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Ulrike55

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Veröffentlicht am 18.11.2017

Bruderzwist mit Folgen

Die Einsamkeit des Todes
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Max und Tobias Leitner vom Chiemsee sind so unterschiedlich, wie Brüder nur sein können!
Max ist ein erfolgreicher Tierarzt, dem scheinbar alles gelingt, während Tobias diverse Ausbildungen abgebrochen ...

Max und Tobias Leitner vom Chiemsee sind so unterschiedlich, wie Brüder nur sein können!
Max ist ein erfolgreicher Tierarzt, dem scheinbar alles gelingt, während Tobias diverse Ausbildungen abgebrochen hat und ständig etwas Neues beginnt, womit er aber ebenso regelmäßig Schiffbruch erleidet.
Doch eines verbindet sie: beide lieben dieselbe Frau, Sarah! Das erfährt Max, der mit Sarah verlobt ist, ausgerechnet auf der Hochzeit der gemeinsamen Freunde Andy und Laura.
Max, außer sich vor Wut, löst augenblicklich die Verlobung, setzt Sarah auf die Straße und bricht jede Verbindung zu Bruder Tobias ab. Bis das Testament seiner verstorbenen Mutter die beiden Streithähne zwei Jahre später dazu zwingt, die Weihnachtszeit gemeinsam im Elternhaus zu verbringen, ohne sich dabei gegenseitig an die Gurgel zu gehen.
Und ausgerechnet jetzt, als man widerwillig beisammen ist und auch miteinander kommunizieren muss, stellen die Brüder gemeinsam mit den Mitgliedern der ehemaligen Freundesclique fest, dass Sarah seit jener verhängnisvollen Nacht von niemandem mehr gesehen wurde!
Was ist mit ihr geschehen? Die Fragen häufen sich, Unsicherheit kommt auf, bald auch Misstrauen, das immer stärker wird, als kurz nacheinander zuerst Sarahs Koffer und später eine Leiche im nahen Forst gefunden werden.
Die Vergangenheit holt alle Beteiligten mit Wucht ein und es kommen Geheimnisse zutage, die besser im Dunkeln geblieben wären....

Petra Johanns neuer Kriminalroman ist nicht nur spannend von der ersten bis zur letzten Seite, sondern wartet dazu noch mit zahlreichen überraschenden Wendungen und nicht vorhersehbaren Entwicklungen auf.
Oft genug führt die Autorin den nichtsahnenden aber viel vermutenden Leser in die Irre, lässt ihn rätseln, Theorien aufstellen und wieder verwerfen, mal diesen, mal jenen der Protagonisten verdächtigen, bis zum Schluss niemand mehr auszuschließen ist und der Leser ganz verwirrt auf die Auflösung wartet.
Diese mag zwar einigermaßen überraschen, ist aber im Grunde logisch und wäre durchaus vorhersagbar gewesen, hätte die Autorin nicht ständig ihre kleinen Fallen aufgestellt, in die man unweigerlich hineintappt.

Dabei ist die Geschichte nicht einmal spektakulär, - ganz im Gegenteil! Neid, Eifersucht, Angst, Wut, - all das kennt man. Und es bedarf keines außergewöhnlichen Anlasses, solche Gefühle in uns zu wecken. Doch Petra Johann lässt sie in ihrer Geschichte akkumulieren - und schon wird ein Kriminalfall daraus, den zu lösen nicht nur die Leser bemüht sind, sondern auch die damit beauftragten Ermittler.
Sie sind so durchschnittlich wie der Fall selbst, den sie bearbeiten, zwar stolz auf ihre vermeintliche Intuition, die sie aber leider nur zu oft im Stich lässt.
Vielleicht sind die so normalen, oft mehr mit sich selbst und den Beziehungen untereinander beschäftigten Gesetzeshüter eine der Stärken des Krimis! Sie wirken zwar wenig sympathisch, aber authentisch und glaubhaft, gerade weil sie so oft im Dunkeln tappen und eher unkoordiniert und wirr agieren als man es von zumeist beinahe übermenschlich kompetenten Krimi-Ermittlern gewohnt ist.

