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Veröffentlicht am 29.01.2017

Großartige, toll erzählte Geschichten aus dem Leben.

Ab morgen wird alles anders
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„Morgen wird alles anders“ ist ein toller Erzählband von Anna Gavalda, der 5 Geschichten enthält:
Mein Hund wird sterben (25 S.)
Mathilde (104 S.)
Meine Kraftpunkte (24 S.)
Yann (94 S.)
Minnesang (25 S.)
Jede ...

„Morgen wird alles anders“ ist ein toller Erzählband von Anna Gavalda, der 5 Geschichten enthält:
Mein Hund wird sterben (25 S.)
Mathilde (104 S.)
Meine Kraftpunkte (24 S.)
Yann (94 S.)
Minnesang (25 S.)
Jede davon schildert das heutige Leben in Paris. Die Menschen, ihre Lebenslage, ihre Vorgeschichte, ihre Probleme und ihre Entscheidungen sind wunderbar/gekonnt in Szene gesetzt worden. Nach den ersten Seiten ist man vollends verzaubert und man kann nur eins: weiterlesen.
Keineswegs ist alles Friede und Freude. Entweder sind es die weniger erfreulichen Lebensumstände der jüngeren Generation, die ihren Platz im Leben nicht findet, manchmal sind es die Realien der heutigen Welt, die jeweilige Erzähler zum Ausdruck bringen.
In „Mathilde“ hat man den Eindruck, man unterhält sich mit ihr. Sie erzählt, im typischen Sprech einer 24-Jährigen Göre, was sie arbeitet, wo sie wohnt und was ihr passiert ist: Sie hat ihre Tasche mit 10000 Euro, die ihr nicht gehören, verloren. Ihre Verzweiflung kann man mit Händen greifen. Aber nicht nur des Geldes wegen. Sie denkt über ihr Leben nach, über die Perspektivenlosigkeit ihres Daseins, uvm.
„Yann“ ist ein 26-Jähriger Bretone, der trotz des teuren Designerstudiums nur einen Handelsvertreterjob in einer koreanischen Firma, dafür aber unbefristet, welch Ironie, ergattern konnte. Er lebt mit seiner spießigen Freundin in der Wohnung ihrer Tante in einem besseren Viertel von Paris. Scheinbar ist alles so, wie es sein soll. Aber eines Tages lernt Yann seine Nachbarn kennen und versteht, was das Leben lebenswert macht. „Aber, Yann… Junger Freund…“, sagt u.a. sein Nachbar, „Menschen, die man liebt, trifft man nicht, die erkennt man. Wussten Sie das nicht?“ Nach dieser Nacht mit viel gutem Wein und herzerwärmenden Gesprächen begreift Yann, was ihm fehlt, und trifft seine Entscheidung.
In der ersten Erzählung versucht ein Ehepaar mittleren Alters den Tod ihres Kindes zu verarbeiten, der schon eine Weile zurückliegt. Die Geschichte, wie die anderen auch, ist so eindringlich erzählt, dass ich sie erst nach Mathilde zu Ende lesen konnte.
„Meine Kraftpunkte“ erfährt man aus der Sicht des Vaters von drei Söhnen. Die Geschichte dreht sich um den jüngsten Sohn, den sechsjährigen Valentin. Der Vater muss dringend in die Schule, weil Valentin etwas angestellt hatte. Der Vater wundert sich, denn sein Valentin ist ein ruhiges und ganz liebes Kind. Die Geschichte muss man einfach selbst lesen. Manches geht gleich unter die Haut. Man wünscht sich so einen Vater, der nicht nur sein Vaterdasein und seine Kinder liebt, sondern auch so gut erzählen kann. So rührend und herzergreifend ist der Schluss!
„Minnesang“ ist ein würdiger Abschluss des Bandes. Da trifft man auf einen Dichter, einen jungen Mann, der wie die Minnesänger im Mittelalter Gedichte zur Lobpreisung der holden Magd aus dem Stehgreif dichten kann. Erzählt ist „Minnesang“ aus der Sicht der jungen Frau, die diesen Dichter auf einer Party der besseren Kreise kennenlernt.
Der Schreibstil von Anna Gavalda ist so wohltuend eigen und authentisch (Bei „Blindverkostung“ hätte ich gleich auf sie getippt), dass der Band auch deshalb viel Lesevergnügen bereitet.
Schön atmosphärisch sind die Geschichten. Man fühlt sich nach Paris unter diese Menschen versetzt. Witz und Leichtigkeit gehen Hand in Hand mit guter Portion Gesellschaftskritik. Die Autorin hält der Welt Spiegel vors Gesicht und macht so die Missstände sichtbar.
Das Coverbild mutete zunächst melancholisch an, aber so ist es nicht: die Geschichten sind facettenreich und farbenfroh.
Fast bei jedem ändert sich das Status Quo. Nichts ist mehr, wie es früher war. Deshalb ist der Titel sehr passend.

