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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.12.2017

Familienleben am Elbufer

Ein Garten mit Elbblick
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Petra Oelker, vielen Lesern seit Jahren als Autorin der überaus originellen, charakteristischen und mitunter spannenden historischen, im 18. Jahrhundert spielenden Hamburger Krimireihe um die Komödiantin ...

Petra Oelker, vielen Lesern seit Jahren als Autorin der überaus originellen, charakteristischen und mitunter spannenden historischen, im 18. Jahrhundert spielenden Hamburger Krimireihe um die Komödiantin Rosina, Weddemeister Wagner und den Großkaufmann Claes Herrmanns bekannt, zeigt sich in ihrem neuen Roman "Ein Garten mit Elbblick" erneut als fundierte Kennerin der Geschichte Hamburgs.

Diesmal spielt die Handlung im ausgehenden 19. Jahrhundert: die junge Henrietta Winfield, eine Hamburgerin aus gutbürgerlichen Kreisen, die seit Jahren in England ansässig ist, kehrt aus traurigem Anlass in die Heimat zurück: ihr Vater ist gestorben. Statt, wie erhofft, sich bald an der Seite des englischen Gatten wiederzufinden und ihm alle testamentarischen Angelegenheiten zu überlassen, muss Henrietta kurz danach auch noch die Nachricht von dessen Ermordung entgegennehmen. Ganz allein ist sie nicht - ihre vielköpfige Familie mütterlicherseits steht an ihrer Seite, aber teilweise wird die Situation dadurch - wie auch durch einige andere Akteure - nur noch komplizierter.

Der Autorin ist hier ein farbenprächtiges Sittengemälde gelungen, das bisweilen leider ein wenig langatmig daherkommt und auch die enthaltene Krimihandlung nicht gerade spannungsreich transportiert. Gerne habe ich die Passagen gelesen, in denen der Leser einen Einblick in die Historie Hamburgs erhielt - diese sind überaus interessant, gelungen und machen Lust auf mehr. Sowohl die Roman- als auch die Krimihandlung könnten jedoch wesentlich packender sein - hier verliert sich die Autorin in Details und zieht Fäden, die sie in vielen Fällen nicht wieder aufgreift. Liebhabern historischer Romane, vor allem solchen mit einer Vorliebe für Norddeutschland sei dieser sprachlich nicht anspruchslose Band trotzdem zu empfehlen.

Veröffentlicht am 29.12.2017

Eine ungewöhnliche Familiengeschichte

Zwei lange Unterhosen der Marke Hering
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Vorweg erstmal: dies ist ein emotionales und sehr, sehr herzliches Buch - eine Verbeugung eines Enkels, nämlich Ariel Magnus, eines argentinischen Schriftstellers mit deutschen Wurzeln vor seiner Großmutter: ...

Vorweg erstmal: dies ist ein emotionales und sehr, sehr herzliches Buch - eine Verbeugung eines Enkels, nämlich Ariel Magnus, eines argentinischen Schriftstellers mit deutschen Wurzeln vor seiner Großmutter: ein inniges Denkmal, das er ihr bereits zu Lebzeiten setzt. Davor habe ich allergrößte Hochachtung - doch hätte ich vor dem Lesen bereits gewußt, was mich erwartet; ich weiss nicht, ob ich mich darauf eingelassen hätte.

Ich habe natürlich eine Familiengeschichte erwartet, allerdings eine, die sehr viel stärker in den historischen Kontext, in die Zeit des Nationalsozialismus eingebettet ist, als es hier der Fall ist. Durch den Klappentext erfährt der Leser im voraus, dass die Oma als junge Frau mutig und freiwillig ihrer blinden Mutter erst nach Theresienstadt, dann nach Auschwitz folgte. Genau darüber hätte ich gern sehr viel mehr erfahren, über die Umstände, die dazu führten, über die persönlichen Erfahrungen der Oma, die es nach dem Krieg nach Brasilien verschlug, im Wandel der Zeit - wobei ich mir ein wenig mehr Fokus auf dem "Wandel der Zeit" gew

Veröffentlicht am 21.12.2017

Nirgendwo ist Dranitz

Das Gutshaus - Glanzvolle Zeiten
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Nach der Wende kehrt Franziska Kettler, geborene von Dranitz und die letzte Überlebende dieser Sippe, zurück zum Gutshaus in Mecklenburg-Vorpommern. Nichts hat sie von dort gehört in den Jahren des zweigeteilten ...

