Profilbild von Webervogel

Webervogel

Lesejury Star
offline

Webervogel ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Webervogel über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.02.2018

Auf den Hund gekommen

Hilde
0

Ich habe bereits einige Bücher von Ildikó von Kürthy gelesen, war aber dennoch skeptisch, als mir eine Freundin „Hilde“ in die Hand drückte. Statt eines Hundes habe ich eine Tierhaarallergie und hatte ...

Ich habe bereits einige Bücher von Ildikó von Kürthy gelesen, war aber dennoch skeptisch, als mir eine Freundin „Hilde“ in die Hand drückte. Statt eines Hundes habe ich eine Tierhaarallergie und hatte daher den Eindruck, nicht zur Zielgruppe zu gehören. Doch als ich das Buch dann mal zur Hand nahm, habe ich es ratzfatz ausgelesen – und war zu meinem eigenen Erstaunen sehr amüsiert! Frau von Kürthy schafft sich nicht einfach einen Hund an, sondern sie lässt den Leser in bewährter Manier an ihrem Seelenleben teilhaben: Hoffnungen, Wünsche, Ängste … Bereits beim Kauf von „Hilde“ ist man als Leser dabei und bekommt schnell ungeschönte Einsichten in das Leben einer Neu-Welpenmutter: Kleine Hunde sind auch nur Babys, die einen an den Rande eines Nervenzusammenbruchs bringen können, andere Hundebesitzer neigen zum Besserwissen und eigentlich gibt es kaum Menschen, die die Tiere komplett kalt lassen. Frau von Kürthy begegnet in jedem Fall ständig Hundefreunden und Hundehassern, da kann man als Leser kaum anders, als mitzufühlen. Ihre Erlebnisse in den Kursen, die sie mit und ohne Hilde aufsucht, haben mich dagegen von Zeit zu Zeit laut auflachen lassen: Von verschiedenen Hundegruppen bis hin zur Tier-Telepathie probiert sie alles Mögliche aus, auch Hundecoach Martin Rütter kommt zu Wort. Ildikó von Kürthy hat in ihrem ersten Jahr mit Hilde jede Menger unterschiedlichster Erfahrungen gesammelt und es hat mir Spaß gemacht, sie dabei zu begleiten. Auch den ein oder anderen mir bekannten Hundebesitzer sehe ich jetzt mit ganz neuen Augen. Sollte ich je mit der Anschaffung eines Hundes liebäugeln, weiß ich nun auf jeden Fall besser, was auf mich zukommt … und stellenweise auch, was ich lieber lassen sollte. Ildikó von Kürthy hat (fast) alles ausprobiert, ohne sich und Hilde zu schonen. Und ist dabei doch immer bemüht, Hilde einen Hund sein zu lassen und sie nicht zu vermenschlichen. Mich hat ihr erstes Jahr mit Hilde überraschend gefesselt!

Veröffentlicht am 22.04.2024

Spannung, Twists und Emotionen

The Hike
0

Mehrere Freundinnen in unterschiedlichsten Lebenssituationen, ein Reiseziel, das sie an ihre Grenzen bringt und eine Handvoll unvorhersehbarer Ereignisse – fertig ist der neue Thriller von Lucy Clarke. ...

Mehrere Freundinnen in unterschiedlichsten Lebenssituationen, ein Reiseziel, das sie an ihre Grenzen bringt und eine Handvoll unvorhersehbarer Ereignisse – fertig ist der neue Thriller von Lucy Clarke. Die vier Protagonistinnen, von denen „The Hike“ handelt, sind schon zusammen zur Schule gegangen. Inzwischen sind Maggie, Liz, Helena und Joni Anfang dreißig und haben sich mehr oder weniger auseinandergelebt. Ein gemeinsamer Urlaub soll die Freundschaft auffrischen und den Vieren eine Alltagsauszeit ermöglichen. Allerdings stehen nicht Sonne, Strand und Meer auf dem Programm, sondern eine Wanderung zu einem abgelegenen Berggipfel in Norwegen. Liz ist fest entschlossen, den anspruchsvollen Trip auch gegen den Widerstand ihrer Freundinnen durchzuziehen, sieht sich jedoch bald mit Widrigkeiten konfrontiert, die sie sich nie hätte vorstellen können …

Lucy Clarkes letztes Buch „One of the girls“ fand ich richtig super und habe mich daher sehr auf „The Hike“ gefreut. Und auch hier zeigt die britische Autorin ihr Können: Spannung, Twists und Emotionen kommen nicht zu kurz. Schriftstellerkollegin Claire Douglas bezeichnet „The Hike“ in einem Blurb auf dem Buchrücken sogar als „ihr bestes Buch“ – soweit würde ich allerdings nicht gehen, denn „One of the girls“ war noch unvorhersehbarer. Apropos Buchrücken: Komplett überflüssig ist die Ankündigung „Vier Freundinnen in der Wildnis Norwegens. Nur drei kommen zurück.“ – klingt unheilvoll und mysteriös, ist aber vor allem ein Spoiler, den dieser atmosphärische Thriller nicht nötig hat. Er hat mich gut unterhalten und immer wieder überrascht. Einige Wendungen habe ich zwar durchaus erahnt, aber gestört hat mich das nicht. Schöne Spannungslektüre für die nächste Bergtour oder einen Freundinnenurlaub.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 21.08.2023

