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Venatrix

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.01.2020

Vom Werden Deutschland nach 1945

Die geliehene Schuld
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Deutschland um 1949. Die Folgen des verlorenen Krieges sind nach wie vor deutlich zu spüren, doch regt sich schon mancher Orts so etwas wie Aufbruchstimmung. Während auf der einen Seite in den Nürnberg ...

Deutschland um 1949. Die Folgen des verlorenen Krieges sind nach wie vor deutlich zu spüren, doch regt sich schon mancher Orts so etwas wie Aufbruchstimmung. Während auf der einen Seite in den Nürnberg ein Teil der Nazi-Verbrecher vor Gericht steht, können Dutzende Täter über die selben Fluchtrouten entkommen, über die vor einigen Jahren Juden und andere Verfolgte in Sicherheit gebracht wurden.
Gleichzeitig versuchen die Geheimdienste aller Alliierten ihren Einfluss und ihr Wissen zu vergrößern. Jetzt, nachdem der Faschismus besiegt scheint, kommt die Angst vor dem Kommunismus (begründet oder nicht) wieder ans Tageslicht.
Unter dem wachsamen Auge der Amerikaner versucht KOnrad Adenauer der Republik eine neue Verfassung zu geben ...
Das ist das historische Umfeld in dem sich dieser historische Roman bewegt.

Dass ein Menschenleben in dieser Zeit noch immer wenig zählt, wenn es darum geht die eigene Haut oder Gesinnung zu retten, wird klar, als Marie Fragen zu ihrem gefallenen Vater stellt. Für sie war er immer der Held, doch als sie erfährt, dass er als hochrangiger Mitarbeiter des RSHA in abscheuliche Kriegsverbrechen verwickelt ist und zusätzlich unter falschem Namen lebt, bricht sie mit ihrer Familie. Als sie die Jüdin Lina und das Schicksal deren Familie, kennenlernt, zerbricht sie beinahe an der von ihrem Vater "geliehenen Schuld".

Maries Freund, der Journalist Jonathan, ist geflohenen Kriegsverbrechern auf der Spur. Er fühlt sich beobachtet und kann seine Aufzeichnungen gerade noch rechtzeitig an seine Kollegin Vera übermitteln. Marie und Jonathan werde im Abstand von nur wenigen Tagen ermordet.

Für den Mord an Marie wird Lina verantwortlich gemacht, deren jüdische Familie bis auf sie und ihren Bruder in Maly Trostinec ermordet wurde, ausgerechnet zu jener Zeit als Maries Vater dort stationiert war.

Vera hingegen heftet sich auf die Spuren von Jonathan und fördert Haarsträubendes zu Tage. Auch sie wird mehrfach bedroht und gerät zwischen die Mahlsteine der konkurrierenden Parteien. Hier die Nazis, die ihre alten Machenschaften unentdeckt wissen wollen und bereits an neuen Seilschaften basteln und dort jene, die als Betroffene Aufklärung und „Recht, nicht Rache“ fordern.

Meine Meinung:

Das ist mein erstes Buch von Claire Winter. Die Autorin hat, so weit ich das überblicke, penibel recherchiert und geschickt Fakten mit Fiktion verknüpft. Die Verstrickung der katholischen Kirche in die Fluchthilfe für die alten Nazis ist ja unter dem Begriff „Rattenlinien“ bekannt. Allerdings wird die Beteiligung der Kirche gerne heruntergespielt. Leute mit Geld und Einfluss konnten es sich schon immer richten.

Gut gelungen ist der Autorin die perfiden Ränkeschmiede darzustellen. Besonders „Onkel Karl“ benützt sein Wissen und spielt die Mitglieder von Maries Familie zu seinem eigenen Vorteil rücksichtslos gegeneinander aus.

Der Schreibstil ist flüssig und eingängig. Stellenweise liest sich das Buch wie ein Krimi. Ich konnte es kaum aus den Händen legen und habe es in nur zwei Tagen gelesen. Durch die bildhafte Sprache habe ich mich gleich direkt im Geschehen gefunden.

