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Veröffentlicht am 17.09.2021

Beziehungen

Und damit fing es an
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Das ist der rote Faden in diesem Buch: Beziehungen unterschiedlicher Art: zwischen Eltern und Kindern, zwischen Eheleuten, unter Freunden - darauf basiert das gesamte Konstrukt des Buches.

Im Mittelpunkt ...

Das ist der rote Faden in diesem Buch: Beziehungen unterschiedlicher Art: zwischen Eltern und Kindern, zwischen Eheleuten, unter Freunden - darauf basiert das gesamte Konstrukt des Buches.

Im Mittelpunkt stehen Gustav und Anton, die sich bereits in der Grundschule kennenlernen, wobei Gustav die eigentliche Hauptfigur ist, aus deren Perspektive die Geschichte kolportiert wird, wenn sie auch nicht nur in seiner Zeit spielt. Nein, auch davor, denn auch die Geschichte seiner Eltern hat eine Bedeutung für die späteren Entwicklungen.

Gustav ist ein Nachkriegskind, eigentlich ein während des zweiten Weltkrieges geborenes Kind, das jedoch in den Nachkriegsjahren aufwächst. Und zwar in der Schweiz, die ja neutral war. Es ist interessant, in diesem Roman zu erfahren, was die Neutralität bedeutet. Die britische Autorin Rose Tremain, die hier ein für sie ungewöhnliches Thema gewählt hat, hat wie immer hervorragend recherchiert. Denn Gustavs Vater Erich, ein Polizist, hatte sich durch sein Handeln am Arbeitsplatz, in eine gehörige Bredouille gebracht und war zu Tode gekommen. Gustav wächst also allein bei seiner Mutter in ärmlichen Verhältnissen auf und genießt seine Freundschaft zum musikalischen Anton, der in einer intakten Familie lebt. Eine Freundschaft mit vielen Facetten und einer klaren Rollenverteilung, die bis in das Erwachsenenleben hinein anhält.

Doch es ist nicht nur die Geschichte dieser Freundschaft, die das Buch ausmacht, auch wenn sie im Mittelpunkt steht, es sind - wie erwähnt - weitere Bindungen bzw. Kontakte unterschiedlicher Art, die sich drum herum ranken.

Ein außergewöhnliches Buch, das sich auf Themen einlässt, die für eine britische Autorin durchaus gewagt zu sein scheinen, angesichts der Erfahrung dieser Autorin jedoch hervorragend von ihr gemeistert werden. Nein, es ist etwas anderes, das mich störte - stellenweise fehlte mir dann doch eine durchgehende Zielführung und die Erzählweise kam ab und an ein wenig fahrig rüber.

Dennoch lesenswert wie jedes Buch von Rose Tremain, schon des Themas und vor allem der Charaktere wegen, die aus meiner Sicht eine Stärke der Autorin sind. Rose Tremain entwickelt wunderbare Figuren, die lebendig und greifbar sind, sich im Kopf des Lesenden und vor seinen Augen klar entwickeln, also zum Kopfkino einladen. Für historisch Interessierte und Tremain-Fans also definitiv ein Muss!

Veröffentlicht am 17.09.2021

Ein überaus brennendes Thema

Die Attentäter
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hat sich Autorin Antonia Michaelis für "Die Attentäter" ausgesucht - leider. Denn der IS ist mittlerweile unser aller Alltag geworden, auch hier, im beschaulichen, vermeintlich sicheren Europa. Wie eine ...

hat sich Autorin Antonia Michaelis für "Die Attentäter" ausgesucht - leider. Denn der IS ist mittlerweile unser aller Alltag geworden, auch hier, im beschaulichen, vermeintlich sicheren Europa. Wie eine Radikalisierung aus unseren Kreisen heraus erfolgen könnte - das erfährt man hier in Deutschland.

Doch zunächst geht es um die Beziehung dreier Kinder - Alain, Cliff und Margarete - die zusammen in Prenzlauer Berg aufwachsen, vor allem geht es um diese drei: seit dem Alter von vier, fünf Jahren leben sie in diesem einen Haus, werden zu Jugendlichen, zu jungen Erwachsenen.

Wobei es zwei Seiten gibt: Alain und Margarete wachsen behütet, von ihren Eltern versorgt und gefördert auf, Cliff nicht. Er hat immer den Eindruck, dass ihn niemand haben möchte auf dieser Welt, dass er allen zu viel ist, ein Klotz am Bein. Seiner Familie jedenfalls. Nicht so Alain - der im Licht stehende, Gute, der immer hilft und vor allem alles verzeiht - und Margarete, die Vernünftige, die immer alles bemerkt, teilweise schon lange, bevor es eintrifft und vor allem stets weiß, was zu tun ist.

Licht und Schatten - das ist der Rote Faden, der sich durch dieses Buch zieht und Cliff rückt immer mehr in den Schatten, wird schon früh radikalisiert, zunächst durch die Rechten, um wenige Jahre danach in den Dunstkreis des IS zu geraten, der mehr und mehr von ihm Besitz ergreift.

