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Veröffentlicht am 19.12.2021

Hätte ich auch gelogen?

Die Lügen der Frauen
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Der Roman “Die Lügen der Frauen” von Ljudmila Ulitzkaja wurde 2003 durch den Carl Hanser Verlag im Deutschen veröffentlicht und stellt die Frage, wieso Frauen lügen.

Dabei verfolgen wir die Figur Shenja, ...

Der Roman “Die Lügen der Frauen” von Ljudmila Ulitzkaja wurde 2003 durch den Carl Hanser Verlag im Deutschen veröffentlicht und stellt die Frage, wieso Frauen lügen.

Dabei verfolgen wir die Figur Shenja, der sich durch ihr offenes Ohr immer wieder Menschen anvertrauen und sie so auch mit vielen Lügen konfrontieren.

Nachdem ich das Buch gelesen hatte, habe ich mich aber eine Sache gefragt: War es denn überhaupt schlimm, dass diese Frauen logen? Denn beim Lesen habe ich mich immer wieder bei der Frage erwischt, ob ich wirklich anders als die Figuren gehandelt hätte.

Die Handlung beginnt mit einem Urlaub, in dem Schenja mit scheinbar beeindruckenden Frauen konfrontiert wird, ehe weitere Erlebnissen mit ihrer Familien und Freunden folgen, in denen wir mit unterschiedlichen Lebensrealitäten von Frauen in Berührung kommen. Darunter gehören Interviews mit Prostituierten, Gespräche mit Mentorinnen, aber auch die selbstgefälligen Illusionen von Freundinnen.
Die Geschichte endet damit, dass Schenja mit ihrer eigenen Lüge konfrontiert wird: Dass sie doch nicht so viel leisten kann, wie sie angenommen hat.

Während sich die Geschichten entfalten erleben wir Shenja mal schockiert, mal resigniert und manchmal gar ungläubig, denn sie kann nicht verstehen, wie sie sich in den entsprechenden Situationen wiedergefunden hat und wieso die Frauen lügen mussten.
Dabei wird schnell klar, dass die Frauen alle das gleiche Ziel verfolgten: Sie wollten als die Frauen betrachtet werden, die sie selbst gerne wären.

Die Handlungen der unterschiedlichen Figuren selbst gingen flüssig ineinander über und stellten Präzise die unterschiedlichen Facetten der Figuren dar. Gerade dieser Aspekt ist für das Buch wichtig, da die Geschichte sich um die Figuren und ihre Bedürfnisse und Ziele drehte, um die Antriebe der titelgebenden Lügen zu erkunden.

Deswegen erzählten die Lügen selbst viel über die Lebensrealitäten der Frauen und erlaubten Annahmen darüber, was sie wohl als Idealbild und erstrebenswert in ihrem Umfeld oder der Gesellschaft insgesamt empfanden.
Sie wollten sich als leidende und aufopferungsvolle Mutter, zukünftige ehrenvolle Braut, Powerfrauen mit Work-Life-Balance oder Heilige darstellen.

Diese Frauen schienen es zu genießen so behandelt zu werden, als wären sie diese Idealbilder die sie vorgaben zu sein. Sie wurden respektiert oder bemitleidet, schienen die tragischen Heldinnen ihrer Geschichten spielen zu wollen.

Die Lügen und Erzählungen der Figuren hatten durch den Schreibstil der Autorin immer wieder etwas gemeinsam: Sie projizierten eine schwermütige und selbstgefällige Ausstrahlung, die ja oft vielen russischen Autoren nachgesagt wird.

Trotzdem sind die Gespräche dynamisch geblieben und sorgten dafür, dass ich gespannt an den Zeilen hing - ich wollte unbedingt erfahren, wie sich die Gespräche entwickeln werden und welche Wendungen mich auf der nächsten Seite erwarteten.

