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Veröffentlicht am 02.02.2024

Gute Spannungsunterhaltung trotz Logikschwächen

Schneesturm
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Thriller, in denen ein Mord passiert, wenn eine Gruppe von Menschen entweder geplant oder ungewollt von der Außenwelt abgeschnitten ist, gibt es viele. Sehr viele. Da es unendliche Möglichkeiten gibt, ...

Thriller, in denen ein Mord passiert, wenn eine Gruppe von Menschen entweder geplant oder ungewollt von der Außenwelt abgeschnitten ist, gibt es viele. Sehr viele. Da es unendliche Möglichkeiten gibt, diese Ausgangssituation auszugestalten, ist das aber kein Problem. Tríona Walsh hat sie auf die abgelegene irische Insel Inishmore verlagert, auf der immerhin über 900 Leute leben. Die Clique, die sich nach zehn Jahren dort wiedersieht, ist also nicht wirklich unter sich. Das Cover grenzt die Identität des Mörders/der Mörderin allerdings trotzdem schon stark ein – wer es schafft, sollte also am besten drauflos lesen und sich das Buch nicht zu genau angucken. Ganz interessant ist allerdings die Karte in der hinteren Umschlagklappe – die hätte ich wiederum fast übersehen.

Hauptfigur Cara ist die (einzige) Inselpolizistin auf Inishmore und verwitwete Mutter von zwei Kindern. Nachdem ihr Mann Cillian bei einem tragischen Unglück vor 10 Jahren gestorben ist, hat sich die Clique um die beiden zerstreut – nur drei der Freunde wohnen noch auf der Insel, zwei leben in London und Cillians Bruder Seamus hat sogar in den USA Karriere gemacht. Doch zu diesem traurigen Jubiläum treffen sie sich zwischen den Jahren in Cillians‘ und Seamus‘ verwaistem Elternhaus. Draußen tobt ein Schneesturm, doch richtig kuschlig wird es drinnen auch nicht. Nähe und Vertrautheit lassen sich nicht auf Knopfdruck wieder herstellen – vor allem nicht, wenn mehrere Anwesende Geheimnisse hüten …

Das Cover von „Schneesturm“ wirkt durch die Farbgebung und die hinter den Bergen verschwindende Schrift ziemlich bedrohlich (der orange Farbschnitt passt perfekt dazu und ist ein toller Hingucker!). Der Thriller selbst kann da nicht ganz mithalten – tatsächlich geht „Schneesturm“ vielleicht eher in Richtung Krimi; ganz am Ende kam es sogar zu einer Situation, bei der ich an Hercule Poirot denken musste. Zweifellos gibt es spannende Passagen, aber atemlos mitgefiebert habe ich nicht. Teilweise verfranst sich die Geschichte auch etwas, doch am Ende schafft es Tríona Walsh erstaunlich gut, die losen Enden wieder zusammenzuführen. Bei näherem Nachdenken erschien mir längst nicht alles so richtig logisch, gut unterhalten habe ich mich jedoch trotzdem gefühlt.

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Veröffentlicht am 09.01.2024

Vorhersehbarer Wohlfühlroman

Der späte Ruhm der Mrs. Quinn
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Das Cover dieses Romans macht nicht nur Lust auf Schokoladenkuchen, es passt auch perfekt zum Inhalt. Hauptfigur von „Der späte Ruhm der Mrs. Quinn“ ist eine 77-jährige Hobbybäckerin, wobei dieses Wort ...

Das Cover dieses Romans macht nicht nur Lust auf Schokoladenkuchen, es passt auch perfekt zum Inhalt. Hauptfigur von „Der späte Ruhm der Mrs. Quinn“ ist eine 77-jährige Hobbybäckerin, wobei dieses Wort ihrer Leidenschaft kaum gerecht wird: Jenny Quinn backt täglich, für Freunde, Nachbarn und ihren Ehemann Bernard, hütet Familienrezepte ihrer Eltern und früherer Generationen und findet ihre Erfüllung darin. Passenderweise ist jedes Kapitel mit dem Namen einer darin vorkommenden Kreation überschrieben, von Brandy Snaps bis Yorkshire-Kuchen mit Trockenfrüchten. Viele der Backwaren sagten mir nichts, oft habe ich mir Bilder gewünscht – oder zumindest das ein oder andere Rezept am Buchende. Leider wurde hier nichts aufgenommen.

