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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.08.2020

Eine interessante Lektüre

Die vier Toten von Tibet
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Dieser Krimi ist der 10. Band einer Reihe rund um den tibetischen Inspektor Shan und seinem Vorgesetzten, dem chinesischen Oberst Tan. Für mich ist das Buch das erste Zusammentreffen mit den beiden ungleichen ...

Dieser Krimi ist der 10. Band einer Reihe rund um den tibetischen Inspektor Shan und seinem Vorgesetzten, dem chinesischen Oberst Tan. Für mich ist das Buch das erste Zusammentreffen mit den beiden ungleichen Ermittlern und der tibetischen Kultur, die von den Chinesen brutal unterdrückt wird.

Und genau diese Auslöschung der tibetischen Kultur zieht sich durch das ganze Buch. So schrecken korrupte Parteikader weder vor Mord noch vor Zerstörung von tibetischen Heiligtümern zurück. Die Machenschaften sind grandios in einen Krimi verpackt.

Diesmal dreht sich alles um den Bau eines gigantischen Stausees, der (natürlich) ein tibetisches Tal zur Gänze flutet, die Bewohner, so sie sich nicht umsiedeln lassen, tötet und alles zerstört, was in seinem Bereich existiert.

Zahlreiche Tibeter sind trotz drohender Verhaftungen, Folter und Deportation in Arbeitslager bereit, ihre Heimat und Götter nicht ganz kampflos den Chinesen zu überlassen. Sie machen das sehr subtil und schüren auch den Aberglauben so mancher Chinesen. So nützen sie Naturphänomene, die den Eindringlingen nicht bekannt sind, als „Rache der Götter“. Daneben gibt es handfeste Sabotageakte, die Baumaschinen unbrauchbar machen.

Ich habe mich bislang wenig mit Tibet und seiner Kultur beschäftigt. Dieses Buch regt an, mehr mit der brutalen Auslöschung der alten Kultur durch China lesen zu wollen.

Obwohl das Buch ist nicht ganz leicht zu lesen ist, weil sehr viele Personen, deren Rollen nicht immer ganz klar sind, in die Vorkommnisse verstrickt sind, birgt es viele interessante Details.

Üblicherweise lese ich eher Krimis aus Europa, doch diese Reihe hat mir sehr gut gefallen. Ich werde die neun Vorgänger auch noch lesen, denn sowohl Shans als auch Tans Vorgeschichte, die hier nur gestreift werden. Klingen sehr interessant.

Fazit:

Ein sehr interessanter Krimi aus einer Weltgegend, in der ich nicht so häufig zuhause bin. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Veröffentlicht am 06.08.2020

Ein gelungener Reihenauftakt

Das Lichtenstein - Modehaus der Träume
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Dieser historische Roman ist der Auftakt zu einer Trilogie rund um das fiktive Modehaus „Lichtenstein“ in Berlin.

Schon der Prolog ist fesselnd, denn das Modehaus brennt. Doch danach schwenkt der Roman ...

Dieser historische Roman ist der Auftakt zu einer Trilogie rund um das fiktive Modehaus „Lichtenstein“ in Berlin.

Schon der Prolog ist fesselnd, denn das Modehaus brennt. Doch danach schwenkt der Roman in die Perspektiven der vielen Protagonisten: Da sind zum einem einmal die ungleichen Brüder Jacob und Ludwig Lichtenstein, die gemeinsam mit den Eltern das Modehaus führen. Während Jacob Ideen für die Zukunft hat, ist Ludwig der Bewahrer des Althergebrachten. Konflikte bleiben da natürlich nicht aus. Doch was wäre das Modehaus ohne die Angestellten? Die Vorzimmerdame, die emsig auf ihrer geliebten Schreibmaschine hämmert und alles weiß, oder die zahlreichen Verkäuferinnen und Näherinnen? Hier stechen Thea und Hedi heraus, die bald befördert werden und die neue Linie des Modehauses verkörpern. Und nicht zu vergessen Hannes Hellberg, der als Chefdesigner viele gute Ideen hat.

Der hist. Roman ist in die Jahre 1913-1918 eingebettet. Die Familie Lichtenstein bekommt den aufkeimenden Antisemitismus bereits zu spüren und wird auch von den Auswirkungen des verlorenen Ersten Weltkriegs nicht verschont.

Meine Meinung:

Der Schreibstil der Autorin, die bereits mehrere Bücher unter einem Pseudonym veröffentlicht hat, ist leicht und flüssig zu lesen. Durch bildhafte Darstellungen ersteht ein Bild dieser Zeit. Selbst die Traumata von Hannes Hallberg, der im Krieg ein Bein verliert, sind gut beschrieben.

Die Kapitel sind kurz und beleuchten aus den verschiedenen Perspektiven das Geschehen.

