Profilbild von Svanvithe

Svanvithe

Lesejury Star
offline

Svanvithe ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Svanvithe über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.09.2016

Das Geheimnis der Lady Ellen

Der verbotene Fluss
0

Als Charlotte Pauly sich im Jahre 1890 auf den Weg von Deutschland nach England macht, um dort Gouvernante in einem angesehenen Haus zu werden, verändert sich ihr Leben. Wie sehr ahnt sie jedoch noch nicht.

Mit ...

Als Charlotte Pauly sich im Jahre 1890 auf den Weg von Deutschland nach England macht, um dort Gouvernante in einem angesehenen Haus zu werden, verändert sich ihr Leben. Wie sehr ahnt sie jedoch noch nicht.

Mit viel Einfühlungsvermögen nähert sie sich ihrem neuen Schützling Emily. Die Achtjährige hat ihre Mutter verloren. Doch statt die Erinnerung an die Frau, die ihrer Tochter eine zärtliche Mutter gewesen war und die Emily aufopferungsvoll pflegte, wenn diese krank wurde, darf im Haus nicht über sie geredet werden. Ja, sogar jeder Gedanke an Lady Ellen scheint verboten zu sein. Emilys Vater - Sir Andrew - steht als Abgeordneter in der Öffentlichkeit, reagiert oft sehr streng und scheint zunächst wenig Verständnis für die seelischen Bedürfnisse seiner Tochter zu haben. Denn zwar ist Emily ein aufgeschlossenes, lernwilliges Mädchen. Doch des Nachts wird sie von Albträumen gequält, in denen sie ihre Mutter sieht. Da sie über den Verlust nicht sprechen kann, ist sie verunsichert, fasst aber sehr schnell Vertrauen zu ihrer neuen Gouvernante. Charlotte möchte dieses Vertrauen nicht enttäuschen und Emily eine Verarbeitung des Todes ihrer Mutter ermöglichen. Deshalb zieht sie Erkundigungen über Lady Ellen ein. Nach und nach setzt sie ein Puzzlestück nach dem anderen zusammen.

Charlotte ist sehr jung, und nicht jedem jungen Menschen traut man zu, sich Kindern so zuzuwenden zu können, wie es ihr gegenüber Emily gelingt. Sie findet damit nicht nur bei dem Mädchen einen Platz im Herzen, sondern auch beim Leser. Wohltuend dabei ist, dass die Autorin mit Charlotte zwar eine sympathische, sich dem Leben des ausgehenden 19. Jahrhunderts stellende Frau geschaffen hat, die ihren Werdegang realistisch einzuschätzen vermag, mutig Fragen stellt und sich von ablehnendem Verhalten und Äußerungen nicht abschrecken lässt. Gleichwohl tritt sie nicht zu forsch auf und ist sich insbesondere ihrer Stellung im herrschaftlichen Haus und damit in der Gesellschaft bewusst. Und obwohl sie in der Hierarchie beispielsweise dem Kindermädchen Nora gegenüber eine höhere Stufe einnimmt, legt sie eine bescheidene Zurückhaltung an den Tag und vermag so, auf deren Befindlichkeiten - Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes - angemessen zu reagieren. Obwohl Nora und auch die übrigen Bediensteten im Haus keinerlei Hilfestellung bei der Lösung der Probleme geben.

Unterstützung dagegen erhält sie jedoch durch Thomas Ashdown. Ein zweiter Handlungsstrang, der zeitlich etwas früher, nämlich 1888 einsetzt, führt den geradlinigen und mitfühlenden Mann in das Geschehen ein. Tom hat wie Sir Andrew ebenfalls seine Frau verloren, der er in Liebe zugetan war und die er schmerzlich vermisst. Er arbeitet als Theaterkritiker äußerst erfolgreich und weiß geschickt mit Worten umzugehen. Durch eine intensive Beobachtungsgabe fallen ihm Dinge auf, die anderen verborgen bleiben. Aus diesem Grund hat ihn die Society of Psychical Research, die es im Übrigen tatsächlich heute noch gibt, gebeten, sich bestimmter übernatürlicher Phänomene anzunehmen und diese aus der Sicht eines klar denkenden Menschen zu beurteilen. Und als endlich auch Emilys Vater, nachdem die Ereignisse sich zuspitzen und geistige Gesundheit des Mädchens in Gefahr zu sein scheint, mit der Bitte um Beistand der Gesellschaft offenbart, dass ihm doch etwas am Wohl seiner Tochter liegt, entsendet diese Tom als ihren Vertreter.

