Profilbild von StefanieFreigericht

StefanieFreigericht

Lesejury Star
offline

StefanieFreigericht ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit StefanieFreigericht über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.11.2018

Achtung: hier KEIN Spoiler zu den Hintergründen der Handlung...

Schweigend steht der Wald
0

…leider halten das etliche andere Rezensenten zum Buch anders. Schade – damit verpufft einiges am Überraschungseffekt.

„Den Wald lesen“

Die 28jährige Anja Grimm ist Forstamtsstudentin. Bereits als sie ...

…leider halten das etliche andere Rezensenten zum Buch anders. Schade – damit verpufft einiges am Überraschungseffekt.

„Den Wald lesen“

Die 28jährige Anja Grimm ist Forstamtsstudentin. Bereits als sie ein Kind war, hatte ihr Vater, ein Biologielehrer, in ihr die Liebe zum Wald erweckt. Dann verschwand er während der Ferien spurlos, als sie erst acht Jahre alt war. Durch ein Praktikum, bei dem die Bodenbeschaffenheit des Bayerischen Walds kartiert werden soll, gelangt sie wieder dorthin, wo die Familie einst mehrere glückliche Urlaube verbracht hatte. Doch sie trifft nicht unbedingt auf Gegenliebe: voller Misstrauen wollen einige aus der miteinander stark verflochtenen Dorfgemeinschaft hinter ihrem Eintreffen andere Absichten erkennen. Doch steht deshalb einer der Dörfler mit einer Waffe im Anschlag vor ihr? Wem kann sie hier trauen? Und was ist hier der Zusammenhang? Dann werden zwei Leichen gefunden. Doch Anja kann den Wald lesen, erkennt Zusammenhänge, die anderen verborgen bleiben.

Hier ist schlicht lovelybooks schuldig. Durch die Hörrunde zu Fleischhauers „Das Meer“ hatten sie mich angefixt für diesen Autor. Krimi – kenne ich schon. Dieser Autor ist anders: er schreibt über ein gesellschaftspolitisch relevantes Thema und transportiert das sehr geschickt, finde ich, in einem Krimi. Hier gibt es ein Hauptthema (das ich nicht verraten werde) und nebenbei lernt man noch einiges zum Thema Forstwirtschaft und Wald. Dazu wird die Stimmung oft gewechselt: da gibt es drohende Grundstimmung, Action, Verzweiflung, Frust, sehr bildhafte Darstellung davon, in den Schuhen eines anderen zu laufen, und wenn es ohne Schuhe auf Kies ist – Langeweile kam bei mir nicht auf. Fleischhauer schafft es, nicht belehrend zu wirken und zum Nachdenken aufzufordern, dabei aber auch blitzschnell die Perspektive zu wechseln, um es sich nicht zu leicht zu machen. Auch der Vortrag durch Detlef Bierstedt hat mich überzeugt. 4 ½ Sterne

Veröffentlicht am 27.11.2018

Von Rosen und Krawatten

Tödliche Sonate
0

Commissario Dionisio di Bernardo will gerade joggen, als er nach Parioli gerufen wird, das schicke Viertel Roms. Die Leiche der Konzertagentin Cornelia Giordano wurde von ihrer Sekretärin Marina Adamová ...

Commissario Dionisio di Bernardo will gerade joggen, als er nach Parioli gerufen wird, das schicke Viertel Roms. Die Leiche der Konzertagentin Cornelia Giordano wurde von ihrer Sekretärin Marina Adamová gefunden, als diese mit dem üblichen Mittagssnack zu ihrer Chefin zurückkehren wollte. Doch wer kann die harte Geschäftsfrau so gehasst haben, dass er sie so zugerichtet hat? Da gibt es etliche Musiker, deren Karrieren Cornelia Giordano scheinbar willkürlich zerstört hatte – und da gibt es ihre Familie, für die doch vermutlich ein Erbe herausspringen dürfte. Während sich der Commissario und seine Kollegen, Ispettore Roberto del Pino, Gerichtsmediziner Dottor Fabio Ricci und Polizeipsychologin Giorgia Magnati, durchwühlen durch schwierige Familienverhältnisse, Erbschaften, Mäzenatentum, Günstlingswirtschaft und fragwürdige „Gefallen“, passiert ein Überfall auf eine der Personen im Dunstkreis der Ermittlungen. Doch kann sich das Opfer wirklich an nichts erinnern? Und wie hängt der anonyme Brief damit zusammen?

