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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.09.2019

Schutzlügen - wie weit dürfen sie gehen?

Gestern ist ein ferner Ort
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Celia, eine Journalistin, wird nach einem Schlaganfall aus dem Krankenhaus entlassen, ist aber nicht völlig geheilt, sondern leidet an partieller Amnesie. Da sie in einen normalen Alltag zurückkehren möchte, ...

Celia, eine Journalistin, wird nach einem Schlaganfall aus dem Krankenhaus entlassen, ist aber nicht völlig geheilt, sondern leidet an partieller Amnesie. Da sie in einen normalen Alltag zurückkehren möchte, versucht sie auf unterschiedliche Weise, ihre Erinnerungen wieder lebendig werden zu lassen. Sie fährt z.B. an Orte, die in ihrem früheren Leben eine Rolle gespielt haben, um Anstöße für die Reaktivierung ihres Gedächtnisses zu bekommen.
Noch naheliegender sind natürlich die Befragungen der Menschen, die zu ihrem sozialen Umfeld gehört haben, Familie, Freunde, Bekannte und Nachbarn. Hier jedoch fällt Celia bald auf, dass diese Personen auf manche Fragen merkwürdig reagieren, so als ob sie fremdbestimmt antworten. Wer hat da seine Finger im Spiel und versucht, Celia etwas zu verheimlichen? Schon bald findet sie heraus, dass ihre Tochter Paula bestimmt, was sie wissen darf und was nicht. Wie weit darf eine solche Bevormundung der eigenen Mutter gehen? Dies ist die zentrale Frage in diesem Buch, und der Leser kann sich selbst eine Meinung bilden, indem er Celias Leben in der Rekonvaleszenz verfolgt.
Das Buch ist sehr emotionsgeladen und entführt den Leser in eine Situation, die für die meisten von uns unbekannt ist. Ich habe mich mit Celia über jeden kleinen Fortschritt gefreut und habe mit ihr gelitten, wenn sie wieder enttäuscht wurde. Der Autor schafft es, uns Celias Gefühlsleben nahezubringen, und ich habe mich oft gefragt, wie ich in einer solchen Situation reagieren würde.
Der Schreibstil ist einfach und klar. Er passt damit hervorragend zu Celias momentanem Zustand, denn durch Fragen nach einfachen Alltagsgegebenheiten möchte sie ihren Horizont immer mehr erweitern. Es passiert nichts Spektakuläres, manchmal hat man sogar das Gefühl, dass sich Längen einschleichen, aber trotzdem ist eine gewisse Spannung da, die einen gern weiterlesen lässt.
Die Protagonistin ist wunderbar einfühlsam beschrieben, wir erleben sie mit all ihrer Unsicherheit, aber auch mit all ihrer Freude über Fortschritte. Wir sehen sie in ihrem innigen Verhältnis zu ihrem Hund Charlie, ihrer Enkelin Alba und ihrer Haushälterin Rosario.
Am Ende bleibt allerdings einiges offen. Man wüßte gern, wie sich das weitere Mutter/Tochter Verhältnis gestaltet oder wie Celia ihren Lebensherbst zu gestalten gedenkt. Trotzdem kann ich das Buch empfehlen, es entführt uns in eine ganz andere Welt, erlaubt uns ungewohnte Einblicke und stimmt nachdenklich.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Geschichte
  • Erzählstil
  • Emotionen
  • Thema
Veröffentlicht am 08.09.2019

Rasante Suche

ATME!
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Sehr positiv aufgefallen ist mir an diesem Buch der ungewöhnliche Schreibstil, der durch die überwiegend kurzen und teilweise abgehackten Sätze Hektik und Panik ausdrückt. Man kann förmlich die Verzweiflung ...