Fazit: Das Buch war für mich ein wahres Lesehighlight: Es hat mir viel Vergnügen bereitet, diese Menschen und ihre Geschichten, die man nicht so schnell vergisst, kennenzulernen. 5 Sterne und eine klare Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 30.11.2016

Ein schönes wie hilfreiches Brotbackbuch mit Rezepten gängiger Brotsorten.

Brot backen in Perfektion mit Hefe
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Die Gestaltung des Buches legt nahe, dass es als Souvenir für Backbegeisterte und diejenigen, die es werden wollen, angedacht war. Es gibt viele professionell gemachte Farbfotos von Broten und Brotbackutensilien. ...

Die Gestaltung des Buches legt nahe, dass es als Souvenir für Backbegeisterte und diejenigen, die es werden wollen, angedacht war. Es gibt viele professionell gemachte Farbfotos von Broten und Brotbackutensilien. Die Seiten sind aus festem, glattem, hochwertigem Papier.
Von Lesezeichenbändchen gibt es hier gleich zwei in beige und braun, in etwa für Grundrezept und ein weiteres Rezept, das auf diesem Grundrezept basiert.
Das Coverbild passt zum Inhalt ganz wunderbar. Das Foto der verschiedenen Brote macht Lust aufs Brotbacken. Das Buch hat zwar einen Schutzumschlag, wenn man den aber entfernt, sieht das Buch genauso aus - vorne wie hinten.
Inhaltsangabe ist recht anschaulich wie witzig gestaltet: Zwei Seiten voll mit kleinen Fotos von jeweiligen Broten, dessen Bezeichnung als Überschrift oben und die Seitenangabe links unten dazu. Da hat man alles gleich, quasi auf einem Blatt vor sich und kann direkt zu den gewünschten Rezepten gehen.
Insg. finde ich die Gestaltung des Buches sehr gelungen: Ein wahres Schmuckstück in jeder Brotbackküche.
Es gibt 70 Rezepte, wobei es paar Grundrezepte gibt, der Rest ist deren Abwandlung.
Hinten auf dem Umschlag sieht man einen Hinweis: „Auch für Einsteiger geeignet!“ Das kann ich bestätigen. Auf den ersten 31 Seiten werden die Grundregeln vermittelt, die Backutensilien samt Bildern vorgestellt, ein kurzer Exkurs in Mehltypen ist auch da, wobei alle Themen sehr zugänglich erleuchtet wurden.
Die einzelnen Arbeitsschritte der Teigherstellung wurden anhand von Bildern und nicht allzu viel Text einfach und anschaulich erklärt. Man erfährt u.a., was es mit dem Dehnen und Falten des Teiges auf sich hat, was ein Quellstück und was ein Brühstück ist und welche Rolle diese Teile beim Brotbacken spielen. Im Kapitel „Häufige Fragen“ wird es auf drei Seiten mit manchem Mythos aufgeräumt.