Ich war zunehmend begeistert von diesem Krimi und seiner speziellen Darstellungsform. Autorin Natasha Korsakova ist selbst Geigerin – das merkt man sehr positiv in ihrem Erstling. Da sind zum einen die Einschübe mit von ihr gespielter und komponierter Geigenmusik, stets an die jeweilige Stimmung angepasst, die in ihrer Gesamtheit aber auch das Klangpotential des Streichinstruments vermitteln, ohne zu lang zu werden (das hier MUSS man geradezu hören, nicht lesen). Dann gibt es den Wechsel vom Rom des Jahres 2017 in die Vergangenheit; angesetzt wird hier am 12. August 1716 in der Werkstatt von keinem geringeren als Antonio Stradivari. Der Leser kann diesem Pfad aus der Vergangenheit schrittweise über die Jahrzehnte folgen. Außerdem gibt es Sprünge zu einem Ich-Erzähler, der über seinen oder ihren Mord an der Konzertagentin berichtet, weitere Pläne offenbart (schön schaurig, dass ausgerechnet hier die erste Person gewählt wird).

Dazu erfährt man ein wenig aus dem Leben des Commissario (zugezogen, geschieden, ein 17jähriger Sohn, Alberto, der bei der Ex, Monica, lebt), folgt den Ermittlungen durch Rom und in die Tiefen des Musikbusiness und die Kunst der Violinisten, bekommt Hunger bei den diversen Mahlzeiten (del Pino zeichnet für wahre Fressorgien verantwortlich). Man erfährt von di Bernardos Beziehungsfrust, lernt die weiteren Personen langsam mit ihm zusammen kennen – bis er beginnt, das Geflecht zu durchschauen. Währenddessen ist der Täter jedoch auch ihm näher gekommen – die mächtige Managerin war für ihn nur der Auftakt zu der namengebenden „tödlichen Sonate“. Und zu allem beherrscht die Debüt-Autorin auch einen angenehmen Humor mit einer oft trockenen Note.

Das hat mir sehr gut gefallen, ich habe nebenbei noch etwas gelernt über Geigen(spiel) und Stradivari und könnte mir das sehr gut in Serie vorstellen (schließlich will ich noch wissen, wer Camilla für den Commissario war – Schwester? Kollegin? Geliebte?). Ich fand das Hörbuch sehr gut gelesen, auch wenn ich keine drei Sprecher gebraucht hätte (ich bemerkte die Unterschiede nicht unbedingt bei jedem Wechsel, hätte nur zwei Sprecher vermutet...).

Leichte Abzüge, weil ich die Auflösung dann reichlich komplex fand. Dazu wünsche ich mir wie bei fast jedem Hörbuch eine Namensliste - ich habe meine aus der Leseprobe für das gedruckte Buch zusammengesucht.

4, 5 Sterne

Veröffentlicht am 27.11.2018

Die Wirkung des Bösen

Nesträuber
0

Ich habe die Original-Ausgabe "hörgelesen" (Whispersync, meistens gehört), namens "The Magpies", wobei Magpies Elstern sind. Der deutsche Titel verrät mal wieder etwas zu viel (oder der Verlag hält deutschsprachige ...

Ich habe die Original-Ausgabe "hörgelesen" (Whispersync, meistens gehört), namens "The Magpies", wobei Magpies Elstern sind. Der deutsche Titel verrät mal wieder etwas zu viel (oder der Verlag hält deutschsprachige Leser für zu dumm, etwas über Elstern zu wissen?!)

Whispersynced, meaning that I was capabale to alternate between audio and ebook, which is nice to look up names

Jamie and Kirsty are young and in love. So the IT-specialist and the nurse are overjoyed when the find the flat of their dreams, in a quiet street in London, and affordable to purchase. Even the neighbours seem to be nice – couple Chris and Lucy in the garden flat underneath them, Brian and Linda in the top flat and Mary with her cat Lennon in between. So when the fire brigade arrives at their house warming party, it is probably rather some bad joke. Jamie and Kirsty start to befriend the neighbours. All the while, something is going on. There a taxis, parcels, pizzas coming to them, which the young couple did never order. There are strange accusations. There are complaints about noise. And then, a terrible accident happens. But nobody seems to believe them.

