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Veröffentlicht am 02.08.2021

Tiefsinniger, stimmiger Roman über ein Zugunglück und noch vieles mehr.

Besichtigung eines Unglücks
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Im Dezember 1939 kommt es zwischen Berlin und Magdeburg zu einem katastrophalen Zugunglück. Unzählige Menschen sterben dabei, Existenzen werden zerstört, Menschen verlieren ihre Liebsten. Das ganze liegt ...

Im Dezember 1939 kommt es zwischen Berlin und Magdeburg zu einem katastrophalen Zugunglück. Unzählige Menschen sterben dabei, Existenzen werden zerstört, Menschen verlieren ihre Liebsten. Das ganze liegt jetzt aber nun schon einige Jahrzehnte zurück, als der Journalist Thomas Vandersee beginnt, nach Fakten zu graben und die Geschichte von vorne und hinten aufzurollen. Er will herausfinden, wie es zu diesem schlimmen Unglück kommen konnte, merkt aber bereits sehr schnell, dass er seine Mutter, die die ersten drei Jahrzehnte ihres Lebens in der Stadt des Unglücks verbracht hatte, in Verbindung setzten kann, und so auch etwas über sie und letztendlich über sich selbst herausfinden kann.

Thematisch ist die Geschichte aufgeteilt in mehrere Themenbereiche, die mit dem Unglück zusammenhängen, und nach und nach vom Erzähler erforscht werden. So berichtet der Autor mit einem nüchternen, schon fast klinischem Stil über das Unglück selbst, die Stunden davor und danach, über Carla und Richard, zwei Menschen deren Leben durch das Unglück aus den Angeln gehoben wurde, und schließlich über Vandersees Mutter, wie sich ihr Leben und damit auch seines verändert hat, ob durch den Einfluss des Zugunglücks oder nicht. An und für sich hat mich der sprachliche Stil des Autors wirklich sehr angesprochen. Faktenbasiert, unübertrieben und ehrlich. Allerdings muss ich sagen, dass mir die Geschichte vor allem in der ersten Hälfte ein wenig zu clean war. Ich habe es einfach nicht geschafft, mich in einem solchen Maße mit den Protagonisten zu verknüpfen, wie ich es gerne gewollt hätte. In dieser Hinsicht ging mir dann aber in der zweiten Hälfte definitiv der Knopf auf. Es kam mir vor, als würde ich Vandersee schon lange kennen, mit ihm eine gemeinsame Geschichte und ein gemeinsames Schicksal teilen. Ich konnte mich hervorragend in seine Situation versetzen und seine philosophischen Gedanken waren beim Lesen wirklich ein Hochgenuss. Diese philosophischen Aspekte sind es - mal ganz abgesehen von der hervorragenden Recherchearbeit des Autors zu dem Unglück - was mich so für die Geschichte begeistern konnte. Man wird zum nachdenken angeregt, nimmt Weisheiten mit auf den Weg und ist, nachdem man das Buch beendet hat um mehrere Sichtweisen und -punkte reicher im Leben.

Nachdem ich das Buch beendet habe kann ich sagen, dass es einen unglaublichen Mehrwert hat, und die Leser:innen nicht nur über eines der tragischsten Zugunglücke der deutschen Geschichte informiert, sondern sehr viel mehr bietet. Ich kann das Buch wirklich an alle weiterempfehlen, die sprachlich vollendete Literatur schätzen, auch wenn ich mir anfangs ein wenig schwer damit getan habe.

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Veröffentlicht am 28.07.2021

Englische Geschichte at it's best

Die Hüter der Rose
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England im frühen 15. Jahrhundert: Dem jungen John of Waringham, Robins jüngstem Sohn, droht eine klerikale Laufbahn, was absolut nicht dessen Vorstellungen entspricht. Und so beschließt der Dreizehnjährige, ...

England im frühen 15. Jahrhundert: Dem jungen John of Waringham, Robins jüngstem Sohn, droht eine klerikale Laufbahn, was absolut nicht dessen Vorstellungen entspricht. Und so beschließt der Dreizehnjährige, Waringham hinter sich zu lassen, und flieht auf den Hof in Westminster. Dort legt er eine Steilkarriere hin, findet neue Freunde und Feinde und wird zum gefeierten Kriegshelden im Hundertjährigen Krieg gegen Frankreich. Ein Sammelsurium von höfischen Intrigen, Abenteuern, Freundschaft und Liebe.

