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Veröffentlicht am 05.02.2020

Thema wichtig. Umsetzung "hübsch", aber nicht passend.

Der Fall Collini
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gelesen von Burkhard Klausner
23. Mai 2001. In einem Berliner Hotel begibt sich der ältere Italiener Fabrizio Collini zu einer Suite und trifft dort einen 86jährigen, der zwanzig Minuten später tot sein ...

gelesen von Burkhard Klausner
23. Mai 2001. In einem Berliner Hotel begibt sich der ältere Italiener Fabrizio Collini zu einer Suite und trifft dort einen 86jährigen, der zwanzig Minuten später tot sein wird, erschossen mit einer alten Waffe. Collini lässt am Empfang die Polizei rufen. Caspar Leinen ist seit 42 Tagen zugelassen als Rechtsanwalt und steht in der Liste für den Notdienst der Strafverteidiger. Er wird zum Pflichtverteidiger für den Mandanten, der kein Wort sagt zum Motiv. Den erfahrenen Hasen Richter Köhler und Oberstaatsanwalt Reimers hat er ebenso wenig entgegenzusetzen wie später dem Star-Strafverteidiger Mattinger, aber geradezu davonrennen von dem Fall will er, als er erfährt, wenn Collini ermordet hat: den Großvater seines besten Freundes, der früher auch für ihn eine Vaterrolle eingenommen hatte. Ausgerechnet von der Schwester seines Freundes, für die er immer schon eine Schwäche hatte, muss er erfahren, wer das Opfer ist; sie ist wenig begeistert von Caspars Rolle für den Mörder ihres Großvaters. Doch der junge Anwalt beginnt zu recherchieren und begibt sich in Abgründe.

Ich war auf das Buch gestoßen im Rahmen einer Verlosung des (kürzeren) Hörspiels, als der Film in die Kinos kam. Ich mag Hörbücher lieber und habe mir dann das Hörbuch besorgt – aber leider hatte die Werbung für den Film bereits die Pointe verraten: Das Motiv. Wobei – es ist Deutschland, es sind alte Männer, die Trefferquote dürfte auch für Ratende gute Chancen bieten. Damit ist das hier zweierlei: einmal ist das Thema an sich nicht neu. Ja, wichtig – aber niemand benötigt NOCH "irgendein" Buch zum Thema, es gibt schon viele wirklich gute, die ich lieber häufiger gelesen sähe, mehr diskutiert. Was aber neu ist: es kommt ein Verjährungsskandal zu Sprache, von dem ich vorher nichts gehört hatte. Dieses Thema des „Einführungsgesetzes zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten“, durch das Straftaten, ja Verbrechen gegen die Menschlichkeit, zu Ordnungswidrigkeiten herabgestuft werden und damit verjähren konnten, fand ich extrem wichtig, leider kommt mir das Buch vor wie ein reines Vehikel, um nun diesen Verjährungsskandal darzustellen. Das ist zwar sprachlich angenehm getan, ich komme jedoch nicht an dieser Künstlichkeit vorbei.

Darüber hinaus wird in epischer Breite (so lang ist die Geschichte ja nicht) ausgewalzt, wie es denn zu der Verbundenheit Caspars mit der Familie Meyer kam. Das ist ja eine hübsche Erinnerung, aber völlig irrelevant für die schreiende Ungerechtigkeit, um die es hier geht. Oder soll damit die moralische Erhabenheit des Anwaltes dargestellt werden, dem es nur um die Wahrheit geht, um nichts als die Wahrheit, ohne Ansehen der Person? Oder soll der Mensch hinter den Taten Meyers gezeigt werden? Auch das wirkt auf mich verkrampft. Das muss man sich so vorstellen: Da übernimmt der Anwalt Leinen die Pflichtverteidigung. Dann war es das erst einmal mit der Gegenwart – jetzt geht es ausführlich in die Jugend von Caspar, seinem Freund Philipp und dessen Schwester Johanna, um die Beziehungen untereinander und zu den Erwachsenen. Ich fragte mich da dann doch bald, wann es denn endlich wieder zur Handlung käme beziehungsweise was das mit dem Heute zu tun habe. Und das ist? Caspar schätzte Hans Meyer Punkt. Wäre aber kürzer. Und Schirach schreibt das zwar schöner, aber auch nicht mit mehr Aussage.

