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Veröffentlicht am 13.06.2017

Sommer auf Sizilien

Piniensommer
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Stella und Nicola sind am selben Tag zur Welt gekommen und seit ihrer Kindheit zog sie etwas zueinander. Nun sind sie schon seit einiger Zeit verlobt, da Nicos Mutter darauf bestanden hat, dass sie nicht ...

Stella und Nicola sind am selben Tag zur Welt gekommen und seit ihrer Kindheit zog sie etwas zueinander. Nun sind sie schon seit einiger Zeit verlobt, da Nicos Mutter darauf bestanden hat, dass sie nicht sofort heiraten.
Sie beginnen beide, Architektur zu studieren, doch Stella ist deutlich mehr bei der Sache als Nico. Er geht lieber tauchen und heimst als Apnoetaucher auch einige Preise und Auszeichnungen ein. Doch dieses Hobby ist gefährlich und so bittet Stella ihn mehr als einmal inständig, nicht zu leichtsinnig zu sein und seine Tauchgänge einzuschränken. Undenkbar für Nico, der sich im Wasser wie zuhause und praktisch unbesiegbar fühlt, auch wenn ihm sein Körper hin und wieder etwas anderes signalisiert. Dann stürzt er sich noch dazu in ein weiteres gefährliches Projekt und gründet einen kleinen Piraten-Radiosender, in dem er die allgegenwärtige Korruption und Verwicklung der Mafia in alle Entscheidungen anprangert – ein mutiges, aber aussichtsloses Unterfangen im Sizilien der 60er Jahre!
Hat das junge Paar unter diesen Voraussetzungen die Chance auf ein friedliches und glückliches Leben?

Die Geschichte von Nico und Stella wurde bereits im Vorgängerband „Das Sternenboot“ begonnen und nun fortgesetzt. Meiner Meinung nach kann man „Piniensommer“ auch allein lesen, man steigt dann eben direkt in die Geschichte der jungen Erwachsenen ein. Es fehlen einem einige Vorkenntnisse über Stellas Familiengeschichte, aber letztlich wird alles erwähnt und so sollte man auch ohne die Vorgeschichte mit der Handlung zurechtkommen. Schöner ist es natürlich immer, wenn man die Figuren bereits kennt und nun wieder zu ihnen zurückkehren darf.

Mir persönlich hat auch dieser zweite Band wieder sehr gut gefallen. Es ist teilweise unvorstellbar, wie rückständig die 60er Jahre waren, was das Denken und Handeln der Menschen anging, insbesondere natürlich im Hinblick auf Frauen und ihre Rechte. Hier muss man sich wirklich in eine ganz andere Zeit denken bzw. von der Autorin dorthin entführen lassen.
Auch sehr deutlich wurden für mich wieder einmal die Unterschiede zwischen deutscher und italienischer Mentalität. Auf Sizilien werden die Gefühle viel intensiver ausgelebt, vor allem Trauer.
Auch sollte man eine gewisse Offenheit für unerklärliche Ereignisse mitbringen. Ich bin ein sehr rationaler Mensch und glaube beispielsweise nicht an Botschaften aus dem Jenseits – aber hier in der Geschichte wurde es durchaus vorstellbar, da es einfach in den Rahmen passte.

Neben den Protagonisten gibt es auch hier wieder eine ganze Reihe interessanter Nebenfiguren, vom liebenswerten besten Freund bis zu Stellas skurriler Familie – diese geben der Geschichte einen ganz besonderen Reiz und manche von ihnen entwickeln sich auch ganz erstaunlich!

Insgesamt eine wunderschöne Geschichte, sowohl als Fortsetzung des Sternenboots als auch als neues eigenständiges Buch!

Veröffentlicht am 13.06.2017

Tolle Fortsetzung

Das Herz des Verräters
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Kaden hat Lia nach Venda gebracht und Rafe hat sich als Abgesandter seines Königreiches ausgegeben, um ebenfalls in die Stadt und den Palast zu gelangen. Gefangene gibt es normalerweise in Venda nicht, ...

