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Veröffentlicht am 03.05.2024

Otto Witte traut sich was

König von Albanien
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Wir begegnen ihm zunächst in einer psychiatrischen Anstalt, damals nicht nur im Volksmund in einem Irrenhaus in Wien, wo er vom Doktoranden Alois Schilchegger, einem Mann mit fortschrittlichen Ideen als ...

Wir begegnen ihm zunächst in einer psychiatrischen Anstalt, damals nicht nur im Volksmund in einem Irrenhaus in Wien, wo er vom Doktoranden Alois Schilchegger, einem Mann mit fortschrittlichen Ideen als ausgesprochen ungewöhnlich und besonders wahrgenommen wird. Wir schreiben das Jahr 1913 und die Insassen solcher Einrichtungen werden nicht gerade rücksichtsvoll behandelt. Der junge Arzt findet das nicht richtig und bemüht sich um die Einführung eines anderen Umgangs, anderer Behandlungen: gegen den Willen vieler - genauer gesagt: der meisten Kollegen. Otto ist für ihn eine Art Mittler zwischen dem Personal und den Kranken. Schon bald finden sich die beiden abends in trauter Runde zusammen und Otto erzählt ihm seine Geschichte - er war nämlich für ganze fünf Tage König von Albanien.

Ein sehr ungewöhnlicher, ausgezeichnet recherchierter historischer Roman, in dem Otto - zumindest seinen Erzählungen nach - so manches Husarenstück gelingt. Der Autor erzählt von vergangenen Zeiten vor allem in Konstantinopel, als hätte er nie etwas anderes getan. Wie gut, dass dieser lange vergriffene Diamant von einem Roman endlich wieder neu aufgelegt wurde!

Veröffentlicht am 28.04.2024

Heinz ertrinkt in Klischees

Heinz Labensky - und seine Sicht auf die Dinge
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Zurückgeblieben - unglücklich verliebt - ostisch von oben bis unten: das ist Heinz Labensky. Einer, über man den Kopf schüttelt oder sich lustig macht. Der im hohen Alter die alles entscheidende ...

Zurückgeblieben - unglücklich verliebt - ostisch von oben bis unten: das ist Heinz Labensky. Einer, über man den Kopf schüttelt oder sich lustig macht. Der im hohen Alter die alles entscheidende Reise wagt und während dieser seine Lebensgeschichte erzählt.

Mit allen Schlagwörtern, die so zum DDR-Universum dazu gehören! Nein, das war so gar nicht meins, der gute Heinz ist unglücklich als eine Witzfigur gezeichnet, die DDR eine Lachnummer, die man nur an irgendwelchen drolligen Begriffen, furchterregenden Personen und wenig einladenden Schauplätzen festmachen kann.

Ich bin wirklich schockiert, wie man diesem Land, das es nicht mehr gibt, dies antun kann. Die Menschen, die dort lebten, haben diese Art von Erinnerungskultur nun wirklich nicht verdient.

Nein, es ist niemandem damit gedient, die in diesem Buch festgehaltenen Klischees weiterzutragen, weswegen ich es nun dorthin verbringe, wohin es gehört - in die Tonne!

Veröffentlicht am 24.04.2024

Eine Camouflage für das Leben an sich

Zuckerbrot
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Die verpasst das Mädchen Pin ihrem Leben, indem sie Zucker über alles streut - naja, zumindest über die meisten Speisen, damit diese besser rutschen.

Dabei ist ihr Leben in Singapur doch gar ...

Die verpasst das Mädchen Pin ihrem Leben, indem sie Zucker über alles streut - naja, zumindest über die meisten Speisen, damit diese besser rutschen.