Aber meine Frage bleibt offen: War es denn schlimm, dass die Frauen gelogen haben? In den meisten Fällen war es kein Problem, aber hin und wieder wurde deutlich, dass die Konsequenzen sich langsam anschlichen: Während manche sich zu Alkoholikerinnen entwickelten wurden andere, welche selber ihre eigenen Lügen geglaubt haben, bloßgestellt, und manchmal wurde nebenbei fast eine Ehe zerstört

Aber gerade wegen dieser Frage überzeugt das Buch. Es war weder urteilend noch überheblich während es sensible Themen wie Hoffnungslosigkeit, den Wunsch nach Anerkennung und Liebe thematisiert hat. Zu keiner Zeit wurden die Frauen gewertet, denn die Erlebnisse wurden so geschildert, dass man sich selbst immer in ihnen wiederfinden konnte.

Da das Buch so von den Figuren getragen wird überzeugt es nicht durch spannende Handlungen oder raffinierte Wendungen - es ist ein Buch, welches von den Lügen lebt und so zeigt, welche Gründe und Auswirkungen sie haben können. Dabei konnte ich nicht vermeiden mich in die unterschiedlichen Frauen und ihre Leben hineinzuversetze, denn ich musste mich fragen, ob ich so viel anders in ihren Situationen gehandelt hätte.
Deswegen kann ich das Buch jeder Person empfehlen, die gerne die Beweggründe von unterschiedlichen Figuren nachvollziehen will und Wert auf authentische Gespräche legt.

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Veröffentlicht am 09.08.2021

Ein Gefühl für die feinen Nuancen

Rosaleens Fest
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Der Roman „The Green Road“ wurde von Anne Enright geschrieben und von Penguin Random House 2015 veröffentlicht. „The Green Road“ handelt davon, wie familiäre Beziehungsdynamiken das (Liebes-) Leben von ...

Der Roman „The Green Road“ wurde von Anne Enright geschrieben und von Penguin Random House 2015 veröffentlicht. „The Green Road“ handelt davon, wie familiäre Beziehungsdynamiken das (Liebes-) Leben von Kindern nachhaltig prägen kann.

Die Geschichte dreht sich dabei hauptsächlich um die Kinder der Familie Mardigan, welche unterschiedliche Lebenswege eingeschlagen haben und dadurch unterschiedliche, aber gleichsam prägende, Erfahrungen sammeln konnten. Wie ein roter Faden ziehen sich dabei ihre Erfahrungen mit Partnerschaften und Liebe durch das Buch, welche sie zu ihrem ersten Weihnachtsfest nach mehreren Jahren führen und Konflikte nach sich ziehen.

Dabei wird das Thema des Buches schnell deutlich: Sie alle wurden auf unterschiedliche Weise durch ihr Elternhaus und Umfeld geprägt, was die Familie Mardigan auf unterschiedlichen Weisen in ihrem Umgang mit dem Thema Liebe und Partnerschaft beeinflusst hat. Daran soll deutlich werden, welchen Einfluss die Familie und das Umfeld auf die Entwicklung und das Handeln von Kindern hat, welches so auch an die nächste Generation weitergetragen wird.

Der Schreibstil ist dabei einfach und eingängig, wobei es Passagen und Gespräche gab, welche Hintergrundwissen über das Jargon der unterschiedlichen Szenen und Milieus, in denen die Handlungen spielten, benötigte, um den Verlauf besser nachvollziehen zu können. Dabei werden die Besonderheiten der irischen Alltagssprache berücksichtigt und in manchen Fällen sogar betont.

Dabei zeichnet sich der Roman durch die Gespräche und Handlungen aus, da das empathiehafte und intelligente Framing der Szenen und Gespräche dafür sorgen, dass man mit Anspannung die Reaktionen der Figuren erwartet. Elegant wurde mit den Begriffen und der Alltagssprache der unterschiedlichen Milieus gespielt und das Augenmerk auf vermeintliche Kleinigkeiten gelenkt, die die Handlung und das Gesagt in einem neuen Licht erscheinen ließen, was so sonst schwer einzufangen ist. Es wurden Nuancen betont, die einen tieferen Einblick in das Gefühlsleben der jeweiligen Figuren erlaubten, wie es eine bloße Beschreibung nicht ermöglicht hätte.