Kaden hat Lia nach Venda gebracht und Rafe hat sich als Abgesandter seines Königreiches ausgegeben, um ebenfalls in die Stadt und den Palast zu gelangen. Gefangene gibt es normalerweise in Venda nicht, mit Feinden wird kurzer Prozess gemacht. So sind Lia und Rafe eine ganz besondere Attraktion und für manche auch Provokation. Der Komizar hingegen stellt sich schnell auf die neue Situation ein und nutzt sie für seine Zwecke. Lia irgendwo zwischen diesen drei Männern ergibt eine ziemlich komplizierte und spannende Ausgangslage für diesen zweiten Band der „Chroniken der Hinterbliebenen“.

Die Handlung setzt unmittelbar nach den Geschehnissen am Ende des ersten Bandes ein. Ich habe ein paar Seiten gebraucht, um mich wieder in die Geschichte hineinzufinden, obwohl der erste Teil wirklich noch nicht lange her war. Aber es gibt keine Erklärungen oder Wiederholungen, wir sind sofort wieder mitten im Geschehen und es geht weiter.

Oft überzeugen mich zweite Bände weniger als ihre Vorgänger und oft habe ich den Eindruck, dass sie eher Füllmaterial zwischen dem ersten und dem letzten Band einer Trilogie sind. Hier ging mir das erstaunlicherweise nicht so. Obwohl die Handlung im Vergleich zum ersten Band eigentlich viel reduzierter war – sie spielt praktisch nur in Venda, mit nur sehr wenigen kurzen Abschnitten aus Lias Heimat Morrighan – war die Spannung dennoch da und wurde auch gehalten, diesmal mit weniger Action, aber deutlich mehr Intrigen, Geheimnissen und Machtspielchen.

Mit dem Komizar kommt eine weitere Figur ins Spiel, aber vor allem werden Lia, Rafe und Kaden weiter ausgebaut und entwickeln sich. Gerade über Kaden erfahren wir im Laufe dieses Bandes einiges mehr. Die Weiterentwicklung der Charaktere hat mir gut gefallen und ich habe sie alle als durchaus glaubwürdig empfunden. Ob wirklich schon feststeht, für wen Lia sich am Ende entscheidet?

Die Schilderungen des Landes haben mir gut gefallen. Sie geben zusätzlichen Einblick in das Leben der Vendaner und erklären damit auch gut, warum sich manches so und nicht anders entwickelt hat und entwickeln wird.

Schwierigkeiten hatte ich wieder ein bisschen mit Lias Gabe. Das ist für mich alles sehr wenig greifbar und nur schwer nachvollziehbar. Aber Lia begreift das ja alles selbst noch nicht so richtig, von daher hoffe ich hier auf etwas mehr Erleuchtung im dritten Band.

Gegen Ende passiert dann sehr schnell sehr viel und das Buch endet wieder mit einem Cliffhanger, allerdings nicht ganz so fies, wie es hätte sein können!

Ich bin von dieser Reihe also immer noch sehr angetan und warte gespannt auf Teil 3, der Ende Oktober erscheint

Veröffentlicht am 05.06.2017

Münchner Kaufhausdynastie

Das Haus der schönen Dinge
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Das Haus der schönen Dinge ist das Kaufhaus Hirschvogl in München. Jacob Hirschvogl und seine Frau Thea eröffnen Ende des 19. Jahrhunderts ihr Warenhaus am Münchner Rindermarkt. Insbesondere Thea strotzt ...

Das Haus der schönen Dinge ist das Kaufhaus Hirschvogl in München. Jacob Hirschvogl und seine Frau Thea eröffnen Ende des 19. Jahrhunderts ihr Warenhaus am Münchner Rindermarkt. Insbesondere Thea strotzt nur so vor kreativen Ideen, wie sie sich von der Konkurrenz absetzen können und der Erfolg gibt ihr immer wieder recht, so dass sich das Hirschvogl schnell in die allererste Riege der Münchner Warenhäuser schiebt. Doch es ist kein leichtes Geschäft und immer wieder drohen wirtschaftliche, gesellschaftliche, politische und familiäre Krisen und Katastrophen, den Erfolg zunichtezumachen. Dass die Hirschvogls Juden sind, macht es in den kommenden Jahrzehnten natürlich auch nicht einfacher.
Dennoch besteht das Kaufhaus immer weiter fort und nach Jacob und Thea steht in ihrer Tochter Lily schon die nächste Generation bereit, es weiter durch die schwierigen Zeiten zu führen.