Der zweite Teil der Waringham-Saga steht dem ersten in keinster Weise nach. Auch hier legt die Autorin einen bildgewaltigen Epos hin, der sich über mehrere Jahrzehnte der englischen und auch französischen Geschichte zieht, und dabei das Hochmittelalter wieder auferstehen lässt. Der fesselnde und bildhafte Schreibstil von Rebecca Gablé reißt einen beim Lesen derart mit, dass man das Buch kaum noch aus den Händen legen kann. dazu trägt auch der Spannungsbogen, der sich beständig aufbaut, und immer wieder in kleinen und auch größeren actionreichen Szenen wieder entlädt. Zum vollkommenen Lesegenuss tragen sicherlich auch die Protagonisten bei. Zwar ähnelt John in gewissen Zügen seinem Vater Robin aus dem ersten Band, allerdings ist John trotzdem facettenreich und tief gestaltet und vor allem ein enormer Sympathieträger. Bemerkenswert ist aber auch die Recherchearbeit, die die Autorin hier geleistet hat. Die Intrigen am Hof, der lange andauernde zermürbende Krieg, aber auch das Leben von Adel und einfacher Bevölkerung im mittelalter werden anschaulich und authentisch dargelegt, und man kann hier wirklich beim Lesen einiges Lernen.

In meinen Augen ist das Buch einfach rundum gelungen und eine große Leseempfehlung für Fans des Mittelalters.

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Veröffentlicht am 28.07.2021

Das langsame Zerpflücken des Wilden Westen und des American Dream in ihren weißen Stigmata

Wie viel von diesen Hügeln ist Gold
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Lucy und ihr jüngerer Bruder Sam wachsen als chinesische Immigranten in bitterer Armut in Hügeln des amerikanischen Westens auf. Nach dem Tod ihres Vaters stehen die beiden nun auch noch völlig alleine ...

Lucy und ihr jüngerer Bruder Sam wachsen als chinesische Immigranten in bitterer Armut in Hügeln des amerikanischen Westens auf. Nach dem Tod ihres Vaters stehen die beiden nun auch noch völlig alleine da. Zusätzlich verlangt die Tradition auch noch nach einem ordentlichen Begräbnis und so machen sich die beiden auf den Weg in eine besser Zukunft, zu Fuß, mit einem Revolver und einer langsam verwesenden Leiche auf einem Pferderücken. Doch der Kampf gegen die unwegsame Natur für ein ordentliches Begräbnis entwickelt sich recht schnell zu einem Kampf für die eigene Identität, den jeder von den beiden selber führen muss.

Sprachlich beginnt der Roman mit einer wahren Wucht. Der atmosphärische, gleichzeitig aber auch poetische Schreibstil saugt die Leser:innen sofort in die Geschichte und man findet sich zwischen den grasbewachsenen Hügeln und den toten Flüssen der Goldgräberstädchen wieder, in denen Lucys und Sams Reise beginnt. Erzählerisch kann die Autorin hier einiges vorlegen. Mein einziger kritikpunkt an dem Buch währe hier auch, dass dieser sprachlich vollendete Stil gegen Ende des Buches ein wenig abnimmt, und mich beim Lesen nicht mehr ganz so einlullte, wie am Anfang. Neben der Reise der beiden zu sich selbst webt C Pam Zhang auch noch andere gesellschaftsrelevante Themen wie Transsexualität, Zerstörung der Welt durch den Menschen, Ausbeutung und Rassismus und zerstört dabei das Bild, das wir immer vom Wilden Westen als Domäne heldenhafter weißer Cis-Männer hatten, und führt uns in die Realität der chinesischen Einwanderer im Westen der USA im 19. Jahrhundert. Hier schlägt die Autorin gekonnt eine Brücke zur Gegenwart. C Pam Zhang führt ihre Leser:innen immer wieder aufs Glatteis, indem sie sie mit der unbequemen Wahrheit dessen Konfrontiert, dass wir alle selbst stille Teilnehmer dieser homogenen weißen Gesellschaft wären bzw. sind. Auch die Protagonisten der Geschichte können mit einer ebenso großen Palette und Facettenreichtum aufwarten, wie die oben schon angesprochene Gesellschaftskritik. Mit Lucy haben wir eine starke junge Protagonistin, die scheinbar allen Kränkungen trotzt, dennoch ihren Stolz und ihre Ziele nicht vergisst, und so diesen immer weiter folgt, bis sie sich fragen muss, ob diese überhaupt das sind, was sie sich wünscht. Sam ist die Nacht zu Lucys Tag. Er führt ein Leben ohne Konventionen, wirkt hart und abschreckend, überrascht dennoch mit ungeahnten Facetten. Und auch bei den Protagonisten zerstört die Autorin im Laufe der Geschichte das Bild, das sich in unserem Kopf festgesetzt hat.