Aber was für die Polizisten gilt, trifft auch auf die übrigen Protagonisten zu, die allesamt Verdächtige in diesem Kriminalfall sind. Keinem von ihnen fliegen die Herzen zu, keiner ist eigentlich wirklich zu verstehen - und, wenn man ehrlich ist, mit keinem möchte man im wahren Leben befreundet sein!
Nicht etwa, dass ihnen etwas Böses, Intrigantes, Gefährliches anhaften würde! Nein, sie sind einfach nur nichtssagend, oberflächlich, langweilig und entsetzlich spießig.
Doch obwohl die Akteure nicht wirklich berühren können, tut das der Spannung des recht umfangreichen, aber zum Glück sehr eingängig geschriebenen Krimis keinen Abbruch - erstaunlich eigentlich, aber für mich ein Beweis dafür, dass die Autorin ihr Handwerk versteht!
Ein überdurchschnittlicher Krimi mit durchschnittlichen Charakteren, spannend bis zum Schluss - so recht zum Weiterempfehlen!

Veröffentlicht am 22.10.2017

Claires Rache

Aux Champs-Élysées
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Philippe und Claire führen seit 25 Jahren eine zwar wenig aufregende aber doch anscheinend stabile Ehe. Zwar hat Philippe immer wieder Affären, weiß diese aber so diskret zu behandeln, dass, so glaubt ...

Philippe und Claire führen seit 25 Jahren eine zwar wenig aufregende aber doch anscheinend stabile Ehe. Zwar hat Philippe immer wieder Affären, weiß diese aber so diskret zu behandeln, dass, so glaubt er, seine ihm Angetraute davon nichts ahnt. Jedenfalls waren sie für ihn nie ein Grund, das für ihn so perfekt funktionierende häusliche Arrangement aufzukündigen und sich von Claire zu trennen.
Bis ihm eines Tages die Ärztin Isabelle begegnet! Claire, die längst nicht so naiv ist, wie ihr Mann glauben möchte, sinnt auf Rache - und als die Zeit gekommen ist, führt sie diese so planvoll, uhrwerkartig, perfide und grausam aus, dass der Leser aus dem Entsetzen gar nicht mehr herauskommt...

Was für ein böser, böser Krimi, den sich Mara Ferr da ausgedacht hat!
Im Mittelpunkt steht das Ehepaar Bonnet, wohlhabend, scheinbar sorglos, gutbürgerlich, unspektakulär und auf den ersten Blick zugegebenermaßen ziemlich langweilig. Ihr Leben ist wohlgeplant, durchorganisiert von der Ehefrau, die sich ganz ihren hausfraulichen Pflichten verschrieben hat, während der hart arbeitende Ehemann beruflich stark eingespannt ist und für den Wohlstand der Familie sorgt. Die Rollenverteilung ist in dieser Ehe klar!
Doch lässt die Autorin den Leser nach und nach hinter die Kulissen schauen, bis schließlich die Fassade zerbröckelt und das klischeehafte Ehepaar in seiner ganzen hässlichen Nacktheit vor ihm steht und die Lüge, die sowohl Philippe als auch Claire gelebt haben, aufgedeckt wird.
Darüberhinaus erhalten wir Einblick in die besessene, kranke Psyche der betrogenen Ehefrau, haben teil an der unaufhaltsamen Vollendung von Claires Rache, die einen skrupellosen, manipulativen Charakter offenbart, der einen immer wieder aufs Neue erschauern lässt.

Es gelingt der so gefällig schreibenden Mara Ferr mühelos, den Leser von Anfang an in Spannung zu halten, immer neugierig darauf, was die Hauptfigur, Claire, denn wirklich beabsichtigt und ob ihre Rechnung wohl aufgehen wird.
Bald kommt auch Sorge um die beiden Nebenfiguren hinzu, die von Claire benutzt werden, um ihr grausames Spiel zuerst in die Tat umzusetzen und dann zu vollenden.
Und diese Nebencharaktere sind auch die einzigen Sympathieträger des Romans während man den beiden Protagonisten, vor allem der psychopathischen Ehefrau, kaum gewogen sein kann.

