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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.06.2017

Existenzielle Probleme

Die New-York-Trilogie
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Auster gilt ja als eine der größten literarischen Entdeckungen der letzten Jahrzehnte. Schon lange wollte ich mal etwas von ihm lesen und hab jetzt zu dem Werk gegriffen, das ihn bekannt gemacht hat: „Die ...

Auster gilt ja als eine der größten literarischen Entdeckungen der letzten Jahrzehnte. Schon lange wollte ich mal etwas von ihm lesen und hab jetzt zu dem Werk gegriffen, das ihn bekannt gemacht hat: „Die New-York-Trilogie“. Um es schon mal vorweg zu sagen: Ich hab mir etwas mehr bzw. etwas anderes erwartet. Das Buch setzt sich aus drei eigenständigen, relativ kurzen Geschichten zusammen. Die Geschichten haben inhaltlich nichts miteinander zu tun und könnten theoretisch auch einzeln gelesen werden. Ihre Gemeinsamkeit: Die Geschichten sind vermeintliche Detektivgeschichten, in denen es aber eigentlich gar keinen richtigen Kriminalfall gibt. Die Geschichten werden nie ganz aufgelöst, die Protagonisten geraten alle in eine Lebenskrise und haben alle etwas Selbstzerstörerisches an sich. In allen drei Geschichten werden die Protagonisten in einen Kriminalfall verstrickt, sie werden zum Detektiv und stellen Nachforschungen an. Letztendlich können sie den Fall aber nicht aufklären, sondern bekommen nur ihr eigenes Schicksal vor Augen geführt. Auster geht es in diesem Buch hauptsächlich darum, existentielle Probleme darzustellen und exzessive Leidenschaften zu thematisieren. Auch das Thema Isolation spielt eine Rolle. Literarisch ist ihm das durchaus gelungen. Der Schreibstil ist tatsächlich großartig, sehr eigen und speziell, aber durchaus angenehm zu lesen. Man spürt regelrecht die Verlorenheit der Protagonisten, ihre Zerrissenheit. Alle Geschichten hinterlassen auch einen melancholischen, morbiden Nachgeschmack. Trotzdem war das Buch nicht so ganz meins. Die erste Geschichte habe ich noch recht begeistert gelesen – obwohl sie einige Längen hat. Die zweite und kürzeste der drei Geschichten hat mich dann ehrlich gesagt gelangweilt. Ab der dritten Geschichte, die eigentlich die beste in diesem Buch ist, hat man dann schon gar keine große Lust mehr, weiterzulesen, weil man eben schon weiß, worauf es hinauslaufen wird. Dass die Geschichten alle so ins Leere laufen und in ihnen Dinge aufgebauscht werden, die dann wieder in sich zusammenfallen und nichts mit der Handlung zu tun haben, fand ich sehr unbefriedigend. Mir ist schon klar, dass das so gewollt ist. Dennoch hat man gerade deswegen danach das Gefühl, Zeit verschwendet zu haben, weil man sich mit diesen nichtssagenden Geschichten beschäftigt hat. Fazit: Ein intelligentes, anspruchsvolles Werk auf literarisch hohem Niveau, das mir aber nichts gegeben hat.

Veröffentlicht am 05.06.2017

Zu wenig Handlung für zu viele Seiten

Die fernen Stunden
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Ich sage es gleich mal vorneweg: „Die fernen Stunden“ konnten mich leider nicht in gleichem Maß begeistern wie Kate Mortons erste beiden Romane „Das geheime Spiel“ und „Der verborgene Garten“. Dabei ist ...

Ich sage es gleich mal vorneweg: „Die fernen Stunden“ konnten mich leider nicht in gleichem Maß begeistern wie Kate Mortons erste beiden Romane „Das geheime Spiel“ und „Der verborgene Garten“. Dabei ist der Roman nach gewohntem Morton-Rezept gestrickt. Wir haben zwei Handlungsstränge – einen in der Gegenwart und einen in der Vergangenheit – und es gilt wieder ein dunkles Familiengeheimnis aufzudecken. Diesmal handelt die Geschichte von Edith Burchill, die als Lektorin in einem kleinen Londoner Buchverlag arbeitet. Zu ihrer Mutter hat sie zwar Kontakt, das Verhältnis ist aber eher frostig. Da erhält ihre Mutter eines Tages einen Brief, der längst als verschollen galt. Der Inhalt dieses Briefes bringt die sonst so kühle und beherrschte Frau zum weinen. Da beschließt Edith, sich auf die Suche nach dem Absender zu machen und kommt nach Milderhurst Castle, wo sie auf drei exzentrische Schwestern trifft, die seit Jahrzehnten in dem Schloss leben und die ein dunkles Geheimnis verbindet. Mortons Schreibstil ist gewohnt angenehm, sie schreibt sehr szenisch, mit viel Liebe zum Detail. So kann man als Leser wirklich gut in die Szenerie eintauchen und erforscht mit Edith das etwas düstere, verfallene Schloss. Auch die Charaktere und deren Gefühle und Entwicklungen hat Morton eigentlich ganz gut beschrieben. Was den Roman aber wirklich nur mittelmäßig macht ist die Geschichte an sich. Dafür, dass der Roman über 700 Seiten dick ist, war kaum Handlung vorhanden. Gerade die erste Hälfte des Romans ist sehr langatmig und fast schon zäh, nach 200 Seiten hat man immer noch das Gefühl, dass die Geschichte noch gar nicht richtig begonnen hat. Erst zum Schluss wird die Geschichte ein wenig interessant und hat sogar spannende Momente. Zu kurz kommt mir auch die historische Komponente. Zwar spielt der Handlungsstrang, der in der Vergangenheit angelegt ist, während des zweiten Weltkriegs, doch obwohl Morton durchaus historische Fakten einbindet, bleibt die Thematik irgendwie auf der Strecke und trägt eigentlich auch nicht wirklich etwas zur Geschichte bei. Auch mit den Charakteren bin ich überhaupt nicht warm geworden und ihre Schicksale haben mich nicht berührt. Die Idee hinter der Geschichte war nett, aber nichts Besonderes und im Ganzen gesehen fast ein wenig banal. Schade, weil Morton ja schon bewiesen hat, das sie gute Geschichten schreiben kann.

