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Veröffentlicht am 21.02.2018

Späte Bekanntschaft mit der Heimat

Die Töchter des Roten Flusses
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macht die Juristin Tuyet, Kind vietnamesischer Eltern, aufgewachsen in Deutschland beim Vater und der deutschen Stiefmutter. Sie kommt im Alter von 29 Jahren zum ersten Mal nach Hanoi in Vietnam, die Stadt, ...

macht die Juristin Tuyet, Kind vietnamesischer Eltern, aufgewachsen in Deutschland beim Vater und der deutschen Stiefmutter. Sie kommt im Alter von 29 Jahren zum ersten Mal nach Hanoi in Vietnam, die Stadt, aus der ihre Eltern kommen - und ihr wird erst während ihres Aufenthaltes dort klar, dass sie ihre leibliche Mutter, der sie zuletzt als Kleinkind begegnet ist, suchen will. Dadurch steht ihr einiges an Erlebnissen und Abenteuern bevor.

Doch den Leser erwartet noch einiges mehr, denn ihm wird auch noch die Geschichte von Tuyets Eltern, die in der DDR studiert bzw. gearbeitet haben, vermittelt sowie jede Menge Wissenswertes über Vietnam.

Für mich war es wie eine Rückkehr - ich habe vor ein paar Jahren Vietnam bereist und es war wunderbar, die Erinnerungen auf farbigste Art und Weise wieder aufleben zu lassen.

Doch so farbig und belebend die Darstellungen des historischen und kulturellen Hintergrundes durchgehend waren, so zäh und zunächst schwer nachvollziehbar waren manche der Wendungen, die die Autorin Beate Rösler ihren Charakteren so auferlegte. Dennoch, auch wenn es des Guten ein wenig zu viel war, hat mir der Roman insgesamt gut gefallen, vor allem das vietnamesische Lokalkolorit das man beim Lesen in Hülle und Fülle zu schnuppern bekommt sowie das überaus vielschichtige Bild von der DDR, das die Autorin den Leser sehr geschickt durch den Filter der vietnamesischen Studenten und Gastarbeiter wahrnehmen lässt - eine ganz neue Perspektive - auch das gab es in der "Zone"!

Ja, die Autorin Beate Rösler hat akribisch recherchiert und sie hat ein Händchen fürs Atmosphärische: so gelingt es dem Leser nicht nur, ins farbenprächtige Treiben in Vietnam einzutauchen, sondern auch in das Ostberlin der späten 1970er und 1980er Jahre bis hin zur Wende einzutauchen.

Die Irrungen und Wirrungen jedoch, die ihre Figuren so durchmachen müssen, sind fast des Guten zu viel - dass eine Person all diese Schicksalsschläge auf sich vereinbaren muss, ist (nicht nur in einem Fall) einfach nicht nachvollziehbar!


Ein spannendes und vielschichtiges Buch, das viele Aspekte der Probleme des heutigen und auch des früheren Vietnam anspricht. Dadurch bleibt die Feinarbeit im Hinblick auf die Ausarbeitung der Figuren und auch die Entwicklung einiger Erzählstränge leider ein bisschen auf der Strecke. Insgesamt jedoch ein farbenprächtiges und auch einfühlsames Buch, das einlädt, mit offenerem Blick durchs Leben zu gehen, auch in andere Kulturen einzutauchen: es lohnt sich!

Veröffentlicht am 21.02.2018

Erben auf gut Kölsch

Vor dem Erben kommt das Sterben
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Erben in Köln geht auch nicht wesentlich anders vonstatten als in anderen Gefilden - wer viel hat, um den scharen sich die Geldgierigen wie die Schmeißfliegen - nur haben sie in der Regel eher nicht allzugroßen ...

Erben in Köln geht auch nicht wesentlich anders vonstatten als in anderen Gefilden - wer viel hat, um den scharen sich die Geldgierigen wie die Schmeißfliegen - nur haben sie in der Regel eher nicht allzugroßen Erfolg, wenn sie nicht mit der Zielperson verwandt sind. Lebenskünstlerin bzw. zu ihrem Leidwesen eher Möchtegern-Lebenskünstlerin Blanche, die mittellos an die Stätte ihrer Kindheit - eine Familienwohnung in der Südstadt, wie Gott es will, genau neben dem noch nicht eingestürzten Archiv zurückkehrt, hat da einen Plan: Sie möchte die reiche, aber hoffnungslos naive Sybille nämlich mit Übersinnlichem um ihr Erbe bringen - und lässt sich dazu einiges einfallen.