Leider aber fällt im letzten Viertel des elegant und in angenehm kurzen, überschaubaren Kapiteln geschriebenen pechschwarzen Paris-Krimis der Spannungsbogen, der sich so kontinuierlich aufgebaut hatte, abrupt ab; der Leser steht verwundert davor und fragt sich, wo denn das Versatzstück sein mag, das die bisher so folgerichtige Handlung mit dem eigenartigen und für mich nicht nachvollziehbaren Ende verbindet, durch das der Roman ganz und gar ins Absurde abgleitet und von dem ich keineswegs sicher bin, es richtig verstanden zu haben.
Doch womöglich ist genau das die Absicht der Autorin, die sich gedacht haben mag, dass es für all die von ihr so packend geschilderten Bösartigkeiten keine Auflösung, keinen befriedigenden, ja, gar keinen Schluss geben kann...

Ein, wie bei Mara Ferr gewohnt, sehr ungewöhnlicher Krimi, in dem die so gar nicht heile Welt hinter den Mauern der Wohlstandsbürgerhäuser aufs Korn genommen und entlarvt wird und den ich trotz aller Kritik auch empfehlen kann!

Veröffentlicht am 18.10.2017

Eine Gewalttat und ihre generationsübergreifenden Auswirkungen

Die Mutter meiner Mutter
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Sabine Rennefanz erzählt die Geschichte ihrer Großmutter Anna, die nach dem Krieg als Heimatvertriebene in einem kleinen Ort in der sowjetischen Besatzungszone landet, den sie nie mehr verlassen sollte, ...

Sabine Rennefanz erzählt die Geschichte ihrer Großmutter Anna, die nach dem Krieg als Heimatvertriebene in einem kleinen Ort in der sowjetischen Besatzungszone landet, den sie nie mehr verlassen sollte, obwohl er ihr zu keinem Zeitpunkt ihres Lebens zur Heimat wurde.
Die Enkelin erinnert sich an die Großmutter als harte Frau, die nie Nähe zuließ, und von ihrer Mutter, Annas Tochter, weiß sie, dass sie auch als Mutter nicht dem landläufigen Ideal entsprach, denn sie schlief gerne lange, kochte nicht für ihre Kinder und ließ sie nicht selten schmutzig zur Schule gehen. Das Verhältnis zu ihr blieb distanziert!
Der Großvater jedoch, Annas Mann, treusorgend er, wurde nicht nur von seinen Töchtern verehrt sondern auch die Enkelin hat ihn in liebevoller Erinnerung. Bis eines Tages, bereits nachdem der Großvater gestorben war, der Mutter der Autorin Ungeheuerliches über den geliebten Vater zu Ohren kommt, das sie sehr zögerlich mit ihrer Tochter teilt und das diese die Vergangenheit der Großeltern in einem neuen, verstörenden Licht sehen lässt...

So steht also ein Familiengeheimnis im Mittelpunkt der Geschichte, dem die Autorin langsam auf den Grund kommt.
Auf ihrer Spurensuche lernt sie mehr über ihre Großeltern, vor allem über ihre Großmutter, die ihrer Familie so fern und doch auf seltsame Art eine verlässliche Konstante in ihrer aller Leben war, da sie einfach immer da war.
Sabine Rennefanz erfährt von Annas Jugendzeit im heutigen Polen, von der Vertreibung der deutschstämmigen Bevölkerung am Ende des Krieges, zu der auch Annas Familie gehörte, von den ersten Jahren in dem Dorf, in das es die Großmutter, ihre Stiefmutter und zwei kleine Brüder verschlagen hatte und in dem sie sich, erst vierzehnjährig, als schwerarbeitende Magd verdingen musste.
Und schließlich erfährt die Autorin auch den Grund für das merkwürdig distanzierte Verhältnis der Großeltern, für ihre von gegenseitiger Abneigung, ja sogar von Hass geprägten Ehe.

