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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 28.03.2021

entführt und gequält

Höllenkind
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Bisher kannte ich die “Clara - Vidalis”- Reihe von Veit Etzold noch nicht, aber ich bin von diesem Werk so begeistert, dass ich unbedingt noch einige Vorgängerbände lesen möchte.
Eigentlich will die Protagonistin ...

Bisher kannte ich die “Clara - Vidalis”- Reihe von Veit Etzold noch nicht, aber ich bin von diesem Werk so begeistert, dass ich unbedingt noch einige Vorgängerbände lesen möchte.
Eigentlich will die Protagonistin Clara nach ihrer Suspendierung wegen eines anderen spektakulären Falles nur der Pressemeute in Berlin entkommen und reist deshalb nach Florenz. Dort wird sie von dem Ermittler des Vatikans, Commendatore Adami zu den Ermittlungen in einem grauenvollen Mord hinzugezogen, begangen in der Sixtinischen Kapelle während der Hochzeitszeremonie zweier Mitglieder des italienischen Hochadels. Die Schauplätze des Werkes sind Florenz und Rom, welche Etzold perfekt recherchiert und dargestellt hat, so dass viele Szenen lebendig vor dem inneren Auge des Lesers entstehen. Geschickt werden historische Hintergründe, Aberglaube und Mythologie in die Handlung eingebaut. Es gibt neben den weiteren Verwicklungen um die Familien Sforza und Visconti noch eine Parallelhandlung um das Höllenkind, welches in Rumänien unter grausamen Bedingungen leiden muss. Zum Schluss findet eine Verbindung beider Erzählstränge statt, und es kommt zu einem wenig vorhersehbaren Ende.
Der Perspektivwechsel macht das Werk zu einem page - turner durch die Cliffhänger - Technik am Ende eines Kapitels.
Da die Protagonisten sehr detailliert beschrieben wurden, konnte ich sie mir klar und deutlich vorstellen. Der lockere und flüssige Schreibstil mit viel direkter Rede hat dazu beigetragen, dass ich diesen packenden Thriller kaum aus der Hand legen mochte.

Veröffentlicht am 13.02.2021

Gastarbeiterkind

Das achte Kind
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In seinem Roman “Das achte Kind” scheint der Autor Alem Grabovac die Lebensgeschichte seiner Mutter und seine eigene zu verarbeiten.
Die Mutter Smilja, geboren 1949, stammt aus äußerst armseligen Verhältnissen ...

In seinem Roman “Das achte Kind” scheint der Autor Alem Grabovac die Lebensgeschichte seiner Mutter und seine eigene zu verarbeiten.
Die Mutter Smilja, geboren 1949, stammt aus äußerst armseligen Verhältnissen im sozialistischen Jugoslawien Marschall Titos. Sie träumt, wie so viele ihrer Landsleute, von einem besseren Leben in Deutschland. Dort erhält sie als Gastarbeiterin in einer Schokoladenfabrik eine Chance. Jedoch ist ihr Ehemann, ein unberechenbarer Säufer, Spieler und Ganove, unfähig ihr neugeborenes Baby zu versorgen. Da sie gezwungen ist, für ihren Lebensunterhalt zu arbeiten, sieht sie sich gezwungen, ihr Kind bereits nach 6 Wochen in eine deutsche Pflegefamilie zu geben, in der er wohlbehütet, voller Warmherzigkeit, zunächst nur vorübergehend, dann jedoch bis zu seinem Abitur, aufwachsen kann. Diese Pflegefamilie ist Alems großes Glück, erfährt er dort doch geregelte Familienverhältnisse, Unterstützung und Sicherheit. Er wächst verortet in 2 Kulturen auf, denn jedes Wochenende verbringt er mit seiner Mutter und ihren gewalttätigen, neuen, jugoslawischen Lebensgefährten. Emir, sein Vater, ist verschwunden. Die Urlaube verbringt er mit seiner Mutter bei den sehr armen Großeltern im jetzigen Kroatien. Sein Opa hat im Zweiten Weltkrieg gegen deutsche Soldaten gekämpft. Als Heranwachsender beschäftigen ihn die Erzählungen seines deutschen Pflegevaters über die glorreichen Nazis, denn er ist auch in den 1980er Jahren immer noch überzeugter Nazi. Wie hat sich Alem unter diesen Bedingungen wohl gefühlt? Als Erwachsener, und selbst Vater, sucht er nach seinen Wurzeln, denn er erfährt von dem Leben seines erst kürzlich verstorbenen leiblichen Vaters.
Das Werk ist in kurze Kapitel aufgeteilt, und ist in einem einfachen, aber flüssigen Schreibstil verfasst. Die Charaktere entstehen plastisch vor dem inneren Auge des Lesers.
Smilja ist besonders gut gezeichnet: voller Sorge, Zuneigung und Intuition tut sie das Beste für ihr Kind: Verlässlichkeit und Nestwärme, aber auch Verinnerlichung der deutschen Kultur und eine perfekte Sprachausbildung bei Familie Behrens. Ihr ergeht es wie vielen Gastarbeiterinnen, die sich einem tradierten Frauenbild zu unterwerfen haben: harte Berufstätigkeit und alle Hausarbeit! Sie ist leider zu unsicher, um sich zu wehren!
Besonders gut hat mir gefallen, dass wichtige Teile der Geschichtsschreibung mit einfließen: 2. Weltkrieg, Balkankrieg und die gesellschaftspolitische Lage in Deutschland. Dieser Bildungsroman ist Alem Grabovac sehr gut geglückt.