Das hat so zu mehr Verständnis für die Reaktionen der Mardigan-Kinder geführt und auch Mitgefühl hervorgerufen. So musste man sich an vielen Stellen fragen, welche Nuancen man selbst im Alltag verpasst hat, die auf so viel mehr hätten schließen lassen können.

Die Handlung ist dabei schlüssig aufgebaut und ist gezielt auf Ereignisse eingegangen, welche für die Prämisse von Bedeutung sind: Meist lag der Fokus auf momentan stattfindenden Beziehungen oder in der Betrachtung der Ursachen für das Handeln der Charaktere. Dabei erzwang Enright niemals Handlungen oder Ereignisse, welche zu abrupten und Charakteruntypischen Handlungen führten, sondern ließ das alltägliche Handeln der Charakter die Geschichte dirigieren. So waren es die Konsequenzen des Handelns die Ursache für Konflikte und Auseinandersetzungen, obwohl es sich bei dem Handeln meist nur um unüberlegte Kleinigkeiten handelte.

Diese Art der Geschichtenerzählung führt dazu, dass sich die Handlungen wie ein Spinnennetz miteinander verknüpfen und so ein Gesamtbild über die Figuren und ihre Bedürfnisse und Sehnsüchte gezeichnet wird. Dabei wirkten die Reaktionen und Konsequenzen authentisch und nachvollziehbar.

Insgesamt konnte die Autorin mit Menschenkenntnis und mit einem Auge für feine Nuancen emphatisch das Seelenleben einer Durchschnittsfamilie darstellen und in Zusammenhang mit ihrem Aufwachsen stellen. Dabei zeichnet sich das Buch dadurch aus, dass es keine großes Familiendrama darstellt, sondern eine Alltagfamilie begleitete und dadurch zeigt, wie klein erscheinende Ereignisse und Unausgesprochenes die Beziehungsdynamiken innerhalb der Familie das Leben der Betroffenen nachhaltig prägen.

Dabei sind die kleinen Eindrücke die Enright darstellt so aussagekräftig, dass man an vielen Stellen dazu gezwungen war, eigene Erlebnisse zu reflektieren und sich zu fragen, was man selbst verpasst hat und zu ganz neuen Schlüssen hätte führen können – wenn man präsenter gewesen wäre oder nicht nicht auf starre Annahmen behaart hätte. Gerade durch die Normalität der Mardigan-Familie wird deutlich, wie Signifikat solche Kleinigkeiten sind, da sie nicht direkt Konsequenzen nach sich ziehen, sondern erst zu Tage treten, wenn bereits Wunden entstanden sind und zuvor starke Dämme haltlos brechen.

Deswegen kann ich das Buch ohne weiteres empfehlen, obwohl ich davon ausgehe, dass gerade diejenigen dadurch unterhalten werden, welche sich gerne mit Familien- und Beziehungsdynamiken beschäftigen.
Es gibt keine herausragende Handlung, welche in einem grandiosen Höhepunkt endet, aber dafür wird der Fokus auf kleine Gesten und die vielen Nuancen im zwischenmenschlichen Zusammensein gelegt, was umso beeindruckender sein kann – vorausgesetzt, man traut sich auch über eigene Erfahrungen zu reflektieren.

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Veröffentlicht am 09.08.2021

Ein Gefühl für die feinen Nuancen

Rosaleens Fest
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Der Roman „The Green Road“ wurde von Anne Enright geschrieben und von Penguin Random House 2015 veröffentlicht. „The Green Road“ handelt davon, wie familiäre Beziehungsdynamiken das (Liebes-) Leben von ...

