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Veröffentlicht am 18.12.2017

Etwas enttäuschendes Ende

The Sun Is Also a Star
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Nach ihrem Erfolgstitel “Du neben mir und zwischen uns die ganze Welt” legt die amerikanische Autorin (mit den jamaikanischen Wurzeln) Nicola Yoon nun mit “The sun is also a star” endlich neuen Lesestoff ...

Nach ihrem Erfolgstitel “Du neben mir und zwischen uns die ganze Welt” legt die amerikanische Autorin (mit den jamaikanischen Wurzeln) Nicola Yoon nun mit “The sun is also a star” endlich neuen Lesestoff vor. Ihr zweiter Roman erzählt eine Liebesgeschichte inmitten eines feinen Geflechts von zufälligen (oder schicksalshaften?) Ereignissen und dem nicht immer einfachen Leben zwischen zwei Kulturen. Familiengeschichte inklusive. Raffiniert erzählt und mit faszinierenden Einschüben. Ein richtig schöner Schmöker. Für Jugendliche ab 14 Jahren und Erwachsene.

New York. Die 17-jährige Natasha sollte eigentlich ihre Koffer packen, aber das junge Mädchen mit der jamaikanischen Herkunft will einfach nicht aufgeben. Sie, die mit ihrer Familie illegal in Amerika lebt, will das Land nicht verlassen. Auch wenn das Urteil der Behörden anders aussieht: “Der letzte Einspruch Ihrer Familie wurde abgelehnt. Die Abschiebung ist beschlossen, Ms Kingsley. Sie und Ihre Familie müssen heute um 22.00 Uhr das Land verlassen.” (Zitat S.31) Deshalb geht Natasha auch Nicola Yoon The sun is also a starnun zur amerikanischen Einwanderungsbehörde, um vielleicht noch etwas dagegen auszurichten. Denn zurück nach Jamaika will sie auf gar keinen Fall. “Ich lebe hier, seit ich acht bin. Ich habe keine Freunde auf Jamaika. Ich habe keinen jamaikanischen Akzent. Ich kenne meine Familie dort nicht — jedenfalls nicht so, wie man seine Familie kennen sollte. Das ist mein letztes Jahr auf der Highschool. Was ist mit meinem Abschluss, dem Ball und meinen Freunden?” (Zitat S.35) Auf dem Amt erhält sie einen letzten Tipp: die Adresse eines Anwalts, der ihr vielleicht noch helfen könnte. Doch der Termin ist erst in ein paar Stunden…
Der 17-jährige Daniel lebt mit seinem Bruder und seinen Eltern, die aus Korea stammen, aber noch vor ihrer Geburt nach Amerika ausgewandert sind, ebenfalls in New York. Er, der am liebsten Gedichte schreibt, soll — nach der Meinung seiner Eltern — Arzt werden. “Ich würde alles dafür geben, das Leben, das sich meine Eltern für mich wünschen, auch wirklich zu wollen. Alles wäre viel einfacher, wenn ich Lust hätte, Arzt zu werden. Arzt zu sein, sollte doch eins der Dinge sein, die man mit Lust und Hingabe tut. Ich meine, Leben retten und all das. Aber ich finde es nur langweilig.” (Zitat S.66) Aber Daniel traut sich nicht, ihnen das zu sagen…

Aufgrund mehrerer zufälliger Begebenheiten treffen Natasha und Daniel in einem Plattenladen aufeinander. Kurz darauf rettet er sie vor einem heranfahrenden Auto, das sie fast erwischt hätte. Er lädt sie auf einen Kaffee ein. Sie sagt zu. Und zwei Welten treffen aufeinander: Er — der sofort weiß, dass er sich in sie verlieben wird, der an Träume und Vorherbestimmung glaubt — und sie, die pragmatisch und eher pessimistisch veranlagt ist und mit Träumereien schon mal gar nichts anfangen kann, sondern nur an die Erklärungen der Wissenschaft glaubt. Bis sie Daniel mit folgendem Satz herausfordert: “Was ist, wenn ich dir sage, dass ich dich mit wissenschaftlichen Methoden dazu bringen könnte, dich in mich zu verlieben?” (Zitat S.100)

