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Veröffentlicht am 29.03.2018

Der Hase im Rausch

Blasse Helden
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Der Deutsche Anton lebt im Russland der 90er. Er kam bewusst für das Neue, die Freiheit, und lebt gut mit und von den Unwägbarkeiten, der Korruption, den Mängeln, den unglaublichen Möglichkeiten für Reichtum ...

Der Deutsche Anton lebt im Russland der 90er. Er kam bewusst für das Neue, die Freiheit, und lebt gut mit und von den Unwägbarkeiten, der Korruption, den Mängeln, den unglaublichen Möglichkeiten für Reichtum auf krummen Pfaden, wie sie die neuen Russen gehen. „Diese Stadt war für ihn geschaffen, sie verzieh alles, auch seinen Mangel an Grundsätzen, Substanz, Tiefe.“ S 142 Er ist der „Mr. Fix-it“, sein Chef gibt den „Grußaugust“. Mit Anton hangelt sich der Leser durch die Kuriositäten des post-sowjetischen Alltags, von Bären, die auf Privatfeiern verloren gehen, über als angebliche Zwangs-Sanierungen getarnte Wohnungsenteignungen bis hin zum Versicherungsbetrug mit Nichts. Vieles wirkt skurril-surreal, so beim Polizeiprotokoll zu einer zerschossenen Scheibe, von den Polizisten verharmlost: „Anton unterschrieb als Franz Kafka, und sie verabschiedeten sich.“ S. 256

Der Realität entflieht Anton durch die Oper, das Theater, Literatur – und die Frauen, natürlich. Dabei bleibt er meist Spötter: „Anton überlegte, ob Dascha sich vielleicht aus Trübsinn über die desolate Ehe der Kirche zugewandt hatte. Jemand musste die schöne Frau vor derlei Unfug bewahren.“ S. 271 Kein beständiges Fundament. Eine post-pubertäre Klassenfahrt mit gehobenem Kulturprogramm und viel Taschengeld.

So wie die Frauen in Antons Leben nur Episoden bleiben, so hangelte sich in meiner anfänglichen Wahrnehmung der Roman (zunächst) episodenhaft voran. Ich bin kein begeisterter Leser von Kurzgeschichten, doch hier wollte ich definitiv weiter lesen, auch wenn ich noch in den ersten zwei, drei Kapiteln jeweils Pausen brauchte, um das Gelesene sacken zu lassen. Alles passt gut zu meinen schwammigen Erinnerungen: der Angriff auf das (russische) Weiße Haus, die Exzesse der „Neuen Russen“, Dokumentationen im Weltspiegel – ich haderte dennoch gute 100 Seiten mit der naturgemäßen Unüberprüfbarkeit des Alltagswahnwitzes, auch wenn ich glaubhafte Bestätigungen, ähnliche Geschichten anderer dazu hörte, ich bin schlicht komplett ohne Russlanderfahrung.

Die Geschichte war zu Beginn rasant, doch meine überprüfende Haltung ließ mich langsam vorankommen; dann wurde ich mitgerissen. Sprachlich bietet der Debütroman von Arthur Isarin, ein Pseudonym, viel, seltener einzelne Sätze zum Zitieren, häufiger eine treffende, bildhafte Erfassung des Charakters einer Situation: „Anton wollte nicht mehr aufstehen. Als er das letzte Mal im Bad war, fotografierte er eine Kakerlake neben einer Schachtel Zigaretten, damit man ihre Ausmaße erkannte. Sie war zu groß, um durch den Abfluss zu entkommen. Vergeblich versuchte sie, die Wände der Dusche zu überwinden. Ihre Situation war mit seiner vergleichbar.“ S. 194

„Flucht war die Konstante seines Lebens“ S. 223

4 ¾ Sterne für dieses sprachlich starke und bildhafte Debüt – insgesamt eine durchaus differenzierte Darstellung Russlands mit Höhen und Tiefen, ironischem Spott und liebevollem Unterton, die mir das Gefühl gab, sehr viel vermittelt bekommen zu haben.