Und nicht nur Blanche, sondern auch Autorin Ulrike Blatter erweist sich als ausgesprochen originell: Die Geschichte ist ein virtuoser Mix von realen und erfundenen Elementen, auch Fantastisches und Märchen- bzw. Sagenhaftes gibt die Autorin in ihren bunten (Krimi)Cocktail, wobei sie es für meinen Geschmack an der ein oder anderen Stelle ein bisschen zu bunt treibt und den roten Faden kurzfristig aus den Augen verliert.

Doch insgesamt ist dies ein überaus unterhaltsamer, stellenweise tollkühner Krimi mit ordentlich kölscher Atmosphäre, lässt die Autorin doch sogar den Karnevalsspirit walten - und das mitten in der Südstadt. Und hier sind wahrlich die echten Karnevalisten zugange, die die Bräuche mit der Muttermilch eingesogen haben und nicht irgendwelche Touristen oder Imis, wie der Kölner Dazugezogene nennt. Wer noch nie einer das Ende des Karnevals markierenden Nubbelverbrennung beigewohnt hat, kann dies durch die Lektüre des Buches in großen Teilen kompensieren ebenso wie einen der traditionellen katholischen Aschermittwochsgottesdienste - beides wird überaus eindrucksvoll beschrieben.

Ja, Ulrike Blatter vermag es wirklich wie selten ein Autor, Köln von seiner ursprünglichen Seite darzustellen, die kölsche Seele offenbart sich hier auf jeder einzelnen Seite. Nicht nur, dass jede Menge Sehenswürdigkeiten - und zwar nicht nur die touristischen "Sights" eine Rolle spielen, nein, in die Handlung sind auch jede Menge kölscher Sagen eingeflochten. Und jede Menge real existierender Südstadtoriginale! Dazu einer der dunkelsten Momente Kölns in den letzten Jahren, nämlich der Einsturz des Kölner Stadtarchivs. Und natürlich kommt auch das Idiom der Stadt, das Kölsch, immer wieder zum Tragen und es ist nicht, wie so oft, irgendetwas Gestelltes, Künstliches, sondern so schwaden die Leute wirklich!

Doch der absolute Höhepunkt ist aus meiner Sicht ein Spaziergang des real existierenden, überregional bekannten Kriminalbiologen Mark Benecke mit der Protagonistin Blanche über den Kölner Melatenfriedhof. Doch welche Rolle der "echte" Herr dabei spielt, der im Übrigen auch noch an anderen Stellen im Buch auftaucht, das erfahren Sie erst, wenn Sie sich selbst an die Lektüre wagen.

Für mich ist dies ganz klar der originellste Köln-Krimi, der bisher geschrieben wurde und ich empfehle ihn sowohl kölschen Krimifreunden als auch solchen, die die Stadt mal von ihrer echten Seite kennenlernen wollen!

Veröffentlicht am 21.02.2018

Jagen und gejagt werden

Todesstrand
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Darum geht es hier.

Emma Klar hieß nicht immer so. Und sie war auch wesentlich unbefangener unterwegs - bis sie als Polizistin im Einsatz entführt und gefoltert wurde - von Teith und seinen Mannen. Sie ...

Darum geht es hier.

Emma Klar hieß nicht immer so. Und sie war auch wesentlich unbefangener unterwegs - bis sie als Polizistin im Einsatz entführt und gefoltert wurde - von Teith und seinen Mannen. Sie kam gerade so mit dem Leben davon - im Gegensatz zu zwei Typen von der Gegenseite. Nun jagt sie Teith - und er jagt sie. Und hinterlässt quasi nebenher eine Blutspur, die sich gewaschen hat.

