an einem Unfall beteiligt war, bei dem es mehrere Tote gab. Nicht nur, das diesen Mann die eigene Schuld niederdrückt, eine Art Racheengel hat beschlossen, Vergeltung zu üben. Und das tut dieser dann auch. Backmann war damals die Kommissarin, die das spätere Opfer um Hilfe gebeten hat. Und dieser von Schuld gebeutelte Mann, der kommt der Kommissarin auch ganz aktuell in den Sinn, denn auch sie ist schuld am Tod eines Menschen, weil sie die vermeintlich richtige oder vielleicht doch falsche Entscheidung getroffen hat. Und so entstehen zwei Erzählebenen, zwischen denen sich der Autor elegant hin und her bewegt und so für zusätzliche Kurzweil und Spannung sorgt. Auch sonst wird es nicht vergessen, das Spiel mit der Sprache, ein wichtiges Nesser-Merkmal, das so herrlich in den Ermittlerdialogen, die schon fast Duellen gleichkommen, seinen Ausdruck findet.
Dieses Buch hat alles, was es erlaubt, einem Krimifall auch wirklich die Bezeichnung Kriminalroman zuzugestehen, eine das Geschehen tragende Spannung, realistische unaufgeregte Ermittlerarbeit und 'menschliche Kontakte' mit viel Lebendigkeit.
Ein echter Nesser ist das eben, sehr zu empfehlen, natürlich auch für Neuzugänge.

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Veröffentlicht am 21.10.2020

Eine Frau reflektiert ihr Leben, in der Hoffnung auf ein lebendiges Morgen

Ada
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Ada ist eine Frau Mitte 40 und alles in ihr fühlt sich stumpf und bedrückend an. Sie hat schon jede Menge Leben hinter sich und trägt nun schwer daran. Und so beschließt sie, einen Therapeuten aufzusuchen ...

Ada ist eine Frau Mitte 40 und alles in ihr fühlt sich stumpf und bedrückend an. Sie hat schon jede Menge Leben hinter sich und trägt nun schwer daran. Und so beschließt sie, einen Therapeuten aufzusuchen und ihm ihr Leben zu erzählen, in der Hoffnung, so wieder neue Kraft und ein inneres Gefühl des Lebendigseins zu erlangen. Ada wurde am Ende des Krieges, 1945 geboren und hat ihre Kindheitsjahre zusammen mit ihrer jüdischstämmigen Mutter Sala in Argentinien verbracht. Als die beiden nach Berlin zurückkehren, sucht Sala wieder Kontakt zu Adas Vater und sie leben von nun an als eine Familie. Doch Adas Sehnsucht und Hoffnung auf Geborgenheit und vor allem mütterliche Wärme bleibt unerfüllt. Wenn überhaupt, wird ihr später geborene Bruder damit beschenkt. Nach dem Abschluss der Schule beginnt Ada zu studieren, versucht sich an Drogen und der freien Liebe und durchlebt die neuere Geschichte der Bundesrepublik, auf der westlichen Seite, mit Mauerbau, dem Aufblühen der deutschen Wirtschaft und der 68-er Bewegung.
Sie ist eine Suchende, nach ihren Wurzeln, nach der Geschichte ihrer Familie und damit auch ihrer eigenen. Aber ihre Fragen bleiben unbeantwortet, ihre Mutter möchte weder über ihre jüdische Herkunft noch über die Dinge reden, die in jungen Jahren ihr eigenes Leben geprägt haben. Ada kann diese Wand nicht durchbrechen und so wendet sie sich ab und sucht, mit kaltem Herz und kalter Seele verzweifelt nach etwas, wo sie die ersehnte Geborgenheit und ein Angekommen sein erleben darf, nach einer Familie.
Dieser Roman ist deutsche Nachkriegsgeschichte, stimmig und authentisch erzählt, durchtränkt von all den Gefühlen, Ängsten, Nöten und Verdrängungen, die unsere Gesellschaft durchzieht, bis heute. Mich hat diese Geschichte mitgenommen, in mehr wie einer Hinsicht. Diese niederdrückende Schwere, mit der Ada durchs Leben geht und so wenig Licht auf ihrem Weg, das kommt sehr beim Leser an. Aber natürlich, ohne wenn und aber, 'Ada' ist ein absolut gutes Buch, ein würdiger Nachfolger zu Christian Berkels erfolgreichem Erstwerk und ich bin mir sicher, da kommt noch mehr.