Ich greife bedenkenlos zu jedem neuen Buch von Heidi Rehn und wurde da auch noch nie enttäuscht. In dieser Geschichte musste ich mich jedoch erst ein bisschen zurechtfinden. Zu Beginn sind es sehr viele Personen und den Blick auf den eingefügten Stammbaum habe ich mir verkniffen, um nicht zu früh zu erfahren, wer Kinder bekommen wird und wer wann stirbt. Aber nach und nach findet man sich auch so in der Fülle der Figuren zurecht.
Woran ich mich ebenfalls erst gewöhnen musste, waren die Zeitsprünge. Die Autorin erzählt die Geschichte der Familie über mehrere Generationen hinweg. Dabei lässt sie manchmal einige Jahre aus. Das ist für mich an den entsprechenden Stellen immer ein kleiner Bruch während der Lektüre gewesen, aber im Nachhinein hat es mir gut gefallen. Gerade die Kriegsjahre und ihre Gräuel werden in so vielen Romanen so detailliert beschrieben, dass ich es hier eigentlich gerade gut fand, dass wir uns auf die Handlung vor und nach bzw. zwischen den Kriegen konzentrieren. Auch da passiert genug und auch nicht immer nur Schönes!
Durch diesen langen Zeitraum und die verschiedenen Generationen fiel es mir aber auch ein bisschen schwer, eine richtige Bindung zu den einzelnen Personen aufzubauen, denn der Fokus schwenkt nun mal von einem zum nächsten, die anfänglichen Protagonisten werden im Verlauf der Handlung teilweise zu Nebenfiguren, teilweise verschwinden sie ganz – nur wenige sind von Anfang bis Ende mit dabei.

Aber das alles ist Jammern auf hohem Niveau, denn letztlich hat mich das Buch wieder einmal hervorragend unterhalten, ich habe einiges gelernt und freue mich jetzt schon auf das nächste Buch der Autorin!

Veröffentlicht am 05.04.2017

Am Schluss zu konstruiert, sonst wunderbare Unterhaltung

Der Korsar und das Mädchen
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Catherine ist zwar ein Mädchen, ihr Vater hat ihr aber viele Freiheiten gelassen und sie vieles lernen lassen, was für eine junge Frau auf einer Südstaaten-Plantage zu Beginn des 19. Jahrhunderts eher ...

Catherine ist zwar ein Mädchen, ihr Vater hat ihr aber viele Freiheiten gelassen und sie vieles lernen lassen, was für eine junge Frau auf einer Südstaaten-Plantage zu Beginn des 19. Jahrhunderts eher ungewöhnlich war. Nicht nur ist Kat sehr gebildet, sie kann auch reiten und fechten. Bei den Damen der Gesellschaft stößt sie damit nicht unbedingt auf Anerkennung, aber das ist ihr egal, denn wichtig ist ihr die Liebe und Anerkennung ihres Vaters und die hat sie gewiss. Dennoch ist Catherine eine Frau und will irgendwann auch heiraten und eine Familie gründen. Doch welcher junge Mann würde sich für so einen Wildfang interessieren? Als Catherines Schwester Emily mit ihrem Verlobten nach England reisen soll, um dort zu heiraten und sich gleichzeitig ein englischer Lord, der vor einiger Zeit zu Besuch auf ihrer Plantage war, als Heiratskandidat für Catherine meldet, zögert sie daher nicht lange. Zum einen kann sie so ihrer wohlerzogenen Schwester auf der langen Überfahrt beistehen, zum anderen scheint der junge Engländer ja genauso eine Frau wie Catherine zu wollen.

Doch dann kommt alles ganz anders! Catherine und Emily landen auf der Kriegskorvette des jungen Offiziers Lennart Montiniere. Da die Umstände ziemlich kompliziert sind, gibt sich Catherine kurzerhand als Junge aus und macht fortan als Schiffsjunge Cato die Korvette unsicher. Das führt natürlich zu weiteren Verwicklungen, umso mehr, als sie und Lennart schnell einen ungewöhnlichen Draht zueinander verspüren.