Es ist eine sehr, sehr tragische Geschichte, die Antonia Michaelis hier geschrieben hat und sie hat es - wie eigentlich immer - mit Kraft getan, erschreckt und demoralisiert. Vor allem der Mittelstand bekommt einen Spiegel vorgehalten, wobei ich mich aber manchmal fragte, ob es im Hinblick auf das Thema der richtige ist.

Beim Lesen durchzuckte mich wieder und wieder der Gedanke, ob dieses Buch nicht vielleicht zu früh geschrieben wurde, ob hier Ideen und Eindrücke festgehalten wurden, die eigentlich in eine ganz andere Richtung gehen. Möglicherweise wird man das Buch in ein paar Jahren lesen und die Welt darin nicht wiedererkennen, denn die Autorin geht mit ihren Thesen in eine bestimmte Richtung. Ein Wagnis aus meiner Sicht.

Wer sich hier einen Thriller erwartet, in dem der Islamische Staat und sein Einfluss in Deutschland im Vordergrund steht, der ist schief gewickelt bzw. kennt Antonia Michaelis nicht. Es sind immer die Beziehungen, die bei ihr in der vordersten Front stehen, die Individuen und ihre Entwicklungen. Ihre Stärke sind Figuren, was man auch hier wieder spürt, denn ich hatte Cliff, Alain und Margarete, aber auch ihre Eltern und den weiteren Umkreis stets vor Augen. Kopfkino, das ist es, was man beim Lesen von Michaelis-Büchern stets hat. Wobei Cliff aus meiner Sicht ein wenig überladen wirkt, nicht ganz echt, es ist zu viel, was dieser armen Figur aufgebrummt wurde, in jeder Hinsicht. Alle anderen jedoch sind klare Michaelis-Charaktere, wie ich sie seit meinem ersten Roman von ihr schätze - sie haben, wie auch immer sie gepolt sind, ihre eigenen Note.

Ich oute mich als Fan der Autorin und habe mittlerweile schon einige ihrer Romane gelesen und empfinde dieses als das bisher schwächste - wenn auch auf sehr, sehr hohem Niveau. Es ist immer noch ein tolles Buch und ein echter Michaelis. Auch diese Geschichte, in der Engel und immer wieder Vögel eine Rolle spielen - Sie merken es, Symbolik ist stets ein Thema - ist absolut lesenswert, wenn es sie auch ab und zu ein wenig überhastet komponiert wirkt - als sollte dringend ein aktuelles Thema abgearbeitet werden.

Dennoch, auf jeden Fall lesenswert, wenn auch kein Jugendbuch im eigentlichen Sinne, sondern einfach ein spannender Roman für alle, die das Thema und die vor allem Michaelis' ganz spezieller Ansatz interessiert.

Veröffentlicht am 17.09.2021

Familiengeheimnisse

Was ich euch nicht erzählte
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In vielen Familien gibt es Geheimnisse, was in den meisten Fällen verständlich, unumgänglich, nachvollziehbar oder zumindest entschuldbar ist. Doch sind es diese den anderen vorenthaltenen Fakten, die ...

In vielen Familien gibt es Geheimnisse, was in den meisten Fällen verständlich, unumgänglich, nachvollziehbar oder zumindest entschuldbar ist. Doch sind es diese den anderen vorenthaltenen Fakten, die zum Tod von Lydia, der ältesten Tochter der Familie Lee, geführt haben?

Eigentlich ist es eine ganz stabile Familie, die den Widrigkeiten des Umfeldes trotzt - so scheint es. Doch allmählich tun sich Abgründe auf, die zunächst jedoch keineswegs Lydia, perfekte Schülerin und brave Tochter, Lieblingskind beider Eltern, betreffen. Und es ist eine einsame Familie. Kann sie sich selbst genug sein?

Hinter der Fassade lauern unerfüllte Wünsche, Sehnsüchte und Hoffnungen, vor allem bei den Eltern. Und den beiden, James und Marilyn, steht ihre jeweilige Herkunft im Weg: James die als Kind mittelloser Emigranten aus China, der es aufgrund seines Migrationshintergrundes stets als schwierig befand, in seiner Wissenschaftlerkarriere voran zu schreiten und sich ungerecht behandelt fühlte. Und Marilyn, der als Frau einige Hindernisse im Weg standen um das zu erreichen, was ihr Ziel war.

Doch was hat das mit Lydia zu tun? Diese Verbindungen wie auch einige andere, nicht nur die Familie betreffend, öffnen sich dem Leser erst allmählich, lassen ihn an Klischees, Vorurteilen und vorgefassten Meinungen verzweifeln.

Eine ungewöhnliche und teilweise etwas sperrige Darstellung ist es, die Celeste Ng hier anbietet, ein wenig mühselig zu lesen auch wegen der nicht an allen Stellen adäquaten Übersetzung. Doch insgesamt ist es eine ausgesprochen lohnenswerte Lektüre, die mich lange nicht loslassen wird!