Es gibt ein extra Kapitel „Rezepte verändern“ mit Tabellen, wo man Tipps bekommt, woran man bei den Rezeptveränderungen achten sollte, z.B. bei Umwandlung Weizen vs. Dinkel, mit und ohne Vorteig, normal vs. vegan, etc. Hinten im Buch ab S. 180 gibt es eine große Tabelle, in der die Mengen an Zutaten aller im Buch aufgeführten Rezepte bereits auf 0,5kg, 0,81kg, 1, 2, 3, 4 und 5 kg hochgerechnet wurden.
Alle Rezepte sind extra fürs Backen zu Hause angepasst.
Bei jedem Rezept steht oft: „Für 1 Brotlaib von ca.1kg“, dann folgen die wenigen Zutaten und Arbeitsschritte. Sehr zugänglich, sehr klar. Ein Foto vom fertiggebackenem Brot begleitet jedes Rezept.
Es gibt Herzhaftes z.B. Dinkelvollkornmischbrot, Körnerbrot, Wurzelbrot mit Oliven und Käse; oder auch Süßes, z.B. Schokobrot (sieht sehr schokoladig aus), Zimtschnecken, Dinkelbrioche, Rosinenbrot, Hefezopf, etc.
Es gibt Rezepte populärer franz. Brote wie Pain d’Epi, Baguette, Ficelle, Fougasse, Brioche, oder auch von bekannten ital. Broten wie Ciabatta, Focaccia, Grissini.
Es gibt auch ein Rezept mit genauer Anleitung zum Selbst-Croissants-backen.
Man hat im Grunde alles an nötigen Infos, um gleich mit dem Brotbacken anfangen zu können. Die Vielfalt wie Auswahl an Broten, die man selbst backen kann, ist sehr gut getroffen.
Für diejenigen, die abschätzen wollen, ob das Buch in ihr Kochbücherregal rein physisch passt, mag folgende Info hilfreich erscheinen: Das Buch wiegt 1260gr, ist 24,3cm breit, 28,7cm hoch und 2cm dick.
Info für empfindliche Nasen: Das Buch riecht etwas, aber nicht zu sehr nach Druckerfarben. Bei der Fülle an Fotos ist es an sich kein Wunder.
Fazit: Ein schönes Brotbackbuch mit Rezepten gängiger Brotsorten, prima zum Selbst-in-der-heimischen-Küche-Brotbacken. Dafür muss man kein Back-Profi sein. Auch für Anfänger ist dieses Backbuch bestens geeignet. Die meisten Rezepte sind einfach und schnell zu bewerkstelligen. Die Fotos, wie die Gestaltung des Buches insg., überzeugen auf der ganzen Linie. Als Geschenk für Backbegeisterte zum Geburtstag oder zu den nicht mehr so fernen Weihnachten ist „Brot Backen in Perfektion“ von Lutz Geissler eine sehr gute Wahl.