Sein Experiment besteht aus einigen persönlichen Fragen und einem 4-minütigen-sich-in-die-Augen-Schauen. Etwas, worüber er in einer Zeitung gelesen hat. Da sie ohnehin nichts zu verlieren hat und Daniel sie seltsamerweise ab und zu zum Lachen bringt, lässt Natasha sich darauf ein. Ohne ihm zu gestehen, dass sie in wenigen Stunden das Land verlassen wird…

“The sun is also a star” wartet mit einem interessanten Cover auf. Schaut man genauer hin, entdeckt man einzelne Fäden, die hin und her gespannt sind. Symbolisch für die einzelnen Lebenswege und -Möglichkeiten eines jeden Menschen. Der Roman macht das Gesetz von Ursache und Wirkung deutlich. Wäre dies oder jenes nicht geschehen, wären sich Daniel und Natasha niemals über den Weg gelaufen. Eine Verkettung von Zufällen? Schicksal — so wie Daniel es glaubt? Geschickt spielt das Buch mit Wissenschaft und dem Glaube an Vorherbestimmung. Diese Erfahrung muss vor allem Natasha machen: “Liebe ist eine Mischung aus Hormonen und Zufall. Warum fühlt sich Daniel dann nach mehr an?” (Zitat S.127)

Die Autorin hat mit ihr und mit Daniel zwei sehr liebenswürdige, sympathische Figuren geschaffen und erzählt aus ihren sich abwechselnden Ich-Perspektiven ihre gemeinsame Geschichte. Ergänzt werden diese Sichtweisen immer wieder durch Einschübe von Nebenfiguren oder kurzen Erklärungen (auch wissenschaftlicher und kultureller Art). Beispielsweise werden die Verhaltensweisen einer Sicherheitsbeamtin gegenüber Natasha oder die einer Restaurantbediensteten, die unfreundlich auf eine Frage reagiert, erklärt. Diese Einschübe stammen von einem allwissenden Erzähler uNicola Yoon The sun is also a starnd sind ungemein faszinierend und reizvoll zu lesen. Eine perfekte Ergänzung, die für jede Menge Tiefgang sorgt. Auch die Romantik kommt in “The sund is also a star” nicht zu kurz:

“Wieder kommt sie mir nahe, und wieder wage ich mich vor, denn anscheinend bin ich so, wenn ich mit diesem Mädchen zusammen bin. Vielleicht gehört es dazu, sich auch in sich selbst zu verlieben, wenn man sich in jemand anderen verliebt. Denn es gefällt mir, was für ein Mensch ich mit ihr bin. […] Es gefällt mir, dass ich mich trotz der Steine, die sie mir in den Weg legt, weiter vorwage. Normalerweise würde ich aufgeben, aber heute nicht.” (Zitat S.181)

Nicola Yoon hat einen sehr angenehmen Erzählton. Sie kann einfach richtig gut schreiben. Den Leser erwarten tolle Formulierungen, eine mal charmante, mal humorvolle, mal philosophische Erzählweise und eine Sprache, die flapsig sein kann, aber auch kraftvoll und poetisch. Das Ende war okay, aber irgendwie hätte ich noch ein bisschen mehr erwartet, beziehungsweise es erschien mir zu konstruiert. Aber: am besten eine eigene Meinung bilden

Veröffentlicht am 15.12.2017

Leichte Unterhaltung

Bad Boys and Little Bitches
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Der deutsche Autor Andreas Götz hat nach einigen Jugendthrillern mit “Bad Boys & Little Bitches” einen Roman mit Soapcharakter geschrieben. Eine Geschichte über Freundschaft, Manipulation und Rache. Der ...

Der deutsche Autor Andreas Götz hat nach einigen Jugendthrillern mit “Bad Boys & Little Bitches” einen Roman mit Soapcharakter geschrieben. Eine Geschichte über Freundschaft, Manipulation und Rache. Der erste Band einer geplanten Trilogie. Flott erzählt und sehr unterhaltsam. Für alle Fans von “Pretty Little Liars” und “Gossip Girl”. Für Jugendliche ab 14 Jahren und interessierte Erwachsene.