Fazit:

Ein fesselnder Roman aus dem Deutschland der Nachkriegszeit, dem ich gerne 5 Sterne gebe.

Veröffentlicht am 03.01.2020

EIne gelungene Biografie

Hedy Lamarr
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„Ich bin die schönste Frau der Welt. Ich bin eine große Erfinderin. Wenn jemand mein Leben erfindet, dann bin ich es.“

Dieses eindeutige Selbstbild der Hollywood-Schauspielerin Hedy Lamarr versucht die ...

„Ich bin die schönste Frau der Welt. Ich bin eine große Erfinderin. Wenn jemand mein Leben erfindet, dann bin ich es.“

Dieses eindeutige Selbstbild der Hollywood-Schauspielerin Hedy Lamarr versucht die Autorin Michalea Lindinger zurecht zu rücken.

Wer war sie nun die Hedy Lamarr?

Sie ist als Hedwig Maria Kiesler 1914 in eine Wiener jüdische Familie hineingeboren und in einem großbürgerlichen Haushalt mit Bediensteten aufgewachsen. Wie damals üblich kümmern sich die Eltern wenig um ihre Tochter. Die Mutter scheitert mit ihren Versuchen dem verzogenen Kind Grenzen zu setzen, da der Vater seiner hübschen Tochter jeden Wunsch erfüllt und jede Marotte durchgehen lässt. Sie bricht die Schule ab und versucht sich als Schauspielerin.

1933 ist ein bedeutendes Jahr für die junge Hedwig Kiesler: Sie dreht den Film „Ekstase“, in dem sie für knappe 7 Sekunden nackt über die Leinwand flimmert und heiratet den reichen Waffenproduzenten Fritz Mandl.
Diese 7 nackten Sekunden begründen ihren „Weltruhm“, denn der Film schockiert Publikum und Eltern. Fritz Mandl, pathologisch eifersüchtig versucht, alle Film-Kopien aufzukaufen. Ausgerechnet jene, die im Besitz von Großkunden Benito Mussolini ist, wird er nicht bekommen. Die Ehe scheitert und Hedwig Kiesler flüchtet 1937 nach Amerika. Schon auf der Überfahrt ändert sie ihren Namen in Hedy Lamarr.

Ihre Schauspielkunst hält mit ihrem Aussehen nicht mit. Sie gilt als schwierig und stürzt sich von einer Ehe in die andere, von einer Liebschaft in die nächste – Hollywood eben. Das „Who is Who“ des Filmgeschäfts liegt ihr zu Füßen von Frank Sinatra bis zu Pablo Picasso.

Vermutlich wäre ihr als Model mehr Erfolg vergönnt gewesen. Sie ist größer als die durchschnittliche amerikanische Schauspielerin und hat, für die Ansprüche Hollywoods, viel zu wenig Busen. Dass sie eine Brustvergrößerung, wie ihr die Filmbosse nahe legen, verweigert, spricht für sie, genauso wie jenes Zitat.

„Jedes Mädchen kann glamourös sein. Du musst nur still stehen und dumm dreinschauen.“

Sie ist insgesamt sechs Mal verheiratet und hat zwei leibliche Kinder, die sie - ähnlich wie ihre eigene Mutter - dem Personal überlässt.

Die Traumfabrik Hollywood ruiniert ihre Gesundheit wie die von Dutzenden anderen Schauspielerinnen und Schauspielern. Berühmt berüchtigt sind die „Vitamin-Cocktails“ des Dr. Feelgood genannten Arztes, der seine Klienten mit Tranquilizern und Aufputschmitteln versorgt.

