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Veröffentlicht am 26.02.2017

Einfach nur schlecht

Todesgeil
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Bryan Smith, der auf dem Titelbild als "Amerikas Slasher-König" bezeichnet wird, glänzte in der Vergangenheit bereits mit unerreichten Meisterwerken amerikanischer Langweil- und Metzelliteratur wie "Seelenfresser" ...

Bryan Smith, der auf dem Titelbild als "Amerikas Slasher-König" bezeichnet wird, glänzte in der Vergangenheit bereits mit unerreichten Meisterwerken amerikanischer Langweil- und Metzelliteratur wie "Seelenfresser" oder "Verkommen". Mit "Todesgeil" liegt nun ein weiterer Meilenstein in einer - leider - immer länger werdenden Liste vor.

War bei Seelenfresser" wenigstens noch das Titelbild in ästhetischer Hinsicht tauglich (man sah das Profilfoto einer hübschen Frau), so ist dies beim vorliegenden Buch nicht mehr der Fall. Auf dem Deckblatt sieht man einen Schatten mit ausgebreiteten Armen zwischen irgendwelchen Gräsern davonhüpfen.

So eigenartig und nichtssagend das Titelbild auch ist - das restliche Buch ist ähnlich. "Todesgeil" beinhaltet vor allem eines: Die ziemlich uninspirierte Suche nach einer übergreifenden Handlung und das Warten des Lesers auf einen gewissen Nervenkitzel. Beide Dinge sind jedoch, sogar bei mehrmaligem Durchlesen des Buches, nirgends aufzufinden. Kurz gesagt werden auf den ca. 340 Seiten des Werkes folgende zwei Dinge in hundertprozentig unspannender Weise erzählt:

Gewalt - meistens ziemlich konservativ und unrealistisch geschildert, etwa auf Seite 252: "[Sie]... presste... ihm den Elektroschocker auf die Brust... und ein paar Tausend Volt [Na klar!!!] wurden durch seinen Körper gejagt. Er zuckte und ihm trat Schaum vor den Mund."

Sex - meistens beschrieben mit stereotypen Worten und unter Verwendung zahlreicher Klischées: "Einfach in diesen seidigen, samtigen Hügel saftigen Mädchenfleisches eindringen und sie so durch------, dass ihr tagelang der Kopf davon schwirrte" (S. 50). Ein seidiger Hügel saftigen Mädchenfleisches... yeah, sicher doch.

Der Rhythmus der Handlung läuft in etwa so ab: Zuerst ein wenig Sex, dann wieder ein bisschen Gewalt, dann wieder Sex, dann wieder Gewalt. Zwischendurch werden Sex und Gewalt sogar originellerweise miteinander kombiniert, etwa auf Seite 110: "Nebenan habe ich Joe splitternackt ans Bett gefesselt." Diese großartige, wegweisende Innovation der Motivkombination kommt aber nur gelegentlich vor.

Leider schafft es Amerikas Slasher-König auch in "Todesgeil" mal wieder überhaupt nicht, Spannung, Nevrenkitzel oder Horror zu erzeugen. Es handelt sich bei dem Buch einfach um eine Aneinanderreihung von Perversionen sexueller oder gewalttätiger Art, die sich in etwa so spannend liest wie ein Einkaufszettel: Man weiß genau, was als nächstes kommt und wie das ganze ausgeht. Schlecht, schlechter, "Todesgeil".

Veröffentlicht am 26.02.2017

Amerikas Langeweile-König hat wieder zugeschlagen

Verkommen
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Der Festa-Verlag, bekannt dafür, stets beinahe ausschließlich US-amerikanische Bestseller-Autoren zu veröffentlichen (und somit der einheimischen, durchaus ambitionierten Autorenschaft keinerlei Chancen ...

Der Festa-Verlag, bekannt dafür, stets beinahe ausschließlich US-amerikanische Bestseller-Autoren zu veröffentlichen (und somit der einheimischen, durchaus ambitionierten Autorenschaft keinerlei Chancen einzuräumen) hat es wieder getan: Amerikas König der Langeweile erscheint auf Deutsch – mit seinem neuen, geradezu bahnbrechenden Werk "Verkommen".

Im Großen und Ganzen – ein typischer Smith: Altbacken, uninspiriert – und mit einem geradezu parodistischen Mangel an Einsicht in die Dinge, die eine Horrorgeschichte gut machen. Smith täte wirklich gut daran, Werke wie Lovecrafts "Berge des Wahnsinns" oder "Der Fall Charles Dexter Ward" zu lesen – dann wüsste er, wie man als Schriftsteller wirklich Angst erzeugt. Aber nichts da, statt dessen liest man in "Verkommen" eigentlich nur zwei geringfügig variierende, immer und immer wiederkehrende Handlungselemente: Sex und Gewalt, miteinander verbunden durch einen an Ödnis kaum zu überbietenden miserablen Schreibstil.