Der Hase im Rausch ist übrigens eine in Versform verfasste Fabel des russischen Schriftstellers Sergei Wladimirowitsch Michalkow, der auch verantwortlich zeichnet für den Text der Hymne der Russischen Föderation und der Hymne der Sowjetunion
https://www.youtube.com/watch?v=O5bI7ZUlQy8 Die Mischung aus Selbstüberschätzung, Trinkerei, rauschendem Fest, Schmeichelei, Stärke, List usw. passt hier gut, finde ich.

Veröffentlicht am 12.02.2018

Innocent

Konklave
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Ich habe die Originalausgabe gelesen

Deutscher Text am Ende

What is talent in presentation, writing, makeing a movie? To me, it is the delivery of something captivating – even more so, when it it means ...

Ich habe die Originalausgabe gelesen

Deutscher Text am Ende

What is talent in presentation, writing, makeing a movie? To me, it is the delivery of something captivating – even more so, when it it means presenting something rather, well, dull to instead look interesting, even entertaining. Robert Harris CAN. Any ongoing repetetive procedure certainly does have its dull moments (ask Germans now how tired we are this January 2018 if there will ever be a new government after the election back on September 24th). This book is about electing a Pope – so, lots of repetetive procedures, traditions, and - opposing fractions. I am Protestant, and despite of being aware of the difficulties in between the more liberal and the more tradional within the Catholic Church, I had been to naive to follow that thought further so that of course any tendencies would also show in the elections.


I rather knew “Pope, election, white smoke, lots of traditions“. The Cardinals obviously are humans, not just men of God. Of course, fiction, but I found it plausible, given the bickering that surfaces in public between some groups or clergymen. Still, I found the way Harris handled this decent enough, but probably somebody hesitating might rather wish to consult a Catholic reviewer. This is, though, not “DaVinci Code“-wise type of conspiracy or treasure hunting (as I had feared).

The story begins with the death of the Pope and is told from the perspective of Cardinal Lomeli – the reader will know what he thinks, how he feels, but learn about the others only from Lomeli‘s impression or by what they say, do or how they behave. There will be over 100 Cardinals entitled to vote, and lots of staff, but the main characters are:
the four senior cardinals of the Catholic Church:

• the Secretary of State, Aldo Bellini. Italian. The intellectual hope of the liberals
•the Camerlengo (Chamberlain) of the Holy See, Joseph Tremblay (French Canadian). Also Prefect of the Congregation for the Evangelisation of Peoples
•the Cardinal Major Penitentiary/confessor-in-chief, Joshua Adeyemi (Nigerian Cardinal) – potential to be the first black Pope
•himself, Jacopo Lomelli, as Dean of the College of Cardinals



•Archbishop Woźniak, the Prefect of the Papal Household,
•nuns from the Company of the Daughters of Charity of St Vincent de Paul
•Cardinal Benítez, Filipino
•Archbishop Mandorff, the Master of Papal Liturgical Celebrations,
•Secretary of the College of Cardinals, Monsignor Raymond O’Malley
•Monsignor Morales Cardinal Goffredo Tedesco, Traditionalist


I found the book hard to categorize: gripping, but less of a thriller, rather like a political drama, probably. There are some key sentences when you realize that the story is told looking backwards: p 184 “Later, it would be obvious to Lomeli what he should have done next.“ I found some of those hints a tad too thick. You do soon have an idea of where this is leading to, but it remains to be unpredictable as you do not have much of an idea about how to get there and why. So, gripping, but not like gory or action. And it is brilliant how Harris weaves in the explanations to procedures, symbols, etc.

Find out yourself what links a nun sent in from Africa, hiding places within furniture, and bathroom gadgets. Solid 4 ½ stars, no rounding up due to that “too much“, but that’s rather beancounting. Recommendable.