Two WARNINGS: first, this is not the standard thriller, so some readers might be disappointed. This is rather a very somber story with some thriller-like elements, I call books like that a “psycho-drama”. Second, some readers might be offended by explicit descriptions of sex – it is there for a reason.

Have not most of us had at some time rather weird incidents with neighbours? I certainly still wonder about that one woman who managed to use up all the space in the rubbish bin by bringing out her trash daily, tiny portions always wrapped up in plastic bags with that much air knotted in so it was overly bulky. This is nothing like what happens to the Knights. This story is not about “who did it”, that will be pretty obvious very soon (although I kept wondering). This is about what to do against this, if nobody takes you serious or even believes you. The story is about drama in the making, when you know exactly this is going to go oh so very wrong, but I could not have even guessed about how bad it might become. There is foreboding and it is gripping and I sat glued to the text (even more spooky when heard as an audio book) and it is thrilling (though, as I had pointed out, rather not a thriller).

The pictures in your head are there when you compare to your very own “special” neighbor and they start even worse when you put down the book, like “oh, my situation is so much better”. But had not the Knights thought so when it all started? What a subtle and really mean way to draw the reader in – big “Like”. Oh, and the narrator is Simon Mattacks, who is simply great (I looked out for him after some Jess Ryder book and another from the same author). He manages to give each of ther persons in the house their own voice! I think the text would make a great group read, too, with the discussion it might bring about.

Disliked? Well, fortunately I am not at all into covers. A young woman in probably her nightgown in a winterly forest does not have anything to do with what happens. Oh, and I found some minor inconsistencies… in the trial, was there nobody talking about the 20.000 – it should have made for a motive AND wilful intent? And how come that Jamie found allies – it did not feel that obvious to me? Chapter 17 – the symbolism with the crows and the graveyard, that was a bit too thick for my taste. Hence, 4 ½ stars

Veröffentlicht am 01.05.2018

The Origin of Evil

Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert
0

Titel der deutschen Übersetzung dieses im Original französischsprachigen Buches: "Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert"
Deutscher Rezi-Text unten (German text underneath)


”Cherish love, Marcus. Make ...

Titel der deutschen Übersetzung dieses im Original französischsprachigen Buches: "Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert"
Deutscher Rezi-Text unten (German text underneath)


”Cherish love, Marcus. Make it your greatest conquest, your sole ambition. After men, there will be other men. After books, there will be other books. After glory, there will be other glories. After money, there will be yet more money. But after love, Marcus, after love, there is nothing but the salt from tears.” p 472

2008. Marcus Goldman is 28, famous for an overly successful first novel he wrote almost two years ago, landed a contract for more prose, but now is hopelessly lost in writer’s block. Clueless even as to what to write about, he desperately turns to his friend, mentor, and former college prof, Harry Quebert, 67, a renowned author himself. Via Harry, Marcus stumbles into criminal investigations, when a body is found in Harry’s garden: Nola Kellergan disappeared 33 years ago at the age of fifteen. Near her, the manuscript for Harry’s most successful novel is found. And before this, Marcus had found photographs showing Harry and Nola – as a couple!

This is a mystery story, a book about friendship, love, a book (this) about a book (Marcus’) about a book (Harry’s), some insight into book publishing, writing; it hints to “Murder she wrote”, “Twin Peaks”, “Lolita”, Agatha Christie, in a way (nobody will tell it all and thus hinder the investigations) – what else might you wish for? Well, I liked the book a lot. It is a crime story without being too gory, a love story without being too kitsch – well, apart from dwelling in “darling Nola, N O L A, N O L A, darling Nola”, but they felt rather outnerving than kitsch and… be explained. I cannot think of many plots with as many turns as this – thick as the book is, after two thirds, I wondered what might be there to fill the final pages with – but was surprised, several times (there ARE some lengths, though, especially some repetitions – often, the story will be told from different points of view, not necessarily with only new facts). I loved the structure: the chapters are numbered in reverse order, each starts with a short lecture from Harry to Marcus, then often Marcus’ book, sometimes parts from Harry’s book, letters… quite unique.