Kleine Kostprobe gefällig? Hier ein Ausschnitt aus einer Szene in der ersten Hälfte des Buches, in der ein Massaker an mehreren Mutanten in einem Stall beschrieben wird:

"Er [der Protagonist] bedeckte seine Augen, aber dieselbe kranke, hilflose Neugier ließ ihn einmal mehr zwischen seinen Fingern hindurchspähen, als das Massaker in die nächste Runde ging (...) Eine lange Darmschleife segelte in die Box und sah einen Moment lang aus wie ein Lasso, das von einem wahnsinnigen Dämonen-Cowboy geschwungen wurde, was ja in der Tat gar nicht so weit von der (...) perversen Wahrheit entfernt lag (...) Und es nahm noch immer kein Ende. Als Nächstes flog ein Herz. Eine Lunge. Noch mehr verschlungene Gedärme" (Seiten 182-183).

Ach wirklich? Gähn. Mehr fiel mir beim Lesen nicht dazu ein.

Nun ja. Ansonsten hat Mr Smith in seinem Werk noch einiges an Stilblüten zu bieten – die sind aber wirklich Klasse. Bestes Beispiel: "Garner zündete sich mit schier unerträglicher Entschlossenheit beiläufig eine weitere Zigarette an". Wie kann man sich "mit schier unerträgliche[r] Entschlossenheit beiläufig" eine Zigarette anzünden?

Oder, auch ganz großartig: Eine Frau kommt in ein Badezimmer, in dem ein junges, nacktes Mädchen gefesselt ist und auf seine Exekution wartet: Achtung... "Sie war höchstens 1, 55 Meter groß und wog inklusive ihrer Kleidung, die sie im Moment nicht trug, vielleicht 45 Kilo".

Meine Güte, was für ein Satz... inklusive ihrer Kleidung, die sie im Moment nicht trug... Ich weiß nicht, aber angesichts solcher Formulierungen stehen einem nur noch die Haare zu Berge.

By the way – die beiläufige Erniedrigung von Frauen in diesem Buch ist verstörend, etwa bei der Schilderung einer fellatio: "Joe stöhnte, schloss die Augen und ließ seinen Kopf auf die Sofalehne zurücksinken, während Helga sich seiner mit ihrer kompetenten Hurenzunge annahm". Bei so etwas fällt mir wirklich überhaupt nichts mehr ein.

Ich finde es traurig, dass so ein Müll in Buchform tatsächlich Erfolg hat. Wenn es wenigstens gut geschrieben wäre oder Angst machen würde – aber nein, es ist einfach nur schlecht. Ich habe in meinem ganzen Leben kaum einmal ein Buch weggeworfen – aber bei Bryan Smiths Machwerk "Verkommen" war es dann so weit: Es wanderte in den nächsten Mülleimer. Und dort gehört es auch hin. Es ist das Papier nicht wert, auf dem es gedruckt wurde.

Veröffentlicht am 26.02.2017

Fragwürdig und unseriös

Nimm mich, bezahl mich, zerstör mich!
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Lisa Müller ist eine blonde, gut aussehende junge Frau mit einer Hochglanzwebsite. In Talk Shows zeigt sie ihre nahezu makellosen Zähne, lächelt ein unverbrauchtes, ehrliches und aufrichtiges Lächeln und ...

Lisa Müller ist eine blonde, gut aussehende junge Frau mit einer Hochglanzwebsite. In Talk Shows zeigt sie ihre nahezu makellosen Zähne, lächelt ein unverbrauchtes, ehrliches und aufrichtiges Lächeln und erzählt... von ihren langen, langen Jahren als Kinderprostituierte.

Zum ersten Mal verkaufte sie sich als 14-jährige, später tat sie es immer und immer wieder für Geld. Irgendwann war sie psychisch am Ende und stieg aus. Ihre Kindheit war Horror, alles in allem eine furchtbare, grässliche Zeit.

Diese Zeit hat sie in einem selbst verfassten Buch verarbeitet. Wie sie selbst einmal in einem SWR-Interview aussagte, habe sie zur Verarbeitung ihrer schrecklichen Erlebnisse keine psychologische Hilfe gebraucht, sondern nur das Buch. In einem anderen Interview erklärt sie, sie habe sich damals, als sie das Buch geschrieben habe, nichts sehnlicher gewünscht als ein normales Leben.

Doch da, an genau diesem Punkt, setzen in einem kritischen Betrachter die Gefühle der Irritation ein. Wenn man ein normales Leben will – sollte man dann die Öffentlichkeit nicht meiden? Diese junge Frau wird das Stigma, das sie sich selbst oktroyiert hat mit ihrer Veröffentlichung, nie wieder los werden – ein normales Leben wird sie nicht wieder führen können. Aber damit nicht genug: Diese junge, gutaussehende Frau macht in allen Fernseh- und Radioauftritten keineswegs den Eindruck einer psychisch angeknacksten Person – ganz im Gegenteil: Zu fröhlich sind ihre öffentlichen Äußerungen, in manchen TV-Shows macht sie beinahe den Eindruck eines komplett sonnigen Gemüts. Viel zu frei und völlig unbefangen erzählt sie von ihrer Zeit als Hure – selbst die Berichte von ihrer angeblichen Vergewaltigung lassen sie nicht zögern, innehalten oder nachdenklich werden. Wer Natascha Kampuschs Fernsehauftritte gesehen hat, weiß, wie jemand aussieht, die Schreckliches durchgemacht hat und traumatisiert ist – aber Lisa Müller scheint mir nichts von alldem, was sie angeblich erlebt haben will, tatsächlich durchgemacht zu haben.