“Our faith is a living thing precisely because it walks hand in hand with doubt. If there was only certainty, and if there was no doubt, there would be no mystery and therefore no need for faith.“ p 123f




Was bedeutet Talent bei einer Präsentation, beim Schreiben, beim Filmemachen? Für mich bedeutet das, etwas Mitreißendes abzuliefern - das gilt umso mehr, wenn es um etwas eher, nun ja, Trockenes geht, das unterhaltsam dargestellt wird. Robert Harris KANN. Jede neue repetitive Prozedur hat ganz sicher ihren Anteil an Langeweile (was man in Deutschland seit den Wahlen vom 24. September, aus denen heute im Januar 2018 immer noch keine Regierung hervorgegangen ist, sicher niemandem erklären muss). In diesem Buch geht es um die Wahl eines Papstes - also etliche Wiederholungen einer Prozedur, Traditionen, gegensätzliche Fraktionen. Ich bin evangelisch, und auch wenn ich mir des Gegensatzes zwischen den liberalen und den traditionellen Zweigen der katholischen Kirche bewusst bin, war ich irgendwie zu naiv, diesen Gedanken dahin weiterzuverfolgen, dass sich das natürlich auch in den Wahlen abbilden muss.

Ich wusste vor allem "Papst, Wahl, weißer Rauch, viele Traditionen". Die Kardinäle bleiben natürlich auch als Gottesmänner vor allem Menschen. Fiktion, aber für mich plausibel, vor allem, wenn man die Sticheleien mit einbezieht, die gelegentlich an die Öffentlichkeit kommen. Harris scheint das dezent und würdevoll abzuhandeln, wer zweifelt, sollte jedoch vielleicht die Meinung eines katholischen Lesers erfragen. Es geht hier nicht um Verschwörungen à la "Da Vinci-Code" oder Schatzjagden, wie ich gefürchtet hatte.

Die Geschichte beginnt mit dem Papsttod und wird erzählt aus der Perspektive von Kardinal Lomeli - der Leser weiß, was Lomeli denkt, fühlt, aber erfährt von anderen nur aus Lomelis Wahrnehmung oder durch deren Worte oder Verhalten. Etwa 100 Kardinäle sind wahlberechtigt, dazu gibt es viel Personal, aber die Hauptpersonen sind:

die vier Senior-Kardinäle (Begriffe??) der katholischen Kirche:

• der Kardinal-Staatssekretär, Aldo Bellini. Italiener. Die intellektuelle Hoffnung der Liberalen
•der Camerlengo (Kardinalkämmerer) des heiligen Stuhls, Joseph Tremblay (Franko-Kanadier). Auch Präfekt der Kongregation für die Evangelisierung der Völker
•the Cardinal Major Penitentiary/confessor-in-chief, Joshua Adeyemi (Nigerian Cardinal) – vielleicht der erste schwarze Papst
•er selbst, Jacopo Lomelli, als Kardinaldekan



•Erzbischof Woźniak, der Präfekt des päpstliche Haushalts,
•Nonnen from the Company of the Daughters of Charity of St Vincent de Paul
•Kardinal Benítez, von den Philippinen
•Erzbischof Mandorff, the Master of Papal Liturgical Celebrations,
•der Sekretär des Kardinalskollegium, Monsignor Raymond O’Malley
•Monsignor Morales Cardinal Goffredo Tedesco, Traditionalist

Das Buch lässt sich kaum einem Genre zuordnen: spannend, aber weniger ein Thriller, eher wie ein Politdrama vielleicht. Es gibt einige Schlüsselsätze, die bemerken lassen, dass die Geschichte im Rückblick erzählt wird: S. 184 “Later, it would be obvious to Lomeli what he should have done next.“ Mir waren diese vielen Hinweise einen Hauch zu dick aufgetragen. Bald hat man eine Idee, wohin das alles führt, aber die Handlung bleibt unvorhersehbar, da man weiterhin keine Idee hat, wie man dorthin gelangt und warum. Also, spannend, aber nicht blutrünstig und ohne Action. Und es ist geradezu brillant, wie Harris die Erklärungen mit einbaut zu Prozeduren und Symbolen etc.