As to the language: For some reason, I read the book in English - actually, it is a French book. I found the translation a very easy read - as the book has been praised as literary, I do not find much of that in it in the languare (apart from the structure and general complexity of plot). The tone is light, amusing, sometimes almost comedy (Marcus’ mother!). I recommend e-book over hardcover over paperback – I DID read the paperback and it is not very handy with its thickness, you cannot help bending the spine.

What’s not so good? Well, I mentioned the minor points of repetition and length (probably two sides of the same story anyway). I did NOT have an issue with the love story of a (then) 34-year-old Harry with a 15-year-old Nola; there was nothing explicit about this in the book, but I can understand that others may object.


Recommendation! 4 ½ stars





2008. Marcus Goldman ist 28 und berühmt wegen seines überaus erfolgreichen ersten Buchs, das er vor fast zwei Jahren geschrieben hatte; ein Vertrag für weitere Prosa folgte, doch nun hat er eine Schreibblockade. Er weiß nicht einmal, worüber er schreiben soll, und wendet sich daher verzweifelt and seinen Freund, Mentor und früheren College-Professor, Harry Quebert, 67, selbst ein respektierter Autor. Durch Harry stolpert Marcus dann in polizeiliche Ermittlungen, als eine Leiche in Harrys Garten gefunden wird: Nola Kellergan verschwand vor 33 Jahren im Alter von 15. In ihrer Nähe findet sich das Manuskript für Harrys erfolgreichsten Roman. Und kurz davor hatte Marcus Fotos gefunden, die Harry mit Nola zeigen - als Paar!


Ein Krimi, ein Buch über Freundschaft, Liebe, ein Buch (dieses) über ein Buch (das von Marcus) über ein Buch (das von Harry), ein Einblick in Verlagswesen und Schreiben; dazu Hinweise auf "Immer wenn sie Krimis schrieb", "Twin Peaks", "Lolita", sogar Agatha Christie (niemand redet und behindert somit die Ermittlungen) - was könnte es Schöneres geben? Mir gefiel dieses Buch sehr. Es ist ein Krimi ohne blutrünstig zu sein, Liebesgeschiche ohne Kitsch, wenn man absieht vom exzessiven "allerliebste Nola, N O L A, N O L A, allerliebste Nola", was sich aber eher nervig las als kitschig und....was sich erklären lässt). Ich kenne wenige Handlungen mit so vielen Wendungen wie diese - bei der Seiten-Stärke dieses Buchs fragte ich mich nach zwei Dritteln, was denn da noch kommen könnte - und wurde überrascht, mehrfach (es GIBT dennoch Längen, speziell Wiederholungen - häufig wird dasselbe aus anderer Perspektive erzählt bei wenigen neuen Fakten). Ich liebe den Aufbau: Die Kapitel sind in umgekehrter Reihenfolge numeriert, jedes beginnt mit einer kurzen "Belehrung" von Harry an Marcus, dann meist Marcus' Buch, gelegentlich Harrys Buch, Briefe...ganz einzigartig.

Zur Sprache: Aus welchem Grund auch immer habe ich ein im Original französischsprachiges Buch in der englischen Übersetzung gelesen. Ich fand es sehr einfach - da das Buch als sehr literarisch angepriesen wurde, nun, davon finde ich sprachlich wenig (nur die erwähnte Struktur und generelle Komplexität). Der Ton ist leicht, amüsant, oft an der Grenze zu Comedy (die Mutter von Marcus!) Ich empfehle das e-book mehr als das gebundene Buch und das eher als das Taschenbuch - ich hatte das Taschenbuch und es ist aufgrund der Seitenzahl nicht sehr handlich und lässt sich praktisch kaum lesen, ohne den Buchrücken zu biegen.

Mankos? Nun, die erwähnten Punkte zu Länge und Wiederholungen (was sich vermutlich bedingt). Ich hatte KEIN Problem mit einer Liebesgeschichte zwischen dem (damals) 34-jährigen Harry und der 15-jährigen Nola; es gibt nichts Explizites dazu im Text, aber ich kann auch verstehen, falls das jemanden generell stört.