Sie sind die besten Freunde. Wie ein vierblättriges Kleeblatt: Finn, Lissy, Elif und Leon. Alle 17 Jahre alt. “Erst waren es nur Finn und Lissy gewesen, dann hatte sich Lissy beim Ballettunterricht mit Elif angefreundet und Finn mit Leon in der Schule, obwohl die beiden total verschieden waren. […] Es hatte sofort zwischen allen gepasst, sie waren vier Räder an einem Wagen. Freunde, die im Ernstfall füreinander durchs Feuer gingen.” (Zitat S.5ff) Elif hat nach einer wilden Phase streberische Ambitionen entwickelt und ist stets fleißig am lernen, aber seit Neuestem hat sie einen Verehrer. Finn ist witzig, nie um einen Spruch verlegen und liebt die Musik. Leon ist manchmal ein bisschen depressiv, raucht zu viel Gras und ist dennoch für die anderen der Fels in der Brandung.
Und Lissy, die das Theaterspielen liebt, ist heimlich in ihren Lehrer verliebt. Doch dann kommt Vanessa neu an ihre Schule: “Als er in die Aula kam, fiel ihm sofort dieses Mädchen auf, das er noch nie zuvor in der Schule gesehen hatte. Lange blonde Haare mit einem leichten Stich ins Rötliche, tolle Figur, große Augen in einem bezaubernden Gesicht…” (Zitat S.29)

Sie schließt sich der Gruppe an. Und verändert alles. Irgendwie steht sie ständig im Mittelpunkt, gibt den Ton an und schafft es sogar, dass die Freunde ihr Stammlokal wechseln. Leon gefällt das nicht und so ruft er die Clique zum Krisengespräch zusammen — ohne Vanessa. Sie wollen sie aus dem Freundeskreis drängen, allerdings erst nach der legendären Spring Break Party, zu der sie alle fahren wollen, und deren Reise Vanessa organisiert hat. Nichts ahnend, dass diese schon längst weiß, was die Jugendlichen vorhaben. Und die im Verborgenen einen tollkühnen Racheplan schmiedet. Denn wer sich einmal gegen Vanessa stellt, der wird dies ewiglich bereuen…

“Bad Boys & Little Bitches” ist ein Roman mit einer besonderen Erzählart: ein auktorialer Berichterstatter beschreibt die Geschehnisse, wechselt die Perspektiven auch mitten im Fließtext, um eine andere Perspektive darzustellen. Auch Zeitsprünge sind hierbei möglich. Ein bisschen wirkt der erste Teil einer geplanten Reihe daher wie eine Soap, die mit distanziertem, neutralem Blickwinkel von ihren Hauptfiguren berichtet. Und auch wenn die Geschichte leider etwas an der Oberfläche bleibt, zieht sie einen dennoch unweigerlich in einen Sog. Was hat Vanessa vor? Werden die anderen ihr auf die Schliche kommen? Und was wird auf dieser legendären Party passieren? Das Buch liest sich temporeich und unterhaltsam. Das offene Ende macht neugierig auf die Fortsetzung.

Warum eigentlich “Bad Boys & Little Bitches”? Das ist der Name der WhatsApp-Gruppe, die die Freunde gegründet haben. Kennt man die Charaktere nicht genauer, klingt der Titel toll, betrachtet man jene und ihre Eigenschaften jedoch etwas genauer, wirkt er nicht besonders passend und leider etwas gekünstelt. Das Cover hingegen ist irgendwie ein Hingucker!

Fazit: Leichte Unterhaltung zum Einfach-so-runterlesen.

Veröffentlicht am 14.12.2017

Am Ende ist der Anfang...

Endland
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Der deutsche Politikwissenschaftler und Journalist Martin Schäuble hat mit “Endland” eine Geschichte von höchster Brisanz geschrieben. Ein dystopischer Roman über Rechtsextremismus, Radikalisierung, Flüchtlingspolitik ...

Der deutsche Politikwissenschaftler und Journalist Martin Schäuble hat mit “Endland” eine Geschichte von höchster Brisanz geschrieben. Ein dystopischer Roman über Rechtsextremismus, Radikalisierung, Flüchtlingspolitik und einem fiktiven Deutschland, in dem eine rechtspopulistische Partei an die Macht gekommen ist. Dramatisch, hochaktuell und sehr spannend umgesetzt. Für Jugendliche ab 14 Jahren und vor allem für Erwachsene.