Was verbindet also eine Nonne, die aus Afrika geschickt wurde, mit Verstecken in Möbeln und Bad-Utensilien? Gute 4 1/2 Sterne, keine Aufrundung wegen des erwähnten "zu viel", aber das ist eher Erbsenzählerei. Empfehlenswert.

“Our faith is a living thing precisely because it walks hand in hand with doubt. If there was only certainty, and if there was no doubt, there would be no mystery and therefore no need for faith.“ p 123f

Veröffentlicht am 12.02.2018

Vega's Future

Der wird Euch mit Feuer taufen
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Ich habe das Buch in der Original-Ausgabe gelesen "Jupiter's Bones" (die deutschen Titel sind aber auch so etwas von sinnbefreit)


Ignore the text on the back cover.

Emil Euler Ganz used to be a renowned ...

Ich habe das Buch in der Original-Ausgabe gelesen "Jupiter's Bones" (die deutschen Titel sind aber auch so etwas von sinnbefreit)


Ignore the text on the back cover.

Emil Euler Ganz used to be a renowned astrophysicist. After disappearing for ten years, he returned as Father Jupiter, founder of a religious cult called the Order of the Rings of God, teaching science and promoting time travel. Now he is dead. LAPD Lieutenant Peter Decker is rather sent along due to the deceased’s former fame. Everything looks like an ordinary suicide, but then, the behavior of the members of “the Order“ makes Peter’s stomach churn. So, he has his team investigate further.

This is book number 11 from the series but might be read stand-alone – except for rather the first of the series, “The Ritual Bath“: some private issues relate back to what had happend then, concerning Peter’s family. That first book was when he got to know Rina as a witness of a crime scene, a young widow and mother of two young boys. She now is his wife, mother of his stepsons and their young daughter together, he also has a grown-up daughter from his previous marriage, Cindy.


The story is a straight police procedural related to the investigations around a cult site, and as always, author Faye Kellerman throws in a lot of background information on the religious background of the Deckers, which are orthodox Jews. All of the last books had much less of that topic than the first ones, this time it is on jewish kittels, kindness to animals, sexual regulations. I found the book a good and solid read, one of the good ones from the series, though not one of the best. The discussion around “what might have happened, is…“ were entertaining and seemed realistic enough an approach. There even was some final showdown with a whole lot of action.

Dislike: my edition is a 1999 Headline Feature (i.e. the publisher) paperback – the print goes very far towards the spine so that you really have to bend the book’s spine to read it. I HATE that. More gutter margin, please!


Solid 4 ½ stars

Veröffentlicht am 05.01.2018

„Wir passten immer besser zusammen“

Ein fabelhafter Lügner
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„Wir passten immer besser zusammen“ S. 192

Ich-Erzählerin Lily ist 16 und hat sich freiwillig für ein Referat gemeldet über Buchenwald, weil sie in den Referendar Jan verliebt ist und weil ihr verstorbener ...

„Wir passten immer besser zusammen“ S. 192

Ich-Erzählerin Lily ist 16 und hat sich freiwillig für ein Referat gemeldet über Buchenwald, weil sie in den Referendar Jan verliebt ist und weil ihr verstorbener Großvater Jószef „Joschi“ Molnár als Jude dort Häftling war. Es wird gleich eine größere Aktion daraus, eine Reise nach Weimar, um von dort aus den 100. Geburtstag von Joschi im nahen Buchenwald zu würdigen, zusammen mit Lilys Mutter Marika und deren Halbgeschwistern Gabor und Hannah. Gabor sagt über den Vater, der fünf Kinder von fünf Frauen hatte: „Er liebte die Frauen, er hatte keine Ahnung von Verhütung, er log wie gedruckt, und wenn es eng wurde, verpisste er sich.“ S. 43