Gut in den Roman ist das historische Umfeld eingeflochten. So erfährt der Leser, wie die Frauen ihre, an den diversen Fronten befindlichen Männer ersetzen, und um das Wahlrecht kämpfen. Allerdings wird eher das Augenmerk auf die Berliner Mittelschicht gelegt. Die wirklich Armen wie ausgebeutete Fabriks- oder Heimarbeiterinnen werden nur am Rande erwähnt.

Nachdem hier eine Trilogie vorbereitet wird, werden schon einzelne Hinweise auf die Fortsetzung geliefert. Der Bruderzwist wird vermutlich weiter schwelen, zumal Ludwig und Jacob um die gegenseitigen Geheimnisse wissen. Wer nun welches zur Unzeit ausspielen wird, ist bestimmt im nächsten Band zu lesen.

Einzig mit dem Cover bin ich nicht ganz zufrieden, denn die abgebildete Frau ist für die Zeit zwischen 1913 -1918 zu modern gekleidet.

Fazit:

Ein flüssig geschriebener Auftakt einer Trilogie, auf deren Fortsetzung ich mich freue. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Veröffentlicht am 04.08.2020

Ein etwas anderer Krimi

Helga räumt auf
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In seinem zweiten Krimi mit Hannelore „Hanni“ Huber tun sich abermals tiefe Abgründe auf. Zuerst wird der Hanni, die wegen ihrer Krampfadern an manchen nur mühsam vorwärts kommt, von der Schweinebauernfamilie ...

In seinem zweiten Krimi mit Hannelore „Hanni“ Huber tun sich abermals tiefe Abgründe auf. Zuerst wird der Hanni, die wegen ihrer Krampfadern an manchen nur mühsam vorwärts kommt, von der Schweinebauernfamilie Grubmüller ein Maisfeld vor die Aussicht gepflanzt. Da kommt es doch einer Genugtuung gleich, als der Altbauer Johann Grubmüller ausgerechnet in der hauseigenen Jauchegrube zu Tode kommt. Und, er wird nicht der einzige Tote bleiben. Denn die beiden Familien Grubmüller und Praxmoser sind seit zwei Generationen bis aufs Blut verfeindet. Der Anlass? Man oder vielmehr Hannelore Huber weiß es nicht ganz genau, hegt aber einen Verdacht. Eigentlich will sie ja nur ihre Ruhe , ist aber plötzlich mitten in den Ermittlungen, denn der Dorfpolizist ist mehr als überfordert.

Meine Meinung:

Ein bisschen Glaubenthal steckt vermutlich in jedem der ländlichen Orte, in denen jeder jeden kennt. Vor allem die chauvinistische Haltung der meisten Männer und die Opferrolle vieler Frauen scheinen aus dem (dörflichen) Leben gegriffen. Lieblose, weil unter anderen Gesichtspunkten geschlossene Ehen werden fortgeführt, die Gewaltbereitschaft vieler Männer, die mit erhöhten Alkoholspiegel steigt und Ehebruch, der auch vor dem Pfarrhaus nicht Halt macht, sprechen eine deutliche Sprache, dass die Hölle eher auf Erden zu suchen ist. Kein Wunder, dass hier zur Selbsthilfe gegriffen wird.

Die Auflösung ist für mich nicht ganz überraschend, deutet ja bereits der Titel das Großreinemachen an. Dennoch ist der Krimi spannend, denn bevor es zum Showdown kommt, müssen die diversen Beziehungen, die wie das Myzel der Pilze unter der Oberfläche dahinwuchern, aufgedröselt und entflochten werden.

Thomas Raubs Schreibstil besticht durch beißende Ironie und eigenwillige Wendungen. Der Krimi ist nicht wie viele andere Regionalkrimis geradlinig durchstrukturiert, sondern schweift durch die Beschreibungen der Dorfbewohner und deren Verhalten immer wieder ab. Immer wieder ist der Leser versucht, innezuhalten und die Ereignisse zu sortieren.

In diesem Krimi gibt es wenige Sympathieträger. Selbst die alte Huberin ist nicht ganz frei von Boshaftigkeit.

Fazit:

Wer einen Krimi mit sprachlich gehobenen Niveau und abseits des üblichen „Whodunit“ lesen möchte, ist hier richtig. Gerne gebe ich hier 4 Sterne.

Veröffentlicht am 03.08.2020

Ein gelungener Reihenauftakt

Vogelfrei
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Als zwei Sarden in Köln brutal erschossen werden, gehen die Wogen hoch. Ist jetzt auch diese deutsche Stadt in der Hand der Mafia?
KHK Brokat hat wenig Zeit seine Ermittlungen penibel wie üblich durchzuführen, ...

Als zwei Sarden in Köln brutal erschossen werden, gehen die Wogen hoch. Ist jetzt auch diese deutsche Stadt in der Hand der Mafia?
KHK Brokat hat wenig Zeit seine Ermittlungen penibel wie üblich durchzuführen, denn nicht nur die Presse, sondern auch sein auf die eigene Karriere bedachter Chef, machen ihm das Leben schwer.

