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SofieWalden

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 24.04.2022

Auch das ist leider wohl das echte Leben, immer noch

Nachtschwärmerin
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Die noch minderjährige Kiara und ihr Bruder Marcus müssen sich allein durchs Leben schlagen. Ihr Vater ist tot und ihre Mutter wurde nach einem Selbstmordversuch in einer entsprechenden Einrichtung untergebracht. ...

Die noch minderjährige Kiara und ihr Bruder Marcus müssen sich allein durchs Leben schlagen. Ihr Vater ist tot und ihre Mutter wurde nach einem Selbstmordversuch in einer entsprechenden Einrichtung untergebracht. Eigentlich wollte Marcus für sie beide 'alles auf die Reihe' bringen, doch er träumt sich nur so durch den Tag. Ja, irgendwann wird er ein großer Rapper sein und dann wird für sie beide alles gut. Aber das Leben ist jetzt und so versucht Kiara nun selbst, auf ehrlichem Weg genug Geld für Miete und Essen zu verdienen. Doch da hat sie keine Chance. Und so bleibt letztendlich nur die Prostitution, für Kira allerdings nur der Beginn eines grauenhaften Albtraums. Und was die Gesellschaft in Form ihrer Institutionen dann macht, mit der jungen Frau, das ist nur schwer zu verkraften.
Diese Geschichte, hier in einer fiktiven Form aufgeschrieben, aber teilweise auf wahren Begebenheiten beruhend, erzählt Kiras Erleiden sehr echt, intensiv und brutal nah dran. An einigen Stellen hätte man sich fast gewünscht, ein wenig mehr Abstand zugestanden bekommen zu haben. Das Buch ist ein Debütroman, der Aufmerksamkeit erregt und einem das Anliegen der jungen Autorin sehr bewusst macht. Der Schreibstil, den sie dabei anwendet, er ist nicht immer ganz glücklich gewählt und dient der Sache an sich nicht nur in positivem Sinne. Mit ein bisschen mehr Ruhe, vielleicht auch etwas weniger Wut im eigenen Herzen, hätte man die Focussierung auf das Wesentliche für den Leser vielleicht etwas einfacher gestalten können, aber ich bin mir sicher, auch so wird der Roman die Menschen erreichen.
Und ich hoffe, mit viel positiver Erwartung, bald wieder, mit einem neuen Buch, von Leila Mottley zu hören.

Veröffentlicht am 14.04.2022

Da hat jemand immer viel zu tun und auch das ist ein Weg, mit seiner Trauer umzugehen

Auf dem Gipfel wachsen Chinanudeln
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Elmo ist 11 Jahre alt und lebt in Berlin. Hier in seinem Viertel, seinem Kiez, ist nicht gerade die feine und gutsituierte Gesellschaft zu Hause, aber die Menschen um ihn herum sind schon sehr in Ordnung, ...

Elmo ist 11 Jahre alt und lebt in Berlin. Hier in seinem Viertel, seinem Kiez, ist nicht gerade die feine und gutsituierte Gesellschaft zu Hause, aber die Menschen um ihn herum sind schon sehr in Ordnung, verstehen es, mit dem Leben fertig zu werden, mal halt mehr oder auch mal weniger. Im Moment kann Elmo dieses Umfeld gut gebrauchen, denn etwas Schlimmes ist passiert. Sein Bruder ist ums Leben gekommen und seine Mutter, seine große Schwester und er trauern natürlich sehr. Elmo selbst versucht, immer irgendetwas zu tun zu haben und da er ja Detektiv ist,- eine Kiste mit Detektivgeschichten, die er mal geschenkt bekommen hat, hat ihn dazu inspiriert -, findet sich da jede Menge, was man suchen und teilweise auch finden kann. Dadurch hat er auch Idefix kennengelernt, einen Hund, von dem er sich wünschen würde, dass es sein Hund wäre und mit dem er sich richtig gut versteht. Und das kann man durchaus wörtlich nehmen. Außerdem soll Elmo die Tochter vom Idefix's Herrchen finden und dann doch wieder nicht, eine Ampel muss repariert werden, ein Computergame spielt auch noch eine Rolle und dann ist da noch Tuna. Die ist ziemlich cool, hilft Elmo nicht nur bei seinen Recherchen und ist bald eine echte Freundin.
Man sieht, hier ist wirklich etwas los. Es macht Spaß, das alles mitzuerleben und obwohl es schon irgendwie ein Abenteuer ist, bei dem einem auch nie langweilig wird, ist das, was da passiert auch irgendwie einfach ziemlich normal und das bringt viel Nähe herüber. So wirklich einen roten Faden hat die Geschichte allerdings nicht. Man sollte jetzt auch keine klassische Detektivstory erwarten und am Ende bleiben einige Fragen, auf die man eine Antwort erwartet hätte, einfach offen. Da kann man sagen, ok, so freue mich mich noch mehr auf den nächsten Band, denn Elmo soll uns durch eine ganze Buchreihe begleiten. Es könnte aber auch sein, einige fühlen sich hier um ein Ende gebracht.
Also ich finde, Elmo ist ein richtig netter Kerl und zusammen mit seinem Drumherum werden die nächsten Folgen bestimmt eine Menge Lesespaß zu bieten haben. Freuen wir uns auf ein Wiedersehen!