Im Gegensatz zur Reihe um Hanna Peters geht es hier alles andere als ruhig und zurückgenommen zu - man sollte schon starke Nerven haben, um sich an den "Todesstrand" zu begeben, denn Herr Teith und nicht nur er, geht nicht gerade zimperlich mit seinen Opfern - hauptsächlich jungen und hübschen Mädchen, denen man so ein Schicksal am allerwenigsten wünscht, um.

Mir hat der Krimi gut gefallen, die Leidenschaften, die auf allen Seiten immer wieder aufblitzen - sowohl bei Tätern als auch bei Opfern und auch die Ermittler bleiben nicht verschont - ständig aufwallen, ja geradezu kochen, sind mir dann aber des Guten zu viel, statt dessen hätte ruhig noch ein wenig mehr "gewaltlose" Spannung an der ein oder anderen Stelle implement werden können. Nicht, dass es keine gab, aber die erotische Komponente hätte aus meiner Sicht nicht ganz so präsent sein müssen. Das Lokalkolorit ist nicht ganz so greifbar, so atmosphärisch dargestellt, wie ich es bei einem als Küstenkrimi propagierten Buch erwarten würde, gestört hat es mich allerdings wenig. Doch wer in der Erwartung, etwas im Stil der Ostfriesenreihe von Hans-Peter Wolff zu erhalten, zu dem Buch greift, wird enttäuscht werden.

Es sind eher die zwischenmenschlichen, die sozialen Komponenten, die im Vordergrund des Krimis stehen und die seine Wirkung ausmachen, nicht so sehr die Landschaft.

Insgesamt ist dies aus meiner Sicht ein wirklich packender Krimi mit einigen Thrillerelementen und dem Zeug dafür, zu einer handfesten Krimireihe ausgebaut zu werden. Ich jedenfalls freue mich schon jetzt auf den nächsten Teil.

Veröffentlicht am 21.02.2018

Im Wald zwei Wege boten sich mir dar

Unterwegs mit dir (1)
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und ich ging den, der weniger betreten war - und das veränderte mein Leben. (Robert Frost)
Und manchmal sind es auch mehr als zwei: Neue Wege kann man nicht nur physisch beschreiten, nein, es ist auch ...

und ich ging den, der weniger betreten war - und das veränderte mein Leben. (Robert Frost)
Und manchmal sind es auch mehr als zwei: Neue Wege kann man nicht nur physisch beschreiten, nein, es ist auch auf spirituellem Wege möglich und oft bringen solche Wanderungen den denken Menschen weiter als eine Runde durch den Park oder gar eine lange Wanderung, beispielsweise in der Rhön.

Denn auch in unserer Seele gibt es Pfade, die noch nicht beschritten wurden, Hügel, die noch zu überqueren sind. Dazu braucht es gelegentlich einen Anstoß, eine geistige Motivation.

Genau diese erhalten die vier Frauen Hannah, Meg, Mara und Charissa - mit sehr unterschiedlichem Hintergrund, Erfahrungen und Zielen ausgestattet - in einem wöchentlichen Kurs, der eine Einführung in geistliche Übungen, sozusagen eine Reise zu und mit Gott. Das dies kein leichter Weg ist, viel Selbsterkenntnis, geistige Kraft und Ehrlichkeit - vor allem zu sich selbst, erfordert, das lernen die Frauen schnell.

Es ist also ein schwerer Weg, den sie da zusammen gehen und keine wird am Ende dieselbe sein wie vorher. Eine Läuterung also? Gewissermaßen, aber eher würde ich es als Weg nicht nur zu Gott, sondern auch zu sich selbst bezeichnen. Ein Weg, den der Leser mit gehen kann, die Übungen, die in dem Kurs gemacht werden, sind im Buch enthalten und nicht immer eins zu eins nachzuahmen - einmal ist es bspw. ein Labyrinth, das - auch physisch - zu beschreiten ist, aber man kann sie immer nachempfinden und auch darüber meditieren.