Alles in Allem handelt es sich bei "Wie viel von diesen Hügeln ist Gold" um eine einzigartige Geschichte, die den Leser:innen Themen von aller größter Relevanz vor Augen führt und damit genau den Nerv der Zeit trifft. Definitiv ein must read.

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Veröffentlicht am 26.07.2021

Ein emotionaler und bewegender Roman

Dreieinhalb Stunden
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Es ist der Tag des Mauerbaues. Noch ahnt niemand, was nur die Zuständigen in den obersten Stellen wissen. Die DDR wird abgeriegelt, sodass niemand mehr ungesehen hinein- oder herauskommt. Und so beginnt ...

Es ist der Tag des Mauerbaues. Noch ahnt niemand, was nur die Zuständigen in den obersten Stellen wissen. Die DDR wird abgeriegelt, sodass niemand mehr ungesehen hinein- oder herauskommt. Und so beginnt auch am Münchner Hauptbahnhof der Tag wie jeder andere. Der Interzonenzug D-151 verlässt planmäßig den Bahnhof in Richtung Berlin-Ost, voll mit DDR-Bürgern, die auf den Weg zurück in ihre Heimat sind. Auf dem Weg zwischen München und der Grenze kommen dann allerdings doch Gerüchte die schnell zur Gewissheit werden, dass dies vielleicht die letzte Möglichkeit ist, das sozialistische Regime hinter sich zu lassen und einen Neuanfang zu wagen. Und so bleiben den Menschen an Bord des Zuges nur noch wenige Stunden in denen sie die Weichen für ihr komplettes weiteres Leben stellen.

Das Thema des Buches ist unglaublich interessant und ich muss sagen, dass meine hohen Erwartungen erfüllt wurden. Der Schreibstil ist angenehm, rasant und zur Geschichte passend, sodass man wirklich gut durch die Geschichte kommt. So habe ich das Buch an einem Tag in einem Rutsch durchgelesen. Toll fand ich vor allem die Atmosphäre des Buches. Es beginnt schon mit einer diffusen und unterschwellig düsteren Atmosphäre und Unruhe ganz am Anfang des Buches, die sich immer weiter steigert und aufbaut, wodurch auch die Spannung immer mehr zunimmt, bis sie ihren Höhepunkt kurz vor der Grenze, beim letzten Halt im Westen erreicht. Danach, das Ende des Buches, kam für mich ein ernüchtertes und leeres Gefühl auf. Gefühlstechnisch hat das Buch hier definitiv einiges bewirkt. Wo ich zu Beginn des Buches noch ein wenig skeptisch war, ist, dass die Kapitel sehr kurz sind, und man durch die ständigen Personenwechsel immer einen anderen der Protagonisten begleitet. ich hatte die Befürchtung, dass dadurch der Geschichte ein wenig der Tiefgang fehlen würde und ich nicht diesen Zugang zu den Protagonisten finden würde, den ich mir erhofft hatte. Allerdings blieben meine Befürchtungen unbegründet. Ich habe mich trotzdem hervorragend mit den Protagonisten verbinden können und gerade dieses etwas Fremde und Unbekannte zeichnet die Protagonisten in meinen Augen auch schließlich aus, da man sie ja nur für mehrere Stunden während einer Bahnfahrt begleitet. Man fühlt sich, als währe man selbst einer der Mitreisenden und lerne die anderen genauso erst kennen, wie die verschiedenen Protagonisten untereinander. Generell finde ich es unglaublich spannend, sich als Leser selbst in diese Position zu setzten und sich die frage zu stellen, was man selbst in der damaligen Situation getan hätte.