Hinzu kommt dann dieses unsägliche, unerträgliche, jedem guten Geschmack Hohn sprechende Buch. Auf 280 Seiten werden überwiegend pornographische Szenen zum Besten gegeben – und das mit einem Genuss, der gleich wieder für Irritation sorgt. Sagt sie nicht immer, sie sei an ihrer eigenen Prostitution zugrunde gegangen? Heißt nicht ein Teil des Titels „Zerstör’ mich?“ Danach klingt es aber im Buch nicht. Überhaupt nicht.

Darüberhinaus gibt es viele andere, irritierende Dinge in dem Buch. Vor allem auf Widersprüche wurde an anderer Stelle immer wieder hingewiesen – gerade, was die angebliche Durchführung ihrer Prostitution angeht. Je länger man sich mit dem Buch beschäftigt, desto mehr kommen dem Leser Zweifel an der Authentizität der dargestellten und berichteten Dinge. Und wenn man die Dame dann auch noch im Fernsehen sieht, hat man endgültig das Gefühl, dass da etwas nicht stimmt. Ist am Ende alles erfunden? Handelt es sich um eine Masche, mit deren Hilfe man berühmt werden will?

Und dann zum Thema Bilder. Hier fragt man sich – was soll denn das? Macht sie Werbung für sich? Will sie sich irgendwelchen Model-Agenturen auf diese Weise als Newcomerin anbieten? Was will sie damit erreichen? Gehört das auch zur angeblichen psychologischen Aufarbeitung ihrer traumatischen Erfahrungen? Erfahrungen, die sie freiwillig gemacht hat, wohlgemerkt?

Nein, nein, nein. Ich habe ja, wenn ich neue Veröffentlichungen sichte, normalerweise immer ein sehr wohlwollendes Gefühl für neue Autoren, insbesondere wenn es um autobiographische Erzählungen geht. Lisa Müller ist für mich eine Person, deren Erlebnisse ich zutiefst skeptisch sehe und an deren Authentizität ich nicht mehr glauben kann – nicht nach diesem Buch, nicht nach den werbewirksamen und beinahe selbstherrlichen Auftritten im Fernsehen. Das Maß ist dann noch endgültig voll, wenn sie sich unter realem Namen hier bei amazon anmeldet und empörte Kommentare über negative Rezensenten abgibt.

Nun denn, warten wir mal ab, in wie vielen Jahren sie zugibt, Blödsinn erzählt zu haben, nur um berühmt zu werden. Eines steht jedenfalls fest: Ihr Leben hat sie zerstört – so oder so.

Veröffentlicht am 26.02.2017

Langweiliger Krampf

Feuchtgebiete
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Eine achtzehnjährige Göre verletzt sich bei der Intimrasur und muss ins Krankenhaus. Weil ihr dort in ihrem Zimmer so langweilig ist, erzählt sie auf 220 Seiten alles Ekelhafte und Widerwärtige, was ihr ...

Eine achtzehnjährige Göre verletzt sich bei der Intimrasur und muss ins Krankenhaus. Weil ihr dort in ihrem Zimmer so langweilig ist, erzählt sie auf 220 Seiten alles Ekelhafte und Widerwärtige, was ihr rund um ihren Körper einfällt.

Das Buch ist als Schocker und Tabubrecher keineswegs brauchbar, da es sich bei "Feuchtgebiete" lediglich um eine Aneinanderreihung aller möglichen Superlative im Hinblick auf Körperlichkeit handelt. Mein überwiegendes Gefühl beim Lesen: Grenzenlose Langeweile. Die Geschichte von Helen, locker zusammengehalten von ihrem Wunsch, ihre getrennt lebenden Eltern wieder zusammenzubringen, erweist sich als nicht zugfähig. Die Protagonisten sind stereotyp und berechenbar, der Schreibstil müde und nur getrieben von dem Wunsch, nur noch ein paar Seiten mehr mit vermeintlich schockierendem und skandalösem Inhalt zu füllen.

Früher sind Menschen berühmt bzw. bekannt geworden, wenn sie etwas Gutes vorweisen konnten - wenn sie nach Perfektion und Vollendung strebten. Dass Leute wie Charlotte Roche mit einem derartigen Müll auch noch Erfolg haben, ist traurig. Der Gipfel des Ganzen ist es aber, wenn es auch noch Leute gibt, die so etwas tatsächlich für Gut halten. Ich zitiere mal den Rückseitentext:

"Ich erinnere mich nicht, ein Debüt-Manuskript in der Hand gehabt zu haben, so sicher, so mutig und so voller Gegenwart wie dieses" (Roger Willemsen).

Gute Nacht, deutsche Literatur.