Veröffentlicht am 06.01.2021

Erziehungsrichtlinien für Eltern und Großeltern

Der Elternkompass
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Dieses Werk basiert auf der Recherche von über 900 Studien zum Thema Erziehung. Es ist in die vier Bereiche Schwangerschaft, Babyzeit, Kleinkind- und Schulkindalter unterteilt, die, je nach Interessenlage, ...

Dieses Werk basiert auf der Recherche von über 900 Studien zum Thema Erziehung. Es ist in die vier Bereiche Schwangerschaft, Babyzeit, Kleinkind- und Schulkindalter unterteilt, die, je nach Interessenlage, einzeln gelesen werden können. In abwechslungsreicher, leicht verständlicher Sprache macht die Autorin uns mit den neuesten, aber auch tradierten Erkenntnissen zu diesen Themenbereichen bekannt. Sie geht auch auf andere Kulturen ein. Dabei wird schon deutlich, welche Tendenzen sie bevorzugt, allerdings drängt sie ihre Meinung nicht auf, denn jede Familie muss entscheiden, was sie leisten kann ohne “durchzudrehen”. Das Werk ist sehr gut strukturiert. Merksätze am Rande des Textes fassen die Kernaussage zusammen. Fremdwörter werden erklärt, und in einem Anhang wird auf weiterführende Literatur verwiesen. Zusätzlich gibt es ein 39 Seiten umfassendes Quellenverzeichnis sowie ein alphabetisch geordnetes Register.
Mir, als Großmutter in spe, die ihre Kinder nie nach Ratgebern, sondern nach Gefühl und gesunden Menschenverstand erzogen hat, liefert dieses Werk viel an Selbstbestätigung, denn auch ich habe 1 Jahr lang voll gestillt, nachts teilweise jede Stunde. Dabei schlief das Baby neben mir oder auf mir. Das Sauberkeitstraining kann sehr wohl früh beginnen. Einschlafen und Durchschlafen des Kleinkindes geht am besten im großen Elternbett (es gibt extra große Familienbetten). Ich habe meine Kinder niemals schreien lassen. Unser täglich frisch gekochtes Essen haben unsere Kleinen geliebt.
Ganz neu und angsteinflößend war für mich die Erkenntnis der Epigenetiker, dass z. B. stressauslösende Erfahrungen unserer Vorfahren sich in ihren Codes eingeschrieben haben und weitervererbt werden. In den meisten deutschen Familien wurden solche Erfahrungen durch Hunger, Krieg, Flucht und Vertreibung allerdings gemacht!!!
Insgesamt ein informatives, lohnendes Werk für Alt und Jung.

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Veröffentlicht am 14.11.2020

Love from here to eternity

Marigolds Töchter
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Schon das romantische, in Pastelltönen gehaltene Landschaftscover evoziert Natur, Ruhe und Frieden, und so lebt Marigold, die Protagonistin, in einem kleinen Ort mit ihrem Geschäft als Mittelpunkt für ...

Schon das romantische, in Pastelltönen gehaltene Landschaftscover evoziert Natur, Ruhe und Frieden, und so lebt Marigold, die Protagonistin, in einem kleinen Ort mit ihrem Geschäft als Mittelpunkt für die Bewohner, die sie verehren und unterstützen. Ihr Mann hat seine Werkstatt gleich nebenan, ebenso das Wohnhaus der Familie, die aus der nörgelnden Großmutter Nan besteht sowie zwei Töchtern, wovon eine nach gescheiterter Beziehung ins heimatliche Nest zurückgeflüchtet ist. Diese Idylle stellt für Marigold das Optimum an Harmonie, aber auch an Engagement und Herausforderung dar.
Die Thematik des Romans wird auf langsame, seichte Weise entschlüsselt, wobei es viele, für mein Verständnis, unrealistische Zufälle gibt, die das Werk zu einem märchenhaft anmutenden Schluss führen. Es wird eine heile Welt mit marginalen Problemen dargestellt in einfacher, leicht und flüssig zu lesender Sprache. Man merkt deutlich, dass die Autorin sich intensiv mit der Problematik der sich schrittweise entwickelnden Altersdemenz beschäftigt hat, jedoch wird das Ganze sehr verharmlosend verpackt, da Marigold immer jemanden hat, der ihr hilft, sie versteht und unterstützt. Sogar das teure Heim, ihre „Endstation“ am Meer gelegen, wird von den Verwandten Marigolds Vorstellungen entsprechend ausgewählt und finanziert. Die Autorin vermittelt familiäre Harmonie, zeitweise durch Chaos getrübt, aber die Botschaft ist: nur die Liebe ist wichtig und zählt.
Das Werk ist nichts für den realitätsbewußten, sehr kritischen Leser, für mich war es ein seichtes Einsteigen in eine grausame Problematik, die jeden von uns ereilen könnte.