Veröffentlicht am 24.11.2016

Eine toll erzählte, authentische Geschichte. Großartig.

Im Sommer wieder Fahrrad
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Ein toll geschriebener Roman a lá Geschichten aus dem Leben. Man taucht voll in die Welt von Lea und ihrer Großmutter ein, lacht und weint zusammen mit den starken Frauen. Schöne, erfüllte Lesestunden.
Es ...

Ein toll geschriebener Roman a lá Geschichten aus dem Leben. Man taucht voll in die Welt von Lea und ihrer Großmutter ein, lacht und weint zusammen mit den starken Frauen. Schöne, erfüllte Lesestunden.
Es gibt zwei Zeitebenen. In der heutigen Zeit kämpft Lea mit ihrer Krebserkrankung. Sie macht alles mit, volles Programm: Chemotherapie, unzählige Blut- und Knochenmarkentnahmen, Krankenhausaufenthalte, etc. Um sich von ihren Leiden abzulenken, schwelgt sie in Erinnerungen an ihre geliebte Oma. Lea hat einen Koffer voller Briefe und Tagebücher ihrer Großmutter, die sie nun nach und nach liest, und das Leben von Mütterchen, so Oma stets genannt, rekonstruiert. Leas Oma ist eine bemerkenswerte Frau, die man gerne kennenlernen sollte. Sie war Schauspielerin durch und durch. Theater und Bühne waren ihre Berufung, die sie bis ins hohe Alter aktiv ausgeübt hat.
Im Rahmen der Nacherzählung von Mütterchens Leben kommen einige geschichtspolitische Momente ans Licht, z.B. 1945 als Leas Oma ihren damaligen zukünftigen Mann, einen Halbjüden, aus dem Arbeitslager gerettet hatte, hier verweilt Lea recht lange, die damaligen Geschehnisse werden bildhaft vor Augen der Leser ausgebreitet, oder auch wie der Bau der Mauer im Jahr 1961 die Familie und Freunde auseinandergerissen hat, uvm. Zwei Weltkriege, vier Staatsformen hat diese Frau überlebt.
Es wird also zwischen damals und heute hin und hergesprungen. Lea denkt heute über sich selbst nach, vergleicht sich mit ihrer Oma, zieht Parallelen, kommt zu eigenen Schlüssen, was es bedeutet, am Leben zu sein. Man sieht, dass Lea eine sehr starke junge Frau und ihrer Oma in jeder Hinsicht würdig ist. Lea denkt auch über die Ursachen ihrer Erkrankung nach, was Krebs eigentlich ist und was er in der heutigen Gesellschaft bewirkt und bedeutet.
Solche Themen wie Familie, Familienzusammenhalt, Treue in einer Beziehung, Liebe, Beruf und Berufung, wahre Freunde und Freundschaft, das Leben und der Tod sind in den Erzählteppich gekonnt wie bildhaft einflochten worden.
Leichtfüßig, mit einer guten Portion (Selbst)-Ironie ist der Roman insg. geschrieben. Manchmal ist der Stoff anstrengend, da recht viele Schilderungen von Krebs und enspr. Zuständen nach Chemotherapie, Krankenhausaufenthaltsrealien, usw.
Trotzdem kommt die Geschichte sehr hell und sehr lebensbejahend rüber, hat eine optimistische Aussage.
Es gibt einige tiefgründige Überlegungen, schöne Sätze, die jedes Zitatenheft schmücken können. Hier einige Beispiele:
„Wo ist der Anfang bei einem runden Ding? Ein Leben verläuft ja nicht linear. Es ist keine Zwirnsrolle, die man abspult von vorn nach hinten, und das war’s dann. Das Leben gleicht eher einer Kartoffel, die wächst und größer wird und Beulen bekommt, die irgendwie unförmig ist und dreckig. Wenn man Kartoffeln durchschneidet und in die Erde legt, wachsen neue nach. Und wenn man eine Kartoffel ausgräbt und gründlich abwäscht, dann schimmert sie golden.“ S. 11.
„Auf der Bühne lernt man, Menschen zu lesen. Man lernt, ihre Gesten, ihre Mimik, ihre Haltung zu lesen. Jede Bewegung erzählt etwas über dich. Die Art, wie du dich hinsetzt, wie du isst, wie du deinen Kaffee trinkst, die Art, wie du dich kleidest, wie du küsst und wie du lachst. Sie erzählt auch, wo du herkommst, wo du hinwillst, in welchem Milieu du aufgewachsen bist, was dir in deinem Leben passiert ist. Und was du dir wünschst.“ S. 216.
Das Coverbild ist sehr gelungen und passt prima zum Inhalt. Die Frau könnte Leas Oma in jungen Jahren sein.
Fazit: Absolut lesenswert. Wer sich fürs Thema Krebsbewältigung interessiert, ist hier goldrichtig. Aber auch diejenigen, die toll erzählte, authentische Geschichten aus dem Leben mögen, finden bestimmt Gefallen an diesem eigenartigen Familienroman. Fünf wohl verdiente Sterne und eine klare Empfehlung!

Veröffentlicht am 29.10.2016

Ein toller, spannender, meisterhaft erzählter Familienroman.

Das Nest
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Nach dem Unfall von Leo, den er aus purer Selbstüberschätzung und reiner Vergnügungssucht verursacht hat, mussten dessen Folgen aus der vom Vater vor vielen Jahren angelegten Gemeinschaftskasse bezahlt ...