Der Roman „The Green Road“ wurde von Anne Enright geschrieben und von Penguin Random House 2015 veröffentlicht. „The Green Road“ handelt davon, wie familiäre Beziehungsdynamiken das (Liebes-) Leben von Kindern nachhaltig prägen kann.

Die Geschichte dreht sich dabei hauptsächlich um die Kinder der Familie Mardigan, welche unterschiedliche Lebenswege eingeschlagen haben und dadurch unterschiedliche, aber gleichsam prägende, Erfahrungen sammeln konnten. Wie ein roter Faden ziehen sich dabei ihre Erfahrungen mit Partnerschaften und Liebe durch das Buch, welche sie zu ihrem ersten Weihnachtsfest nach mehreren Jahren führen und Konflikte nach sich ziehen.

Dabei wird das Thema des Buches schnell deutlich: Sie alle wurden auf unterschiedliche Weise durch ihr Elternhaus und Umfeld geprägt, was die Familie Mardigan auf unterschiedlichen Weisen in ihrem Umgang mit dem Thema Liebe und Partnerschaft beeinflusst hat. Daran soll deutlich werden, welchen Einfluss die Familie und das Umfeld auf die Entwicklung und das Handeln von Kindern hat, welches so auch an die nächste Generation weitergetragen wird.

Der Schreibstil ist dabei einfach und eingängig, wobei es Passagen und Gespräche gab, welche Hintergrundwissen über das Jargon der unterschiedlichen Szenen und Milieus, in denen die Handlungen spielten, benötigte, um den Verlauf besser nachvollziehen zu können. Dabei werden die Besonderheiten der irischen Alltagssprache berücksichtigt und in manchen Fällen sogar betont.

Dabei zeichnet sich der Roman durch die Gespräche und Handlungen aus, da das empathiehafte und intelligente Framing der Szenen und Gespräche dafür sorgen, dass man mit Anspannung die Reaktionen der Figuren erwartet. Elegant wurde mit den Begriffen und der Alltagssprache der unterschiedlichen Milieus gespielt und das Augenmerk auf vermeintliche Kleinigkeiten gelenkt, die die Handlung und das Gesagt in einem neuen Licht erscheinen ließen, was so sonst schwer einzufangen ist. Es wurden Nuancen betont, die einen tieferen Einblick in das Gefühlsleben der jeweiligen Figuren erlaubten, wie es eine bloße Beschreibung nicht ermöglicht hätte.

Das hat so zu mehr Verständnis für die Reaktionen der Mardigan-Kinder geführt und auch Mitgefühl hervorgerufen. So musste man sich an vielen Stellen fragen, welche Nuancen man selbst im Alltag verpasst hat, die auf so viel mehr hätten schließen lassen können.

Die Handlung ist dabei schlüssig aufgebaut und ist gezielt auf Ereignisse eingegangen, welche für die Prämisse von Bedeutung sind: Meist lag der Fokus auf momentan stattfindenden Beziehungen oder in der Betrachtung der Ursachen für das Handeln der Charaktere. Dabei erzwang Enright niemals Handlungen oder Ereignisse, welche zu abrupten und Charakteruntypischen Handlungen führten, sondern ließ das alltägliche Handeln der Charakter die Geschichte dirigieren. So waren es die Konsequenzen des Handelns die Ursache für Konflikte und Auseinandersetzungen, obwohl es sich bei dem Handeln meist nur um unüberlegte Kleinigkeiten handelte.

Diese Art der Geschichtenerzählung führt dazu, dass sich die Handlungen wie ein Spinnennetz miteinander verknüpfen und so ein Gesamtbild über die Figuren und ihre Bedürfnisse und Sehnsüchte gezeichnet wird. Dabei wirkten die Reaktionen und Konsequenzen authentisch und nachvollziehbar.