Anti-Pretty-Woman

Die Einladung
0

Diesen Roman habe ich in kurzer Zeit verschlungen, obwohl die Handlung oft träge vor sich hin wabert. Er hat mir gefallen, aber wenn mich jemand nach einem Buchtipp fragt, werde ich ihn vermutlich nicht ...

Diesen Roman habe ich in kurzer Zeit verschlungen, obwohl die Handlung oft träge vor sich hin wabert. Er hat mir gefallen, aber wenn mich jemand nach einem Buchtipp fragt, werde ich ihn vermutlich nicht nennen. Die Autorin Emma Cline merke ich mir allerdings – von ihr würde ich gerne noch mehr lesen!

Die 22-jährige Alex arbeitet als Escort und scheint schon einiges hinter sich zu haben. Aber jetzt hat sie’s in ihren Augen geschafft: Sie lebt seit ein paar Wochen mit dem mehr als doppelt so alten Simon in seinem Haus in den Hamptons, passt sich perfekt an seine Bedürfnisse an und genießt dafür Komfort und Luxus. Kennengelernt haben sie sich in einer Bar – nicht ganz zufällig, obwohl er das vermutlich denkt. In New York lief es nicht mehr gut für sie: verärgerte Mitbewohner, ein sie stalkender Ex-Kunde, Schulden. Simon kann Alex das bieten, wonach sie sich sehnt: Zutritt zu der Welt der Reichen, Schönen, Sorglosen. Allerdings ist ihr Arrangement nicht so dauerhaft, wie sie gehofft hat. Alex hat jedoch schon eine Idee, wie sie wieder Teil seines Lebens werden will …

Wer hier auf eine Liebesgeschichte à la „Pretty Woman“ hofft, wird schwer enttäuscht werden (wobei weder Cover noch Klappentext irgendwelche Hoffnungen auf Romantik wecken). Alex ist eine Antiheldin, die schwer greifbar bleibt, obwohl man als Leser*in durchgehend dicht an ihr dran ist. Klar ist: Sie ist abgebrüht, nutzt aus und manipuliert, ist aber gleichzeitig verzweifelt, medikamentenabhängig und selbstzerstörerisch. „Die Einladung“ umfasst nur ein paar heiße Sommertage, in denen man sie in den Hamptons begleitet – erst mit Geld, dann ohne. Der Roman liest sich intensiv: Eine träge Atmosphäre überlagert alles; die Schilderungen von der Hitze, dem Meer, den Pools und dem Dreck hinter der Fassade brennen sich ein. Stellenweise wirkt „Die Einladung“ handlungsarm, gleichzeitig jedoch fesselnd und irritierend. Viele Fragen bleiben offen, trotzdem erscheint mir der Roman im Rückblick rund und stimmig. Das mag widersprüchlich klingen, passt aber wiederum bestens zu dieser Geschichte um Anti-Pretty-Woman Alex.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 04.07.2023

Mutter werden ist nicht schwer ...

Mutterhirn. Was mit uns passiert, wenn wir Eltern werden
0

Na ja, eigentlich doch. Wege zur Schwangerschaft verlaufen sehr unterschiedlich und können durchaus steinig sein, ebenso wie die Zeit, die das Austragen eines Babys dauert. Doch auch das Muttersein ist ...

Na ja, eigentlich doch. Wege zur Schwangerschaft verlaufen sehr unterschiedlich und können durchaus steinig sein, ebenso wie die Zeit, die das Austragen eines Babys dauert. Doch auch das Muttersein ist kein Spaziergang, zumindest kein Selbstläufer.