Nach dem Unfall von Leo, den er aus purer Selbstüberschätzung und reiner Vergnügungssucht verursacht hat, mussten dessen Folgen aus der vom Vater vor vielen Jahren angelegten Gemeinschaftskasse bezahlt werden, die eigentlich dazu gedacht war, am 40-sten Geburtstag von Melody, der Jüngsten der Familie Plumb, an alle vier Nachkommen in gleichen Teilen ausgezahlt zu werden. Die meisten Plumbs brauchen in der Finanzkrise frisches Geld, um die Konsequenzen ihrer wenig vorsichtigen Entscheidungen abwenden zu können. Um an ihre Anteile zu kommen, müssen sie eine für alle annehmbare Lösung finden.
Die vier Plumb Kinder stellen eine Art Archetypen der heutigen amer. Gesellschaft dar: Der charismatische Leo, der nur an sich denkt und als Erstes eigene Vorteile gelten lässt. Angenehmes Leben auf Kosten anderer ist für ihn kein Problem, viel mehr der Fall von kluger Vorsorge und erfolgreicher Überzeugungsarbeit gegenüber seinen Gläubigern. Sein kleiner Bruder, Leo-Light in der Schule genannt, der nun das Geld dringend braucht und von der Gnade seines großen Bruders abhängt. Leo-Light hätte sich aber genauso verhalten, wäre er an Leos Stelle. Melodie, die Jüngste, die ein für sie zu teures Haus auf Pump gekauft hat. Nun weiß sie nicht, wie sie die Raten dafür abstottern soll, denn ohne das Geld vom Vater sind die Zahlungen gar nicht zu bewältigen, zumal auch College für die Töchter bald bezahlt werden soll. Da gibt es noch Bea, einst erfolgreiche Autorin, die seit paar Jahrzehnten keinen Roman mehr geschrieben hat.
Diese Situation eignet sich bestens, um der Generation der heute 40-46 jähriger Großstädter in New York Spiegel vors Gesicht zu halten und zum Nachdenken über die Ursachen der selbst gemachten Krisen anzuregen. Die Autorin präsentiert insg. drei Generationen der Familie Plumb, die unterschiedlicher hätten nicht sein können.
Anhand von dieser Familie ist bildhaft wie unterhaltsam gezeigt worden, wie es zu der Finanzkrise kommen konnte, welche Werte oder Abwesenheit dessen im Spiel waren, um die einen, die die Krise in Gang gesetzt hatten, ungeschoren davonkommen zu lassen und die anderen, die ihr ganzes Leben den Dollar zwei Mal umdrehen, bevor sie ihn ausgeben, für die Taten der Egomanen bezahlen und sonst alle Konsequenzen tragen zu lassen.
Der Roman ist eine Gesellschaftssatire: witzig, toll beobachtet und meisterhaft erzählt.
Die typischen Charakterzüge der Großstadtneurotiker wie die Scheinheiligkeit, Egomanie, Kaltherzigkeit usw. nimmt die Autorin gekonnt aufs Korn.
Jedes Kapitel endet mit einem Cliffhänger und wechselt zu einer anderen Figur, bzw. zu einer weiteren Episode aus dem Leben der Mitglieder der Familie Plumb, auch zum Leos Unfallopfer und ihrer Familie, den Bekannten, etc., wodurch ein lebendiges Gemälde entsteht.
Viele Themen sind gekonnt in den Erzählteppich eingewoben worden. Die Nachwirkungen der Immobilienkrise sind für Melody von großer Wichtigkeit. 9/11 ist anhand einer rührenden Geschichte zweier Liebenden präsent. Der Mann spielt im letzten Drittel eine Rolle, die weiter für spannende Momente sorgt und in einem rührenden Höhepunkt mündet. Auch das Thema Erwachsenwerden ist am Beispiel von Melodys Töchtern dabei. Alleinerziehende Mütter sind durch Stephanie, Leos langjährige on/off Freundin gut präsent, etc. Die Perspektiven wechseln sich, je nach dem aus welcher Sicht erzählt wird, was zweifelsohne eine Bereicherung darstellt.
Die Autorin wagt sich auch an solche Themen wie Homo-Ehe und Kinderwunsch: Leos kleiner Bruder lebt mit seinem Ehemann seit 20 Jahren zusammen. Die lesbischen Neigungen einer von Melodys Töchtern sind auch dabei und, wie Jacks Geschichte, meisterhaft wie bewegend dargestellt worden.
Die Aussage des Romans ist recht bodenständig, was auch zu der Geschichte insg. sehr gut passt.
„Das Nest“ hat auf mich einen sehr guten, authentischen Eindruck gemacht. Er folgt keinem (!) bekannten Erfolgsmuster, ist spannend, klug und einfach nur schön. Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen und fühlte mich in der gesamten Länge bestens, auf gutem intellektuellem Niveau unterhalten.

Fazit: Ein toller, sehr gut gelungener Familienroman. Überlebensgroße Figuren, toller Plot, meisterhaft erzählt. Ich habe mich für „Das Nest“ begeistert und kann es wärmstens weiterempfehlen. 5 von 5 möglichen Sternen.