Sehr positiv aufgefallen ist mir an diesem Buch der ungewöhnliche Schreibstil, der durch die überwiegend kurzen und teilweise abgehackten Sätze Hektik und Panik ausdrückt. Man kann förmlich die Verzweiflung der Protagonistin Nile spüren, die durch die Stadt rast, um ihren Freund Ben zu finden. Dieser ist nämlich auf kuriose Weise verschwunden, während Nile ein Kleid für die anstehende Hochzeit der beiden anprobiert. Er hatte vorn im Geschäft im Wartebereich gesessen, aber als Nile ihm das neue Kleid zeigen will, ist er nicht mehr dort, wo sie ihn zuletzt gesehen hat, und eine dramatische Suche beginnt....Angst und Verzweiflung prägen von nun an Niles Tage, die sich ausschließlich darum drehen, Ben zu finden. Und diese Panik drückt die Autorin durch ihren rasanten Schreibstil sehr treffsicher aus. Man sieht Nile förmlich vor sich, immer außer Atem, bevor sie schnell wieder den nächsten Gedanken bzw. die nächste Aktion startet.
Und zu diesem Geschehen passt auch das Cover wunderbar, denn die abgebildete Frau entspricht Nile bei ihrer panischen Suche nach ihrem Lebenspartner. Auf dem Cover dreht sie sich um und wirkt gehetzt, was dem Erzählstil hervorragend entspricht. Auch die Farben schwarz und weiß passen sehr gut, denn Niles Gedanken wechseln zwischen Hoffnung und Liebe auf der einen Seite sowie Trauer und Hass auf der anderen.
Nachdem Nile mir anfangs sehr sympathisch war, da sie so besorgt nach ihrer großen Liebe Ben sucht und einen ungeheuren Aktionismus an den Tag legt, ändert sich dieses im Laufe des Buches, da viele ihrer Aktionen total überzogen sind und andere Personen empfindlich getroffen werden. Ich muss jedoch sagen, dass die Autorin die psychotische Frau sehr treffend und umfassend beschrieben hat.
Ich habe das Buch sehr gern gelesen, da es durchweg spannend war und ich einfach der Auflösung entgegen fieberte. Am Ende wurde ich jedoch enttäuscht, da das Ende nicht klar abgrenzbar ist zwischen Fantasie und Wirklichkeit. Deshalb habe ich auch einen Stern abgezogen.
Insgesamt jedoch ist das Buch empfehlenswert! Und es wirkt nach....ich habe noch länger über diese verzwickte Situation nachgedacht und jetzt im Moment auch schon wieder.

Veröffentlicht am 10.06.2019

Aufreibende und endlose Suche nach Sinn

All das zu verlieren
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Adèle führt ein Leben, um das sie auf den ersten Blick von vielen Frauen beneidet wird. Sie ist verheiratet und hat einen kleinen Sohn, ihr Mann ist Mediziner und sie arbeitet als Journalistin. Die Familie ...

Adèle führt ein Leben, um das sie auf den ersten Blick von vielen Frauen beneidet wird. Sie ist verheiratet und hat einen kleinen Sohn, ihr Mann ist Mediziner und sie arbeitet als Journalistin. Die Familie hat eine schöne Wohnung in einer gehobenen Wohngegend von Paris. Finanziell steht die Familie gut da, und Adèle kann sich alle materiellen Wünsche erfüllen. Aber sie ist ständig auf der Suche nach Sinnerfüllung, denn diese innere Zufriedenheit, die sie ersehnt, kann sie nicht kaufen. So trifft sie sich wahllos mit vielen Männern, um brutalen Sex zu haben, immer auf der Suche nach dem Hochgefühl, das sie so herbeisehnt. Dabei trampelt sie auf den Gefühlen anderer Menschen herum, rücksichtslos und ohne Gewissensbisse. Sie verstrickt sich immer mehr in ein Netz aus Lügen und Mitwissern, so dass ein Eklat droht, durch den sie alles verlieren könnte.....
Das Buch hat mich fasziniert, es enthüllt das Schicksal einer Frau, deren Grundproblem die Einsamkeit ist, der sie nicht entkommen kann, obwohl sie von Menschen umgeben ist. Sie lässt niemanden an ihr Inneres und ist nicht in der Lage, Vertrauen zu schenken. Dementsprechend kann auch ihr niemand vertrauen, denn sie benutzt die anderen nur für ihre Zwecke. Noch nicht einmal ihrer besten Freundin gegenüber ist sie ehrlich.
Der Erzählstil gefällt mir sehr gut, die Sprache ist klar und ohne Missverständnisse, sie enthüllt erbarmungslos die innere Not der Protagonistin. Das hatte mir bereits in 'Dann schlaf auch du' sehr gut gefallen, und ich wurde nicht enttäuscht. Die Autorin schreibt in meist kurzen, jedoch ausdrucksstarken Sätzen. Es handelt sich um kurze Kapitel, die einen raschen Situationswechsel beschreiben und somit eine gewisse Ruhelosigkeit ausdrücken, die Adèles Seelenleben entspricht. Am liebsten hätte ich ohne Pause immer weitergelesen, um mehr über die Ursachen dieser Perspektivlosigkeit zu erfahren. Es war eine ständige Spannung im Hintergrund.
Und damit komme ich auch zu meinem einzigen Kritikpunkt: die Ursachen werden nicht wirklich klar. Es bleiben viele Fragen offen. Gut, es muss sich nicht alles restlos klären, und es ist schön, wenn man seinen eigenen Gedanken Raum einräumen kann. Jedoch hätte ich mir bei dieser extremen Gefühlskälte der Protagonistin ein paar Hinweise mehr gewünscht. Ich tippe, dass es aus der Kindheit, speziell dem Mutter-Tochter-Verhältnis, herrührt, aber über diese Zeit erfährt der Leser recht wenig. Auch Richards Charakter ist kindheitsgeprägt, und hier bekommen wir ebenso nur ein paar Andeutungen, obwohl diese Seite sicherlich für die Beziehung zwischen Adèle und Richard bedeutsam ist. Besonders hätte ich gern eine Antwort darauf, warum Richard so an Adèle hängt, warum diese unbefriedigende Beziehung für ihn eine wegweisende Option ist.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ich ein beeindruckendes Buch gelesen habe, das mich einiges Nachdenken kostete und in Lesepausen noch nachwirkte. Nur hätte ich mir etwas mehr Tiefgang gewünscht, was die Ursachen der seelischen Disharmonie betrifft.