Veröffentlicht am 05.06.2017

Beliebige Geschichte, austauschbare Figuren

Das Erbe der Fonteroys
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Die Geschichte einer Pariser Pelzhändlerdynastie vom Ersten Weltkrieg bis in die 1960er Jahre – voller bewegender Schicksalsschläge, zwischen Geheimnissen, politischen Verstrickungen und unerfüllten Lieben. ...

Die Geschichte einer Pariser Pelzhändlerdynastie vom Ersten Weltkrieg bis in die 1960er Jahre – voller bewegender Schicksalsschläge, zwischen Geheimnissen, politischen Verstrickungen und unerfüllten Lieben. Stoff also, aus dem man echt etwas hätte machen können. Révay ist mit „Das Erbe der Fonteroys“ allerdings trotzdem nur eine mittelmäßige Familiensaga gelungen. Der Schreibstil ist dabei wirklich ansprechend. Das Buch lässt sich sehr angenehm lesen und man kann den Roman definitiv als kurzweilig bezeichnen. Wie Révay allerdings die Handlung entwirft, ist einfach nur lieblos. Der Roman beginnt 1921: Valentine heiratet eher unfreiwillig André, den Erben der Pelzhändlerdynastie Fonteroy. Über zwei Generationen hinweg wird dann die Geschichte der Familie und des Unternehmens erzählt – zwischen Aufstieg und Fall, zwischen Kriegswirren, Weltwirtschaftskrise und Friedenszeiten, zwischen Paris, Leningrad und Leipzig. Es gibt auch immer mal wieder kleine Rückblenden in die Zeit um den Ersten Weltkrieg. Dabei rast Révay wie ein Schnellzug durch die Zeit. Nach vier Seiten sind dann oft schon mal wieder zwei Jahre vergangen. Und ehe man sich versieht, ist auch der Zweite Weltkrieg schon wieder vorbei. Kaum hat man sich mit den Protagonisten der ersten Generation angefreundet, muss man sich schon an die Protagonisten der zweiten Generation und deren Geschichten gewöhnen. Oft wusste man tatsächlich nicht, in welchem Jahrzehnt man sich gerade befindet. Auch viele wichtige Dinge hat man eher so nebenbei erfahren: Da hat Valentine plötzlich auch noch einen kleinen Sohn und in einem Nebensatz bekommt man dann mit, dass sie für den Widerstand arbeitet. Das alles hat zur Folge, dass der Roman total oberflächlich ist und man gar keine Chance hat, an die Protagonisten heranzukommen und an ihrem Schicksal Anteil zu nehmen. Die Geschichte wird total beliebig und die Figuren einfach austauschbar. Ich konnte überhaupt nicht richtig in die Geschichte eintauchen, weil einfach alles so an mir vorbeigeplätschert ist. Diesen Roman kann man sich meiner Meinung nach echt sparen. Lieber sollte man Révays Zweiteiler „Die weißen Lichter von Paris“ und der „Himmel über den Linden“ lesen. Da geht es um eine ziemlich ähnliche Thematik, allerdings hat Révay da ihr Handwerk besser verstanden.

Veröffentlicht am 05.06.2017

Ein Roman unter vielen

Der Lavendelgarten
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Sagen wir es einmal so: „Der Lavendelgarten“ ist ein netter, kurzweiliger (Ferien-)Schmöker mit den bewährten Zutaten Familiengeheimnis, Liebe und Intrigen. Mehr aber auch schon nicht. Ganz bestimmt ist ...