Das Thema finde ich wichtig, die Umsetzung zwar "hübsch", aber nicht passend. Gut gelesen von Burkhard Klausner. 3 Sterne.
https://de.wikipedia.org/wiki/Einf%C3%BChrungsgesetzzumGesetz%C3%BCberOrdnungswidrigkeiten

  • Einzelne Kategorien
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 24.07.2019

"Der Kampf ums Überleben dauert ein Leben lang, sterben jedoch kannst du in einem Moment."

Die Seele des Monte Pavione
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Ich bin gerade sehr ernüchtert - bis kurz vor Ende war das ein 5-Sterne-Buch, aber zum Anfang:

"Sie dachte an den Mythos dieser Grenze, an all die Geschichten, in denen sie eine Rolle spielte, vor allem ...

Ich bin gerade sehr ernüchtert - bis kurz vor Ende war das ein 5-Sterne-Buch, aber zum Anfang:

"Sie dachte an den Mythos dieser Grenze, an all die Geschichten, in denen sie eine Rolle spielte, vor allem aber dachte sie, dass jede Grenze im Grunde nichts weiter als eine willkürlich gezogene Linie war, die sich Menschen ausgedacht hatten, um andere Menschen auszubeuten und zu unterdrücken..." Teil II, Kapitel 11. Jole wird mit sechzehn Jahren von ihrem Vater Augusto eingeweiht in das "Handwerk" des Tabakschmuggels. Die Familie lebt Ende des 19. Jahrhunderts in einem Bergdorf im Veneto und baut seit Generationen Tabak an. Doch zum Überleben reicht es oft nicht, der Anbau ist schwierig, die Kontrollbehörde unbarmherzig, die Region war schon unter den Österreichern ausgebeutet worden und leidet jetzt unter den Zollgendarmen des italienischen Königs Vittorio Emanuele II. Die Bauern helfen sich selbst, wildern, brennen heimlich Grappa, führen unter der Hand Schlachtungen durch oder schmuggeln eben Tabak. Augusto geht für seine Familie ein besonderes Risiko ein, um mehr Gewinn zu erzielen: er geht über den Monte Pavone, um den Tabak in Österreich zu verkaufen. Der Weg ist gefährlich, nicht nur die Zöllner beider Länder, auch Banditen lauern und tiefe Abgründe.

Autor Matteo Rhigetto beschreibt wunderbar das Leben der armen Bauern in der Region, ihre harte Arbeit, das entbehrungsreiche Leben, aber auch die Liebe innerhalb der Familie De Boer, mit Vater Augusto, geboren 1852, seiner Frau Agnese, den drei Kindern, der ältesten Tochte Jole, dann Antonia und Sergio. Ich habe viel gelernt über die Situation der einfachen Landwirte der Zeit, den Tabakanbau, die Landschaft. Dazu gibt es eine wirklich sehr bildhafte Schilderung des gefährlichen Wegs für den Tabakschmuggel, richtiggehend spannend. In anderen von mir in letzter Zeit gelesenen Italien-Büchern werden die Kinder (und häufig die Ehefrauen) viel geprügelt, alles wirkt liebloser (Ferrante, "Die Madonna der Berge"), da wirkt dieser Roman angenehmer; ob realistisch, vermag ich nicht zu beurteilen. Der starke Moral-Zwang auf Frauen fehlt (oder kommt nicht zum Tragen, weil die Familie fast allein lebt?).