Veröffentlicht am 12.04.2022

Wenn man aus dem Geldhimmel ins echte Leben geworfen wird, Ruhrpott inklusive

Der Markisenmann
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Die 15-jährige Kim lebt mit ihrer Mutter und ihrem Stiefvater, einem erfolgreichen Unternehmer, in Köln. Finanziell mehr wie gut aufgestellt, lotet das Mädchen gerne Grenzen aus und da ihr keiner welche ...

Die 15-jährige Kim lebt mit ihrer Mutter und ihrem Stiefvater, einem erfolgreichen Unternehmer, in Köln. Finanziell mehr wie gut aufgestellt, lotet das Mädchen gerne Grenzen aus und da ihr keiner welche setzt, ufert das aus. In der Schule steht sie kurz vor der zweiten Ehrenrunde und auch sonst folgt eine Regelüberschreitung der nächsten, bis zur Eskalation. Was folgt, ist Jugendpsychiatrie und danach, auf Beschluss der Familie, Sommerferien beim richtigen Vater. Dieser lebt in Duisburg, hatte bisher keinerlei Kontakt zu seiner Tochter und ist in Kims Augen vom ersten Moment an ein 'Looser'. Stimmt ja auch, denn sein Brot verdient er sich 'sehr viel mehr schlecht als recht' mit dem Verkauf von altmodischen, eigentlich unverkäuflichen Markisen. Und leben tut er in der Lagerhalle, in der diese DDR-Restbestände untergebracht sind, gleich noch mit. Also für die ganz anderes gewöhnte Kim ein Schockerlebnis auf allen Ebenen.
Doch irgendwie muss man die Zeit ja herumbekommen und so begibt sich das Mädchen mit ihrem Vater auf Verkaufstour. Und siehe da, das ist recht erfolgreich. Verkaufstechnisch wird aus ihnen ein echtes Team und das wirkt sich natürlich auch auf die persönliche Ebene zwischen den beiden aus. Allmählich lassen sie zu, sich dem jeweils anderen zu öffnen und da kommen die Wahrheiten, von beiden Seiten, auf den Tisch. Außerdem lernt Kim das Umfeld ihres Vaters kennen, alles, was so rumstreicht, ums Gelände. Und die Menschen, auf die sie da trifft, sie sind herzlich, ehrlich und das Leben ist bei allen ziemlich 'verstrickt'. Es ist wahrlich kein Spaziergang und Geld, davon gibt es gerade mal eben genug zum Leben. Aber davon lässt man sich nicht unterkriegen und das ist schon in Ordnung so. Und Kim fühlt sich mit der Zeit wohl hier, mitten im Ruhrpott, so rausgefallen aus der Geldgesellschaft, die ihre Familie in Köln verkörpert.
Eine schöne Geschichte, ein wenig überspitzt und skurril, aber doch erfrischend ehrlich, direkt aus dem Leben, mit richtig sympathischen Typen, Emotionen, die auch durchaus in die Tiefe gehen und zwei Menschen, bei denen eine Menge falsch gelaufen ist, auch wenn einer davon noch gar nicht so viele Jahre hinter sich gebracht hat auf dieser Welt. Dass sich die beiden sozusagen gegenseitig aus ihrem jeweiligen Sumpf ziehen, wäre dann schon eine sehr schöne Sache. Tja, man wird sehen.
Auf jeden Fall, dies alles ist sehr unterhaltsam, gut zu lesen und wer Jan Weiler kennt, hier zumindest, in diesem Buch, ist ordentlich viel von genau diesem drin.

Veröffentlicht am 30.03.2022

Hier haben Möhren Namen und das macht, wie alles andere auch, viel Spaß

Der Koch, der zu Möhren und Sternen sprach
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Ein Gasthaus im Elsass mit sehr leckerem regionalem Essen, hier kehrt man gerne ein, was neben den Künsten des Kochs auch an der freundlichen Bewirtung durch dessen Schwester liegt. Elsa, mit ihren Zwillingen ...