Ein Deutschland der Zukunft: Eine rechtsnationale Partei hat das Land seit einiger Zeit fest im Griff und so wie viele andere Staaten hohe Grenzmauern errichtet: “Über der acht Meter hohen Betonwand verläuft Stacheldraht. Dreifach. Da passt nicht mal mehr eine Hand durch.” (Zitat aus “Endland” S.32). Hier patrouilliert Anton mit seinem besten Freund Noah, die beide ihren Wehrdienst ableisten.

“Wir kennen uns schon ewig, haben zusammen Abi gemacht. Später will Noah Mark Zuckerberg beerben und außerdem ein neues Google erfinden. Er ist eher so der bescheidene Typ. Ich bin kein Nerd. Ich will was mit Menschen machen, nicht mit Cyborgs. Vielleicht verlängere ich auch erst mal bei der Armee, bis mir was gutes einfällt.” (Zitat S.35)

Die Armee wurde vergrößert, die Aufrüstung ist in vollen Zügen und auch ein neues Bündnis mit Russland Martin Schäuble Endlandist geplant. Den Euro gibt es nicht mehr und aus der EU ist das Land auch schon längst ausgetreten. Noah ist mit alldem nicht wirklich einverstanden. Auch, dass es jetzt keine staatliche Arbeitslosenhilfe mehr gibt, sondern alles privatisiert wurde und die Atomkraftwerke nicht abgeschaltet werden, gefällt ihm gar nicht. Darüber können er und Anton oft streiten, wenn sie nicht gerade Computerspiele zocken und zusammen abhängen. Doch dann erhält Anton einen zweifelhaften Auftrag seines Vorgesetzten…
Fana lebt in Äthiopien in äußerst ärmlichen Verhältnissen. In ihrer Heimat hat — ausgelöst durch den Klimawandel — eine Hungersnot das Land fest im Griff. Sie lebt mit ihren Eltern in einem einzigen Raum. Strom und fließendes Wasser, das gibt es nicht jeden Tag. Fenster müssen sie bei Regen nicht extra schließen, denn sie haben keine. Eine Gemeinschaftstoilette gibt es für das ganze Viertel, in dem sie wohnen. Dennoch will Fana unbedingt Medizin studieren.

“Drei Mal die Woche unterrichte ich Deutsch. Im Krankenhaus verdiene ich viel zu wenig. Ist auch nur ein Aushilfsjob dort. Ich spare für mein Studium. Besser gesagt, ich spare, um während des Studiums nicht zwölf Stunden am Tag arbeiten zu müssen. So wie es derzeit läuft, habe ich infünfzig Jahren das Geld Martin Schäuble Endlandzusammen.” (Zitat S.10) Bis sie eines Tages von einer Deutschen namens Karla angesprochen wird, die ihr einen lukrativen Job in Afar in einem Krankenhaus anbietet. Sie soll dort als Übersetzerin arbeiten. Doch der Alltag ist hart. 18 Stunden Arbeit am Tag — das ist normal. Ihr Zimmer im Gästehaus muss Fana bald verlassen, weil dort Patienten unterkommen müssen. Die medizinische Versorgung ist eine Katastrophe. Doch eines Tages macht Karla Fana einen überraschenden Vorschlag. Sie soll nach Deutschland auswandern: “Und du meinst echt, ich hätte in Deutschland eine Chance?” “Fana, die meisten Länder in Europa sind dicht. Aber in Deutschland kenne ich viele Leute. Die meisten sind Ärzte, Kollegen. Sie können dir helfen. Sie finden einen Job für dich an einer Klinik, so wie in Afar. Und damit finanzierst du dann dein Studium.” “Und das Leben meiner Eltern.”
“Du verdienst in Deutschland an einem Tag, was deine Eltern in einem Monat benötigen.” (Zitat S.57)

Also macht Fana sich mit einem Schleuser auf den gefährlichen Weg nach Deutschland. In ein Land, das Flüchtlinge eigentlich kaum mehr haben will. Und im letzten Flüchtlingslager der Nation trifft Fana auf Anton…