Sagen wir es einmal so: „Der Lavendelgarten“ ist ein netter, kurzweiliger (Ferien-)Schmöker mit den bewährten Zutaten Familiengeheimnis, Liebe und Intrigen. Mehr aber auch schon nicht. Ganz bestimmt ist der Roman keiner, der lange im Gedächtnis bleiben wird. Im Roman geht es um Emilie de la Martinières, die einer adeligen und reichen französischen Familie entspringt. Ihren Vater hat sie schon früh verloren, zur Mutter hatte sie nie einen besonders guten Draht. Fernab ihrer adeligen Herkunft hat sich Emilie daher ein eigenes Leben aufgebaut. Als ihre Mutter stirbt, lastet plötzlich das Erbe der Familie allein auf Emilies Schultern und sie kehrt an den Ort ihrer Kindheit zurück, ein herrschaftliches Chateau in der Provence. Zufällig lernt sie dort den Engländer Sebastian kennen, der sich als Kunsthändler ausgibt. Mit der Zeit stellt sich heraus, dass Sebastians Großmutter während des Zweiten Weltkriegs im Chateau gelebt hat und eng mit Emilies Vater und dessen Schwester verbunden war. Der Schreibstil war nichts Besonderes. Das Gleiche trifft im Grunde auch auf die Geschichte zu. Alles ist so ein bisschen nach Schema-F gestrickt und man hat ständig das Gefühl das alles schon mal so ähnlich irgendwo anders gelesen zu haben. Die Dialoge waren mir zum Teil viel zu aufgesetzt und leidenschaftslos und die ganze Geschichte ist im Endeffekt ziemlich durchschaubar. Gefehlt hat mir in der Geschichte auch ein wenig mehr Emotionalität. Immerhin geht es ja auch um englische und französische Widerstandskämpfer im Zweiten Weltkrieg. Die belastende Stimmung zu jener Zeit in Frankreich, auch die zum Teil wirklich heftigen Schicksalsschläge der Protagonisten kommen überhaupt nicht richtig rüber. Riley kratzt immer nur an der Oberfläche und schafft es nicht, mehr in die Tiefe zu gehen. Letztendlich bleibt das Buch eines unter vielen in diesem Genre.

Veröffentlicht am 05.06.2017

Ein Roman mit zwei Gesichtern

Die Frau des Zeitreisenden
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Selten hat mich ein Buch so zwiegespalten zurückgelassen wie „Die Frau des Zeitreisenden“. Mir fällt es
tatsächlich sehr schwer zu sagen, was ich von dem Buch halte. Nur eines ist für mich klar: Der Roman ...

Selten hat mich ein Buch so zwiegespalten zurückgelassen wie „Die Frau des Zeitreisenden“. Mir fällt es
tatsächlich sehr schwer zu sagen, was ich von dem Buch halte. Nur eines ist für mich klar: Der Roman wird maßlos überschätzt. Gleich von Anfang an wird deutlich: dieses Buch ist ein Liebesroman. Er handelt von der Beziehung zwischen Clare und Henry. Das Besondere daran: Henry ist ein Zeitreisender. Weil er an einem Gendefekt leidet, verstellt sich immer wieder seine innere Uhr und er landet irgendwo in der Vergangenheit oder der Zukunft. Als Clare Henry zum ersten Mal sieht, ist sie sechs Jahre alt. In Henrys Gegenwart sind da beide aber schon lange verheiratet. Die Zeitreisen sind es, die Clares und Henrys Beziehung so spannend, aber auch so schwierig machen. Von den Kritikern wurde der Roman ja zur „schönsten Liebegeschichte des Jahrhunderts“ gekürt. Diese Meinung kann ich nicht teilen. Mir ist wirklich schleierhaft, was an Clares und Henrys Liebe so speziell und außergewöhnlich sein soll. Eigentlich fand ich die Beziehung der beiden zum Teil sogar etwas gruselig. Es macht nämlich fast den Anschein, als ob der erwachsene Henry die sehr junge Clare geradezu manipuliert hat, damit sie ihn später so sehr liebt und nur noch ihn haben will. Generell fand ich Henrys Besuche bei seiner Frau, als sie noch ein Kind war, etwas befremdlich und die Szenen hinterließen bei mir eher ein unbehagliches Gefühl. Clare wirkt teilweise extrem frühreif. Hätte das Buch ein Mann geschrieben, man könnte da geradewegs auf Gedanken kommen.

Der Schreibstil ist zwar sehr flüssig und leicht, dennoch musste ich mich manchmal regelrecht zum weiterlesen zwingen. Mehrheitlich besteht der Roman nämlich aus langatmigen Beschreibungen von Alltagsabläufen und Wiederholungen. Emotionen bleiben nur zu oft auf der Strecke. Bis zum letzten Viertel des Romans habe ich sehr oft mit dem Gedanken gespielt, das Buch einfach abzubrechen. Doch dann kam alles anders, denn plötzlich hat der Roman all das, was ich vorher vermisst habe. Die Geschichte wird auf einmal sehr spannend: Henry findet einen Arzt, der ihn heilen will. Wir leiden mit Clare, die so gerne Kinder haben möchte und wir ahnen, dass da noch etwas kommen wird, etwas Dunkles, Düsteres. Plötzlich sind da auch die gefühlvollen, aufwühlenden und sehnsüchtigen Passagen, auf die man die ganze Zeit gewartet hat. Und es wird deutlich, um was es in dem Roman gehen soll: die eine richtige, bedingungslose Liebe. Schließlich hat mich das Buch sogar zu Tränen gerührt.