Doch gleichzeitig nähert sie sich der Großmutter an, die sie neu kennen- und immer besser verstehen lernt, je mehr Einzelheiten aus ihrem Leben und dem unaussprechlichen Vorfall zwischen den Großeltern ans Tageslicht kommen.
Es handelt sich dabei um eine Gewalttat, die beim Leser sicherlich eine Menge Fragen aufwirft und auch Unverständnis hervorrufen mag.
Wie konnte dieses Unrecht so lange vertuscht werden, wie konnte es ohne Folgen bleiben für den Schuldigen? Die Antwort ist so unspektakulär wie auf der Hand liegend und erklärt sich aus der Zeit vor 70 Jahren, als noch andere Moralvorstellungen herrschten als heute, als die Menschen, die während des Krieges und auch danach vielfach dem Tod entronnen waren, weit Schlimmeres erlebt hatten und in der das Überleben an sich wichtig war.
Zudem war Anna ein ungeliebter Flüchtling, ohnehin von den Dorfbewohnern misstrauisch beäugt. Wer hätte ihr geglaubt, wär hätte ihre Partei ergriffen?

Anna, das Opfer, hat nach der Vergewaltigung einfach alle Hoffnungen auf einen Neuanfang, auf ein besseres Leben begraben, hat sich zurückgezogen in ihre eigene Welt, schweigsam, unnahbar und ließ dadurch zu, dass ihr Erlebnis Schatten auch auf ihre Nachkommen warf, die von immer wiederkehrenden Ängsten geplagt werden, ja sogar die gleichen Albträumen haben.
Und erst gegen Ende ihres Lebens, nachdem die Wahrheit ans Tageslicht gekommen ist und die Großmutter ihre verlorene Heimat noch einmal wiedersieht, weicht der harte Panzer auf, wird die Großmutter zugänglich und so mitteilsam, wie sie es nie zuvor gewesen ist....

All dies erzählt Sabine Rennefanz in ruhiger, unaufdringlicher, undramatischer Sprache - ein Stück Gegenwartsgeschichte, deren Erinnerung es zu bewahren und auch in den folgenden Generationen aufzuarbeiten gilt.

Veröffentlicht am 03.10.2017

Von Hunden, Herrchen und anderen komischen Vögeln

Hartmann und der böse Wolf
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Nach seiner Entlassung aus dem Polizeidienst schlägt sich Hartmann als Privatdetektiv durchs Leben.
Seine Fälle sind alles andere als spektakulär, bis er eines Tages von einem Bauunternehmer den Auftrag ...

Nach seiner Entlassung aus dem Polizeidienst schlägt sich Hartmann als Privatdetektiv durchs Leben.
Seine Fälle sind alles andere als spektakulär, bis er eines Tages von einem Bauunternehmer den Auftrag erhält, bei dem stadtbekannten und berüchtigten Hundetrainer Wolf eine hohe Geldsumme einzutreiben, die dieser ihm schuldig ist. Hartmann steigt mit Elan in seine neue Aufgabe ein und begibt sich undercover in die Hundeszene, in der sich allerlei Klientel tummelt - von den Reichen und Schönen vor allem weiblichen Geschlechts bis hin zu solchen, die das eine oder andere Hühnchen zu rupfen haben mit Wolf, dessen übler Charakter nach und nach zum Vorschein kommt und sogar den abgebrühten Hartmann verblüfft.
Doch schon bald wird der Hundetrainer ermordet aufgefunden - und nun gilt es, seinen Mörder dingfest zu machen, was Hartmann mit seinen sehr unkonventionellen, nicht immer legalen Ermittlungsmethoden und nicht zuletzt dank der Hilfe der eigens zu diesem Zweck ausgeliehenen Hundedame Gitte-Bruno sowie der patenten Hundetrainerin Marlene am Ende selbstredend auch gelingt!