Veröffentlicht am 17.10.2016

Eine sehr schöne Geschichte!

Dein perfektes Jahr
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„Dein perfektes Jahr“ habe ich als Hörbuch genossen und kann es wärmstens weiterempfehlen. Es ist eine tolle, kluge, gekonnt und leichtfüßig erzählte Geschichte, die so optimistisch und lebensbejahend ...

„Dein perfektes Jahr“ habe ich als Hörbuch genossen und kann es wärmstens weiterempfehlen. Es ist eine tolle, kluge, gekonnt und leichtfüßig erzählte Geschichte, die so optimistisch und lebensbejahend ist, obwohl sie auch Trauerbewältigung der Protagonistin und andere ernste Themen beinhaltet, und einen bleibenden, sehr hellen Eindruck hinterlässt.
Auszug aus dem Klappentext: „Was ist der Sinn deines Lebens? Für Hannah Marx ist die Sache klar. Das Gute sehen. Die Zeit voll auskosten. Das Hier und Jetzt genießen. Und vielleicht auch so spontane Dinge tun, wie barfuß über eine Blumenwiese zu laufen.
Doch manchmal stellt das Schicksal alles infrage, woran du glaubst ...“
Die Geschichte spielt hpts. in Hamburg und schildert ein Jahr aus dem Leben der Protagonisten und ihrer Angehöriger. Hannah Marx ist eine tolle Hauptfigur, die einen mit Schwung, Humor und Optimismus durch die Geschichte fegt. Ihr männlicher Pendant Jonathan Grief stellt so ziemlich das Gegenteil von Hannah, insb. am Anfang, dar. Ein überkorrekter Nörgler vom Verlegersohn, der morgens die Zeitung liest und die dort aufgefundenen Fehler hervorhebt. Gelegentlich schreibt er seine Korrekturen und Beschwerden an die Redaktion. Ansonsten ist er Privatier, der von seiner Frau verlassen wurde, und von seinem Erbe allein in seiner schicken, zentral gelegenen Villa lebt. Das Geschäftliche erledigt für ihn der von seinem aus dem Verlag ausgeschiedenen Vater angestellter Geschäftsführer. Eines Morgens, am 1sten Januar, als Jonathan nach seiner obligatorischen Laufrunde an der Alster zu seinem Fahrrad zurückkommt, entdeckt er am Lenkrad einen Filofax in einer Tüte. Dieser ist bis Dezember mit diversen Unternehmungen ausgefüllt, die im Voraus geplant wurden, und dazu da sind, Lust am Leben zu wecken. Da Jonathan keine rechtmäßigen Besitzer ausmachen kann, fängt er an, nach diesem Filofax zu leben und die darin enthaltenen Termine wahrzunehmen. Was daraus wird, das muss man selbst lesen, bzw. hören.
Ich habe das Buch fast in einem Rutsch gehört, so schön, spannend und unterhaltsam war es. Auch die Nebenfiguren fand ich sehr gelungen. Sie hatten alle ihre Eigenheiten und Vorgeschichten sowie ihre eigenen kleinen Stories im Rahmen der Handlung, die zum Schluss aufgelöst wurden. Dabei wurden die Themen wie Familienzusammenhalt, Treue, Vater-Sohn Beziehung, Mutter-Sohn-Liebe, Einsamkeit, Erfüllung und Glück im Leben, Umgang mit Krebserkrankung und Demenz, etc. gekonnt in den Erzählteppich eingewoben und vollkommen überzeugend dargeboten.
Die Geschichte wurde auch wunderbar vorgetragen: von Devid Striesow, der die männlichen Rollen übernahm, und von Anna Thalbach, die Frauenrollen sprach. Die Stimmen passen wie dazu geschaffen. Ich konnte alle Figuren prima heraushören, da sie alle unterschiedlich ausfielen, ihre Charaktere und Launen waren sofort wahrnehmbar. Ich fühlte mich gleich von der ersten Minute an in das Geschehen versetzt und konnte nur dann aufhören, als das Hörbuch zu Ende war.
Fazit: Eine sehr schöne Geschichte, insb. für Fans kluger, humoriger Frauenromane.
Hörbuch. Spieldauer: 7 Stunden und 12 Minuten, ungekürzte Ausgabe. Gelesen von Devid Striesow und Anna Thalbach.