Empfehlung! 4 1/2 Sterne.

Veröffentlicht am 29.03.2018

Bildnis einer Dame mit grauen Augen (AC 8, Poirot 5)

Der blaue Express
0

O: The Mystery of the Blue Train, 1928. Der achte Roman von Agatha Christie, dabei
der fünfte Roman mit Poirot, in Deutschland 1930 übersetzt von Ernst Simon (vgl. Wikipedia).
Inspektor Japp wird erwähnt ...

O: The Mystery of the Blue Train, 1928. Der achte Roman von Agatha Christie, dabei
der fünfte Roman mit Poirot, in Deutschland 1930 übersetzt von Ernst Simon (vgl. Wikipedia).
Inspektor Japp wird erwähnt (Poirot telegraphiert ihm), er tritt aber nicht selbst auf. Meine Ausgabe ist aus dem Scherz-Verlag, 13. Auflage von 1984 in der Übersetzung von Heinz Looser. Es gibt eine weitere Übersetzung von 2004 von Gisbert Haefs.

Die Grande Dame führt geschickt mehrere Handlungsstränge zusammen:
Mitten in Paris läuft ein dubioser Handel ab, bei dem es um wertvolle Steine geht – doch welche Parteien sind beteiligt? Wer ist der weißhaarige Mann?
Der US-Millionär Rufus van Aldin möchte, dass seine Tochter Ruth zustimmt, ihre unglückliche Ehe zu beenden, bevor sie an die Riviera abreist. Für sein geliebtes Kind hat er extra wertvollen Schmuck erworben - zu oft hat ihr Ehemann Derek Kettering sie betrogen, neuestens mit der Tänzerin Mireille. Doch auch Ruth hat etwas zu verbergen.
Katherine Grey hat lange als Gesellschafterin gearbeitet, bis ihre Arbeitgeberin starb und ein besonderes Testament hinterließ. Da begegnet ihr ein Mann.

Es war für mich ein kurzweiliges Lesevergnügen, diesen recht dünnen Roman zu lesen, der anmutet wie eines dieser Kammerspiel-artigen Theaterstücke – eine Person tritt links auf, während eine andere rechts abtritt; andere begegnen sich immer in Entscheidungssituationen. Wie in einer Kurzgeschichte laufen die Ereignisse der verschiedenen Handelnden fast simultan ab, wodurch ihre Leben binnen kurzem miteinander verknüpft sind. Ja, da treffen dann einander völlig Unbekannte dreimal aufeinander – doch, so etwas geschieht. Natürlich ist desgleichen Häufung nicht mehr so glaubhaft, aber aufgrund des charmanten Stils ähnlich einer altmodischen Komödie lasse ich Agatha Christie hier alles durchgehen.

Für mich ist das das erste ihrer frühen Werke mit bereits allen typischen Charakteristika: ein gewisser trockener Humor, ein verzwickter Plot, gerne mit Neben-Plots und vielen unerwarteten Wendungen, ein Herz in Nöten, eine unbedachte Entscheidung, einige übliche Verdächtige und ein Poirot-typisches Ende: er doziert vor der versammelten Gruppe, spielt alle Möglichkeiten vor. „Van Aldin erkannte nun, daß Poirot gerade diesen Zug vorgeschlagen hatte, um das Verbrechen zu rekonstruieren. Der Detektiv spielte ganz allein sämtliche Rollen….“ S. 176 . Frau Christie mochte dieses Buch übrigens laut Wikipedia wohl wenig, weil sie es, wie „Die großen Vier“/“The Big Four“, hauptsächlich aus einer finanziellen Misere heraus möglichst schnell schreiben musste, um liquide zu sein, dazu in einer emotional angespannten Situation (Tod der Mutter, Ehebruch durch ihren Mann mit anschließender Scheidung und einigen Problemen). Dem Vorgänger merkte ich das an – dieses hier bereitete mir Vergnügen.