Insgesamt konnte die Autorin mit Menschenkenntnis und mit einem Auge für feine Nuancen emphatisch das Seelenleben einer Durchschnittsfamilie darstellen und in Zusammenhang mit ihrem Aufwachsen stellen. Dabei zeichnet sich das Buch dadurch aus, dass es keine großes Familiendrama darstellt, sondern eine Alltagfamilie begleitete und dadurch zeigt, wie klein erscheinende Ereignisse und Unausgesprochenes die Beziehungsdynamiken innerhalb der Familie das Leben der Betroffenen nachhaltig prägen.

Dabei sind die kleinen Eindrücke die Enright darstellt so aussagekräftig, dass man an vielen Stellen dazu gezwungen war, eigene Erlebnisse zu reflektieren und sich zu fragen, was man selbst verpasst hat und zu ganz neuen Schlüssen hätte führen können – wenn man präsenter gewesen wäre oder nicht nicht auf starre Annahmen behaart hätte. Gerade durch die Normalität der Mardigan-Familie wird deutlich, wie Signifikat solche Kleinigkeiten sind, da sie nicht direkt Konsequenzen nach sich ziehen, sondern erst zu Tage treten, wenn bereits Wunden entstanden sind und zuvor starke Dämme haltlos brechen.

Deswegen kann ich das Buch ohne weiteres empfehlen, obwohl ich davon ausgehe, dass gerade diejenigen dadurch unterhalten werden, welche sich gerne mit Familien- und Beziehungsdynamiken beschäftigen.
Es gibt keine herausragende Handlung, welche in einem grandiosen Höhepunkt endet, aber dafür wird der Fokus auf kleine Gesten und die vielen Nuancen im zwischenmenschlichen Zusammensein gelegt, was umso beeindruckender sein kann – vorausgesetzt, man traut sich auch über eigene Erfahrungen zu reflektieren.

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Veröffentlicht am 09.08.2021

Ein Gefühl für die feinen Nuancen

Rosaleens Fest
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Der Roman „The Green Road“ wurde von Anne Enright geschrieben und von Penguin Random House 2015 veröffentlicht. „The Green Road“ handelt davon, wie familiäre Beziehungsdynamiken das (Liebes-) Leben von ...

Der Roman „The Green Road“ wurde von Anne Enright geschrieben und von Penguin Random House 2015 veröffentlicht. „The Green Road“ handelt davon, wie familiäre Beziehungsdynamiken das (Liebes-) Leben von Kindern nachhaltig prägen kann.

Die Geschichte dreht sich dabei hauptsächlich um die Kinder der Familie Mardigan, welche unterschiedliche Lebenswege eingeschlagen haben und dadurch unterschiedliche, aber gleichsam prägende, Erfahrungen sammeln konnten. Wie ein roter Faden ziehen sich dabei ihre Erfahrungen mit Partnerschaften und Liebe durch das Buch, welche sie zu ihrem ersten Weihnachtsfest nach mehreren Jahren führen und Konflikte nach sich ziehen.

Dabei wird das Thema des Buches schnell deutlich: Sie alle wurden auf unterschiedliche Weise durch ihr Elternhaus und Umfeld geprägt, was die Familie Mardigan auf unterschiedlichen Weisen in ihrem Umgang mit dem Thema Liebe und Partnerschaft beeinflusst hat. Daran soll deutlich werden, welchen Einfluss die Familie und das Umfeld auf die Entwicklung und das Handeln von Kindern hat, welches so auch an die nächste Generation weitergetragen wird.

Der Schreibstil ist dabei einfach und eingängig, wobei es Passagen und Gespräche gab, welche Hintergrundwissen über das Jargon der unterschiedlichen Szenen und Milieus, in denen die Handlungen spielten, benötigte, um den Verlauf besser nachvollziehen zu können. Dabei werden die Besonderheiten der irischen Alltagssprache berücksichtigt und in manchen Fällen sogar betont.