Tom und Charlotte verstehen sich von Anfang an. Beide sind aufrichtig darauf bedacht, die Ursache für Emilys Verhalten herauszufinden. Während sich die Lage zuspitzt, entwickeln sie zarte Gefühle füreinander. Dies geschieht dezent, ist angenehm zurückhaltend und wird nicht in den Vordergrund gerückt.

So liegt der Blick weiterhin auf dem Hauptthema das Romans, das Geheimnis um Lady Ellen zu ergründen. Die Handlung kommt in einem ansprechende flüssigen und unterhaltenden Stil daher. Man fühlt sich in das England des 19. Jahrhunderts versetzt. Es gibt überraschende Momente, die auch ein wenig Spannung zu erzeugen vermögen. Die Hauptfiguren sind sorgsam ausgearbeitet worden. Lediglich Sir Andrew hätte - vor allem hinsichtlich seiner wahren Gefühle - ein wenig mehr Tiefe vertragen. Doch ein Hindernis für ein kurzweiliges Lesevergnügen ist dies nicht.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Mit Julius dem Troll im Mittelalter

Julius der Troll im Mittelalter
0

"Wer im Mittelalter lebte, war nicht zu beneiden. Die meisten Menschen lebten nicht sehr lange, und wurden oft nicht älter als 40 Jahre alt."

Das weiß Julius der Troll zu berichten. Denn er hat sich für ...

"Wer im Mittelalter lebte, war nicht zu beneiden. Die meisten Menschen lebten nicht sehr lange, und wurden oft nicht älter als 40 Jahre alt."

Das weiß Julius der Troll zu berichten. Denn er hat sich für die kleineren Leser auf eine Reise ins Mittelalter begeben und seine Erfahrungen in einem kleinen Büchlein festgehalten. Besser gesagt: er hat Martin Nyenstad schreiben und zeichnen lassen.

Als Ergebnis der Zusammenarbeit können nicht nur der Adel, Ritter, darunter einige berühmte wie König Artus, und ihre Waffen und Kampfspiele kennengelernt werden. Nein, der junge Leser erhält außerdem Einblicke in das Leben auf einer Burg, die Kleidung und das Essen der damaligen Zeit, begegnet Burgfräulein und Bauern.

Julius der Troll hat den Rittereid aufschreiben lassen, dessen Aussage:"Ich gelobe, die Schwachen zu verteidigen... niemals zu lügen..." wohl immer Gültigkeit besitzt. Dann finden sich im Büchlein die Anleitungen zum Bauen eines Schwertes, Nähen von Kleidung und leckere Rezepte und Kinderspiele. Nach erfolgreichem Abschluss (der Ausbildung) des Lesen gibt's von Julius dem Troll eine Urkunde, mit der Jungen zum Ritter und Mädchen zum Burgfräulein gekürt werden.

Julius ist ein fröhlicher Troll, die Bilder sind es auch. Es ist zu sehen, dass sie mit Liebe gezeichnet wurden. Die Texte sind kindgerecht und einfach aufbereitet, offenherzig, manchmal ein wenig burschikos (wenn zum Beispiel die Rede von den Manieren ist, "nicht bei Tisch zu pupsen oder zu rülpsen). Das ein oder andere Mal hätte am Ausdruck gefeilt werden können, um Wortwiederholungen zu meiden. Aber da Martin Nyenstad gebürtiger Däne ist und die Verständigung mit Julius dem Troll bestimmt nicht so einfach war, sei hier ein Äuglein zugedrückt, auch was einige Rechtschreibfehler betrifft.

Denn es hält einen nicht davon ab, beim Lesen des Büchleins Spaß zu haben, weswegen ich es gern weiter empfehle.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Eine (Zeit)Reise nach Kastilien

Das Vermächtnis von Granada
0

Isaura, eine deutsche Journalistin, hat ihr Leben lang schon Visionen und Träume, in denen sie fremden Gestalten aus vergangener Zeit begegnet. Bislang sträubt sie sich allerdings, sich damit intensiv ...