“Endland” wird aus drei Sichten in der Ich-Perspektive erzählt. Es sind alle drei Protagonisten, die abwechseln zu Wort kommen: Fana, Anton und Noah. Vor allem Fanas Lebensgeschichte, die sehr ausführlich geschildert wird, liest sich sehr berührend. Die Sprache ist angenehm und der Erzählstil sehr flüssig. Es gibt eigentlich keine Sekunde, in der man sich irgendwie langweilen könnte, die Spannung wird konsequent aufrechterhalten. Und das Gedankenexperiment, das Martin Schäuble mit seinem Roman wagt, ist gut durchdacht. Lange Zeit hat sich der Autor und Politikwissenschaftler mit der AfD beschäftigt, Wahlkampfveranstaltungen besucht, Gespräche geführt und sich damit auseinandergesetzt, was Menschen so faszinierend an dieser Partei finden. Er ist jedoch auch nach Äthiopien gereist und hat dort vor Ort recherchiert, um seinen Roman glaubwürdiger zu gestalten — und dies ist ihm zweifellos gelungen. Der Titel (“Von wegen Deutschland!”, sagt Noah. “Endland, so müsste man das Land jetzt nennen…”) und das Cover sind ebenfalls sehr passend. Ein tolles Buch für eine Buchvorstellung oder als Klassenlektüre!

Veröffentlicht am 14.12.2017

Lügst du auch?

Hundert Lügen
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Die Schweizer Autorin Alice Gabathuler hat einen neuen Thriller herausgebracht: “Hundert Lügen”. Die Geschichte eines Geschwisterpaares, das Schlimmes erlebt hat und auf der Flucht vor der Vergangenheit ...

Die Schweizer Autorin Alice Gabathuler hat einen neuen Thriller herausgebracht: “Hundert Lügen”. Die Geschichte eines Geschwisterpaares, das Schlimmes erlebt hat und auf der Flucht vor der Vergangenheit vor eben jener eingeholt wird. Ein Buch über die Geheimnisse einer Familie, Traumata, Lügen und der Wahrheit, die sich gnadenlos ans Licht drängt. Intensiv, bewegend und voller Dramatik erzählt. Für Jugendliche ab 14 Jahren und interessierte Erwachsene.

Zürich. Nach zehn Jahren treffen sie wieder aufeinander. Die Geschwister Manon und Kris. Ein dramatisches Ereignis in ihrer Kindheit hat sie auseinandergerissen. Hat ihre gesamte Familie zerstört und ihre Mutter das Weite suchen lassen. Seitdem waren Manon und Kris in Internaten untergebracht, entfernt auch vom Vater, einem reichen, erfolgreichen Geschäftsmann, der sich auf das Sanieren von maroden Firmen spezialisiert hat. Dieser hat bereits eine neue Familie gegründet. Hat eine neue Frau und zwei kleine Kinder. Doch jetzt sind Drohungen gegen die Familie aufgetaucht und Manon und Kris werdenzu ihrer eignen Sicherheit in das Anwesen ihres Vaters bestellt. Dort treffen die beiden zusammen und müssen sich den Schatten ihrer Vergangenheit stellen. Denn die schreckliche Wahrheit von damals kennen sie beide nur bruchstückhaft…