Dabei zeichnet sich der Roman durch die Gespräche und Handlungen aus, da das empathiehafte und intelligente Framing der Szenen und Gespräche dafür sorgen, dass man mit Anspannung die Reaktionen der Figuren erwartet. Elegant wurde mit den Begriffen und der Alltagssprache der unterschiedlichen Milieus gespielt und das Augenmerk auf vermeintliche Kleinigkeiten gelenkt, die die Handlung und das Gesagt in einem neuen Licht erscheinen ließen, was so sonst schwer einzufangen ist. Es wurden Nuancen betont, die einen tieferen Einblick in das Gefühlsleben der jeweiligen Figuren erlaubten, wie es eine bloße Beschreibung nicht ermöglicht hätte. Das hat so zu mehr Verständnis für die Reaktionen der Mardigan-Kinder geführt und auch Mitgefühl hervorgerufen. So musste man sich an vielen Stellen fragen, welche Nuancen man selbst im Alltag verpasst hat, die auf so viel mehr hätten schließen lassen können.

Die Handlung ist dabei schlüssig aufgebaut und ist gezielt auf Ereignisse eingegangen, welche für die Prämisse von Bedeutung sind: Meist lag der Fokus auf momentan stattfindenden Beziehungen oder in der Betrachtung der Ursachen für das Handeln der Charaktere. Dabei erzwang Enright niemals Handlungen oder Ereignisse, welche zu abrupten und Charakteruntypischen Handlungen führten, sondern ließ das alltägliche Handeln der Charakter die Geschichte dirigieren. So waren es die Konsequenzen des Handelns die Ursache für Konflikte und Auseinandersetzungen, obwohl es sich bei dem Handeln meist nur um unüberlegte Kleinigkeiten handelte.
Diese Art der Geschichtenerzählung führt dazu, dass sich die Handlungen wie ein Spinnennetz miteinander verknüpfen und so ein Gesamtbild über die Figuren und ihre Bedürfnisse und Sehnsüchte gezeichnet wird. Dabei wirkten die Reaktionen und Konsequenzen authentisch und nachvollziehbar.

Insgesamt konnte die Autorin mit Menschenkenntnis und mit einem Auge für feine Nuancen emphatisch das Seelenleben einer Durchschnittsfamilie darstellen und in Zusammenhang mit ihrem Aufwachsen stellen.

Dabei zeichnet sich das Buch dadurch aus, dass es keine großes Familiendrama darstellt, sondern eine Alltagfamilie begleitete und dadurch zeigt, wie klein erscheinende Ereignisse und Unausgesprochenes die Beziehungsdynamiken innerhalb der Familie das Leben der Betroffenen nachhaltig prägen. Dabei sind die kleinen Eindrücke die Enright darstellt so aussagekräftig, dass man an vielen Stellen dazu gezwungen war, eigene Erlebnisse zu reflektieren und sich zu fragen, was man selbst verpasst hat und zu ganz neuen Schlüssen hätte führen können – wenn man präsenter gewesen wäre oder nicht nicht auf starre Annahmen behaart hätte.

Gerade durch die Normalität der Mardigan-Familie wird deutlich, wie Signifikat solche Kleinigkeiten sind, da sie nicht direkt Konsequenzen nach sich ziehen, sondern erst zu Tage treten, wenn bereits Wunden entstanden sind und zuvor starke Dämme haltlos brechen.

Deswegen kann ich das Buch ohne weiteres empfehlen, obwohl ich davon ausgehe, dass gerade diejenigen dadurch unterhalten werden, welche sich gerne mit Familien- und Beziehungsdynamiken beschäftigen.
Es gibt keine herausragende Handlung, welche in einem grandiosen Höhepunkt endet, aber dafür wird der Fokus auf kleine Gesten und die vielen Nuancen im zwischenmenschlichen Zusammensein gelegt, was umso beeindruckender sein kann – vorausgesetzt, man traut sich auch über eigene Erfahrungen zu reflektieren.