Also ein Buch, das hilft, zu sich selbst zu finden? Wenn man schon auf dem Weg dazu ist, dies in Einklang mit dem christlichen Glauben zu tun, dann auf jeden Fall. Der Glaube und der Umgang mit Gott spielt in diesem Buch eine große Rolle, ich habe das sehr genossen, auch wenn ich nicht jeder Betrachtung der Autorin folgen konnte. Mir war auch manches zu schwarzweiß, ab und zu - so sah ich es zumindest - blitzte auch der erhobene Zeigefinger hervor. Dennoch habe ich die Lektüre außerordentlich genossen und empfehle sie jedem, der Gott in sein Leben läßt oder lassen will.

Veröffentlicht am 21.02.2018

Zwei, die nicht von der Musik lassen können

Ein letztes Lied für dich
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und voneinander auch nicht.

Das sind Edie, zu Kriegszeiten schon eine bekannte Sängerin und der junge Fox, Benjamin unter drei Brüdern, dessen Herz sowohl an der Klassik als auch an folkloristischer Musik ...

und voneinander auch nicht.

Das sind Edie, zu Kriegszeiten schon eine bekannte Sängerin und der junge Fox, Benjamin unter drei Brüdern, dessen Herz sowohl an der Klassik als auch an folkloristischer Musik hängt, die er sammelt. Edies Schlager sind eher nicht seine Welt - ihre Stimme jedoch nimmt ihn ebenso wie ihr gesamtes Wesen rasch gefangen. Das Problem ist nur
- Edie ist die Verlobte seines ältesten Bruders Jack: und der ist ein absoluter Gewinnertyp, der bislang immer alles bekommen hat, was er wollte. Hier ist es nicht anders und so gehen die beiden zunächst getrennte Wege, zumal sie einige Jahre trennen: Edie ist bereits eine reife Frau, Fox dagegen noch ein grüner Junge.

Da die Romanhandlung jedoch auf zwei Zeitebenen spielt und man rasch mitbekommt, dass Fox und Edie gemeinsame Töchter und auch Enkel haben, muss da wohl irgendwas gewesen sein. Oder ist es doch mehr Schein als Sein?

Eine überaus anrührende Geschichte, bei der die Musik, die Menschen verbinden, an vorderster Front steht, wird den Leser, der bereit ist, sich ein wenig Zeit zu nehmen, bald aufklären. Bald, weil die Handlung so anrührend und ergreifend ist, dass zumindest ich nur schwer das Buch aus der Hand legen konnte - und das trotz einiger "Unebenheiten" in beiden Handlungssträngen, sowohl demjenigen, der in der Vergangenheit spielt als auch in dem, der die Gegenwart behandelt.

Fern von Kitsch und Sentimentalität baut die Autorin ihre Story auf, mit einer Leichtigkeit, die den Leser das Buch kaum aus der Hand legen lässt. Hinter dem gefälligen und flüssigen, zuweilen gar humorvollen Erzählstil stecken eine große Tiefe, eine breit gefächerte Symbolik, ein beeindruckendes Hintergrundwissen und die vielen Gedanken, die sich die Autorin bei der Entstehung ihres Buches gemacht hat.

Eigentlich strotzt dieses Buch nur so vor Tragik: Hartgrove Hall ist ein tragischer Ort, die Familiengeschichten sowohl von Fox als auch von Edie sind mit einer ganzen Reihe von Tragödien verbunden. Aber die Leichtigkeit, mit der Natasha Solomons durch die Geschichte wandelt und - auf durchaus tröstliche Weise - in die Gegenwart vorgreift, gibt dem Leser Zuversicht.

Die Welt braucht solche Bücher - Bücher, die Hoffnung und Wärme transportieren und so werde ich dieses Buch mit Sicherheit häufiger als Mutmacher oder einfach zum darin Schwelgen verschenken. Trotzdem bin ich nicht uneingeschränkt begeistert - das große Talent der Autorin für die Darstellung des Atmosphärischen geht einher mit einer gewissen Schwäche bei thematischen Übergängen. Zäsuren - in diesem Buch meist tragische, manchmal jedoch auch erfreuliche Ereignisse, sind aus meiner Sicht nicht scharf genug gezeichnet und so bleiben manche Entwicklungen ein wenig schwammig. Dennoch ein lesenswertes Buch, das sowohl die Liebe als auch die Tradition der englischen Folkmusik hochhält!