Profilbild von TochterAlice

TochterAlice

Lesejury Star
offline

TochterAlice ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit TochterAlice über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 11.04.2021

Tun, was er will und sagt

Nora Joyce und die Liebe zu den Büchern
0

Also, was James Joyce, genannt Jim, will und sagt. Das ist erstmal sehr viel Sex, der auch genau beschrieben wird. Und keine Heirat. Dafür Leben nach seiner Facon .

Gut, einiges davon ist sicher ...

Also, was James Joyce, genannt Jim, will und sagt. Das ist erstmal sehr viel Sex, der auch genau beschrieben wird. Und keine Heirat. Dafür Leben nach seiner Facon .

Gut, einiges davon ist sicher glaubwürdig, zumal sich Jim und Nora vor beinahe 120 Jahren kennen lernten, als die Welt noch anders gestrickt war. Als man - nicht erst seit gestern - auf Gedeih und Verderb aus dem ärmlichen, der katholischen Kirche untergeordneten Irland raus wollte.

Nora ist Jim gefolgt - zwar mit einer Art Ehering, aber ohne Trauschein. Gefolgt in ein unvorhersehbares, bestimmt schweres Leben im Exil.

Was sich dann tatsächlich an vielen verschiedenen Orten abspielte, bald auch gab es Kinder - und es gab weiterhin wenig Geld. Auch fernab von Irland.

Ich war gespannt auf Noras Geschichte, fand sie faszinierend. Und bin jetzt nur noch enttäuscht. Nein, das war so gar nichts für mich. Ich wollte eigentlich nicht nur über den Sex und das schnöde Verhalten eines der größten Autoren des 20. Jahrhunderts insgesamt Lesen, sondern über sein Familienuniversum und wie sich das alles so ineinander fügte.

Es hat sich wahnsinnig gezogen, finde ich. Und der Stil war auch nicht gerade spritzig. Ich bin erstmal erleichtert, dass ich dieses Buch, das ich leider nicht weiter empfehlen kann, jetzt hinter mir lasse.

Veröffentlicht am 11.04.2021

Nicht WER, sondern WARUM

Leichenblume
0

Die Mörderin Anna Kiel ist seit Jahren auf der Flucht. Sie hat einen jungen, reichen Schnösel ermordet und zwar so richtig kaltblütig. Dass sie es war, ist unzweifelhaft. Aber warum nur hat sie diese ...

Die Mörderin Anna Kiel ist seit Jahren auf der Flucht. Sie hat einen jungen, reichen Schnösel ermordet und zwar so richtig kaltblütig. Dass sie es war, ist unzweifelhaft. Aber warum nur hat sie diese Tat begangen?

Vielleicht ein Auftragsmord? Denn niemand kann sich eine Verbindung zwischen ihr, einem völlig unbeschriebenen, auch unscheinbaren Blatt aus bescheidenen Verhältnissen zu ihrem Opfer Christopher Monning, Sohn eines der reichsten Männer Dänemarks und erfolgreicher Anwalt in einer der besten Kanzleien des Landes, erklären.

Ausgerechnet diese Frau tritt per Brief in Kontakt zu Heloise Kaldan, einer jungen, durchaus erfolgreichen Investigativjournalistin, die sich allerdings nicht mit Kriminalfällen beschäftigt. Und es bleibt nicht bei einer Nachricht. Heloise, die bislang nichts mit dem Fall zu tun hatte, ist ratlos: warum gerade sie?

Obwohl es nicht ungefährlich ist, beginnt sie zu recherchieren: und stößt nicht gerade auf offene Türen. Bei Kommissar Erik Schäfer hingegen, der von Amts wegen mit dem Fall betraut ist, findet sie offene Ohren. Denn auch er hat nach Jahren des Stillstands neue Hinweise erhalten... Und es wird allmählich immer deutlicher, dass es wichtig ist, herauszufinden, WARUM Anna Kiel den Mord begangen hat. Zumal weitere Leichen den Weg säumen, die definitiv nicht auf das Konto von Anna Kiel gehen.

Ein packender Thriller, aus dem man mehr hätte rausholen können. Obwohl er auch so spannend ist und gerade die Hauptfiguren nicht schlecht gezeichnet sind. Sowohl Heloise als auch Erik Schäfer sind echte Typen mit Wiedererkennungswert. Es hapert an Details und Übergängen, finde ich, doch das sind eher Kleinigkeiten.

Insgesamt hat mir dieser Thriller richtig gut gefallen, obwohl es gerade auf der emotionalen Ebene ganz schön heftig zugeht. Oder vielleicht eben deshalb. Nun, ein wenig tiefgreifender kann es durchaus noch werden, doch dies ist der erste Krimi der Autorin und damit ganz klar noch ausbaufähig.

Veröffentlicht am 10.04.2021

Was ist los im Pôr do sol?

Portugiesisches Schicksal
0

Was ist los im Pôr do sol? Eigentlich sollte dort jeder, der Lissabon besucht, einmal gespeist haben - das allein macht schon misstrauisch. Und in der Tat verkehren dort viele Touristen, aber nicht nur ...

Was ist los im Pôr do sol? Eigentlich sollte dort jeder, der Lissabon besucht, einmal gespeist haben - das allein macht schon misstrauisch. Und in der Tat verkehren dort viele Touristen, aber nicht nur - auch Einheimische besuchen es gern. Dabei gehen Gerüchte um, die so gar nicht einladend sind: nach dem Essen dort sollen mehrere Gäste gestorben sein.

Henrik Falkner findet dazu sogar einen Vermerk in den Unterlagen seines verstorbenen Onkels - das lässt ihn hellhörig werden, denn Onkel Martin hat sich bei seinen Nachforschungen nie mit Belanglosigkeiten aufgehalten.