Isaura, eine deutsche Journalistin, hat ihr Leben lang schon Visionen und Träume, in denen sie fremden Gestalten aus vergangener Zeit begegnet. Bislang sträubt sie sich allerdings, sich damit intensiv auseinanderzusetzen. Vielmehr ist sie mit der Frage beschäftigt, ob sie, nachdem sie von ihrer spanischen Großtante ein kleines Anwesen geerbt und sich von ihrem Ehemann nach dessen Untreue getrennt hat, ihren Lebensmittelpunkt ganz nach Kastilien verlegen soll. Denn da gibt es den Arzt Marco, der für sie tiefe Gefühle hegt, die sie - noch etwas unsicher - erwidert. Als sie mit ihm auf eine Reise geht, um für einen lange fälligen Artikel zu recherchieren, häufen sich die unerklärlichen Ereignisse, bis sie mit einem tragischen Unfall enden: Bei der Erkundung des jahrhundertealten Palastes in Cordoba "sieht" sich Isaura von einem Mann bedrängt, stürzt von einer Balustrade in die Tiefe und verliert das Bewusstsein. Nach ihrem Erwachen muss sie erschreckt feststellen, dass sie sich nunmehr in einer anderen Zeit befindet, nämlich im 15. Jahrhundert. Als Hofdame Teresa lebt sie am Hof der Königin Isabel von Kastilien. Gibt es für sie die Möglichkeit, in die Gegenwart und damit zu Marco zurückzukehren?

Wie bereits im ersten Roman der Trilogie, "Das kastilische Erbe", erzählt Ulrike Schweikert auch in "Das Vermächtnis von Granada" die Geschichte abwechselnd auf zwei Zeitebenen.

In der Gegenwart erhält der Leser Einblick in das Leben von Isaura, die von Visionen verfolgt wird und mit Marco nach bitterer Enttäuschung eine neue Liebe gefunden hat. Während sie im Koma liegt, begibt sich ihre Seele auf eine Wanderung in die Vergangenheit.

Im Mittelpunkt des historischen Teils steht das kastilische Königreich in den Jahren von 1476 bis 1504. Isabel von Kastilien ist seit zwei Jahren Königin und hat den Anspruch auf die Krone gegen ihre Nichte Juana La Beltraneja gesichert und kann sich nun der inneren Befriedung des Reiches, unter anderem durch die Einführung der Santa Hermandad, einer Polizei- und Militärorganisation, widmen.

Die Jahre sind daneben geprägt von der Wiedererrichtung der Inquisition unter königlicher Kontrolle und dem entschlossenen Vorgehen gegen bekehrte Juden, die im Verdacht stehen, insgeheim noch ihrem früheren Glauben anzuhängen. Außerdem betreibt Isabel planmäßig die Rückeroberung des letzten muslimischen Reiches der Halbinsel. 1491/1492 fällt Granada, die Reconquista ("Rückeroberung") ist beendet. Tausende Muslimen verlassen das Land. Ebenso werden die Juden erfolgreich vertrieben. Beides bedeutet sowohl einen wirtschaftlichen als auch künstlerischen Aderlass.

Ulrike Schweikert liefert eine Fülle an historischem Hintergrund, beschränkt sich jedoch auf wesentliche Ereignisse und weiß diese für den Leser fesselnd aufzubereiten, ohne ihn zu überfordern. Gleiches gilt für die Einführung historisch belegter Personen. Insgesamt entsteht so ein farbenprächtiges Bild einer Zeit, die mit der brutalen Verfolgung und Vertreibung von muslimischen und jüdischen Menschen im Namen des katholischen Glaubens einen grausamen Höhepunkt aufweist.

Ulrike Schweikert ist eine ausgezeichnete Erzählerin. Sie schildert überzeugend, lebendig, bildreich und emotional menschliche Schicksale, schafft glaubwürdige Figuren.

Allen voran beeindruckt Isaura mit ihrer Fähigkeit und ihrem Willen, sich in der Vergangenheit der neuen Situation zu stellen, gleichwohl nicht alles hinzunehmen. Zwischen Hoffen und Bangen versucht sie, ihren Weg auch im kastilischen Königreich zu finden. An ihrer Seite steht eine bemerkenswerte Person: Jimena, deren im "Kastilischen Erbe" begonnene Geschichte nunmehr hier seine Fortsetzung erfährt. Ihr lebhaftes, freimütiges und aufrichtiges Wesen nimmt den Leser von Beginn an für sie ein. Nicht zu vergessen: Isabel von Kastilien. Sie ist eine energische Frau, gebildet und intelligent, tatkräftig, hat Rückgrat und einen festen Willen. Sie kann ausgezeichnet reiten, was ihr bei den vielen Reisen durch das Land zugute kommt. Zwischen Königin und Hofdamen herrscht ein sehr persönlicher, ja freundschaftlicher Umgang. Isabel ist offen gegenüber Meinungen, die auch Bedenken enthalten und zur Mäßigung raten, nur in der Frage des christlichen Glaubens erscheint sie unnachsichtig. Trotz dieser Widersprüchlichkeit hat sie eine außerordentliche Präsenz, der man sich schwerlich zu entziehen vermag.