Veröffentlicht am 17.09.2021

Der drittattraktivste Mann aus dem Pub

Die Canterbury Schwestern
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steht am Anfang und am Ende dieser Geschichte, in der es - eigentlich - nur um Frauen geht. Vor allem um Che de Milan, die mit einer rein weiblichen Reisegruppe - alles Amerikanerinnen wie sie selbst - ...

steht am Anfang und am Ende dieser Geschichte, in der es - eigentlich - nur um Frauen geht. Vor allem um Che de Milan, die mit einer rein weiblichen Reisegruppe - alles Amerikanerinnen wie sie selbst - nach Canterbury wandert, um dort die Asche ihrer Mutter zu verstreuen: Deren letzter Wunsch, dem sie nachzukommen sucht.

Che geht es nicht gerade gut - neben dem kürzlichen Verlust ihrer Mutter hat sie auch noch eine abrupte Trennung zu verarbeiten. Kann ein Pilgergang nach Canterbury sie läutern oder gar ablenken? Zunächst scheint keins von beiden der Fall zu sein, zumal die Reiseteilnehmerinnen eher sperrig scheinen - wie die Reise selbst auch, die durch kleine Dörfer führt und unterwegs nicht gerade Luxusherbergen bietet. Doch Che hat auf der Reise diverse Erkenntnisse bspw.: " Zehn Kilometer bringen einen nicht notwendigerweise weiter als sieben. Dreißig Männer lehren dich nicht notwendigerweise mehr als einer." (S.208)

Eine Passage, die zeigt, dass man sich auf eine stellenweise holprige Übersetzung einlässt - und dass, wo Frauen wandern, immer auch Männer anwesend sind, zumindest im Kopf. Aber nicht nur - hier treffen wir sie auch - wie angekündigt - vor, nach und während der Wanderung. Welche Rolle sie spielen? Lesen Sie selbst. Es ist eine unterhaltsame, aufgrund der erwähnten Übersetzung stellenweise sperrige Lektüre, die gut in die Reisezeit passt und neben konkreten Anregungen zum Wandern in England - es gibt auch noch einen kleinen Anhang genau dazu - auch geistige Impulse bietet, wenn auch in Maßen. Wenn Sie sich also nicht zuviel erwarten, ist dies ein nettes Buch für Zwischendurch!

Veröffentlicht am 17.09.2021

In Irland haben es die Frauen nicht leicht

Lügenmauer. Irland-Krimi (Ein Emma-Vaughan-Krimi 1)
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Ein protestantischer Geistlicher ist in seinem eigenen Haus in der Nähe von Sligo ermordet aufgefunden worden. Nach und nach kommt heraus, dass er nicht nur Freunde hatte und selbst in der eigenen Familie ...

Ein protestantischer Geistlicher ist in seinem eigenen Haus in der Nähe von Sligo ermordet aufgefunden worden. Nach und nach kommt heraus, dass er nicht nur Freunde hatte und selbst in der eigenen Familie so einiges geleistet hat. Hat sein Tod etwas damit zu tun.

Neben dem Schicksal des Pfarrers gibt es ganz klar einen weiteren roten Faden in diesem Krimi, der für mich sogar an erster Stelle steht: die Rolle der Frauen in Irland.

Ja, in Irland hatten es die Frauen vor allem aufgrund der Macht der Kirchen nicht einfach - dies die hauptsächliche Botschaft dieses Krimis, der weit über das hinausgeht, was dieses Genre üblicherweise zu bieten hat und sowohl eine Reihe historischer Hintergründe als auch jede Menge Emotionales und Erschütterndes zur Lage der Frauen im Schatten der Kirchen beinhaltet. Ja, es war und ist wahrlich ein Schattendasein der tristesten Art, das den Frauen dort über Jahrhunderte auferlegt war - teilweise dauert dies noch bis zum heutigen Tag an.

Eine empfehlenswerte Lektüre also für Leser, die Krimis der besonderen Art mögen und sich gerne nebenher ein paar historische Infos "draufschaufeln". Auch wenn das Ende aus meiner Sicht ausgesprochen überraschend und für einen Krimi durchaus unkonventionell war, geht das zeitweise auf Kosten der Spannung.

Die charismatische Polizistin Emma Vaughan, die zwar irische Wurzeln hat, aber in New York aufwuchs, ist auf jeden Fall ein großer Gewinn für die internationale Krimi- und Ermittlerlandschaft. Eine ungewöhnliche Frau, die in Irland oft aneckt, sich überall durchkämpfen muss, an den richtigen Stellen aber durchaus Diplomatie walten lässt und vieles aus einer Perspektive sieht, aus der auch die meisten Leserinnen es wahrnehmen werden - also eine Identifikationsfigur. Sie hat mich persönlich auch mit dem teilweise etwas sperrigen Stil versöhnt und lässt mich auf eine baldige Fortsetzung einer möglichen neuen Krimireihe hoffen.