Michael Frey Dodillet ist hier ein rundum amüsanter, origineller Roman gelungen, der vor allem von seinem anfangs wenig sympathischen Protagonisten lebt! Immer einen flotten Spruch auf den Lippen laviert er sich durchs Leben, von Beachtung der Gesetze hält er nicht viel, scheinbar zieht er es vor, sich seine eigenen zu machen. Überhaupt ist er ein Einzelgänger, der recht ruppig mit seinen Mitmenschen umzugehen pflegt.
Doch stellt der Leser im Laufe der aberwitzigen Geschichte, die sich vor seinen erstaunten Augen entfaltet, fest, dass es da noch einen ganz anderen Hartmann gibt, einen feinfühligen, empfindsamen Menschen mit viel Verständnis für die Schwächen anderer. Doch weiß er sein Inneres gut zu hüten, bis ihm dann Marlene, die Gefallen an ihm gefunden hat, auf den Kopf zusagt, dass sein ruppiges Verhalten nur Selbstschutz ist! Sie, aber auch die imposante Mischlingshündin Gitte-Bruno bringen peu a peu Hartmanns gute Eigenschaften an die Oberfläche, - zur Freude des Lesers, der längst nicht mehr umhin kann, Hartmann zu mögen. Ein interessanter Einfall des Autors war es auch, ihn ohne Vornamen durchs Leben gehen zu lassen - aber es passt zu ihm, er ist so, wie sein Name: knorrig-deftig!

Einen großen Raum nehmen die Ermittlungen in der Schickeria ein, denn die unendlich gelangweilten, viel zu reichen Damen aus dieser Gesellschaftsschicht stellten die Hauptkundschaft des Alpha-Wolf dar - und sie waren ihm allesamt verfallen. Etwas, das wohl kaum ein Leser nachvollziehen kann...
Mit Ironie bis hin zu fein verpacktem oder gar offenem Zynismus lässt der Autor seinen Hartmann hinter die Kulissen des schönen Scheins blicken, der nichts anderes ist, als eben nur das, denn er offenbahrt so viel Oberflächlichkeit aber auch unglaublich garstige Bösartigkeit, dass man sich am liebsten mit Schaudern abwenden möchte.
So mag man auch bei der Aktivistengruppe mit dem seltsamen Kürzelnamen Büfükadü empfinden, deren selbsternannter Chef, ein irregeleiteter Dummkopf mit jeder Menge krimineller Energie kurzzeitig in Hartmanns Visier gerät, und unter deren Schutz sich Verrückte jedweder Couleur tummeln. Sie sind so überspitzt dargestellt, dass man das Lachen nicht verkneifen kann - dennoch sind sie realistischer, als man sich vorstellen mag....

Gewiss, die Geschichte, dessen unleugbare Stärke die einprägsamen, eigenwilligen, zumeist absonderlichen Personen, die der Autor kreiert hat, sind und die angefüllt ist mit reichlich skurrilen, Szenen, bringt den Leser vor allem zum Lachen. Sie amüsiert und unterhält auf sehr lockere, manchmal aber ein wenig oberflächliche, gelegentlich auch recht abgedroschene Art. Vielleicht aber mag sie den einen oder anderen Leser auch nachdenklich machen, denn es werden so viele Themen scheinbar nebenbei angeschnitten, die durchaus des genaueren Hinschauens wert wären. Aber dies liegt dann in den Händen und dem Ermessensspielraum jedes einzelnen Lesers!

Veröffentlicht am 02.09.2017

Die gefährlichen Alleingänge des Arne Eriksen

Kein guter Ort
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Der Ort, an dem sich die Handlung dieses Romans abspielt und an den es den Psychologen Arne Eriksen, der vielen Lesern bereits aus zwei Vorgängerbänden bekannt sein dürfte, verschlagen hat, ist tatsächlich ...

Der Ort, an dem sich die Handlung dieses Romans abspielt und an den es den Psychologen Arne Eriksen, der vielen Lesern bereits aus zwei Vorgängerbänden bekannt sein dürfte, verschlagen hat, ist tatsächlich kein guter oder zumindest kein einladender Ort!
Und er ist es nicht nur wegen einer selbsternannten Bürgerwehr, die die Gegend unsicher macht und die die Asylsuchenden aus dem Nahen Osten, die in der südnorwegischen Provinz Telemark Unterschlupf gefunden haben, misstrauisch beäugt!
Arne erfährt darüber hinaus auch noch von einem noch immer ungeklärten Mordfall, der sich vor zehn Jahren in der Rabenschlucht zugetragen hat und der ihn nicht loslässt. So macht er sich eigenständig daran, ihn aufzuklären, wobei er zwar immer weiter ins Zentrum des unheimlichen Rätsels vordringt, aber gleichzeitig auch in immer größere Gefahr gerät...