In der Gegenwart überzeugt Marco besonders durch seinen Zwiespalt, neben wissenschaftlich Belegbarem auch Unerklärliches zuzulassen. Die Seelenwanderung wird im Großen und Ganzen plausibel und nachvollziehbar geschildert, so dass es dem Leser leicht fällt, sich diesem fantastischen Element zu öffnen.

Das Erscheinungsbild des Buches ist äußerst gelungen. Nicht nur das Cover punktet mit einem passenden Blick auf die Alhambra von Granada. Auch die Karte der iberischen Halbinsel um 1480, ein umfangreiches Personenregister und ein geschichtlicher Abriss runden das Lesevergnügen ab. Erwähnt sei, dass "Das Vermächtnis von Granada" durchaus unabhängig vom Vorgängerroman "Das kastilische Erbe" gelesen werden kann und auf Grund seiner tiefgründigen Darstellung der Geschichte und ihrer Protagonisten die Vorfreude auf den Abschluss der Trilogie erhöht.

4,5 Sterne

Veröffentlicht am 15.09.2016

Das Opfer der Bogins

Das Opfer der Bogins
0

Es könnte alles so schön sei. Die Schwarzelbin Ragna Dubh Sùil - genannt Schwarzauge - sitzt in Sithbaile im Verlies. Die von ihr jahrhundertelang versklavten Bogins sind endlich frei. Und Fionn und Cady, ...

Es könnte alles so schön sei. Die Schwarzelbin Ragna Dubh Sùil - genannt Schwarzauge - sitzt in Sithbaile im Verlies. Die von ihr jahrhundertelang versklavten Bogins sind endlich frei. Und Fionn und Cady, die daran nicht ganz unbeteiligt sind, feiern Hochzeit.
Peredur, der Hochkönig ohne Herz, hat seinen Platz auf dem Thron wieder eingenommen und hält die Macht in den Händen, für Frieden in Albalon zu sorgen. Es soll Platz für alle Geschöpfe sein, ob sie nun Elben, Zwerge, Oger, Trolle, Menschen oder Halblinge sind, wo jeder die Grenzen der Anderen respektiert und das Wissen und Können untereinander ausgetauscht wird. Ein hehrer Traum.
Tatsächlich jedoch scheint das große Reich auseinanderzubrechen. Dunkle Mächte sind am Werk und neue Abgründe öffnen sich, die Albalon und seine Bewohner in einen dunklen Strudel reißen, wenn es nicht gelingt, ihnen Einhalt zu gebieten. Da haben nicht nur die Mitglieder der Fiandur, die kämpfenden Schutztruppe Albalons, alle Hände voll zu tun. Letzten Endes sind es wieder die Halblinge, die über sich hinauswachsen und Opfer bringen...

Mit "Das Opfer der Bogins" vervollständigt die Historikerin Prisca Burrows eindrucksvoll die Geschichte ihres Volkes nach der Befreiung aus den Fängen Schwarzauges, ein Jahr nach den Ereignissen in "Der Fluch der Halblinge". Sie nimmt kein Blatt vor den Mund und schildert von Anfang an detailliert, freimütig und schonungslos die Begebenheiten.

Alles beginnt ruhig und gemäßigt und mit einem beglückenden Ausblick auf die Hochzeit von Fionn und Cady. Doch just an diesem Tag gelingt es der immer noch gefürchteten Ragna "Schwarzauge", aus ihrem Verlies zu entkommen, und vorbei ist es mit der Ruhe und Gemütlichkeit. An verschiedenen Ortes des Reiches schlägt das Böse zu. Und es bleibt wenig Zeit zum Luftholen...

Die wichtigen Protagonisten der Geschichte sind mit Sorgfalt charakterisiert, und der Leser erfährt viel über ihr Wesen, ihre Fähigkeiten und Gedanken, erlebt ihre Entwicklung mit. Doch auch die Nebenfiguren sind mit sicherer Hand gezeichnet. Lediglich die Anzahl der unterschiedlichen Personen überfordert zu Beginn etwas. Aber dank des umfangreichen Personenregister ist eine gute Orientierung möglich. Außerdem lichten sich nach und nach der Nebel und die Reihen. Denn so ein Kampf gegen das Böse ist grausam, blutig und natürlich auch für einige... tödlich. Da beschönigt Prisca Burrows nichts, und das nimmt den Leser für die Geschichte ein.