Veröffentlicht am 22.05.2019

Mordmotive in Zons - damals und heute

Sündenkammer
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Dieser Thriller spielt auf 2 verschiedenen Zeitebenen, die sich bezüglich Spannung die Waage halten, beide sind wirklich spannend zu hören. Es beginnt gleich mit einem furchteinflößenden Prolog, als eine ...

Dieser Thriller spielt auf 2 verschiedenen Zeitebenen, die sich bezüglich Spannung die Waage halten, beide sind wirklich spannend zu hören. Es beginnt gleich mit einem furchteinflößenden Prolog, als eine Frau auf dem Scheiterhaufen verbrannt wird. Dieser Mord gehört zur Gegenwartsebene und bleibt nicht der einzige. Der Mörder scheint es auf Frauen abgesehen zu haben, die große Sünden begangen haben, aber welcher Umstand verbindet die Frauen? Kommissar Oliver Bergmann steht vor einem Rätsel und weiß nichtso recht, wo er mit den Ermittlungen ansetzen kann. Eine große Rolle spielt eine Satanisten-Gruppe, die der Gothic Szene zugeordnet werden kann, aber hat sie mit den grauenvollen Morden zu tun?
Die andere Ebene liegt in einem Kloster, vor 500 Jahren, wobei die Opfer junge Novizen sind, die auf geheimnisvolle Weise ums Leben kommen. Wer hat hier seine Hände im Spiel und warum? Der Stadtsoldat Bastian von Mühlenberg nimmt die Ermittlungen auf...
Der Spannungsbogen ist auf beiden Ebenen straff gespannt, man seht immer wieder die nächsten Szenen herbei. Catherine Shepherd versteht es durch Cliffhanger und falsche Fährten den Thrill zu erhalten. Durch den fließenden und locker gehaltenen Schreibstil wird es so nie langweilig. Auf beiden Ebenen hält sich der Täter bis zum Ende gut verborgen.
Die Protagonisten sind interessant gezeichnet und sind gut vorstellbar. Mir gefällt am besten der Stadtsoldat Bastian, der seine Ermittlungen sehr ernst nimmt, sie gewissenhaft durchführt, auf der anderen Seite aber auch sehr menschlich und hilfsbereit ist. Sein sozialer und empathischer Charakter wird besonders am Ende deutlich. Verglichen mit ihm bleibt Kommissar Bergmann eher eine blasse Figur, die zögerlich handelt und keine spektakulären Methoden einsetzt. Das stört mich aber nicht sehr. Gut finde ich, dass wir zwar Zugang zum Privatleben der Ermittler bekommen, aber dies sich in Grenzen hält.
Was mir nicht gefallen hat, weil ich keine Erklärung dafür bekommen habe, ist diese mystische Verbindung zwischen früher und heute, zwischen Bastian und Anna und ihren Träumen. Bastians erste Frau war Anna, sie erscheint immer wieder in seinem Unterbewußtsein, das ist ja noch einleuchtend, aber was verbindet die Anna von heute mit dem Bastian von früher? Ich habe ab der Hälfte ständig auf eine Enthüllung gewartet, aber da war nichts. Schade!
Ein ganz großes Lob hat Erich Wittenberg verdient, der aus der Lesung eine spannende Vorführung zaubert. Er vermittelt geschickt durch Stimmnuancen und Tempowechsel die verschiedenen Protagonisten, die bedrohliche Atmosphäre und die Angst der Opfer. Das war mein erstes Hörbuch, das von ihm gelesen wurde, aber ich werde mir seinen Namen merken. Großartig!
Zusammenfassend bleibt zu sagen, dass ich das Hörbuch genossen habe, weil es unbestritten spannend ist und durchaus empfehlenswert. Einen Stern ziehe ich aber ab, weil ich die Verbindung zwischen den beiden Ebenen vermisse.