Ich hing also wie gebannt am Text, sah mich auf sichere 5 Punkte hinlesen, dann kam es. Teile der Geschichte wurden zu einer Räuberpistole. Nun, ja, es geht um Schmuggeln und die Gefahren, aber der Teil am Meiler war für mich doch etwas arg aufgesetzt, ewig hingezogen, dazu noch etwas zu viel Zufall. Davon wäre eine "Zutat" ja vielleicht noch durchgegangen, aber in dieser Masse nicht. Und dann der Schluss: "Doch die weiten Wiesen dort oben, die Steine und Löwenzahnblüten würden immer und für alle Zeit die Existenz jedweder Grenze ignorieren.
Und so verhielt sich auch Jole und machte es damit der Natur nach, die sie so sehr liebte. Tief in ihrem Innern hoffte sie darauf, dass sich irgendwann niemand mehr ausgeschlossen fühlen müsste. Weder in den Bergen noch sonstwo in der Welt."
Ernsthaft? Ja, die Schmuggler überqueren die Grenze. Die Macht über ihre Region können sie nur als willkürlich empfinden. Dieses Grenzthema, das kommt einige Male, wie "Sie dachte an den Mythos dieser Grenze, an all die Geschichten, in denen sie eine Rolle spielte, vor allem aber dachte sie, dass jede Grenze im Grunde nichts weiter als eine willkürlich gezogene Linie war, die sich Menschen ausgedacht hatten, um andere Menschen auszubeuten und zu unterdrücken..." Teil II, 11

Die Ausbeutung gab es auch in Italien weg von der Grenze zu Österreich - wie auch überhaupt außerhalb von Italien, und oft völlig unabhängig von Grenzen. Ja, die Grenze zwischen Arm und Reich wird ebenfalls erwähnt, aber mir wäre es lieber gewesen, wenn der Autor diese Erkenntnis seinen Lesern zugetraut hätte, dass der bittere Hunger und die Armut durch die staatliche Willkür eine Schande sind, den Gedanken hatte ich so bereits ohne das Winken mit dem ganzen Zaun. Außerdem kann man das auch so lesen, dass da ein Vater seine Tochter bewusst in Gefahr bringt, statt wie viele andere der Region den Rücken zu kehren, beispielsweise. Auch wird sich durch die Gaunereien sicherlich nichts ändern, aber das am Rande. Das ist wirklich zuerst so toll und driftet dann mit dieser Holzhammer-Methode ab.

Schade. 3 Sterne.

Veröffentlicht am 10.07.2019

Ist mir erst zu kursorisch, später zu wenig in die Tiefe gehend

Verschüttete Milch
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https://de.wikipedia.org/wiki/BarbaraFrischmuth
Der Artikel zur Autorin zu Beginn? Nun, "Verschüttete Milch" trägt deutlich autobiographische Züge, nur heißt die Ich-Erzählerin Juliane, wie die Autorin ...

https://de.wikipedia.org/wiki/BarbaraFrischmuth
Der Artikel zur Autorin zu Beginn? Nun, "Verschüttete Milch" trägt deutlich autobiographische Züge, nur heißt die Ich-Erzählerin Juliane, wie die Autorin 1941 geboren in Altausee in der Steiermark. Da Buch begleitet sie bis zum vierzehnten Lebensjahr, unterteilt in Kapitel, die als Überschrift die dem jeweiligen Alter entsprechende Anrede tragen, "Die Kleine", "Juli" bis "Juliane". Der Vater fällt 1943 in Russland, die Mutter führt das Hotel weiter, das eigentlich eine "Außenstelle" des größeren Familienbetriebes ist. Dadurch wächst "die Kleine" häufig sich selbst überlassen auf, in der Obhut der Angestellten oder häufig wechselnder Kindermädchen, frei in der Natur, mit vielen Spielkameraden und Tieren. Wie häufig in ländlichen Regionen, waren die Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs abgemildert, weniger Kriegshandlungen, weniger Hunger, dafür Einquartierungen. Die Region war bereits damals touristisch, Segen und Fluch in einer Region, deren Böden keinen Ackerbau zuließen, die nur Salzbergwerke kannte. Doch die Fremden verändern die Gegend, Hotels mit altem Standard haben spätestens nach dem Krieg zu kämpfen angesichts der neuen Reisemöglichkeiten. Durch den zweiten Mann der Mutter, Paps genannt, bekommt Juliane zwar einen kleinen Bruder; die finanzielle Situation wird jedoch nicht entlastet.