Die ungleiche Truppe hatte teils jahrelang keinen Kontakt und auch sehr unterschiedliche Versionen der Vergangenheit und der Wahrheit erhalten von Joschi, dem „fabelhaften Lügner“, und soll jetzt doch ein ganzes Wochenende zusammen verbringen. Es ist eine leise Geschichte mit feinem Humor, es geht um Identität, Familie, Wahrheiten, ums Zueinander-Finden. Normalerweise würde ich jetzt eine meiner schönen Namenslisten als Service liefern, die Kinder Joschis aufstellen mit deren Müttern und den dazugehörigen Ehemännern, den Berufen und Lebensstilen, aber gerade hier ist das Teil des Erfassens der Geschichte.

Die knapp über 200 Seiten sind das Debüt von Susann Pásztor, deren „Und dann steht einer auf und öffnet das Fenster“ eines meiner Lieblingsbücher 2017 war. Das Büchlein hat nicht die emotionale Dramatik des „Fenster“, zeigt aber sehr wohl, wie meisterhaft die Autorin bereits zu Beginn im Umgang mit Bildern war: „…sein Lächeln wirkte so, als hätte er vorher im Zug noch geübt und wäre nicht rechtzeitig fertig geworden“ S. 16 Beide Bücher sind Geschichten über Familien, deren Nähe und Distanz, Schwächen und Stärken. Beide verbinden eine gewisse Melancholie mit Lebensfreude, wenn ich auch das Buch von 2017 eindeutig für das stärkere halte – nur deshalb hierfür 4 ½ Sterne, statt 5.



„…und ich wusste auf einmal, dass dort, wo Unordnung hinterlassen wird, die Geschichten warten. Man musste die Dinge nur in die richtige Reihenfolge bringen.“ S. 205

Veröffentlicht am 15.11.2017

Seelenverwandte

Ich bin der Schmerz
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Stell dir vor, deine Liebsten werden entführt, dein Partner, eure Kinder. Sie werden betäubt sein, nichts davon mitbekommen, und sie kommen unversehrt zurück. Das hat einen Preis. Nein, kein Geld. Du musst ...

Stell dir vor, deine Liebsten werden entführt, dein Partner, eure Kinder. Sie werden betäubt sein, nichts davon mitbekommen, und sie kommen unversehrt zurück. Das hat einen Preis. Nein, kein Geld. Du musst jemanden töten, keine Polizei, bald. Sonst wird deine Familie grausam sterben. Der Architekt Josh tritt mit seiner Waffe vor den Mann. Der sagte:
„Ich bin ein ganz normaler Mann, der seine Familie wiedersehen möchte.“
„Ich auch“, sagte Josh und drückte ab. S. 29

Das ist die Grundhandlung zum furchteinflößenden „Anstifter“, und wenn man das liest, denkt man doch, wie viel lieber man es hat, wenn da ein Mensch tierlieb ist. Allerdings…mag er in diesem Falle Insekten. Sie waren die einzigen Lebewesen, mit denen er sich in seiner schlimmen Kindheit beschäftigen konnte, eingesperrt von seinem Vater. „Francis Ackerman junior fand die Natur schön und die Menschen unnatürlich.“ S. 327 Francis Ackerman junior ist ein Serienkiller, wie sein Vater, der ihn zu dem gemacht hat, was er ist: Sein Vater Francis Ackerman senior ist der gefürchtete Anstifter. Doch Francis junior hat auch noch einen Bruder, Marcus Williams. Einmal Cop, immer Cop, und das bei einer streng geheimen Organisation, den „Shepards“.