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Veröffentlicht am 26.11.2021

Zu leben ist nur für die wirklich Mutigen

Der Club der Lebensmutigen
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“Der Club der Lebensmutigen” ist ein Roman von Josefine Weiss, der 2021 durch den FeuerWerke veröffentlicht wurde und handelt von dem Mut den man braucht um wirklich zu leben.

Dabei merkt man schnell, ...

“Der Club der Lebensmutigen” ist ein Roman von Josefine Weiss, der 2021 durch den FeuerWerke veröffentlicht wurde und handelt von dem Mut den man braucht um wirklich zu leben.

Dabei merkt man schnell, mit welchem Lebensmut und welcher Hoffnung die Geschichte geschrieben wurde. Die Liebe der Autorin zu ihren Figuren und der Geschichte wurde bereits in den ersten Kapiteln durch die liebevolle Beschreibung der Charaktere und der Umgang mit ihren Krankheiten deutlich. Anstatt Krankheiten zu stigmatisieren und die Betroffenen Menschen als Opfer darzustellen, wurde gezeigt, mit welcher Stärke sie ihre Aufgaben und Hindernisse bewältigen, ohne dabei Mitleid hervorrufen zu wollen.

Das ist umso wichtiger, da die Autorin uns direkt im Prolog mit einem Schicksalsschlag konfrontiert wurde, der mir erst mal den Atem geraubt hat.

So wird auch schnell das Thema der Geschichte klar: Wie kann man trotz schweren Schicksalsschlägen wie Trauer, Trauma und schwerwiegenden ärztlichen Diagnosen den Mut finden am Leben teilzunehmen und sogar eine unbeschwerte Zeit erleben? Gerade dann, wenn der Tod unausweichlich auf einen wartet?

Dabei verfolgen wir Marleen, welche durch den Verlust ihres Partners in einer Depression versunken ist und erst nach Jahren an Therapie zumindest mit dem Gedanken spielt, wieder mehr zu tun als zu arbeiten und in der Wohnung vor sich hin zu vegetieren.

Als Antithese steht ihr Hannes gegenüber, welcher es sich trotz, oder gerade wegen seiner Krebsdiagnose zum Ziel genommen hat, jede verbliebene Sekunde dazu zu nutzen, sich seinem Umfeld und insbesondere seinen Lieben zu widmen.

Dabei wird auch der “Club der Lebensmutigen” vorgestellt, der von Hannes gegründet wurde und ein Sammelsurium aus unterschiedlichen Charakteren mit unterschiedlichen Lebensgeschichten ist. Die Clubmitglieder werden durch ihre Liebe zum Leben und ihrer Liebe zueinander zusammengehalten und versuchen gemeinsam mit ihren unaufhaltsamen Schicksalen umzugehen und gemeinsam arbeiten sie daran, jeden letzten Augenblick auszukosten.

Der Schreibstil ist gut - Handlungen fließen flüssig ineinander ein, Gespräche sind dynamisch und ich hatte immer ein Gefühl davon wie es einer Figur ging und welche Mimik und Gestik sie verwendete.

Aber die Umsetzung der Geschichte und gerade der Figuren waren nicht so komplex, wie sie es hätte sein können und vielleicht hätten sein sollen.

Weiss konnte ihre Geschichte so erzählen, dass sie mich berührte und sogar hin und wieder fast zum Weinen gebracht hat. Aber an vielen Stellen hätte ich mir gewünscht, dass die Figuren nicht nur ihre dauer-positiven Fassaden zeigen, sondern auch Einblicke in ihre tiefere Gefühlswelt gezeigt hätten und sogar mehr über ihre Lebens- und Werdensgeschichte erzählen würden.

Denn so, wie die Figuren geschrieben und beschrieben wurden waren sie alle ausnahmslos Klischeehaft und nur auf eine Eigenschaft reduziert.