Auch in Jenny Quinns Lieblingsfernsehsendung geht es um das Thema Backen. Sie verpasst keine Folge von „Das Backduell – Backen auf der Insel“ und sieht schließlich einen Aufruf, dass neue Kandidat*innen für die Sendung gesucht werden. Mrs. Quinn kann sich nicht vorstellen, tatsächlich in eine Fernsehsendung eingeladen zu werden – ist sie nicht zu alt oder überhaupt gut genug? Doch die Sehnsucht ist geweckt und sie bewirbt sich; ohne Bernard, mit dem sie seit 59 Jahren glücklich verheiratet ist, etwas zu verraten. Denn vermutlich klappt es ja eh nicht – diese Begründung fand ich allerdings etwas dürftig, nachdem Bernard als herzensguter, sie immer unterstützender Ehemann geschildert wird. Leserinnen und Leser ahnen natürlich schon, dass Jenny Quinn Teilnehmerin des Backduells wird. Die Szenen rund um die Fernsehproduktion habe ich dann auch am liebsten gelesen.

Es gibt allerdings auch immer wieder Einschübe aus der Vergangenheit, die Mrs. Quinns Leben nacherzählen und schließlich ein großes, lange zurückreichendes Geheimnis lüften. Auch hier lässt sich bald erahnen, worum es sich handelt. Und das hat mich an „Der späte Ruhm der Mrs. Quinn“ generell gestört: Der Roman ist ziemlich vorhersehbar. Die Geschichte plätschert relativ glatt vor sich hin, kein Charakter schert aus der Rolle, alle benehmen sich so, wie man es von ihnen erwarten würde, keine Brüche, kaum Unvorhersehbares. Dabei hätten mehrere Figuren das Potential gehabt, neue Facetten oder etwas mehr Tiefgang hineinzubringen, sie bleiben aber stattdessen etwas eindimensionale, farblose Komparsen. Bernard ist liebend und verständnisvoll, die Großnichte einfach niedlich, Jennys junger Konkurrent Azeez ein richtiger Schatz und die Producerin Carys ihr größter Fan. Ich habe gar nichts gegen Wohlfühlromane, aber von dem hier hatte ich mir doch etwas mehr versprochen. Das Potential wäre durchaus dagewesen, es hätte einfach ein paar Ecken und Kanten gebraucht.

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Veröffentlicht am 01.09.2023

Stimmung & Atmosphäre

Die Neapolitanische Saga 1: Meine geniale Freundin
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Dass ich „Meine geniale Freundin“ gelesen habe, ist schon eine ganze Weile her. Tatsächlich ist es damals für mich beim ersten Band der neapolitanischen Saga geblieben, da mich die Geschichte nicht ganz ...

Dass ich „Meine geniale Freundin“ gelesen habe, ist schon eine ganze Weile her. Tatsächlich ist es damals für mich beim ersten Band der neapolitanischen Saga geblieben, da mich die Geschichte nicht ganz so sehr gepackt hat. Die Hassliebe von Lila und Lenù fand ich anstrengend, die meist nur flüchtig auftauchenden männlichen Protagonisten teilweise schwer auseinanderzuhalten und etwas deprimiert hat mich die Geschichte auch. Aber es kann ja immer sein, dass man ein Buch ein paar Jahre später anders bewertet und die Idee, mich dem Ganzen nochmal mit Hilfe einer Graphic Novel zu nähern, fand ich reizvoll.