Bernhard Stäber hat mit dem dritten Band um den Halbnorweger Arne Eriksen einen in vielerlei Hinsicht ungewöhnlichen Kriminalroman geschrieben.
Arne ist kein Ermittler, doch gerät er immer wieder an Verbrechensfälle, bei denen seine Expertise gefragt ist und die ihn dazu verleiten, über die bloße Beurteilung hinaus, eigenmächtig Nachforschungen anzustellen. Er lässt sich dabei maßgeblich von seiner Intuition leiten, seitdem er in den Vorgängerbänden in engen Kontakt gekommen ist mit der Spiritualität und den fremdartig und gleichzeitig faszinierend anmutenden Mythen der Volksgruppe der Samen. Von ihnen hat er gelernt, Zeichen und Schwingungen wahrzunehmen und zu deuten, sein Bewusstsein zu öffnen, was ihm Einsichten vermittelt, die ihn auch über sein Fachwissen als Psychologe hinaus der Polizei oft einen Schritt voraus sein lassen.
Doch lässt er dabei oft die Vorsicht außer Acht, wird über Gebühr leichtsinnig und geht dabei ungewöhnlich unprofessionell vor.

Er ist gewiss ein Einzelgänger, der es sich nicht leicht tut mit zwischenmenschlichen Kontakten. Doch gibt es zum Glück die Bergener Polizistin Kari, die ihm nicht nur gelegentlich zur Seite steht und ihn aus mancher prekären Situation rettet, sondern von der er sich auch angezogen fühlt, ohne, so scheint es zumindest, so recht zu wissen, wie er eine Beziehung mit ihr beginnen kann.

Um beide Hauptakteure, wobei Arne dabei die eigentliche im Zentrum stehende Figur ist, lässt der Autor eine Reihe weiterer Charaktere auftreten, die alle auf mehr oder minder schicksalhafte Weise in den alten Mordfall beziehungsweise seine Auflösung involviert sind.
Sie alle sind glaubhaft und realistisch dargestellt, ihre Handlungen sind, genau wie bei den Menschen, die einem tagtäglich begegnen, oft nicht nachvollziehbar oder gar zu billigen, sie besitzen Eigenschaften, die durchaus polarisieren und keiner von ihnen ist eigentlich ein Sympathieträger, nicht einmal Arne selbst.
Denn zu spröde ist er, zu unbeständig. Er entgleitet einem immer wieder aufs Neue, wenn man denkt, ihn nun einigermaßen einschätzen zu können.

Doch gerade das gefällt mir gut an diesem Roman, der vor allem von seiner Atmosphäre lebt, von dem, was man zwischen den Zeilen ahnen kann.
Großartig sind auch die intensiven Schilderungen der gewaltigen Natur, in und mit der Arne immer mehr zu leben lernt, die ihm zur Kraftquelle wird.
Und lange schon, bevor tatsächlich etwas "geschieht" und die Handlung an Fahrt zunimmt, liegt eine unglaubliche, nicht zu benennende Spannung über dem Krimi, die seltsamerweise nachlässt, als er auf dem Höhepunkt, bei seiner dramatischen Auflösung, angekommen ist! Diese hat mich seltsam unbefriedigt zurückgelassen, sie erscheint mir wie ein Bruch mit dem so Dichten, so Beklemmenden, das sich durch beinahe den gesamten Roman zog.

Doch - Arne Eriksen wird sicher nicht das letzte Mal auf seine unspektakulär-eigenwillige Art ermittelt haben! Und vielleicht muss man ihn einfach noch besser kennenlernen, um ihm und dem Autor, der ihn ins Leben gerufen hat, gerecht werden zu können!