Die amerikanische Wissenschaftsjournalistin Chelsea Conaboy räumt mit einem Irrglauben auf, der seit langer Zeit tief im Menschen verwurzelt ist: dem der unfehlbaren Mutter, die bei der Geburt gleichermaßen mit Mutterinstinkt, intuitivem Wissen und grenzenloser Liebe beschenkt wird und ab da eine mehr oder weniger perfekte Vollblutmama ohne größere eigene Bedürfnisse ist. „Dieses Narrativ hat mit der Erfahrung erster Mutterschaft ungefähr ebenso viel zu tun wie die Märchenprinz-Geschichten von Disney mit der heutigen Dating-Welt“ ist einer meiner Lieblingssätze aus ihrem pointierten Sachbuch „Mutterhirn“.
Die Lektüre ist einerseits entlastend, weil sie der Tatsache nachgeht, dass Mutterwerdung trotz aller Hormone ein Prozess mit Höhen und Tiefen ist. Gleichzeitig zeigt Conaboy auf, dass das Gehirn durch Mutterschaft durchaus große und unwiderrufliche Veränderungen erfährt. Dabei ist weniger entscheidend, dass man ein Kind geboren hat, sondern dass man es als eine Hauptbezugsperson aufzieht. Wer seine eigenen Bedürfnisse konstant hintenanstellt, um sich um einen kleinen Menschen zu kümmern, verändert sich. Conaboy geht sowohl auf naturwissenschaftliche Erkenntnisse ein als auch darauf, dass diese Veränderungen einem Angst machen können, z.B. in Form von Sorgen, die man sich plötzlich macht. Sie schreibt von Schuldgefühlen, die entstehen können, weil man nicht wie erwartet funktioniert und erläutert, wie Geschichte, Politik und Gesellschaft das Mutterbild geformt haben. Dabei bringt sie viele Beispiele, die „Mutterhirn“ zu einer lebendigen Lektüre machen, mich aber gleichzeitig öfters zu Lesepausen verleitet haben: Zu viel mit den Sorgen, Ängsten und Komplexen anderer Mütter wollte ich mich dann doch nicht beschäftigen. Dennoch ein sehr interessantes Buch über ein wenig erforschtes Themenfeld, das von Idealvorstellungen befreit und mehr Platz für wissenschaftliche Realität schafft.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.01.2023

Das Brodeln unter der Oberfläche

Das fremde Kind. Wem kannst du trauen?
1

Eigentlich könnte alles so schön sein: Nach einer üblen Trennung hat die geschiedene Sarah mit Tim einen verlässlichen Partner gefunden, der auch noch ein liebevoller Vater für ihre sechsjährige Tochter ...

Eigentlich könnte alles so schön sein: Nach einer üblen Trennung hat die geschiedene Sarah mit Tim einen verlässlichen Partner gefunden, der auch noch ein liebevoller Vater für ihre sechsjährige Tochter Leonie ist. Auch räumlich ist der Neuanfang perfekt; sind die drei doch von Hamburg ins beschauliche Berlingkamp gezogen, wo Tim aufgewachsen ist. Sarah setzt alles daran, mit Leonie in der neuen Umgebung Fuß zu fassen und erst scheint das auch zu gelingen. Doch dann trifft die Endzwanzigerin auf dem Dachboden ihres neuen Mietshauses ein verstocktes Mädchen im Grundschulalter, das ebenso schnell verschwindet, wie es erschienen ist, bald darauf jedoch erneut auftaucht. Sarah versucht, das fremde Kind zu fassen zu kriegen, aber die Begegnungen werden von Mal zu Mal mysteriöser. Wer ist das Mädchen? Und was will es? Sein Erscheinen strapaziert Sarahs Nervenkostüm und auch sonst läuft plötzlich einiges nicht mehr so, wie sie es sich von ihrem schönen neuen Leben erträumt hat. Sie spürt immer mehr, dass irgendetwas ganz massiv im Argen liegt. Und ihre Nachforschungen scheinen längst nicht jedem zu gefallen …

„Das fremde Kind“ ist aus Sarahs Perspektive geschrieben und so kommt man der Protagonistin rasch sehr nah. Schnell erfährt man, dass sie eine fiese, gescheiterte Beziehung hinter sich hat und ihr inzwischen verstorbener Ex-Mann nicht gewillt war, sie und ihre Tochter in Frieden zu lassen. Sarah hat ihr Päckchen zu tragen und setzt nun alles daran, ein glückliches, sorgenfreieres Leben mit Leonie und Tim zu führen. Ihre Bemühungen, alles perfekt zu machen, sowie ihre kleinen Unsicherheiten haben mich schnell für sie eingenommen. Mit Sarah kann man bestens mitfühlen, doch obwohl ich die Figur irgendwann gut einzuschätzen glaubte, habe ich das große Thema von „Das fremde Kind“ doch nicht kommen sehen.

Ich würde das Buch eher als spannenden Roman denn als Thriller bezeichnen und hätte vermutlich ein weniger reißerisches Titelbild gewählt. Die Spannung baut sich eher unterschwellig auf, während Sarahs Alltag einer Hausfrau und Mutter viel Raum einnimmt. Trotzdem hat mich „Das fremde Kind“ nicht mehr losgelassen – je weiter die Geschichte fortschritt, desto weniger konnte ich mir einen Reim auf einzelne Geschehnisse machen. Der Roman ist raffiniert geschrieben; Entwicklung und Ende waren für mich nicht absehbar und zu gern wüsste ich, wie das Ganze weitergeht, denn nach der letzten Seite scheint Sarahs Geschichte noch lange nicht auserzählt, auch wenn das Rätsel um „das fremde Kind“ gelöst ist.

  • Einzelne Kategorien
  • Handlung
  • Erzählstil
  • Charaktere
  • Cover
  • Spannung