Dass die Freundin von Marleen Suse hieß, übergewichtig ist und immer Essen dabei hat, fande ich enttäuschend und billig.

Es hätte gezeigt werden sollen wie Eleanore langsam in ihrer Demenz versinkt und daran verzweifelt, oder wie Felix Panik davor bekommt zu ersticken und was es für Manni bedeutet, dass er sein altes Leben aufgeben musste. Und wie war es für Pauline, nicht wie andere 17-jährige Leben zu können?
Diese Aspekte wurden alle oberflächlich angeschnitten - aber meistens passierte das in dem Zusammenhang hoffnungsvolle Reden und Tiraden verkünden zu können oder Zusammenhalt darzustellen.

Aber rohe Emotionen wie etwa Wut, Angst oder Depression wurden nur idealisiert und verschönt wiedergegeben, ohne das Gefühl vermitteln zu können, wie zerreißend und überwältigend sich die Gefühle gerade vor dem nahenden Tod anfühlen.

Auch waren die Nebencharaktere, wie etwa die Familien und Freunde Klischeehaft in ihrer Ausarbeitung und haben keinerlei Tiefgang oder stärkere Emotionen gezeigt - außer wenn es darum ging den Hauptfiguren eine Art von “closure” zu bieten. So zeigte sich die Mutter erst zum Schluss in Bezug zu ihrem Kontrollzwang einsichtig, ohne eine Art von Konflikt zu bieten. Das fand ich schade, gerade weil besonders die eigenen Familie unsagbar viel Leid erfährt, wenn man selbst mit dem nahenden Tod konfrontiert wird.


Deswegen wirkte die Welt und die Menschen auf mich unrealistisch positiv - negative Gefühle wurden zu schnell aufgearbeitet, als dass diese tatsächlich die den Leser in ihrer Tragweite und Bedeutung irgendwie beeinflussen hätten können. Konflikte zwischen den Figuren waren selten vorhanden und konnten selbst dann schnell aufgelöst werden.

Deswegen denke ich, dass es der Geschichte geholfen hätte, wenn sie länger gewesen wäre - das am Besten als eine Reihe, die sich noch mal intensiver mit den einzelnen Nebencharakteren beschäftigt und auch Raum für Konflikt und Charakterentwicklung bietet. Das ist aber an die Hoffnung geknüpft, dass der Raum dazu genutzt wird, die Figuren Komplexer darzustellen. Es sollte gezeigt werden, wie schmerzhaft die Diagnosen für die Personen selbst und und ihre Lieben sind und wie schwer der Umgang mit Krankheiten für Betroffene und Angehörige tatsächlich sind.

In dem Zusammenhang sollte auch thematisiert werden, wie die Angst von Marleens Mutter Marleen in ihrer Entwicklung beeinflusst hat - so hätte deutlich werden könne, wieso sie so sehr unter Kontrollverlust leidet und der Tod ihres Partners sogar eine Angststörung hervorgerufen hat.

Außerdem sehe ich die dargestellten Liebesbeziehungen der Figuren kritisch, da diese sich dadurch auszeichneten stereotypische Rollen für Mann und Frau zu verfestigen - so wirkten Männer attraktiv, wenn sie gut mit Kindern umgehen konnte und Frauen zeichneten sich durch emotionale Intelligenz und sanftmütigkeit aus. Partner wurden darauf reduziert, “die erste Frau…” zu sein, die gewisse Reaktionen hervorrufen konnten, was die Menschen bloß auf ihr Geschlecht reduziert.

Insgesamt ist es ein schönes und schnell zu lesendes Buch, welches Hoffnung ausstrahlt und mit viel Liebe für die Figuren geschrieben wurde.
Ich kann es jedem empfehlen, der sich leichte Unterhaltung wünscht und ein wohliges Gefühl beim Lesen empfinden will.

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