Wenn Alice Gabathuler eines kann, dann sehr atmosphärisch zu schreiben. Sie packt ihre Leser förmlich im Nacken und zieht sie ganz tief hinein in den Sog der Geschichte. “In meinem Inneren drehte sich eine Rasierklinge. Sie drang in meine Erinnerungen und zerfetzte sie. Bilder, Wörter und Gedanken wirbelten durcheinander. Kris brachte das Chaos mit einem einzigen Satz zum Stillstand.” (Zitat S.99) Der Anfang wirkt mitunter noch etwas befremdlich, die Anspielungen auf Drachen und Prinzessinnen etwas zu überbordend. Aber wenn man nach und nach die Zusammenhänge einordnen kann und immer mehr Geheimnisse gelüftet werden, kommt man nicht umhin den Schrecken jener Vergangenheit dadurch besser zu verstehen. “Am Anfang hoffte ich, Mama würde zurückkommen, wenn ich ein braves Mädchen war. Doch Mama kam nicht zurück. […] Ein braves Mädchen zu sein half nicht. Ich hörte auf, mir Mühe zu geben. Ich hörte auf, brav zu sein. Meine Noten sausten nach unten. Meine Lehrer waren ratlos. Stig auch. Er schickte mich in Therapie. Ich weigerte mich über den Sommer zu sprechen, der alles verändert hatte.” (Zitat S.29ff) Der Spannungsroman wird in sich abwechselnden Kapitel jeweils von Kris und Manon in der Ich-Perspektive erzählt. Es ist erschreckend zu lesen, welche Schuld die beiden unabhängigvoneinander empfinden und wie sehr dieses Ereignis ihrer Kindheit, um das lange Zeit ein Geheimnis gemacht wird, sie zerstört hat. Kris — ein Meister im Wegrennen und Manon, die bereits einen Suizidversuch hinter sich hat. Selbst diese Tat im Alter von 13 Jahren hat es nicht geschafft, sie zusammenzuführen. Kris hat sie kein einziges Mal im Krankenhaus besucht. Sich der Vergangenheit zu stellen, das versucht er erst jetzt: “Ich konzentrierte mich aufs Atmen, auf den Rhythmus meiner Schritte. Meine Gedanken und Gefühle wurden klarer. Ich rannte nicht weg. Ich rannte auf die Wand zu, die mich von Mano trennte. Wenn ich sie niederriss, weckte ich die Geister der Vergangenheit. Auch den Drachen. Davor hatte ich einen Heidenschiss.” (Zitat S.55) Ab der Mitte des Buches wird es zunehmend turbulenter und nervenaufreibender und man möchte das Buch bald gar nicht mehr aus den Händen legen!

Fazit: Die Geschichte einer Familientragödie in einen fesselnden Thriller eingebaut.

Veröffentlicht am 21.02.2018

Eine nette Geschichte, für Wenig-Leser

Mr Griswolds Bücherjagd - Das Spiel beginnt
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“Mr Griswolds Bücherjagd: Das Spiel beginnt” von der amerikanischen Autorin Jennifer Chambliss Bertman ist der Auftakt einer ganz besonderen Trilogie. Eine Bücherschnitzeljagd quer durch San Francisco ...

“Mr Griswolds Bücherjagd: Das Spiel beginnt” von der amerikanischen Autorin Jennifer Chambliss Bertman ist der Auftakt einer ganz besonderen Trilogie. Eine Bücherschnitzeljagd quer durch San Francisco ist das Erfolgsrezept des New York Times-Bestellers, der über 160.000 Mal in den USA verkauft wurde. Kniffelig und unterhaltsam. Für Leseratten, Rateprofis und solche, die es werden wollen Zu empfehlen für Kinder ab 10 Jahren.