Irgendwie sind alle und dann wieder niemand verdächtig. Dann scheint das Pendel doch in Richtung organisiertes Verbrechen auszuschlagen und Brokat erhält eine Dienstreise nach Sardinien genehmigt. Dort trifft er nicht nur einen kompetenten Kollegen sondern auch nochmals Maria, die Schwester eines der Opfer. Er verliebt sich in die Frau und erhält einige aufschlussreiche Informationen, die aber bei seinem Vorgesetzten wenig Nachhall finden.

Meine Meinung:

Mit diesem Auftakt zu einer neuen Köln-Krimi-Reihe ist Autor Ulf Kartte ein bodenständiger Ermittler gelungen. Knapp fünfzig, geschieden und ein wenig desillusioniert vom Arbeitsalltag - so präsentiert sich KHK Brokat.

Der Schreibstil ist spannend, doch hin und wieder bedient der Autor einige Klischees. Obwohl, ganz ausschließen kann man es ja nie, ob das organisierte Verbrechen nicht doch - wie ein Krake - seine Finger im Spiel hat. Gut gelungen ist auch die Verflechtung der nach wie vor geübten Blutrache. Dieser „Brauch“ wird geschickt in die Handlung eingebaut.

Die Auflösung ist durchdacht und gekonnt inszeniert. Die Kette mit dem Anhänger des serbisches Wappen, den Brokat bei der Rangelei mit einem Unbekannten erwischt, hat mir einen deutlichen Hinweis in eine bestimmte Richtung gezeigt. Aber, das liegt vermutlich daran, dass ich als Wienerin dem Balkan näher bin, als vielleicht andere Leser.

Fazit:

Ein gelungener Reihenauftakt, dem ich gerne 4 Sterne gebe

Veröffentlicht am 03.08.2020

Ein kompetenter Augenzeugenbericht

Ich rede von der Cholera
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Während seines Parisaufenthaltes im April 1832 bricht in der Stadt die Cholera aus. Heinrich Heine berichtet als Chronist der Augsburger Allgemeinen Zeitung über die Krankheit und das Verhalten von Behörden ...

Während seines Parisaufenthaltes im April 1832 bricht in der Stadt die Cholera aus. Heinrich Heine berichtet als Chronist der Augsburger Allgemeinen Zeitung über die Krankheit und das Verhalten von Behörden und Einwohnern.

Die Cholera ist zuvor schon in London ausgebrochen. Da man um die Art der Ansteckung nichts weiß, wird sie zunächst einmal von der Pariser Stadtverwaltung nicht ernst genommen und als Problem der Londoner angesehen. Erst als es auch in Frankreichs Hauptstadt zum Massensterben kommt, versucht die Stadtregierung mit teilweise untauglichen Mitteln die Seuche einzudämmen. Wer kann, flieht aufs Land und trägt damit zur Weiterverbreitung der Krankheit bei.

Wie bei solchen Seuchen üblich, gibt es jene, die trotz der verhängten Maßnahmen lustig weiterfeiern und solche, die Schuldige suchen. Das Gerücht der „Brunnenvergifter“ macht wieder einmal die Runde und der Aufstand ist nicht weit. Die letzte Revolution ist ja gerade einmal zwei Jahre (1830) her.

Neben den chaotischen Zuständen berichtet Heinrich Heine über alle jene, die in Paris ausharren und unter Einsatz des eigenen Lebens zu helfen versuchen.

Die Ähnlichkeiten zur aktuellen Situation sind verblüffend, wenn auch die beiden Krankheiten nicht miteiiander vergleichbar sind.
Ignoranz, Egoismus, Panik(mache) und falsche Informationen tragen damals wie heute zum Chaos bei. Wie 1832 ergötzen sich auch heute viele Menschen an den täglich veröffentlichen Zahlen der Toten. Wenn man die Bilder von Massengräbern in Italien und/oder Südamerika sieht, kann man sich auch vorstellen, wie es im Paris von 1832 zugegangen sein muss, nur um ein vielfaches unhygienischer.

Heines Bemerkung „Angst ist bei Gefahr das gefährlichste“ hat den Nagel auf den Kopf getroffen und trifft auch heute zu.
Mit seiner genauen Beobachtungsgabe und bissigen Bemerkungen trifft Heinrich Heine den Nerv der Zeit.

Im Anhang ist diese Reportage der Augsburger Allgemeinen Zeitung als Faksimile abgedruckt.

Fazit:

Ein authentischer Augenzeugenbericht aus einer von Krankheit und Tod gekennzeichneten Stadt. Parallelen zu heute sind deutlich erkennbar. Gerne gebe ich diesen Gedanken von Heinrich Heine 4 Sterne.