Michaela Lindinger geht auch Hedy Lamarrs Ruf als Erfinderin des „Frequenzsprungverfahrens“, für das sie gemeinsam mit dem Komponisten George Antheil ein Patent bei der US-Patentanwaltschaft eingereicht und erhalten hatte, nach. Anders, als immer wieder behauptet, ist weder die Erfindung neu noch wirklich bahnbrechend. Der Grund für die Geheimniskrämerei der US-Militärs liegt wohl darin, dass man sich im Krieg gegen Nazi-Deutschland befand und sich jede auch nur entfernt mögliche technische Spielerei für einen Vorteil nützen wollte. Man ließ Hedy Lamarr in dem Glauben, eine tolle Erfindung getätigt zu haben, um mit ihrem Namen und ihrer Schönheit amerikanische Soldaten für den Krieg zu begeistern.

Nach dem Zweiten Weltkrieg verblasst der Ruhm des „schönsten Gesichts“ Hollywoods, langsam. Der langjährige Abusus von Psychopharmaka zeigte seine Wirkung. Hedy Lamarr stirbt im Jänner 2000 in Florida.

Meine Meinung:

Michaela Lindinger ist eine umfassende Biografie von Hedy Lamarr gelungen, die ich gerne gelesen habe. Sie stellt eine objektive Ergänzung zu „Hedy Darling“ dar, jener Biografie von Jochen Förster, die auf den Erzählungen von Hedy Lamarrs Sohn Anthony Loder, basiert.

Die Autorin verwendet Begriffe aus der Filmsprache wie Vorspann und Abspann, um die acht Kapitel der Biografie zu verbrämen. Das Buch ist in einer gediegenen Aufmachung im Verlag Molden erschienen. Zahlreiche offizielle und private Fotos ergänzen diese Biografie.

Fazit:

Eine gelungene Biografie, die das Leben der Hedy Lamarr „Filmgöttin, Antifaschistin, Erfinderin“ ein wenig zurecht rückt. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.

Veröffentlicht am 31.12.2019

Ein sehr persönliches Klassentreffen

Das Jubiläumsklassentreffen der Kriegskinder - Nachkriegskinder - Wunderkinder
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Dieses Buch ist eine höchst interessante Geschichte! Ein Lehrer und seine Schülerinnen und Schüler treffen sich 2006 zum 50-jährigen Abituriententreffen. Obwohl man einige Jahre in einer Klasse war und ...

Dieses Buch ist eine höchst interessante Geschichte! Ein Lehrer und seine Schülerinnen und Schüler treffen sich 2006 zum 50-jährigen Abituriententreffen. Obwohl man einige Jahre in einer Klasse war und oft auch nebeneinander gesessen ist, wissen die Teilnehmer nur wenig voneinander, gerade soviel, dass einige als Flüchtlinge im Gymnasium von Beerheim aufgenommen worden sind.

So werden sie vom 96-jährigen ehemaligen Klassenvorstand aufgefordert, ihre Lebensgeschichte in Kurzform darzustellen. Was dann folgt, sind höchst emotionale Geschichten von Flucht und Vertreibung, von ermordeten Verwandten und anderen traumatischen Kriegserlebnissen.

Dieses Buch habe ich mit großem Interesse gelesen, zumal ich in diesem Jahr mit meinen Klassenkameraden das 40-jährige Maturatreffen gefeiert habe. Allerdings weniger opulent und nicht wirklich emotional. Vielleicht ist dieses Buch ein Ansporn, das nächste runde (oder halbrunde) Jubiläum in ähnlicher Form zu begehen.

Fazit:

Ein sehr persönliches Stück Zeitgeschichte, das hier im Rahmen eines Abituriententreffens erzählt wird. Gerne gebe ich diesem Buch 5 Sterne.

Veröffentlicht am 31.12.2019

Wahltag ist Zahltag, auch 2019

Wahl 2019
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Das vergangene Jahr war für Österreich und seine Bewohner recht aufregend. Wir mussten auf Grund des als „Ibiza-Videos“ bekannten Skandals und dem darauf folgenden Zusammenbruch der türkis-blauen Regierung, ...

Das vergangene Jahr war für Österreich und seine Bewohner recht aufregend. Wir mussten auf Grund des als „Ibiza-Videos“ bekannten Skandals und dem darauf folgenden Zusammenbruch der türkis-blauen Regierung, im September zu den Wahlurnen schreiten.