Manchmal vermag sie es überdies, geschickt vom Geschehen abzulenken. Denn trotz aller Ernsthaftigkeit - schließlich geht es hier um nichts Geringeres als das Schicksal von Albalon - kommt der Humor nicht zu kurz. Da sorgen insbesondere die beiden knuffigen Gesellen, Oger Gru Einzahn und Troll Blaufrost, die wie riesengroße Kinder erscheinen und reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist, für den einen oder anderen Schmunzelmoment.

Bis zum überraschenden und fulminanten Ende, das durchaus etwas ausbaufähiger gewesen wäre, ist der Leser gebannt, fiebert mit und hofft, dass sich alles zum Guten wende. Und am Schluss ist er froh, dass Prisca Burrows diese Geschichte von Tapferkeit und Kampfgeist, Liebe und Freundschaft, Vertrauen und Zuversicht, Opferbereitschaft und Herzensgüte für alle aufgeschrieben hat.

Dafür gibt es 4,5 Sterne.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Lieben und geliebt werden

Friederike. Prinzessin der Herzen
0

"Das Einzige, was ich suche, ist das Glück. Ich ersehne mir nur, zu lieben und geliebt zu werden."

Berlin, 26. Dezember 1793. Zwei Tage nach der Hochzeit ihrer älteren Schwester Luise mit dem Kronprinzen ...

"Das Einzige, was ich suche, ist das Glück. Ich ersehne mir nur, zu lieben und geliebt zu werden."

Berlin, 26. Dezember 1793. Zwei Tage nach der Hochzeit ihrer älteren Schwester Luise mit dem Kronprinzen Friedrich Wilhelm von Preußen heiratet Friederike Luise Karoline Sophie Charlotte Alexandrine von Mecklenburg-Strelitz den zweiten Sohn des Preußischen Königs, Friedrich Ludwig Karl von Preußen.

Während Luise und Friedrich Wilhelm eine Liebesheirat verbindet, gestaltet sich zu Friederikes Enttäuschung ihre Ehe nicht wie erhofft als freudig und traumhaft. Ludwig ist zwar ein schöner Mann, aber leider kein guter. Schon kurz nach der Hochzeit triff Friederike die Erkenntnis, einen Rohling geheiratet zu haben, hart. Ihre Schwester Luise, mit der sie eine innige Zuneigung verbindet, hat dagegen so ausgiebig mit sich selbst und ihrer neuen Rolle als Kronprinzessin zu tun, dass sie Friederike darüber vergisst. Als sie der lieblosen Ehe enttäuscht entfliehen will, stellen sich nicht nur der König, sondern auch ihre Großmutter, bei der sie und Luise aufgewachsen sind, und zudem selbst ihre Schwester dagegen. Und Friederike muss begreifen, dass weder Luise ihrem neuen Leben und der Aussicht, Königin zu werden, durch Friederike Schaden zufügen lässt, noch dass ihre Großmutter auf den Triumph verzichtet, ihre Enkelinnen mit zwei so großartigen Partien versorgt zu haben.

In der Folge arrangiert sich Friederike und stürzt sich in den Trubel von Berlin. In Salons zeigt sie, dass sie äußerst belesen ist und überrascht viele mit ihrer Klugheit, steht im Mittelpunkt der Gesellschaft.

Nach der Geburt des ersten Sohnes erkennt Ludwig, wie schändlich er sich Friederike gegenüber verhalten hat. Tatsächlich tritt eine Änderung in seinem Verhalten und damit so etwas wie ein harmonisches Eheleben ein. Innerhalb von drei Jahren folgen zwei weitere Kinder.

Als Ludwig stirbt, ist dies vor allem für Friederike, die gerade ihren Frieden gefunden hat, ein herber Verlust. Mit gerade einmal 18 Jahren und drei Kindern ist sie Witwe.

Zwei Männer buhlen um ihr Herz: Prinz Louis Ferdinand, Onkel ihres verstorbenen Mannes, und Friedrich Wilhelm zu Solms-Braunfels. Als Friederike in unehrenhafte Umstände gerät, beweist sich Solms, Friederikes erste Liebe, als Retter in der Not und heiratet Friederike. Gegen den Willen des Königs, weswegen beide aus Berlin verbannt werden. In Ansbach folgt ein Zeit familiären Glücks, bescheiden zwar, aber glücklich. Doch noch hält das Schicksal einiges für Friederike bereit...