Tatsächlich ist der Zugang zur illustrierten Adaption von „Meine geniale Freundin“ viel leichtfüßiger. Die Zeichnungen vermitteln sofort Atmosphäre. Stimmungen werden durch kühle Farben und ausdrucksvolle Augenpartien ausgedrückt, Armut und Trostlosigkeit des Rione, wo die Geschichte spielt, sind sofort greifbar. Als ich den Roman gelesen habe, hatte ich danach den Eindruck, dass mir einiges an Wissen über das damalige Italien fehlt, um die Situation der Protagonistinnen richtig erfassen zu können ... nach der Graphic Novel habe ich zumindest ein besseres Gefühl dafür.

Obwohl er großformatig ist und mehr als 250 Seiten fasst, kann der Comicroman die Geschehnisse natürlich längst nicht so detailliert schildern wie das Original. So werden viele Episoden nur angedeutet oder sehr verkürzt erzählt, zudem verleiten die plakativen Illustrationen, schnell durch die Seiten zu fliegen. Dadurch geht natürlich einiges verloren. Die Graphic Novel als Ergänzung zum Roman zu lesen, ist vermutlich ideal und wird der Geschichte am ehesten gerecht. Ich frage mich nur: Machen das so viele Menschen, dass sich das für den Verlag wirtschaftlich lohnt? Oder richtet sich die Graphic Novel vor allem an richtige Ferrante-Fans? Ich habe sie gerne durchgeblättert, gekauft hätte ich sie mir aber nicht.

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Veröffentlicht am 09.04.2023

Nicht komplett stimmiger Pageturner

Stranded - Die Insel
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Eine Katastrophe führt fast zum Ende der Menschheit. Vier Frauen und vier Männer stranden auf einer einsamen Insel und versuchen, dort zu überleben. Alles, was sie brauchen, müssen sie mit ihren eigenen ...

Eine Katastrophe führt fast zum Ende der Menschheit. Vier Frauen und vier Männer stranden auf einer einsamen Insel und versuchen, dort zu überleben. Alles, was sie brauchen, müssen sie mit ihren eigenen Händen sammeln, jagen oder erbauen … na ja, fast alles. Denn die TV-Produktionsfirma, die sich diese Ausgangssituation für ihre neue Show ausgedacht hat, hat einige Vorräte und Hilfsmittel auf der ansonsten verlassenen schottischen Insel Buidseach Isle deponiert.

Ich-Erzählerin Maddy nimmt aufgrund einer persönlichen Krise an der Show teil, um elf Monate aus ihrem Leben zu flüchten – so lange soll das Fernsehexperiment dauern. Die Endzwanzigerin ist auf Pflanzenkunde spezialisiert. Ein anderer Teilnehmer angelt, einer geht in Richtung Prepper. Theoretisch sind die acht als Team gut aufgestellt, um über die Runden zu kommen. Wie es ihnen gelingt, dokumentieren über die Insel verteilte Kameras sowie die Body-Cams, die jeder der acht ständig trägt.
Zunächst scheint alles wie erwartet zu laufen: Eine Behausung entsteht und Vorräte werden angelegt. Maddy fühlt sich jedoch bald unwohl und hat den Eindruck, dass nicht alle gleich viel zum gemeinsamen Leben beitragen – und dass mehrere Leute speziell sie auf dem Kieker haben. Langsam aber sicher findet sie sich in einer Außenseiterrolle wieder. Aber es geht ja nicht wirklich um Leben und Tod, also kann eigentlich nichts passieren … Doch dann kommt nach Ende der Produktionszeit kein Boot, um die Teilnehmenden wieder abzuholen. Und als sie feststellen, dass sie tatsächlich auf sich allein gestellt sind, eskaliert die Situation in einem mörderischen Tempo …

Goodwin hält ihre Leserinnen und Leser bei der Stange und lässt sie dabei lange im Dunkeln tappen. Gleich zu Beginn des Buches ist klar, dass Maddy die Flucht von Buidseach Isle geglückt ist – mit einem Gewehr. Ihre Berichte vom Inselleben wechseln sich mit Szenen aus einem Fernsehinterview ab, das sie offensichtlich nach den Geschehnissen gibt. Was jedoch auf der Insel passiert ist, kommt erst nach und nach ans Licht … oder ist es doch nur Maddys Version von den Geschehnissen?