Ich hatte blind zu dem Titel gegriffen und wurde mit dem Abschnitt "Juliane" durchaus belohnt, nachdem ich mich durch den Beginn doch sehr hatte durchkämpfen müssen. Autorin Frischmuth zieht gerade das erste Drittel als Memoir angesichts alter Fotographien auf, entsprechend kursorisch war mein Eindruck. Dazu wechseln die Sätze gerade zu Beginn stark zwischen sehr einfach und gewunden. Die Kleine schleicht sich zu den Küken und wird dafür vom Hahn attackiert. Und was schreibt die Autorin?
"Und der Hahn?, fragte sie, die gerade noch geträumt hatte, wie der Hahn, Wttermann heißt mein Hahn, mit gespreizten Federn, leuchtend wie ein Kaleideskop, in dem sich die farbigen Mosaikglasscherben immer weiterbewegen, zum Rauchfang (anderswo heißen Rauchfangkehrer Schornsteinfeger, was wie ein upgrading klingt) hinaufflog, um zu erkunden, wo sie geblieben war." Ja klar. Ich fand es anstrengend, sah auch lange keinen Nutzen darin, etwas zu lesen, was ich mir auch anhand eigener Bildersammlungen hätte durch den Kopf gehen lassen können. Das wurde erst mit dem Älterwerden des Kindes besser, ich konnte über das Spezifische der Region lernen, die viele Nazigrößen angezogen hatte, aus der einen Erwähnung meine ich Ernst Kaltenbrunner herauszulesen, Nachfolger von Heydrich https://de.wikipedia.org/wiki/Ernst
Kaltenbrunner, das Salzbergwerk hatte man zum Verstecken von Kunst genutzt https://de.wikipedia.org/wiki/Altaussee - im Buch sind das eher Randnotizen. Stärker herausgearbeitet wird die Veränderung des Tourismus, auch die Veränderung durch den Tourismus. "Es gab zunehmend mehr Zweithaus- und Zweitwohnungsbesitzer als seit Generationen im Familienbesitz befindliche Bauern- und Bergarbeiterhäuser und wesentlich mehr Gäste, die jahrelang im selben Privatquartier anstatt im Hotel wohnten. Mit der Zeit trugen auch weitaus mehr Sommerfrischler ihre Zweitkleidung als die Einheimischen, di sich wenigstens auf diese ihre Kleidung als angestammte Tracht berufen konnten."

Während die Frage offenes Ende oder geschlossenes bei den meisten Büchern besser nicht vorher preisgegeben werden sollte, halte ich es hier für relevant zu erwähnen, dass das Ende quasi auf einen Cliffhanger hinausläuft, wie es denn mit dem jungen Mädchen in der finanziellen Situation und mit ihren beruflichen Träumen weitergeht - ich "rieche" einen Folgeband. Das ruft Vergleiche hervor zu Ulla Hahns zeitlich ähnlich angesetztem "Das verborgene Wort", doch lässt sich das schlicht gefälliger lesen, mit größerem Erkenntnisgewinn zu Milieu und Zeit. Es liegt, denke ich, nicht daran, dass ich wie Hahn Deutsche bin und nicht Österreicherin, mir wäre das ländliche Milieu Frischmuths vertrauter als das katholisch-enge bei Hahn; es ist mir einfach zu wenig, zu wenig Überspringendes in der Schilderung der "Verschütteten Milch", zu vieles, was nur angedeutet bleibt, die Finanzen, zum Alkoholkonsum von Paps, zu Männern im Leben der Mutter, zu den familiären Beziehungen. Gäbe es tatsächlich einen Folgeband, würde ich ihn jedoch mindestens anlesen.