Ein Gasthaus im Elsass mit sehr leckerem regionalem Essen, hier kehrt man gerne ein, was neben den Künsten des Kochs auch an der freundlichen Bewirtung durch dessen Schwester liegt. Elsa, mit ihren Zwillingen schon reichlich beschäftigt, kümmert sich hier um alles, was für einen florierenden Gasthof so nötig ist. Und dazu gehört, ganz wichtig, natürlich das Zwischenmenschliche, denn ihr Bruder Robert, der Herr der Küche und auch der liebevoll selbst angepflanzten Zutaten, er ist ein totaler Eigenbrödler und Kontakt mit Menschen, das ist überhaupt nicht sein Ding. Er spricht lieber mit seinen Möhren, die alle Namen haben und beim Ernten natürlich nicht am Grün herausgerissen werden, denn wer lässt sich schon gern an den Haaren ziehen. Doch dann stellt Elsa Fatima ein, um ihre ihre zwei Wildfänge den Sommer über betreuen zu lassen und diese bringt ihren Sohn Hassan mit. Der Junge würde sich gerne bei Robert nützlich machen. Bisher hat das noch mit keinem möglichen Gehilfen funktioniert, aber zu Hassan, der ebenfalls sehr in sich gekehrt und eigen ist, findet der Grummler tatsächlich einen Draht und dieser darf bleiben. Und auch seine Mutter, die weiß, was in solchen Menschen vorgeht, darf eintreten in Roberts Reich. Tatsächlich taut Robert sichtlich auf. Und dann trifft Maggie ein, eine buntangezogene immer gut gelaunte energiegeladene Engländerin und Fatimas Freundin. Sie braucht eine kleine Auszeit und dafür ist dieses herrliche ländlich gelegene Anwesen genau richtig. Und wer hätte das gedacht, Robert mag sie, gesteht sich das natürlich nicht ein und wünscht sich genau das Gegenteil von dem, was er sich ersehnt, nämlich, dass sie wieder geht.
Schön, genau das ist diese Geschichte, das herrliche Elsass, darin eingebettet ein paar Menschen, die man sehr schnell lieb gewinnt, leckeres Essen, der sicherlich schon ein wenig skurrile Umgang mit den Gaben der Natur, jede Menge zwischenmenschliche Empathie und ganz viel Gefühl.
Ein Buch, so richtig zum Wohlfühlen und verbunden mit einer delikaten Portion Lesespaß.
Und neben all dem ist da noch etwas, was bleibt. Möhren 'an ihren Haaren ziehen', nie mehr.

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  • Erzählstil
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Veröffentlicht am 28.03.2022

Eigentlich ist jeder anders, aber einige eben ein bisschen mehr und 'Glück ist fast immer möglich'

Mongo
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Vorab, Harald Darer hat eine Geschichte über einen jungen Mann geschrieben, der anders ist. Dieser hat Trisomie 21 und daher heißt dieser Roman 'Mongo'. Moment mal, möchte man sagen, das geht doch nicht, ...

Vorab, Harald Darer hat eine Geschichte über einen jungen Mann geschrieben, der anders ist. Dieser hat Trisomie 21 und daher heißt dieser Roman 'Mongo'. Moment mal, möchte man sagen, das geht doch nicht, denn in unserem Sprachgebrauch wird dieses Wort geringschätzlich, geradezu verächtlich, inzwischen allerdings nicht nur für Menschen mit dieser Einschränkung verwendet. Doch Darer, genau mit dieser Reaktion konfrontiert, er hat diesen Titel bewusst gewählt. Denn seine Intention bei diesem Buch ist genau dies, den Vorurteilen und der Verächtlichkeit, die dieses Wort ausdrückt, entgegen zu wirken.
Harry und Katja werden Eltern. Doch die spontane Freude weicht der tiefen Sorge um eine mögliche Behinderung des ungeborenen Kindes, denn Katjas Bruder Markus ist mit Trisomie 21 auf die Welt gekommen. Da ist für Katja einerseits die große Liebe zu ihrem Bruder, diesem Menschen, der seinen ganz eigenen Weg durchs Leben gefunden hat, der so gerne lebt und den Leuten um sich herum sehr offen, aber auch durchaus fordernd entgegen tritt. Da ist aber auch dieses Gefühl von Schwere, das sie als Kind, durch eben diese familiären Gegebenheiten, empfunden hat.
Aber letztendlich ist es Harry, dessen gedankliche Auseinandersetzung mit diesem Thema wir als Leser begleiten dürfen. In Rückblenden erinnert er sich an das Kennenlernen von Markus, an Erlebnisse mit ihm, die ihn sehr berührt haben und die schön und 'wichtig' waren. Er stellt sich der Möglichkeit, dass auch sein Kind anders sein könnte und geht Wege, die schon 'sehr konsequent' sind, in seiner selbst gewählten Aufarbeitung. Aber das alles ist sehr nachvollziehbar und wirkt auch sehr authentisch, zumal dieser Harry der Person des Autors selbst, so wie ich es verstanden habe, sehr nahe kommt.
Ein Buch mit vielen Facetten zu einem Thema, das der Titel der Geschichte eindeutig auf dem Buchdeckel präsentiert. Ich hätte mir gewünscht, diese unverschnörkelte Fokussierung auch in der Geschichte selbst genauso vorzufinden. Das war, in der erwarteten Intensität, nicht ganz der Fall. 'Mongo' ist gut, man lebt mit und es wird ehrlich um Erkenntnis gekämpft, für sich selbst und natürlich auch für uns, seine Leser.
Ein, mein kleines Aber bleibt. Eine bemerkenswerte Leseerfahrung ist es auf jeden Fall.