Die 12-jährige Emily ist gerade umgezogen. Mal wieder. In neun Bundesstaaten Amerikas haben sie und ihre Eltern bereits gewohnt. Nun ist Kalifornien dran. San Francisco. Denn ihre Eltern haben den Plan einmal in jedem Bundesstaat gewohnt zu haben. Darüber schreiben sie in ihre Blog “50 Häuser in 50 Staaten” und haben zahlreiche Fans. Verdienen mit dieser Seite mittlerweile sogar Geld. “Ihre Eltern waren so stolz auf dieses Leben, das sie sich geschaffen hatten, aber ihre Begeisterung für Neuanfänge verstand Emily nicht ganz. Es war, als würde man einen Haufen Bücher anfangen, sie aber nie zu Ende lesen.” (Zitat S.18) Freunde zu finden, das ist mit dieser Familie (und einem Bruder, der Rockstar werden will) nicht gerade einfach. Darum hat Emily auch keine. Einmal pro Jahr wird sowieso umgezogen. Da lohnen sich Freundschaften nicht wirklich. Umso überraschter ist sie, als sie in ihrem Nachbarn James einen Freund findet. Einen, der Emily sogar auf ihrer Lieblingsbeschäftigung begleitet: “Griswolds Bücherjagd war das coolste Bücherschatzsuche-Spiel überhaupt — und wohl auch das einziJennifer Chambliss Bertram -Mr Griswolds Bücherjagdge. Es bestand aus einer Online-Community von Leuten, die Bücher, Rätsel und Spiele genauso sehr liebten wie Emily, und die sie mitnehmen konnte, egal wo ihre Familie gerade lebte.” (Zitat S.21) Und Garry Griswold, der Erfinder dieser Online-Plattform lebt sogar in San Francisco und er hat ein neues Spiel entwickelt, das er in Kürze der Öffentlichkeit präsentieren will. “In der Tasche befand sich eine Sonderausgabe von Der Goldkäfer von Edgar Allen Poe. Er hatte sie selbst mit seiner Gutenberg 2004 EX-PRO Druckpresse und Bindemaschine hergestellt. […] Er hatte es als Requisit für die Enthüllung seines neuen, ausgefeilten Spiels dabei. […] Niemand wusste bisher davon — niemand bei Bayside Press und auch niemand aus seinem Privatleben.” (Zitat S.13) Doch kurz vor der Pressekonferenz verschwindet Garry Griswold plötzlich. Zunächst glaubt Emily noch, dies könnte Teil des neuen Spiels sein. Aber dann erfährt sie, dass ihr großes Idol in der U-Bahn-Station überfallen wurde und jetzt im Koma liegt. Und sie macht noch eine viel größere Entdeckung — sie findet ein Buch namens “Goldkäfer”, in der Nähe des Überfallortes. “Das gibt’s doch nicht”, flüsterte Emily. Dies hier war Mr Griswolds Buch. So musste es sein. Er musste es in der U-Bahn-Station versteckt haben, bevor er überfallen wurde. Und es gab nur einen Grund, warum Mr Griswolds mit Absicht ein Buch verstecken und es nicht auf Griswolds Bücherjagd registrieren würde. Um ein Spiel zu beginnen.” (Zitat S.84) Doch auch zwei Gauner sind bald hinter dem Buch her…

Jennifer Chambliss Bertram -Mr Griswolds Bücherjagd“Mr Griswolds Bücherjagd: Das Spiel beginnt” ist beinahe durchgehend aus Emilys Sicht und in der personalen Erzählperspektive geschrieben. Nur in wenigen Kapiteln wird die Sicht der Gauner beschrieben. Besonders tiefschürfende Charakterisierungen darf man jetzt in dem Buch nicht erwarten, trotzdem fand ich die Idee der ständig umziehenden Familie sehr erfrischend. Ebenso die Grundidee mit der Bücherschnitzeljagd verbunden mit Rätseln, die man lösen muss (die nicht gerade einfach sind), ist sehr gelungen und wird zu Beginn auch ausführlicher erklärt: “Die Leute verstecken ihre Bücher an öffentlichen Plätzen, zum Beispiel in einem Park, dann posten sie ein Rätsel oder einen Hinweis zu dem Ort auf der Website, um andere auf die Spur zu locken. Für jedes Buch, das man versteckt oder findet, bekommt man einen Punkt, auch wenn jemand eins deiner versteckten Bücher findet. […] Mit den Punkten kann man verschiedene Level erreichen.” (Zitat S.39ff) Von der Spannung her hat mich das Buch jetzt nicht so dermaßen mitgerissen. Es war einfach eine schön zu lesende Geschichte, die durch ein paar Rätsel aufgelockert wurde. Das Ende ist in sich abgeschlossen, ohne Cliffhanger (was für eine Trilogie sehr selten ist). Wer möchte, kann das Buch also für sich stehen lassen oder aber weiterlesen. Im Englischen gibt es bereits eine Fortsetzung (“The unbreakable Code”). Die Autorin geht in einem Nachwort auch auf die Inspirationen zu “Mr Griswolds Bücherjagd: Das Spiel beginnt” ein und beschreibt, welche Dinge tatsächlich auf wahren Begebenheiten beruhen (hinsichtlich Edgar Allen Poe und seinen Nachlassverwalter Rufus Griswold).

Fazit: Eine nette Geschichte, für Wenig-Leser auch sehr gut geeignet!