Er schleust sich also als Kellner ein - und merkt schnell, warum es so einfach ist, dort einen Job zu bekommen. Für einen Hungerlohn schuftet man sich tot (naja, jedenfalls beinahe) und es herrscht ein ganz schön strenges Regime. Zudem scheinen einige Mitarbeiter wie auch der Patron selbst nicht ganz koscher zu sein. Irgendwelche kriminellen Aktivitäten tragen sich dort zu, dessen ist sich Henrik sich sicher. Nur welche?

Ein Krimi mit ordentlich Lissaboner Lokalkolorit, den man nur lesen sollte, wenn man nicht gerade viel Hunger hat - denn er ist nach der Wochenkarte des Pôr do sol gegliedert und auch sonst kommt viel Eßbares drin vor - aber mindestens ebenso viel Kriminelles. Auch an Humor mangelt es nicht und so ist dieser Krimi sehr geeignet als Urlaubslektüre für Portugal! Ich habe ihn aber auch sehr gern auf der heimischen Couch gelesen - so eine kleine Reise lesenderweise ist doch immer mal nett!

Veröffentlicht am 10.04.2021

Eine, die nicht zum Zug kommt

Kim Jiyoung, geboren 1982
0

Das ist Kim Jiyoung, die in Seoul, der Hauptstadt von (Süd)Korea aufwächst, Wünsche, Pläne und Ideen für die eigene Zukunft hat. Worin sie durchaus von den Eltern unterstützt wird.

Sie wollen ...

Das ist Kim Jiyoung, die in Seoul, der Hauptstadt von (Süd)Korea aufwächst, Wünsche, Pläne und Ideen für die eigene Zukunft hat. Worin sie durchaus von den Eltern unterstützt wird.

Sie wollen nicht, dass ihre Tochter lediglich ins System eingefügt wird, sondern ihr Leben so gestalten kann, wie sie selbst es sich vorstellt. Vor allem ihre Mutter, die selbst nicht so konnte, wie sie wollte, steht hinter ihr.

Obendrein ist die junge Frau klug und geistig rege - also sind alle Voraussetzungen gegeben, dass aus ihr etwas wird. Etwas, das sie selbst befriedigt und erfüllt - ein Leben lang.

Doch in Korea ist das bis heute für Frauen fast unmöglich, wie uns an Jiyoungs Beispiel exemplarisch vorgeführt wird - in ihrem überaus lakonischen Stil lässt die Autorin keinen Zweifel daran, dass es tatsächlich so ist.

Kim Jiyoung scheitert spät, aber sie scheitert. Obwohl sie sogar einen Mann gefunden hat, der hinter ihr und ihren Vorstellungen steht - auch das alles andere als eine Selbstverständlichkeit.

Die Autorin Cho Nam-Joo hat hier nicht nur einfach einen Roman verfasst, dieses Buch ist ein gesellschafts- und sozialpolitisches Statement, eine kraftvolle Stimme im Wunsch nach Neupositionierung, Neuregelung der gesamten Gesellschaftsstruktur Koreas. Ein sehr, sehr wichtiges Buch, das meiner Ansicht nach auch in die Kategorie Streitschrift einzuordnen ist.

Die Autorin hat damit auf jeden Fall einen eindrucksvollen Fuß- bzw. Fingerabdruck in der Weltliteratur gesetzt - man wird sehen, welche Kreise er in anderen Bereichen ziehen wird!

Veröffentlicht am 31.03.2021

Manche Menschen werden von vielen geliebt

Das Glück meiner Mutter
0

Und nein, nicht der Protagonist und Ich-Erzähler des Romans, der neunundvierzigjährige Phillip Dorn, ist der
Glückliche, sondern seine vor zwei Jahren verstorbene Mutter Marion. Auch Phillip ist sich ...

Und nein, nicht der Protagonist und Ich-Erzähler des Romans, der neunundvierzigjährige Phillip Dorn, ist der
Glückliche, sondern seine vor zwei Jahren verstorbene Mutter Marion. Auch Phillip ist sich - zumindest jetzt, im Nachhinein - des Glückes bewusst, dass er mit ihr und durch sie hatte.

Doch im Nachhinein wird auch deutlich, dass es viele verpasste Gelegenheiten gab - in Marions Leben, in Phillips - vor allem jedoch in dem anderer Menschen, die nicht so viel Marion in ihrem Leben hatten, wie sie es sich gewünscht hätten. Und zeitlebens darunter litten.

Charisma, Güte und Warmherzigkeit, das sind nur drei Attribute, die mir zu Marion einfallen, die die Handlung im Übrigen gar nicht so dominierte, wie es den Anschein haben könnte.

Nein, sie blitzt immer wieder hinein in den Verlauf, als Prägende, als Gebende, Schenkende, aber mehr noch als ein Verlust. Wobei Phillip nicht nur durch sie lebt, aber es ist wohl sie, die ihn gelehrt hat, andere Frauen wertzuschätzen. Wobei dies aus meiner Sicht eine stellenweise sehr erotische Komponente erhält, auch wenn es nur an einer Stelle klar um Sex geht (dann aber mit allem Zipp und Zapp). Ich hätte mich gefreut, wenn gerade der feinsinnige Thommie Bayer ohne dies ausgekommen wäre, das hätte diesen Roman mit den so klug verteilten Petitessen, den Überraschungen und warmherzig aufblitzenden Lichtern aus meiner Sicht perfekt gemacht.

Auch wenn es nichts daran ändern, dass ich dieses Buch mit einem wirklich wohligen Gefühl zuklappe. Ich bin mir aber sicher, dass ich es nicht - wie andere Werke des Autors - wieder und wieder lesen werde - tief in mir drin tragen werde Phillips Geschichte aber durchaus!