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Veröffentlicht am 14.10.2020

Lola, Bandenchefin mit vielen Facetten und treusorgende Mutter dazu

Capitana
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Lola ist die unangefochtene Chefin der Crenshaw-Six Gang in L.A. Sie beherrscht den Heroinhandel in ihrem Viertel und um hier den Ton angeben zu können, sind harte Bandagen gefragt. Dazu gehört es auch, ...

Lola ist die unangefochtene Chefin der Crenshaw-Six Gang in L.A. Sie beherrscht den Heroinhandel in ihrem Viertel und um hier den Ton angeben zu können, sind harte Bandagen gefragt. Dazu gehört es auch, dem ein oder anderen das Lebenslicht auszublasen und das macht sie auch durchaus selbst. Aber Lola ist mehr. Sie ist Mutter und Lucy heißt das adoptierte Mädchen, dem sie eine behütete Kindheit bieten will, mit einem sicheren Umfeld und einer guten Schulbildung dazu. Und auch für ihre Nachbarn und vor allem für misshandelte Frauen und Kinder hat Lola immer ein offenes Ohr. Gerade bei dem Versuch, diesen unter die Arme zu greifen, tritt sie den falschen Leuten auf die Füße. Mit einem mexikanischen Großkartell sollte man sich wirklich nicht anlegen, denn das ist eigentlich eine Nummer zu groß für Lola und ihre Gangfamilie. Aber nun gibt es kein zurück. Es geht es ums pure Überleben, für sie alle.
Capitana ist ein absolut packenderThriller, als gelungene Fortsetzung von Lola – 2019; aber auch ganz separat als eigenständige Geschichte kommt der Leser hier voll auf seine Kosten. Und durch die Präsenz und Vielschichtigkeit der weiblichen Hauptfigur, dem 'verdammt böse' und gleichzeitig von Ehrbarkeit und Fürsorge für ihre Lieben angetriebenen Handeln hat das Buch einen ganz besonderen Reiz und bietet zusätzliche Spannung, wo die Reise für sie denn hingehen wird.
Tolle extrem kurzweilige Unterhaltung mit einer ordentlichen Portion Frauenpower.

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Veröffentlicht am 09.10.2020

Ein taffes Ermittlerpaar und die eigene Geschichte wiegt schwer

Abgetaucht
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Atlee Pine ist FBI-Agentin und hat ihre etwas eigene Art, Fälle zu lösen, denn um Regelen schert sich sich wenig. Doch irgendwann kann ihr Chef einfach nicht mehr darüber hinweg sehen, diesmal ist sie ...