Trivia
Gleich zwei Damen tragen ein Peignoir – das musste ich glatt nachschlagen, einen eleganten Damen-Morgenrock. In Frankreich ermittelt der Kommissär (ja, „ä“).
Meine Ausgabe hat mindestens zwei Stellen, die ich für Typos halte: „Rufus van Aldin machte sich diese atmosphärischen Verhältnisse auf seine Arzt zunutze…“ (Arzt statt Art) sowie S. 26 „Du hast doch außer dir selbst wenigstens noch einen Menschen lieb. Ruth ist das aber gar nicht imstande.“ Das oder eher dazu imstande?
Auf S. 142 hat Katherine so eine Art „Erscheinung“ – ähnliche Themen gibt es später in den Romanen, die Autorin hatte da wohl gewisse parapsychologsche Interessen (seltsamerweise wird der Beleg aus diesem Buch dafür später nicht genannt).
Amüsant, dass die Polizei das Haus des Comte durchsucht – dieses aber heimlich tut, was dann wohl illegal wäre.
Es erscheint wieder Joseph Aarons ab S. 166 – wie schon im Vorgänger, „Die großen Vier“ hilft der Theateragent bei Identifikationen in seiner Branche.
Zu Beginn des Buches wohnt Katherine im fiktiven St. Mary Mead – da gibt es doch später eine gewisse Miss Jane Marple von dort.
Zum ersten Mal taucht Poirots Diener George auf.
Zum ersten Mal taucht ein Privatermittler namens Goby auf, hier beauftragt von van Aldin. Er erscheint auch in “After the Funeral”/Der Wachsblumenstrauß und “Third Girl”/Die vergessliche Mörderin.
In “Death on the Nile”/(Der) Tod auf dem Nil wird Poirot auf diesen Fall angeprochen, da Miss van Schuyler über ihn von ihrem alten Freund Rufus van Aldin gehört habe.


Zeitgeist
Es gibt hier einen Gebrauch des Begriffs „Rasse“, der mich zuerst stutzen ließ: „Über den Beruf Olga Demiroffs konnte kein Zweifel bestehen, ebensowenig wie über ihre Rassenzugehörigkeit.“ S. 5 Dann die „Beruhigung“ mit S. 74 „Eine dicke amerikanische Dame, die den beiden gegenübersaß, beugte sich vor und sprach mit der entschlossenen Betonung, die der amerikanischen Rasse eigen ist,…“
Die Verwendung scheint hier unbekümmert zu erfolgen – interessant gerade angesichts des immer wieder einmal auftretenden Vorwurfs, Christie pflege gelegentlich antisemitische Stereotypen. Mit den beiden Sätzen oben im Hinterkopf liest sich für mich das folgende jedoch anders: Poirot will Hilfe von einem bekannten Hehler, dem er vor 17 Jahren geholfen hatte:
“Siebzehn Jahre sind eine lange Zeit”, sagte Poirot nachdenklich. “Aber ich glaube, mit Recht sagen zu dürfen, daß ihre Rasse nicht vergisst.”
“Sie sprechen von den Griechen?”
“Nicht unbedingt.”
Einige Augenblicke herrschte Schweigen, dann richtete sich der alte Mann stolz auf.
“Sie haben recht, Monsieur Poirot”, sagte er ruhig. “Ich bin Jude, und sie haben doppelt recht. Unsere Rasse vergisst nicht.”
Für mich appeliert hier Poirot an das Ehrgefühl aufgrund der Tatsache, dass sein Gegenüber Jude ist - o.k., auch Hehler, aber Ehrenmann.
Typisch hingegen finde ich in einem Christie Bemerkungen ähnlich der folgenden: die Zofe betritt das Zimmer “Poirot begrüßte sie mit seiner gewohnten Höflichkeit, die auf Leute ihres Standes nie ihre Wirkung verfehlte.” S. 124 Ja, das gesamte Setting ist stets sehr standesbewusst.
Hübsch übrigens, dass man Affären der Ehepartner aus Taktgefühl nicht notwendig in Vernehmungen anspricht.
Grandios folgender Spruch: „Meine Alte war auch Tänzerin, ehe ich sie geheiratet habe, aber Gott sei Dank hat sie nie Temperament gehabt. Im eigenen Heim hat man dafür keine Verwendung.“ S. 168

Bestens gelaunte 4 ½ Sterne