„Stranded – Die Insel“ liest sich spannend und gleichzeitig beklemmend. Die Gruppendynamik, die Einzelgängerin Maddy nicht wirklich versteht, entwickelt sich rasant und die Situation scheint immer bedrohlicher zu werden. Einige Charaktere bleiben dabei recht blass. Ich-Erzählerin Maddy scheint mit ihnen wenig zu tun zu haben, was bei insgesamt nur acht Gruppenmitgliedern allerdings verwundert. Es hat mich beim Lesen jedoch kaum gestört. Teile der Auflösung haben mich dagegen etwas enttäuscht, da ich sie einfach nicht komplett plausibel finde. Egal wie spannend ein Thriller ist – am Ende muss er auch stimmig sein, und das ist Goodwin leider nicht hundertprozentig gelungen. Dennoch war es für mich ein fesselndes Leseerlebnis.

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Veröffentlicht am 29.03.2022

Hinter der Fassade

Eine perfekte Familie
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„Eine perfekte Familie“ – gibt es das überhaupt? Die Delaneys wirken zumindest so: Joy und Stan haben sich bereits als junge Erwachsene und passionierte Tennisspieler kennen und lieben gelernt, gemeinsam ...

„Eine perfekte Familie“ – gibt es das überhaupt? Die Delaneys wirken zumindest so: Joy und Stan haben sich bereits als junge Erwachsene und passionierte Tennisspieler kennen und lieben gelernt, gemeinsam eine Tennisschule gegründet und vier Kinder bekommen. Inzwischen sind die beiden um die 70 Jahre alt, der Nachwuchs ist längst ausgezogen und die Tennisschule seit Kurzem verkauft. Zeit für den wohlverdienten Ruhestand – den aber beide nicht so richtig genießen können. Zumindest Joy weiß, wer ihr die Rente versüßen könnte: Enkelkinder! Doch weder ihre beiden Töchter noch die zwei Söhne machen Anstalten, sich fortzupflanzen. Und so richtet sie ihre Aufmerksamkeit auf jemand anderes, der plötzlich abends vor ihrer Tür steht: Savannah, eine junge Frau, die Opfer häuslicher Gewalt geworden ist und auf gut Glück bei den Delaneys angeklopft hat.

Diese Ausgangssituation baut sich langsam und in Rückblenden auf, während bereits der Prolog des Romans mit der Tür ins Haus fällt: Wenige Monate nach den geschilderten Ereignissen ist Joy verschwunden. Zurück bleiben eine kryptische SMS, die sie an ihre Kinder geschickt hat, und Ehemann Stan, der sich nicht groß um sie zu sorgen scheint und auch anderweitig verdächtig wirkt. Doch wie konnte das passieren – und was ist überhaupt geschehen? Liane Moriarty wechselt zwischen zwei Zeitebenen und mehreren Erzählperspektiven: In den Rückblenden erzählt die später verschwundene Joy oft ihre Sicht der Dinge, doch es sind auch immer wieder Kapitel aus den Perspektiven ihrer vier Kinder geschrieben. Letztere sind außerdem meist die Erzähler der im Jetzt spielenden Abschnitte, doch auch die Ermittlerin, die Joys Verschwinden untersucht, kommt mehrfach zu Wort. Nach und nach wird klarer, was in der Vergangenheit passiert ist – wobei die Rückblenden durchaus kleine Längen haben. Nicht zu unterschätzen ist außerdem, dass die Delaneys eine Tennisfamilie sind und der Sport eine große Rolle spielt.

Sehr gelungen sind der Autorin die Einblicke in das scheinbar perfekte Familienleben. Charakterstudien sind Moriartys große Stärke und ihre Enthüllungen rund um die einzelnen Biografien lesen sich packend. Wie sich am Ende alle Puzzleteile zusammenfügen, ist grandios: unvorhersehbar, aber absolut stimmig. Und so macht „Eine perfekte Familie“ durchaus Spaß, auch wenn dem Roman ein paar Straffungen hier und da gutgetan hätten.

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