3 Sterne. Nicht völlig unzufrieden, aber einfach mir nicht "genug".

Veröffentlicht am 19.06.2019

Alte Zöpfe zu spät abschneiden

Der Zopf meiner Großmutter
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In der Leseprobe fand ich das Buch noch skurril, aber ansprechend, dann hätte ich es am liebsten beendet, konnte es nicht aus der Hand legen, wollte wissen, wie es weitergeht - und legte es nicht ganz ...

In der Leseprobe fand ich das Buch noch skurril, aber ansprechend, dann hätte ich es am liebsten beendet, konnte es nicht aus der Hand legen, wollte wissen, wie es weitergeht - und legte es nicht ganz zufrieden beiseite.

Da ist diese Großmutter - wir haben bei meiner gewohnt und ich vermisse sie bis heute - skurril und stur, die dem Enkel Maxim ein ganzes Arsenal an besonderen Sprüchen entgegenwirft. Die Familie ist aus Russland nach Deutschland gekommen; um das zu bewerkstelligen, wurde ein weitgehend frei erfundenes Judentum genutzt – während man eigentlich nicht viel Gutes von Juden hält. Das ist schon weniger schön; allerdings hält man auch nicht viel von sonst jemandem, fairerweise.
Eltern zu haben, die sich Sorgen machen, ob etwas hygienisch ist, das kenne ich auch. Aber diese Kontroll-Soziopathin von einer Großmutter erniedrigt ihren Enkel, demütigt ihn vor anderen, hält ihn klein, beleidigt ihn, behandelt ihn wie ein Baby, setzt ihn herab, malt ihm die Zukunft in düstersten Farben, traut ihm nichts zu, belügt ihn und verteilt rassistische Sprüche an alle, auch der Großvater wrid nicht verschont. Wundersamer Weise finden beide Auswege: der Enkel ist bald der Übersetzer der Großmutter, die weiter fast nur Russisch versteht, und somit Herr über die Informationen, der Großvater sucht sein Heil außerhalb des Haushalts. Man könnte auch sagen, er lässt dem Enkel zwar mehr zu, heimlich – und lässt ihn damit sehenden Auges im Stich. Doch die Familienverhältnisse sind nicht einfach und werden noch verwirrter.

Was soll ich hiervon halten? Es gibt zwar auch Momente der Zartheit bei der älteren Dame, die vermutlich Hanibal Lector gegessen hätte, sobald sie mit dem Spülen der Bakterien aus Chuck Norris durch war. Da gibt es auch witzige Teile, die jedoch vergessen sind, wenn sie das arme Kind als Idioten, Schwachkopf, bald sterbend, und so weiter beschimpft.
Und bitte, meine Omma ist ganz im echten Leben über Sicherheitspersonal von großen Wirtschaftsmessen gewalzt, weil sie ihren Enkelsohn besuchen wollte. Aber Idiot, lebensunfähig, das hätte uns niemand nennen dürfen. "Du spinnst, kommt her, macht das, ...." das geht.

Das wäre so eine schöne ganz besondere Familiengeschichte - aber mir ist die Großmutter zu dick aufgetragen, bei aller Skurrilität. Großmutter Margo macht zwar zum Ende Ansätze, alte Zöpfe abzuschneiden, aber bis dahin hat sie ihren Enkel der Kindheit und Identität beraubt. 3 Sterne.

Veröffentlicht am 12.05.2019

Klischees und Unstimmigkeiten, aber guter Grundplot und Aufbau. Insgesamt eher dünn

Zara und Zoë - Rache in Marseille
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Frankreich, kurz vor einer Mautstation. Eine Frau fährt einen Wagen mit vollem Tempo auf die Mautschranke zu, erst in letzter Sekunde öffnet sie sich. Es ist ein „Go fast“, eine Drogentransport, bei dem ...