Nach der Wende kehrt Franziska Kettler, geborene von Dranitz und die letzte Überlebende dieser Sippe, zurück zum Gutshaus in Mecklenburg-Vorpommern. Nichts hat sie von dort gehört in den Jahren des zweigeteilten Deutschland, doch - O Wunder - das Haus steht noch. Dass man sie dort nicht unbedingt (zurück)haben will, war zu erwarten. Dennoch, es gibt immer noch solche, die sie "Frau Baronin" nennen.

Und es gibt viele, viele Erinnerungen, solche an die Familie und solche an andere liebe Menschen, ganz besonders an einen. Und bald sind es nicht nur die Erinnerungen, sondern auch neue Verpflichtungen, die Franziska im Osten halten - sie hat das Gutshaus zurückerworben. Und sie ist nicht mehr allein - ihre Enkelin Jenny samt Nachwuchs hat sich zu ihr gesellt, auch ein Novum in ihrem Leben. Denn auch im Westen waren Franziskas Familienbande nicht gerade eng geflochten.

Viele Geheimnisse, kleinere und ein richtig großes, werden nach und nach enthüllt. Doch der Leser braucht einen langen Atem, denn Autorin Anne Jacobs kommt sehr langsam in die Pötte, ich würde sogar so weit gehen, die Entwicklungen als umständlich zu bezeichnen. Keine Einzelheit wird ausgelassen, die Autorin ist definitiv keine Freundin der Übersichtlichkeit. Dabei bleiben so einige Zusammenhänge bzw. Umstände, die durchaus auch von Interesse gewesen wären, auf der Strecke.

Zudem entsteht in mir der Eindruck, dass sie mit den "Ossis" bzw. den frischgebackenen Bundesbürgern teilweise hart ins Gericht geht - und ich bin selbst Wessi und kein unkritischer. Doch das hier war mir definitiv des Guten zu viel. Recht viele Klischees finden Eingang in die eigentlich durchaus interessante und spannende Geschichte. Ein bisschen kommt es mir vor wie die Vorlage zu einer Soap Opera, zu einer dieser Serien, deren Staffeln bald auf DVD zu erwerben sind. Spekuliert die Autorin vielleicht auf die Nachfolge von Christine Brückners "Poenichen"-Reihe, der sie aber aus meiner Sicht nicht das Wasser reichen kann?

Bisher jedenfalls nicht, denn dies ist erst der Erste von drei angekündigten Bänden. Und trotz meiner ja nicht gerade spärlichen Kritik überlege ich durchaus, am Ball zu bleiben, denn wie gesagt: der eigentliche Plot hat durchaus Charme.

Veröffentlicht am 20.12.2017

Das Recht, gehört zu werden

Der Frauenchor von Chilbury
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haben im englischen Örtchen Chilbury bisher nur Männer. Naja, nicht nur, aber ohne sie läuft nicht viel und als sie allesamt in den Krieg ziehen, soll sogar der lokale Kirchenchor aufgelöst werden, denn ...

haben im englischen Örtchen Chilbury bisher nur Männer. Naja, nicht nur, aber ohne sie läuft nicht viel und als sie allesamt in den Krieg ziehen, soll sogar der lokale Kirchenchor aufgelöst werden, denn nur ihre Stimmen haben dem Ganzen ein Sinn gegeben.