Insgesamt finde ich das Buch nicht nur unglaublich spannend und historisch wertvoll, sondern auch unglaublich berührend. Die Geschichte hat mich wirklich mitgenommen und zum Nachdenken angeregt. Insofern kann ich das Buch wirklich jeden weiterempfehlen, der sich mit der Deutsch-Deutschen Geschichte auseinandersetzen möchte.

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Veröffentlicht am 23.07.2021

Eine grandiose Geschichte

Der Panzer des Hummers
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Der Tod der Mutter hat dazu geführt, dass sich die Kinder der Familie Gabel auseinanderleben. Ea, die älteste Schwester, hat ihr Weg fort aus Dänemark nach San Francisco geführt, von wo aus sie versucht ...

Der Tod der Mutter hat dazu geführt, dass sich die Kinder der Familie Gabel auseinanderleben. Ea, die älteste Schwester, hat ihr Weg fort aus Dänemark nach San Francisco geführt, von wo aus sie versucht über ein Medium Kontakt zu ihrer Mutter aufzunehmen, was allerdings nicht so klappt, wie sie es sich erhofft hat. Sidsel, die jüngere Schwester, versucht ihr Leben als alleinerziehende Mutter und ihren Job als Kuratorin an einem Kopenhagener Museum unter einen Hut zu bringen, während Niels sich aus der Konventionalität ausgeklinkt hat, und versucht, sich als Plakatierter durchzuschlagen. Die Vergangenheit, die sie hinter sich gelassen zu haben schienen, holt sie dabei mehr und mehr ein.

Anfangs war ich ein wenig skeptisch, wie mir der Stil und Aufbau des Buches gefallen wird. Die Kapitel wechseln sich immer aus der Sicht von Sidsel, Ea, Niels und Beatrice, einer weiteren wichtigen Person des Romans ab, immer wieder unterbrochen von Berichten der Mutter aus dem Jenseits. Allerdings muss ich sagen, dass ich mich sehr schnell an den Aufbau gewohnt habe, und die übernatürlichen Elemente, wenn es um die Mutter geht, einen gewissen Charme haben. Auch sprachlich macht das Buch einiges her. Zwar ist der Schreibstil nicht gerade einfach und sehr gewöhnungsbedürftig, aber wunderschön: bunt und lebhaft,, voller Metaphern und Allegorien. Sprachlich ist das Buch wirklich ein Hochgenuss. Was mich bei weitem aber am meisten begeistern konnte, sind die Protagonisten und Protagonistinnen. Wir haben mit Niels, Ea, Sidsel und Beactrice, 4 komplett unterschiedliche Charaktere, doch in jeder davon konnte ich einen Teil von mir selbst wiedererkennen. So wird man beim Lesen automatisch zum nachdenken angeregt, reflektiert sich selbst und seine eigene Familiensituation. Außerdem sind die Protagonisten unglaublich facettenreich und authentisch. Ich habe selten so gut ausgearbeitete Figuren in Büchern gesehen, bei denen ich sage, dass ich denen ihr Leben zu 100% abkaufe. Bei der Gestaltung der Charaktere in ihren Buch hat Caroline Albertine Minor mich wirklich vom Hocker gerissen. Nichtsdestotrotz muss man anerkennen, dass es sich bei dieser Geschichte um ein Buch handelt, dass nicht für jeden geeignet ist, allerdings hat sie genau meinen Nerv getroffen und wenn man sich wirklich auf das Buch einlässt und mit ihm Zeit verbringt, erkennt man, welchen unglaublichen Mehrwert es bietet.

Im Nachhinein betrachtet ist das Buch für mich ein wirkliches Highlight, auch wenn ich es nicht uneingeschränkt weiterempfehlen kann. Doch wer sich auf einen anspruchsvollen Schreibstil und eine wunderbar komplexe und vielseitige Geschichte einlassen will, macht bei diesem Buch definitiv keinen Fehler.

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