Nach ihrem bemerkenswerten Debütroman „Luise. Königin aus Liebe“ nimmt sich Bettina Hennig nunmehr dem Leben der jüngeren Schwester der preußischen Königin an, die in Anbetracht ihrer wechselhaften Geschichte wohl die interessantere der beiden Schwestern ist: "Friederike. Prinzessin der Herzen".

In einem unaufgeregten, jedoch deswegen keineswegs langweiligen Schreibstil schildert die Autorin das anschauliche und zum Teil auffällige Leben der Schwester der preußischen Königin. Dabei bekommt der Leser ein Gefühl für die Zeit des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts, denn es ist zu spüren, dass Bettina Hennig das Leben der Prinzessin hervorragend recherchiert hat. Sie schreibt eindrucksvoll und spickt ihre Sätze mit historischen Sätzen und Redewendungen, die zudem Witz und Esprit enthalten. Kleine Anekdoten fügen sich harmonisch in das Geschehen ein.

Manchmal erzählt sie sehr ausführlich und detailliert, so dass sich Wiederholungen, auch inhaltlicher Natur einschleichen. Das ist angesichts des Könnens der Autorin, eine wertungsfreie Geschichte zu erzählen, in der die Menschen mit Stärken und Schwächen gleichermaßen wandeln, aber entschuldbar.

Besonderes Augenmerk hat Bettina auf die Figurenzeichnung gelegt. An dieser Stelle zeigt sich ihre Stärke. Angesichts der Fülle der handelnden Personen ist es eine bewundernswerte Leistung, dass die Autorin den Überblick behält und damit dem Leser ebenfalls die Freude beim Kennenlernen ermöglicht. Hierbei überlässt sie es ganz dem Leser, Sympathie oder Antipathie für die Protagonisten zu empfinden.

Allerdings ist es von Anfang an ein Leichtes, Friederike ins Herz zu schließen.

Friederike. Eine verführerische Schönheit mit großen Augen und auffällig langen Wimpern, vollen Lippen, runden hohen Wangen, reiner und frischer Haut, lockigen Haaren, einem unregelmäßig, doch lebhaften Gesichtsausdruck, die mit ihrem scheuen Blick eine Aura von Unschuld vermittelt, wohingegen ihre ausgeprägte Silhouette das Gegenteil andeutet. Feine, etwas lange Gliedmaßen und ein verspielter Gesichtsausdruck geben ihr das Aussehen einer Katze, die noch nicht ganz ausgewachsen ist.

Tatsächlich stellt die fünfzehnjährige und damit sehr junge Friederike wenig Ansprüche an das zukünftige Leben: Mit einem kleinen und bescheidenen Dasein fernab großer Metropolen wäre sie zufrieden gewesen, solange sie einen Mann bekäme, den sie lieben und von dem sie geliebt würde. Von diesem Traum nimmt sie Abschied, als sie gemeinsam mit ihrer Schwester Luise in die preußische Königsfamilie einheiratet.

Denn im Gegensatz zu Friederike ist Luise ehrgeiziger. Attraktiv, anmutig und charmant wird sie als Kronprinzessin und später als preußische Königin die ihr zugedachte Rolle niemals infrage stellen, das innere Empfinden der öffentlichen Person konsequent unterordnen und im Dienste der preußischen Monarchie eine perfekte Mischung zwischen Pomp und Volksnähe finden und zu deren Ansehen in beachtenswerter Weise beitragen. Doch auch sie kennt Gefühle wie Eifersucht. Steht sie nicht im Mittelpunkt, macht ihr das sehr zu schaffen.

Die Verbindung zwischen den Schwestern ist nicht immer eitel Sonnenschein, vielmehr ein Auf und Ab. Doch eine ohne die andere zu betrachten, ist ein schlechtes Unterfangen. Hier ist der Autorin eine großartig Mischung gelungen.

Wie schon beim ersten Roman der Autorin punktet das schlichte Cover mit einem ansprechenden und einladenden Bild der jungen Friederike auf einfarbigem, elegantem (preußisch) blauen Hintergrund.

Im Gesamtpaket legt Bettina Hennig einen unterhaltsamen Roman über Friederike vor, der nicht nur gut geschrieben ist, sondern auch außerordentliche Sachkunde beweist.