Wieder einmal überzeugt Elisabeth Büchle in einem historischen Roman, diesmal in einer ganz anderen Welt. Die Szenerie auf dem Schiff und die Neckereien zwischen Lennart und Cato sowie das ganze Drumherum haben mir beim Lesen großen Spaß gemacht.
Wie immer fand ich neben den Protagonisten auch die Nebenfiguren sehr gut dargestellt. Vor allem die Entwicklung von Catherines Schwester Emily hat mir hier sehr imponiert, zeigt sie doch, was alles möglich ist, wenn man nur an sich glaubt und manchmal über den eigenen Schatten springt!

Zusätzlich zur Liebesgeschichte gibt es allerdings noch einen weiteren Handlungsstrang, der mich nicht ganz so überzeugen konnte. Jemand trachtet nach Catherines Leben und setzt mehrere Meuchelmörder auf sie an. Das Motiv dafür ist unklar. Am Ende wird alles aufgelöst, hier überschlägt sich die Handlung dann geradezu und für meinen Geschmack passiert hier dann zu viel in zu kurzer Zeit – ich hatte mich wohl an das Leben im Rhythmus der Wellen auf dem Schiff gewöhnt! Auch kommen hier einige Zufälle zusammen, die sicher alle irgendwie möglich sind, aber mir persönlich war das dann doch zu konstruiert.

Auch wenn mir das Ende somit nicht ganz so zugesagt hat, was es insgesamt aber auf jeden Fall wieder einmal eine tolle, unterhaltsame Lektüre mit einer mutigen und liebenswerten Protagonistin!

Veröffentlicht am 05.04.2017

Von Vertreibung und Hoffnung

Mein Herz ist ein wilder Tiger
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Elly Simon wird 1916 als Kind von Artisten im Zirkus geboren. Als ihre Eltern bei einem schrecklichen Unfall sterben, wird der Zirkus zu ihrer Familie. Elly wächst in dieser einzigartigen Umgebung auf ...

Elly Simon wird 1916 als Kind von Artisten im Zirkus geboren. Als ihre Eltern bei einem schrecklichen Unfall sterben, wird der Zirkus zu ihrer Familie. Elly wächst in dieser einzigartigen Umgebung auf und obwohl es kein leichtes Leben ist, fehlt es ihr an nichts, sie kennt es nicht anders und liebt den Zirkus und ihre besondere kleine große Welt.

Viele Jahrzehnte später geht Ellys Leben in einem Berliner Pflegeheim zu Ende. Sie ist mittlerweile über hundert Jahre alt und blickt auf ein aufregendes Leben zurück. Davon erzählt sie ihrem Pfleger John Mbete, einem Somalier, der ebenfalls seine Familie verloren hat und nun versucht, in Deutschland ein neues Leben zu beginnen.

Die dritte Hauptfigur ist Kirsten, deren Mutter ebenfalls in dem Pflegeheim ist und die dadurch Bekanntschaft mit John und Elly macht. Kirsten ist ein harter und verbitterter Mensch, sie ist unzufrieden mit sich und der Welt und ertränkt ihren Kummer in viel zu viel Alkohol. Doch die Begegnung mit Elly und John verändert sie.

Die Geschichte handelt weniger vom Zirkus, als ich durch Cover und Klappentext zuerst vermutet hatte. Natürlich spielt der Zirkus eine große Rolle, denn er war schließlich jahrzehntelang Ellys Lebensinhalt, gemeinsam mit ihrem Ehemann und seinen Tigern ist sie um die halbe Welt gereist. Die Atmosphäre wird auch wunderbar beschrieben.

Dennoch geht es in diesem Buch um mehr als das Zirkusleben. Zuerst fand ich die beiden Handlungsstränge (eigentlich sind es ja drei, aber Kirsten hat doch eher eine Nebenrolle) etwas willkürlich zusammengestellt, doch nach und nach kristallisiert sich recht deutlich die Verbindung heraus: Flucht und Vertreibung auf der einen Seite, Familie, Liebe und Hoffnung auf der anderen. Der große schwarze Mann aus Somalia und die uralte kleine Artistin begegnen sich und spüren diese Verbindung sofort, auch wenn ihre Schicksale so unterschiedlich sind.

Das Buch ist mit knapp 300 Seiten nicht besonders dick, aber es steckt sehr viel in dieser Geschichte drin, wenn man es nicht nur als lockere Unterhaltung liest, sondern sich auf die durchaus ernsten Themen einlässt, die hier angesprochen werden.

Für mich ein Buch, das zum Nachdenken anregt und Mut macht!