Dabei ist ihr Leben in Singapur doch gar nicht so schlecht: sie ist die einzige Tochter, gar das einzige Kind ihrer Eltern, die alles in allem eine gute Ehe führen und sich mögen, was nicht unbedingt selbstverständlich ist. Einzig das Glücksspiel des Vaters, von dem er nicht lassen kann, steht dem so manches Mal im Weg

Doch dann zieht ihre Großmutter zu ihnen und Pin kann so gar nicht begreifen, warum ihre Mutter sie überhaupt aufnimmt - sie ist lange nicht so lieb zu ihr wie es Pins eigene Mutter zu ihrer Tochter ist und zudem scheint sie ihr die Schuld an einem Todesfall vor vielen Jahren zu geben!

Allmählich spürt Pin, dass es mehrere Wahrheiten gibt und dass diejenige ihrer Mutter von deren Familie nicht vollständig angehört wird.

Eine warmherzige, nur gelegentlich nicht tief genug reichende Geschichte um Familie, Glauben und Gerechtigkeit - in der es definitiv durchgehend etwas zu essen gibt, und zwar nicht nur Zuckerbrot!

Veröffentlicht am 24.04.2024

Spannender Fall in schweren Zeiten

Die Gabe der Lüge
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Ich habe lange nicht mehr so einen Krimi gelesen, in dem ich uneingeschränkt drin schwelgen, hin und her knobeln und raten kann. Auch nicht von der Autorin Val McDermid, an der mir durchaus viel liegt, ...

Ich habe lange nicht mehr so einen Krimi gelesen, in dem ich uneingeschränkt drin schwelgen, hin und her knobeln und raten kann. Auch nicht von der Autorin Val McDermid, an der mir durchaus viel liegt, auch wenn meine Begeisterung bislang stets durch etwas eingeschränkt war. Das lag möglicherweise daran, dass es nie um die Reihe mit Karen Pirie, der Zuständigen für Cold Cases ging, die gemeinsam mit ihren beiden Mitarbeitern Daisy und Jason mein Herz im Sturm erobern konnte.

Hier stimmt einfach alles - der flapsige Jargon, in dem die Vorgesetzte mit ihren Kollegen verkehrt (und umgekehrt), der spannende Fall, die erzählende Sprache, die Steine, die den Ermittlern in den Weg geschoben werden - alles passt exakt einander.

Mit Sicherheit werde ich noch einige - ach was, alle Fälle der Cold Cases Unit lesen und genießen und dann erst mache ich mich auf die Suche nach weiteren tollen Krimi

Veröffentlicht am 21.04.2024

Ida und das Meer

Windstärke 17
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Nämlich keine professionelle Ausbildung zur Musikerin, die sie sehr gerne genossen hätte. Statt dessen bekam Auguste Zinsser, genannt Gussie, etwas, das nur sie haben konnte: Im Alter von neunzehn ...

Nämlich keine professionelle Ausbildung zur Musikerin, die sie sehr gerne genossen hätte. Statt dessen bekam Auguste Zinsser, genannt Gussie, etwas, das nur sie haben konnte: Im Alter von neunzehn Jahren wurde sie die zweite Ehefrau von Konrad Adenauer, "erbte" drei Kinder und bekam vier eigene dazu.

Eine eindringliche Romanbiografie ist dem Autor Christoph Wortberg mit diesem Werk gelungen. Für mich war sie schon deswegen etwas ganz Besonderes, weil ich in Köln einen Katzensprung entfernt von den Häusern der Familien Adenauer und Zinsser lebe, selbst schon im Krankenhaus Hohenlind gelegen habe.

Aber auch die weiteren, mir nicht so vertrauten Schauplätze konnte mir der Autor nahe bringen, ebenso wie den Handlungsverlauf. Auch, wenn er nicht wissen konnte, wie Gussie empfand, klang dies alles sehr glaubwürdig und logisch. Es muss nicht so gewesen sein, so war es sogar recht sicher nicht. Aber: es hätte so sein können, was wir sowohl der akribischen Recherchearbeit als auch der Wortgewandtheit Christoph Wortbergs verdanken. Ich habe es schnell durchgelesen, was aber nicht bedeutet, dass ich den Inhalt ebenso schnell vergessen werde. Im Gegenteil, dieser Roman, der ganz und gar nicht ohne Anspruch ist, wird in mir noch lange nachklingen!