So heißt es jedenfalls von seiten des Pfarrers und was der sagt, das wird akzeptiert. Oder zumindest hingenommen. Bis Musikprofessorin Primrose aus London in dem Örtchen Zuflucht findet. Schließlich schreiben wir das Jahr 1940, es herrscht Krieg und in London ist es viel zu gefährlich.

Primrose gelingt es, die örtliche Damenwelt aufzuwiegeln und mit dem Frauenchor wächst auch das weibliche Selbstbewusstsein.

Es könnte so schön sein, aber irgendwie hat dieses Buch, das sich durch seinen ungewöhnlichen Stil auszeichnet - es wird aus der Perspektive verschiedener Dorfbewohnerinnen berichtet - meinen Nerv nicht so recht treffen. Irgendwie zieht es sich und dieser kurze Auszug - es geht wirklich nur um das Jahr 1940 - ist auch nicht ganz mein Fall.

Klar, originell ist das Buch und sicher für Engländer auch interessanter als für manchen, der von außen auf die Geschichte schaut. Dennoch, mir ist ziemlich schnell langweilig geworden mit dem Buch, auch wenn einige Seitenstränge durchaus Spannung versprechen - aus meiner Sicht aber nicht halten, da das Buch in vielerlei Hinsicht ein wenig überladen ist und ich nach jeder Pause ganz schön Schwierigkeiten hatte, wieder reinzukommen. So empfehle ich das Buch nur Geschichtsinteressierten mit einer Vorliebe für England!

Veröffentlicht am 20.12.2017

Einfach abhauen

Niemand verschwindet einfach so
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ist manchmal die einfachste Lösung und genau das tut Elyria. Zack! Ist sie weg aus ihrer New Yorker Wohnung, von ihrem um Einiges älteren Mann Charles, einem Professor und zack, ist sie sogar fort aus ...

ist manchmal die einfachste Lösung und genau das tut Elyria. Zack! Ist sie weg aus ihrer New Yorker Wohnung, von ihrem um Einiges älteren Mann Charles, einem Professor und zack, ist sie sogar fort aus den Vereinigten Staaten. Gen Neuseeland geht es mit dem Flugzeug, mit einem Ticket, das sie sich auf Kosten ihres Mannes hat ausstellen lassen. Wie sie ihr ganzes Leben in letzter Zeit auf seine Kosten gelebt hat - auch zu seinen Lasten?

Irgendwann geht das nicht mehr, denn irgendwann dreht Charles ihr den Geldhahn ab, nachdem sie sich Ewigkeiten nicht bei ihm meldet. Und als sie es dann doch tut, hat sie ihm nichts zu sagen. Nichts von Belang jedenfalls.

Warum das alles? Nun, Elyria hat ein ziemliches Trauma erlebt irgendwann und darüber dann auch zu ihrem Mann gefunden. Allerdings kann sie aus eigener Kraft nichts ändern und lässt auch Hilfe von außen nicht zu. Keine richtige jedenfalls. Denn unterwegs nimmt sie durchaus die Hilfe anderer Menschen an, wenn sie das gerade braucht.

Ich kann mir nicht helfen - ich mag Elyria nicht und ich habe auch nicht gern über sie gelesen, auch wenn Autorin Catherine Lacey zweifellos schreiben kann und ihr Porträt eines Menschen mit Vergangenheit, aber ohne Zukunft ein durchaus gelungenes ist. Aber nichts, was mich beim Lesen weiterbringt - ich könnte jetzt über den Sinn und das Sein von Elyria und ihrer Umgebung nachdenken, ich könnte versuchen, daraus Antworten auf meine Fragen zu entwickeln - wenn ich wollte. Will ich aber nicht. Ein solches Schicksal, bar jeder Energie bewirkt nichts bei mir, es zieht mich nicht einmal runter. Nein, es geht einfach an mir vorbei, dieses gut geschriebene Stück Literatur. Möge es anderen mehr bringen, ihnen besser gefallen.