Was ich da geschrieben habe, ist mitnichten ein Spoiler, steht schon auf der Rückseite des Buches; hier geht es mehr um das „Wie“ und um die Dinge, die sich sonst noch ergeben, und das ist schon sehr spannend geschrieben. Die Geschichte baut sich auf in mehreren Haupt- und Nebenplots inklusive mehrerer fulminanter Finale, sehr actionlastig. Im Gegensatz zu Band 1 und 2 fand ich das dieses Mal sehr Buch-geeignet (davor passte es eher für einen Film). Das ist definitiv ein sehr harter Thriller, mit Folterszenen der übelsten Art, Sadismuswarnung mit Ausrufungszeichen (keine sexuelle Folter, falls das für jemanden wichtig ist als potentieller Leser). Tatsächlich dürfte es fast das Schlimmste sein; hier geht es darum, Menschen systematisch zu brechen und neu „zusammenzusetzen“.

Das Buch nimmt wie jeder gute Thriller/Krimi seinen Reiz aus dem Gegensatz „Gut“- „Böse“, noch getoppt dadurch, dass Serienkiller junior sich seinem Cop-Bruder verbunden und verpflichtet fühlt, wie, erzählen die beiden ersten Teile. Dafür hat der Cop-Bruder Sorge, inwiefern das Böse bei ihm durchbrechen könnte. Band 3 ist nicht annähernd so überzogen und unglaubwürdig und von Pathos durchsetzt wie die Vorgänger, jedoch gibt es so ein paar Grundaussagen, die auch hier nerven. Marcus geht ans Telefon, falls Killerbruder Frank anruft: „Dennoch, Familie blieb Familie, und außer Frank hatte Marcus niemanden mehr.“ S. 23 Was ein Quatsch, Marcus ist in einer anderen Familie aufgewachsen, erfuhr erst in den Vorbänden, dass er „ein Ackerman“ ist. Welche Bindung will der Autor hier zitieren? Ebenso: „Dennoch war Marcus‘ Wesen von Gewalttätigkeit, Düsternis und Brutalität geprägt.“

S. 24 Den Schrott lese ich auch seit Band 1 Seite 1, ohne dass sich mir gezeigt hätte, wo. Ja, Marcus hat Sorge, was er an Eigenschaften mit seinen Blutsverwandten teilt. Und als Cop muss er durchgreifen können. UND?? Ein wenig sehr „Erblehre“-lastig. Ebenso wieder US-lastiges pseudoreligiöses Geschwafel, aber irgendwie eher mit alt-testamentarischem Touch (Auge um Auge); insgesamt jedoch erfreulicherweise vieeel weniger als in den Vorbüchern (ich komme so auf 6 Stellen, vorher kam das gefühlt spätestens alle 6 Seiten).

Spannend waren die Bücher schon von Beginn an, dieses Mal konnte ich das auch genießen, von der echt kranken Darstellung des Psycho-Paps einmal abgesehen, die fand ich grenzwertig. Und: es war alles deutlich glaubwürdiger als „früher“. Und weiterhin mag ich Ackerman jun. nicht mehr wirklich widerwillig, wenn auch Marcus‘ on-off-Freundin Maggie mit dem Thema noch etwas hadert.

Insgesamt bin ich also durchaus angetan, das war ein echter Pageturner. Empfehlung für Hartgesottene, Fans von Dania Dicken, Rainer Löffler, jüngere Jo Nesbø-Bücher.


Ach ja, und: DIE GESTALTUNG. Ich fühle mich ja, wenn ich ganz ehrlich bin, Cover-Käufern immer etwas überlegen, aber ich bin der Gestaltung dieser Reihe verfallen. Ich werde demnächst wohl einen Gutschein beim Schweden meines Vertrauens für eine Wand-Vitrine zur Präsentation einlösen. Die Titel-Übersetzung ist weiter Käse, "Father of Fear", Vater der Furcht, wird "Ich bin der Schmerz"?!


4, 5 Sterne, keine Aufrundung wegen s.o.

Band 1 http://www.lesejury.de/rezensionen/deeplink/65958/ReadingCircle Original-Titel: „The Shephard“ (Der Hirte)

Band 2 http://www.lesejury.de/rezensionen/deeplink/73973/Product Original-Titel "The Prophet"