Frankreich, kurz vor einer Mautstation. Eine Frau fährt einen Wagen mit vollem Tempo auf die Mautschranke zu, erst in letzter Sekunde öffnet sie sich. Es ist ein „Go fast“, eine Drogentransport, bei dem die Schränkenwärter vorher bestochen worden. Zoë fährt das Fahrzeug. Seit Jahren ist sie die rechte Hand des Mafiapaten, die Königin der Finsternis.

Wieder Frankreich. Ein junges Mädchen wurde bestialisch erstochen, Overkill. Eine Frau sieht sich alles an, sehr lange und sehr genau, Hinterher wird sie alles in ihr Notizbuch schreiben. Zara arbeitet bei Europol. Sie weiß, dass sie hierfür Hilfe benötigen wird, jemanden, der nicht auf Seiten von Ordnung und Gesetz bleiben muss. Jemanden, DIE sich nicht an Gesetze hält. Jemanden wie Zoë.

Vielleicht war meine Erwartungshaltung schuld. Ich hatte nach Leseprobe und Klappentext gerechnet mit einer Ausgangssituation zwischen der Millenium-Reihe mit Lisbet Salander, der gelegentlich wie Zara ein leichter Asperger-Autismus unterstellt wird und die auch eine Zwillingsschwester hat, und der Reihe von Ethan Cross mit dem Psychopathen Ackerman und seinem „guten“ Bruder. Nun, das hier ist weder noch. Zara ist vordergründig die brave Schwester, die keine Gesetze brechen kann – was nicht stimmt, zu Beginn tut sie es mit der Übergabe an Zoë, zum Schluss tut sie es in Bezug auf den knieenden Vater, und nein, das ist keine Notwehr. Zoë wirkt wie die coolere – aber wer würde ernsthaft eine Drogendealerin für cool halten wollen? Und welcher Vater stellt sein Töchterchen einem Mafiapaten vor, wenn er doch tief im Innern immer nur ein Restaurant betreiben wollte? Die Entfremdung der beiden wirkt auf mich aufgebläht – ebenso die Versöhnung. Doch wie das „doppelte Lottchen“ nach acht Jahren der Entfremdung funktionieren sollte, wenn man nichts voneinander weiß, bleibt eines der größeren Rätsel. Und ein ernstgemeinter Mordversuch – nur, weil Papi und Mami nicht mehr miteinander können? Ich verstehe auch nicht, warum sich Zoë hineinziehen lässt – nur weil ihr Ziehvater eine Ahnung hat? Und auch Zara hat eine Ahnung? Die beiden sollten Lotto spielen bei den vielen Vorahnungen; das ist alles nicht nachvollziehbar. Auch das Abschneiden der Haare – da hätte sich die Schwester in den Monaten bis zum Sommer ja wieder die Haare wachsen lassen können, aber gut.

Was richtig gut ist: der Grund-Plot, das Konstrukt hinter dem Verbrechen. Dazu wirken sowohl die Milieuschilderungen als auch die Landschaftsbeschreibungen sehr lebendig. Auch gefiel mir der Aufbau, mit den eingebauten Medien-Abschnitten. Das lässt sich insgesamt flott lesen; allerdings sind es recht wenige Buchstaben pro Seite.

Der Schluss nach einigen Action-Szenen ist dann immerhin stimmig, bis darauf, dass jemand, der eigentlich gar nicht morden wollte, eher nicht zum Overkill neigen würde, aber nun. Es gibt einen ganz moderaten Blick in die Möglichkeiten eines Folgebandes.

Insgesamt eine lockere Strandlektüre, dort, wo man nicht so auf Klischees und Unstimmigkeiten achten möchte, aber nichts, was haften bleibt, leider. 2-3 Sterne, 3 nur wegen des guen Konstrukts und Aufbau. Aber der Folgeband interessiert mich nicht und ich möchte Herrn Oetker im Moment auch nicht in einem anderen Buch lesen.