Atlee Pine ist FBI-Agentin und hat ihre etwas eigene Art, Fälle zu lösen, denn um Regelen schert sich sich wenig. Doch irgendwann kann ihr Chef einfach nicht mehr darüber hinweg sehen, diesmal ist sie zuweit gegangen und so schickt er sie, zusammen mit deren Assistentin Carol, in eine Art Zwangsurlaub, nach Andersonville, dem Ort, wo sie aufgewachsen ist und wo es passierte. Denn dass Atlee so oft Probleme mit ihrem eigenen Verhalten hat, das hat einen Grund. Sie hatte eine Zwillingsschwester, Mercy, und als sie beide sechs Jahre alt waren, ist ein Unbekannter in ihr Haus eingedrungen, hat Mercy mitgenommen und sie selbst schwer verletzt. Das ist 30 Jahre her und Mercy konnte bis heute nicht gefunden werden. Nun soll sie sich diesem Trauma stellen und ihr Leben wieder auf die Reihe bringen, sprich am besten den Fall lösen und so zur Ruhe kommen.
Doch als sie in Andersonville eintrifft, passiert ein bizarer Mord. Eine als Braut ausstaffierte Leiche wird gefunden und wenig später dann mit Mord Nr. 2 ein Mann mit Smoking und Zylinder. Es scheint der Beginn einer ganzen Mordserie zu sein und bei den Ermittlungen, mit denen Atlee und Carol betraut werden, stellt sich heraus, das es da auch einen Zusammenhang mit dem Verschwinden ihrer Schwester zu geben scheint.
Ein sehr sympathisches Ermittlerduo macht hier seine Arbeit, wobei, wenn Atlee ihre Assistentin Carol mit ihrer eher ruhigen mütterlichen Art nicht an ihrer Seite hätte, dann würde dies Alles nicht so gut funktionieren, wie es das eben tut. Diese Geschichte ist spannend, emotional und nun mal sehr persönlich und sie hat mich absolut überzeugt. Das es bereits der zweite Band einer auf drei Bücher angelegten Trilogie ist, hat mich als Erstleser überhaupt nicht gestört, nicht beim Verständnis und auch nicht beim Mitfiebern mit seinen beiden Protagonisten. Aber das ich das letztendlich große Finale (Band 3) dann auf jeden Fall auch lesen werde, das ist klar, zumal das Ende von 'Abgetaucht' einen schon sehr dazu einlädt. Und das darf auch so sein. Ich freue mich darauf.

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Veröffentlicht am 07.10.2020

Ein unkonventionelles Leben in einem Land, das Heimat wird und dann der große Bruch

Die zitternde Welt
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1896 reist die hochschwangere Maria dem Mann hinterher, der der Vater ihres Kindes ist. Wilhelm hat sich nach dem Studium ohne Abschied nach Anatolien aufgemacht, um dort als Ingenieur am Bau der Bagdadbahn ...

1896 reist die hochschwangere Maria dem Mann hinterher, der der Vater ihres Kindes ist. Wilhelm hat sich nach dem Studium ohne Abschied nach Anatolien aufgemacht, um dort als Ingenieur am Bau der Bagdadbahn mitzuarbeiten. Als sie ihn schließlich gefunden hat, ist er nach anfänglichem Zögern bereit, mit ihr zu leben. Sie bekommen Kinder und haben eine sehr lebendige, kontroverse Beziehung. Sie machen es sich nicht leicht miteinander, aber es ist eine durchaus glückliche wilde Ehe, die sie da in ihrer neuen Heimat leben. Vor allem und gerade für Maria ist die Türkei zur ihrem Zuhause geworden, das sie nie mehr verlassen will. William hat ein anderes Empfinden und als der erste und später auch der zweite Weltkrieg über die Welt herein brechen, kommt es zum großen Bruch in ihrem Familiengefüge und Maria muss das Land, das so sehr ihre Heimat geworden ist, aufgeben.
Die Geschichte von Maria und ihrer Familie ist geprägt und wird bestimmt von den Geschehnissen der Zeit. Und dies macht etwas mit den Menschen und so wird aus ihr, dieser starken frei denkenden und in ihrem Wesen so lebendigen Frau, über die Zeit der zwei Weltkriege hinweg ein ganz anderer Mensch. Und obwohl die Autorin einen Erzählstil gewählt hat, der eine sehr konkrete präzise Sprachform, kleine Handlungssequenzen und immer wieder Perspektiv- und Zeitsprünge nutzt, um ihre Geschichte zu erzählen, hat mich dieses mit 300 Seiten eher schmalbändige Familienepos von Anfang an mitgenommen, auf eine große bittere Reise, mit viel interessantem historischem Hintergrund und sehr viel Nachklang.
Es ist oft nur ein kleiner Moment, der ein Schicksal verändert und am Ende steht leider zu selten das Glück.

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