Veröffentlicht am 07.04.2019

Guter Ruf zu verlieren

Dünengeister
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Das Buch startet schaurig, denn es geht um Menschenhandel, aber nicht in der aktuellen Zeit, sondern vor vielen Jahren, als gestrandete Schiffe auf Leichen durchsucht wurden, um diese an Wissenschaftler ...

Das Buch startet schaurig, denn es geht um Menschenhandel, aber nicht in der aktuellen Zeit, sondern vor vielen Jahren, als gestrandete Schiffe auf Leichen durchsucht wurden, um diese an Wissenschaftler zu verkaufen. Auch die angesehene Sylter Familie Melander lebte gut von diesem Geschäft. Viele Jahre später werden auf dem Grundstück dieser reichen Familie zwei Leichen gefunden, verbuddelt unter einer Düne, eine Frau und ein Kind. Beide starben bereits vor langer Zeit. Nur wenig später werden zwei Mitglieder des Melander Clans in dem altehrwürdigen Haus auf diesem Dünengrundstück tot aufgefunden, eine junge Mutter und ihr Kind. Kommissar Benthien fängt trotz Urlaub mit den Ermittlungen an, denn er glaubt nicht an einen Zufall.
Wir lernen Adeline kennen, die 'Chefin' der großen Familie, sie wirkt auf den ersten Blick sympathisch, da sie sich um alle kümmert und die Familie zusammen hält, auf der anderen Seite verliert sie aber auch an Sympathie, weil sie äußerst dominant ist und sich in alles einmischt. Ebenso werden die anderen Mitglieder der Melander-Sippe sehr ausführlich beschrieben mit all ihren Schwächen und Vorzügen.
Die Autorin hält die Spannung bis zum Ende aufrecht, denn erst da wird der Mörder entlarvt. Nina Ohlandt legt viele falsche Fährten aus, die das Buch interessant machen und zum Mitforschen anregen. Teilweise ist man so ratlos wie die Ermittler selber in diesem Labyrinth von Möglichkeiten, weil man wieder umdenken muss. Die verschiedenen Handlungsstränge verweben sich zusehends miteinander und bieten schließlich eine überraschende Auflösung. Das Ende ist in Agatha-Christie ähnlicher Weise gestaltet, alle werden zusammengerufen und langsam schält sich die Wahrheit heraus.
Nina Ohlandt beweist mit diesem Buch, dass Krimis nicht brutal gestaltet sein müssen, um zu unterhalten. Es geht auch ohne brutale Kampfszenen oder blutige Meuchelmorde.
Was mir nicht gefällt, ist die intensive Schilderung des Privatlebens der Kommissare, denn dadurch kommt es stellenweise zu unnötigen Längen. Benthien und Lilly sind ein Paar, und ständig findet man Hinweise darauf: ein Lächeln, eine zufällige Berührung, Erlebnisse am Strand usw. Mir ist es auch egal, was die beiden essen, welche Kleidung sie tragen oder wie sie die heißen Sommertage gestalten. Ein wenig Privates ist ja ok, aber hier finde ich es etwas übertrieben.
Insgesamt empfinde ich das Konstrukt aus Verdachtsmomenten, Fährtenlegung und Irreführung als gut durchdacht und nachvollziehbar, und auch die abschließende Auflösung in großer Runde ist beeindruckend und authentisch. Es hat Spaß gemacht, bei den Ermittlungen mitzurätseln. Ein Muss für alle Freunde von Soft-Krimis!

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