Veröffentlicht am 18.10.2020

Wer bin ich ?

Ada
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Die Protagonistin, Ada, erzählt diesen Roman nur aus ihrer Perspektive. Dabei benutzt sie einen einfachen Sprachstil, der, je nach dargestelltem Alter variiert und sich der jeweiligen Situation, durchaus ...

Die Protagonistin, Ada, erzählt diesen Roman nur aus ihrer Perspektive. Dabei benutzt sie einen einfachen Sprachstil, der, je nach dargestelltem Alter variiert und sich der jeweiligen Situation, durchaus auch fremdwortreich und differenziert, anpasst. Das Werk ist in drei Teile aufgeteilt, mit recht kurzen Kapiteln, was dem Lesefluss auch sehr zuträglich ist.
Ada lebt zuerst mit ihrer aus Nazideutschland geflüchteten Mutter in Argentinien. Sie sehnt sich nach ihrem Vater in Deutschland, ist jedoch bei der Rückkehr in der Nachkriegszeit von ihm enttäuscht. Sie erfährt nichts über die Vergangenheit der Mutter, und auch der Vater schweigt über die schwere Kriegszeit.
Ada befindet sich in einer Identitätskrise und sucht nach dem Sinn des Lebens als Jugendliche. Selbst als 50-jährige Frau hat sie noch Probleme mit ihrer Identitätsfindung und geht deshalb viermal die Woche zur Aufarbeitung ihrer Vergangenheit zu einem Psychotherapeuten. Sehr geschickt vermittelt Bertel die Situation des Schweigens, des Verdrängens des Kriegshorrors und das Wirtschaftswunder, denn sie Bevölkerung will neu aufbauen und genießen, aber nicht zurückschauen.
In der autoritär geprägten Gesellschaft, ohne große Zuneigung aufgewachsen, kann Ada ihren Platz nicht akzeptieren, geschweige denn finden. Da sie völlig unaufgeklärt aufwächst, wird sie mit ungewollter Schwangerschaft und Abdriften ins Drogenmilieu konfrontiert. Selbst als Jugendliche weiß sie nicht einmal, wer Hitler war. Erst spät erfährt sie von ihrer Tante, dass sie, gemäß der jüdischen Familiendefinition, ebenfalls Jüdin ist. Selbst von ihrer Mutter katholisch erzogen, stürzt sie diese Information in einen noch größeren Zwiespalt. Daraufhin kehrt sie nicht nach Hause zurück und schlägt sich nach New York durch, wo sie von Hilfstätigkeiten lebt.
Die Studentenrevolte hat auch Ada zum hinterfragen animiert.
Ada ist eine durchaus glaubwürdige Frauenfigur, jedoch ist zu bedenken, dass sie als Arzttochter in einer Villa, also privilegierten Verhältnissen aufwächst. Sie darf aufs Gymnasium gehen und dann ihren Neigungen folgend studieren. Ada ist im Grunde genommen ein „verwöhntes Gör“ und passt gut in die Zeit der Studentenrevolte, welche die festgefahrenen Strukturen aufbrechen will. Junge Arbeiter hatten da wohl eher soziale und finanzielle Probleme. Aus diesem Grunde kann ich mich nicht voll mit Ada identifizieren, da sie wie ein flacher Charakter daherkommt.
Ihre Eltern hingegen, wirken sehr authentisch. Vater und Mutter hüllen sich in Schweigen, um sich selbst und Ada zu schützen. Das war typisch für die Verdrängung der Kriegserlebnisse. Der Vater wirkt dominant und herrisch, jedoch arbeitet er sehr viel und verschafft seiner Familie ein sehr sorgenfreies Leben. Am Ende des Romans findet ein Sprung von den 60er Jahren in die Gegenwart statt. Leider erfährt man wenig über Adas Leben dazwischen. Ihre Biografie bleibt also lückenhaft und somit das Ende wenig nachvollziehbar.
Als Gesellschaftsbild der frühen Bundesrepublik sowie der 60er Jahre ist das Werk sehr gut gelungen und lesenswert. Jeder sollte nach Identifikationsmöglichkeiten suchen.

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