Die beiden Autoren lassen in 17 Beiträgen Journalisten und Mitarbeiter aller Parteien zu Wort kommen. Nur die FPÖ gibt kein Statement ab. Es wird die Vorgeschichte und das unsägliche Video zusammengefasst, es wird analysiert und die aktuelle politische Lage in Österreich besprochen.

Interessant ist u.a. der Beitrag von Ruth Wodak (S. 223), einer Sprachwissenschaftlerin, die die Wortwahl des Jahres 1986 und mit der aktuellen vergleicht.

Auch Oliver Rathkolbs Sicht auf “250 Jahre korruptes Österreich“ hat mir gut gefallen.

„Es war ein paranoider Wahlkampf, geprägt von Skandalen, Verdächtigungen und negativen Emotionen. Am Ende setzten sich jene einmal mehr jene durch, die frühzeitig eine klare Strategie definiert hatten - und deren Kampagnenwerkzeuge auf der Höhe der Zeit waren.“ (S. 11).

Gegen klare Ziele ist wohl wenig einzuwenden, zumal den meisten Wählern eine eindeutige Struktur lieber als ein ständiges Herumlavieren ist. Man möchte sich doch gerne auf eine stabile Regierung verlassen können. (Es muss ja nicht gleich der „Starke Mann“ sein.)
Dass die SPÖ den EInsatz der modernen Kommunikationsmittel beinahe verschlafen hat, ist ziemlich peinlich. Da waren die anderen Mitbewerber schneller.

Ich gebe zu, zu den wenigen Staatsbürgern zu gehören, die kein einziges der vielen Fernsehduelle gesehen hat. Es war schon recht schwierig, diesen auszuweichen.

Fazit:

Eine gelungene Analyse der Wahl’19 und der Vorgänge, die dazu führten. Gerne gebe ich hier 5 Sterne

Veröffentlicht am 31.12.2019

Fesselnd, düster, brutal

1794
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Die Thriller-Reihe um Michael Cardell geht weiter. Man schreibt das Jahr 1794, das ebenso finster wie das vergangene ist.
Cardell soll den Mord an einer jungen Frau aufklären, die in der Hochzeitsnacht ...

Die Thriller-Reihe um Michael Cardell geht weiter. Man schreibt das Jahr 1794, das ebenso finster wie das vergangene ist.
Cardell soll den Mord an einer jungen Frau aufklären, die in der Hochzeitsnacht ermordet worden ist. Als Täter wird der Ehemann recht schnell ausgemacht. Der wird, auf Grund seiner adeligen herkunft nicht zum Tode verurteilt, sondern in ein Irrenhaus gesteckt, was zu dieser Zeit allerdings einem Tod auf Raten gleich kommt.

Als Cardell diesen Fall übernimmt, weiß er noch nicht, welchen menschlichen Abgründen er gegenüberstehen wird. Außerdem wartet noch eine Überraschung auf Michael Cardell: er erhält mit Emil Winge, dem Bruder an Schwindsucht verstorbenen Cecil Winge, einen neuen Partner.

Meine Meinung:

Düster, beklemmend und fesselnd wie der erste Band - so lassen sich die 560 Seiten in einem Satz zusammenfassen.

Dieser historische Thriller ist nichts für Zartbesaitete. Der Autor beschreibt die menschlichen Abgründe recht detailliert und keine Grausamkeit ist ihm fremd. Wir tauchen tief in das historische Stockholm des 19. Jahrhunderts ein, das ohnehin nicht arm an Unmenschlichkeit ist. Dennoch in diesem Fall laufen dem Leser doch kalte Schauer über den Rücken.

Der Schreibstil ist packend, manchmal kaum auszuhalten, ob der gespenstig, grausamen Stimmung. Das Buch ist wieder in vier große Kapitel, den Jahreszeiten entsprechend unterteilt.

Das Cover ist wieder genial und hat einen tollen Wiedererkennungswert.

Fazit:

Wer einen stellenweise grausamen Thriller sucht, wird hier fündig, andere sollten die Finger von diesem Buch lassen. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.